Ozon-2-Wölfisches Verhalten - rbb Rundfunk Berlin

Rundfunk Berlin Brandenburg
Mo 20.04.2015 I 22:15 I OZON unterwegs
Wölfisches Verhalten
Die Lausitz ist die Urheimat aller Wölfe, die in Deutschland wieder Quartier bezogen
haben, und das sind mittlerweile mehr als einhundert. Ihre Ausbreitung wird genau
dokumentiert, ihr Verhalten mit der Kamera beobachtet, ihre Nahrung erforscht. Und die
Todesursachen: überfahren, illegal abgeschossen. Den Heimkehrer kennt man inzwischen
recht genau, und das Wissen über den Beutegreifer soll helfen, ihn als Tier zu
akzeptieren, das in diese Landschaft gehört.
Manuskript des Betrags:
Von hier aus eroberten sie den märkischen Sand: Die ersten deutschen Welpen - nach
über 150 Jahren - kamen auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz zur Welt.
Ein Rudel, das ist eine fünf bis zehn Tiere große Familie. Sie beansprucht eine riesige
Fläche von 250 Quadratkilometern – je nach Futterangebot mal mehr, mal etwas weniger.
Spätestens zur Geschlechtsreife im Alter von zwei Jahren wandern die Jungwölfe ab. So
verbreiten sie sich wieder über Deutschland.
Wohl niemand hat hierzulande mehr wilde Wölfe gesehen als der Naturfilmer und Biologe
Sebastian Koerner. Aggressives Verhalten innerhalb eines Rudels? Fehlanzeige!
O-Ton Sebastian Koerner:
Naturfilmer und Biologe
„Es ist so ein Mythos, dass die jungen Wölfe weggebissen werden. Dabei ist es
letztendlich genau wie bei uns Menschen. Auch in den menschlichen Familien wollen die
Kinder, wenn sie ausgebildet sind, wenn die groß sind, dann wollen die selbst eine Familie
gründen, dann wollen die weg von ihren Eltern.“
Die Wege der Wölfe verfolgt das Lupus-Institut für Wolfsmonitoring und -Forschung in
Spreewitz. Die Biologin Gesa Kluth war vor mehr 15 Jahren als eine der ersten den
Neuankömmlingen auf der Spur. Bilder aus einer Fotofalle. Die Raubtiere sind scheu und
nachtaktiv. Eine Detektivarbeit.
O-Ton Gesa Kluth
Lupus-Institut für Wolfsmonitoring und Forschung Deutschland
„Man muss auch die Wolfsbiologie kennen, man muss verstehen, wie die ticken, wie sie
sich orientieren, wie sie sich untereinander verhalten. Was das bedeutet, wenn sich ein
Territorium ein bisschen verschieben kann.“
Genau das passierte im Jahr 2000, als zum ersten Rudel bei Weißwasser ein zweites
hinzukam.
O-Ton:
„Hier bei dem sieht man: großer Vorderfuß, kleiner Hinterfuß.“
Die ersten Wolfsspuren waren noch eine Attraktion.
O-Ton:
„Hier hat ein Wolf eine Kotmarkierung abgesetzt.“
Tausende Proben wurden im Laufe der Jahre gesammelt, so genannte Losungen, Material
für Laboruntersuchungen. Man will herausfinden, wo die Wölfe unterwegs sind. Für alle
erkennbare Spuren gibt es immer dann, wenn Wölfe in einer Gegend neu auftauchen.
Die Schäfer in der Lausitz mussten zunächst Verluste hinnehmen. Die Wolfsforscher
erzählten von international bewährten Abwehrstrategien. Hohe Elektrozäune zum Beispiel.
Auch
andere
Maßnahmen
werden
heute
beim
Wolfsmanagement
gefördert:
Herdenschutzhunde, die die Schafe erfolgreich verteidigen.
Wie erfolgreich? - Das untersuchen Forscher des Görlitzer Senckenberg-Instituts seit
Jahren. Gewaschener und getrockneter Wolfskot. Hase, Reh, Damwild. Beziehungsweise
die für Wölfe unverdaulichen Reste. Jedes Haar ist eindeutig zu identifizieren. Das war
Wildschwein. Resultat nach 6.000 Proben. Der Anteil an Nutztieren in der Wolfsnahrung
liegt bei weit unter einem Prozent. Hier werden auch Schädel von Wölfen untersucht. Das
Alter ist leicht zu bestimmen. Aufgeschnittene Zähne lassen unterm Mikroskop so etwas
wie Jahresringe erkennen. So genannte Zuwachslinien im Zahnzement. Wölfe in
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Deutschland sterben jung, weil sie da noch unerfahren und neugierig sind. Sie aber wurde
13 Jahre alt – entsprechend abgenutzt die Zähne.
Im Leibniz Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin werden alle toten Wölfe
Deutschlands untersucht. Sie bleiben im Plastiksack, solange eine Straftat nicht
ausgeschlossen
ist.
Ursachenforschung
im
weltweit
leistungsfähigsten
Computertomographen in der Tiermedizin. Der tote Wolf Nr. 91 für Professor Thomas
Hildebrandt.
O-Ton:
„War das ein Autounfall? Der ist einfach tot aufgefunden, der war schon verwest... Da hat
er einen vollen Crash in den Brustkorb.“
Überfahren, deshalb kein Fall für die Staatsanwaltschaft. Der bei Frost gefundene und
danach ein gefrorene Wolf kann ausgepackt und weiter untersucht werden. In der
Bundesrepublik gibt es nicht einen wissenschaftlichen Beleg für Angriffe von wilden
Wölfen auf Menschen. Umgekehrt schon. Er wurde mit einer Schussverletzung gefunden.
O-Ton:
„Das sind Geschosspartikel, die sich hier im Bereich des Herzens befinden, die können
eindeutig als Todesursache für unseren Wolf deklariert werden.“
Die Henkersmahlzeit im Magen ist noch sichtbar - große Knochenreste. Der Wolf war also
kerngesund. Die Wolfsrudel werden mehr und breiten sich zurzeit vor allem in Richtung
Norden aus. Seit März wurden ein oder zwei Wölfe in Wohngebieten beobachtet. Sie
wuchsen auf dem Truppenübungsplatz Munster auf, hatten immer mal wieder Soldaten in
Sichtweite.
O-Ton Gesa Kluth:
Lupus-Institut für Wolfsmonitoring und Forschung Deutschland
„Wenn ein Welpe in den ersten Lebensmonaten lernt, Menschen sind eh kein Problem, ich
kann mich denen ruhig nähern, dann kann das dazu führen, wenn der dann abwandert
und in dichter besiedelten Gegenden kommt, dass er immer wieder auf Menschen trifft.
Ohne dass er dann gefährlich ist! Aber er trifft eben immer wieder auf Menschen und das
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löst Ängste aus. Und deshalb ist das ein Verhalten, das man nicht möchte. Aus
Menschensicht möchte man nicht, dass die Tiere dieses Verhalten zeigen!“
Der Jungwolf übt das Jagen - an einer Maus. Mühsam... Würden ihn Menschen eines
Tages füttern, das ist aktuell die größte Sorge der Forscher, so wäre dies wohl ein
Todesurteil. Für den Wolf!
Ein Bericht von Wolfgang Albus.
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