EMBODIMENT IN DER MEDIATION 1. BEGRIFFSDEFINITION UND EINLEITUNG Mediation ist ein außergerichtliches, vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mithilfe eines Mediators freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konfliktes anstreben. Der Mediator trifft dabei keine Entscheidungen bezüglich des Konfliktes, sondern leitet dieses Verfahren lediglich. In diesem Prozess kann es ein nützlich sein, sich nicht auf die Ebene der verbalen Kommunikation zu beschränken, sondern auch die nonverbale Kommunikation auf körperlicher Ebene zu beachten. Ein Konzept, das die Wechselwirkung zwischen Körper und Psyche betont, ist das Embodimentkonzept. Laut diesem Modell ist es nicht nur so, dass sich psychische Zustände (Emotionen und Kognitionen) im Körper ausdrücken, sondern auch umgekehrt, Körperzustände Auswirkungen auf psychische Zustände haben. INHALTSVERZEICHNIS 1. Begriffsdefinition und Einleitung............................................................................. 1 2. Nonverbale Kommunikation: Körpersprache ......................................................... 1 3. Zentrale Annahmen des Embodimentansatzes ...................................................... 4 4. Aktuelle Studienlage................................................................................................. 6 5. Übertragung auf die Mediation ................................................................................ 9 6. Verweise und Quellen..............................................................................................14 2. NONVERBALE KOMMUNIKATION: KÖRPERSPRACHE „Man kann nicht, nicht kommunizieren“. Dieser Satz von Paul Watzlawick bringt es auf den Punkt. Unser Körper spricht immer. Mimik, Gestik, Tonfall, Haltung und Gang zeigen unserem Gegenüber deutlich unsere innere Haltung und hinterlassen innerhalb von Millisekunden einen bleibenden Eindruck. Die Ausstrahlung des Mediators und der Eindruck, den er auf die Medianten macht, hängen also nicht nur vom Wortinhalt ab. Einen erheblich größeren Einfluß, als die gesprochene Mitteilung, haben Körpersprache und Stimme. In der 1 Literatur wird dieser Anteil sehr unterschiedlich von 80% bis sogar 93% (Merabian Studie) bezeichnet. Aspekte der nonverbalen Kommunikation Unbewusste, nonverbale Kommunikation gibt uns aufschlussreiche zusätzliche Informationen zum gesprochenen Wortinhalt und ermöglicht uns dadurch besseres Verstehen unseres Gegenübers. Die Bedeutung unterschiedlicher Aspekte der Körpersprache sind z.B. von Watzlawick bereits auf vielfältige Art und Weise aufgezeigt worden. Daher sollen im Folgenden einige Aspekte betrachtet und mögliche Interpretationen in Hinblick auf das sich dahinter verbergende, menschliche Befinden dargestellt werden. Gangbild: Wie kommt eine Person herein? Ist ihr Gang eher leicht und beschwingt oder schwer und schleppend? Auch die Schrittlänge gibt eine Information, wieviel Raum nimmt sich eine Person? Eher trippelnd, ungelenk oder humpelnd oder übermäßig lange, große Schritte? Händedruck: Über einen Händedruck kann ich als Gegenüber die Spannung eines Menschen erspüren. Ist der Druck sehr gering und schlaff oder so kraftvoll, dass ich fast in die Knie gehe oder schüttelt jemand sehr lange und den ganzen Arm gleich mit, oder schlägt mit der anderen Hand vielleicht noch auf die Schulter seines Gesprächspartners? Besonders die Wärme und Feuchtigkeit eines Händedrucks gibt Informationen über den Erregungszustand eines Menschen, da diese Funktionen vom autonomen, also wenig beeinflussbaren Nervensystem gesteuert werden. Beispielsweise gibt ein feuchter, sehr schlaffer Händedruck (Fischhand) den Eindruck eines nervösen, unsicheren, eventuell ängstlichen Menschen. Blickkontakt: Der Volksmund sagt, „die Augen sind der Spiegel der Seele“, daher beinflusst uns der Blick eines anderen Menschen sehr stark. Kann mir mein Gegenüber in die Augen schauen, zwinkert er ständig oder wendet den Blick zur Seite oder nach unten? „Jemand nicht in die Augen schauen können“ wird in unserer Kultur mit Unehrlichkeit und geringem Selbstbewusstsein assoziert, dagegen ein zu langer, starrender Blick verletzt unser Distanzempfinden und wird als aufdringlich und unangemessen gewertet. Körperhaltung und Bewegungen: Über unsere Körperhaltung und unsere Bewegungen vermitteln wir dem Gegenüber einige Informationen über unser Selbstwertgefühl und unseren „Stand“ im Leben. Wie wir uns setzen, ob mit weichen Bewegungen oder eher eckig und ungeschickt, aufrecht oder krumm, zugewandt oder abgewandt, wenig oder viel Raum beanspruchend, zeigt unsere innere Haltung an. Beispielsweise erweckt häufiges 2 Zehenwippen, Fingertrommeln oder Nägelkauen den Eindruck von Nervosität und innerer Unruhe, sehr bequemes Sitzen oder Abgewandtheit, Desinteresse und Langeweile. Auch hierfür gibt es keine allgemeingültige Interpretation. Die Bedeutung ist von den Eigenarten eines Menschen und dem Kontext abhängig. Gestik: Über Gestik verstärken wir das gesprochene Wort. Ist diese sehr groß und ausladend oder gering bis gar nicht vorhanden? Wie viel Raum nimmt sich eine Person damit? Passt die Gestik zum Inhalt des Gesprochenen, ist sie authentisch oder eher künstlich auf Wirkung bedacht? Durch die Bewertung dieser Übereinstimmung gewinnen wir Informationen, wie sehr der Sprechende mit sich selbst im Klaren ist, ob unsicher, angeberisch, ängstlich oder nervös. Beispielsweise erzeugt Fingertrommeln den Eindruck von Ungeduld oder ständiges Spielen mit einem Stift eher Nervosität. Mimik: Unser Gesichtsausdruck gibt unserem Gegenüber viele Hinweise über unser Befinden. Ist der Gesichtsausdruck eher starr und maskenhaft oder ändert er sich im Laufe der Kommunikation? Ist er kongruent oder inkongruent zum Gesagten? Den Einfluß unserer Mimik als Mittel der nonverbalen Kommunikation hat Paul Ekman genau untersucht und festgestellt, dass wir über unsere Gesichtsmuskulatur sehr deutlich unsere Emotionen ausdrücken. Auch kleine Veränderungen wie das asymmetrische Hochziehen einer Augenbraue, das leichte Zucken eines Mundwinkels oder das Zwinkern nur eines Auges haben für unser Gegenüber einen Informationsgehalt. Hier gibt es eine große Spanne von Interpretationen, die erfahrungsabhängig sind. Atmung: Das Atmen geschieht ganz automatisch und oft unbewusst und zeigt über Frequenz und Tiefe viel vom Spannungszustand unseres Gegenübers. Spricht beispielsweise jemand mit zu wenig Atem, klingt es für uns gehetzt und nervös. Stimme: Die Stimme gilt als ein Indikator der Persönlichkeit. Eine feste, klangvolle, ausdrucksstarke Stimme vermittelt Kompetenz und Sicherheit, eine hohe piepsige Stimme eher Unsicherheit. Die Lautstärke, der Klang und Rhythmus einer Stimme können Sympathie oder Antipathie erzeugen und führen zu einer sehr individuellen Bewertung. Besonders Dialekte und Akzente bewirken durch frühere Erfahrungen unterschiedliche Emotionen. Als Zwischenfazit ist wichtig festzuhalten, dass Körpersprache nicht nach eindeutigen Codes einheitlich gedeutet werden kann und die Bedeutung von der Interaktion und dem Kontext abhängig ist! 3 Die Entstehung von Körpersprache Körperhaltung ist der Spiegel von aktuellen Stimmungen und Gefühlen, die ihrerseits wiederum auf Bedürfnissen basieren (siehe Abbildung 1). Beispielsweise ist Anerkennung ein Bedürfnis der meisten Menschen. Dies kann zu Emotionen von leichtem Ärger bis hin zu unkontrollierter Wut führen, wenn das Gefühl, „der andere erkennt meine Leistung nicht an“, nicht ausgesprochen wird. Körperhaltung innere Haltung Emotion Bedürfnisse Abbildung 1 Die Entstehung von Körpersprache Ein Konzept, das die Bedeutung der Körpersprache berücksichtigt und betont, ist das kognitionspsychologische Embodiment. Dieser Ansatz und dessen zentrale Annahmen sollen im Folgenden dargestellt werden. 3. ZENTRALE ANNAHMEN DES EMBODIMENTANSATZES Embodiment wird je nach Kontext unterschiedlich definiert. Wörtlich wäre es die Verkörperung oder die Leiblichkeit, was aber die Komplexität dieses Begriffes nicht darstellt. Eine Definition von Barsalou, Niedenthal, Barbey und Ruppert (2003) fassen das Konzept konkreter: „Embodiment sind Phänomene der „Verkörperung“, die sich auf Körperzustände, wie z.B. Haltungen, Bewegungen, Gestik und Mimik beziehen und die eine zentrale Rolle in der Informationsverarbeitung spielen.“ Die zentralen Aspekte werden im Rahmen der folgenden Annahmen näher beschrieben: Embodiment- äußere Haltung als Spiegel unserer inneren Haltung? Eine zentrale Annahme des Embodimentansatzes ist die Bidirektionalität. Der Körper mit seinen Ausdrucksformen (Körperhaltung, Bewegung, Gestik, Mimik und Sprechweise) drückt 4 über die „Körpersprache“ seine mentalen, emotionalen Zustände aus, es zeigen sich auch Wirkungen in umgekehrter Richtung (siehe Abbildung 2). Abbildung 2 Embodiment - Die Wechselwirkung zwischen Körper und Psyche Körperzustände beeinflussen psychische Zustände und bewirken eine Rückkopplung auf Kognition und Affekt (Körperfeedback). Embodiment schließt damit die Interaktion von Körper und Umwelt bei der Speicherung von Wissen ein. Es gibt Hinweise, dass die mentalen Repräsentationen, die bei der Verarbeitung von Sprache eine Rolle spielen, identisch sind mit den Repräsentationen, die bei der sinnlichen Wahrnehmung entstehen, beispielsweise bei dem Wort „treten“ wird das motorische Areal Areal für Beine ebenfalls aktiviert. Wenn ein Ereignis neu ist, also zum ersten Mal erfahren wird, werden zugrunde liegende sensorische, motorische und introspektive Zustände teilweise gespeichert. Später, wenn das Wissen über diese Wahrnehmung im Gedächtnis relevant relevant wird, simulieren Sprache und Gedanken den Originalzustand im Körper teilweise wieder. Diese körperliche Umsetzung von Wahrnehmung wird als embodied cognition bezeichnet und bedeutet, dass die Erinnerung an ein Ereignis teilweise durch aktive Simulation Simulation der sensorischen, motorischen und introspektiven Zustände im aktuellen Moment beim Abruf wieder entsteht (vgl. Barsalou et. al., 2003). Interaktion mit dem Gegenüber Die Definition von Barsalou bezieht sich stärker auf den kognitionswissenschaftlichen Informationsansatz, der sich eher auf die Zustände eines Individuums richtet, ohne den Aspekt der Interaktion mit anderen explizit zu integrieren. Der Mensch steht aber in i einer systemischen ystemischen Relation zur Umwelt, was bedeutet, dass wir als Einzelperson immer in ein System (andere Person/ Personen, mit denen wir über Beziehungen verbunden verbunden sind und in einem Raum) mit all seinen Gegebenheiten (warm-kalt, laut- leise, weit-eng eng usw.) eingebettet sind. Dies hat eine bedeutende Wirkung auf unsere Informationsverarbeitung 5 und führt zu subjektiven, ganz individuellen Interpretationen. Daher können „gleiche“ Situationen von verschiedenen Personen mit anderen Erfahrungen und Regeln völlig anders interpretiert werden. Kulturelle Unterschiede spielen hierfür ebenso eine bedeutende Rolle. Nicken bedeutet beispielsweise in manchen Kulturen eine Verneinung, was natürlich zu einer völlig anderen Interpretation der Absichten des Gegenübers führt. Wenn Körpersprache das Gesagte unterstreicht und verstärkt, vermittelt diese Kongruenz zwischen Informationsinhalt und Ausdruck den Eindruck von Authentizität und Klarheit beim Gegnüber. Divergenzen zwischen Gesagtem und Befindlichkeiten bewirken dagegen den Eindruck von Unsicherheit, möglicherweise auch von Unehrlichkeit. Einfluss der Spiegelneuronen Wie können wir in sozialen Interaktionen die körperlichen Zustände des Gegenübers wahrnehmen? Dies geschieht neurobiologisch in unseren Gehirnstrukturen durch Einfluß der Spiegelneurone. Diese bilden im Gehirn des Zuschauenden, oder an einem Geschehen beteiligten Menschen nicht nur Handlungen des Gegenübers nach, sondern führen zur Wahrnehmung und dadurch, (meist unbewusst) zur eigenen körperlichen Nachahmung. Diese Nachahmungen haben nach den Annahmen des Embodimentansatzes eine Wirkung auf unseren eigenen Körperzustand, da wir über dieses eigene Körperfeedback „spüren“ und „erfahren“ was für Empfindungen und Gefühle unser Gegenüber hat. Diese Fähigkeit ist beispielsweise beim Einschätzen eines Lächelns, ob echt oder unecht, sehr entscheidend wie Studien von Niedenthal et al. (2010) belegen. Versuchspersonen, die an der Nachahmung des Lächelns gehindert wurden, konnten die Intention eines Lächelns sehr viel schlechter einschätzen. Im Folgenden soll ein Überblick über weitere, empirische Studien gegeben werden, die den Embodimentansatz untersuchen. 4. AKTUELLE STUDIENLAGE Den Einfluss von psychischem Befinden auf Körperhaltung findet man in der Wissenschaft bereits sehr früh erwähnt. Schon Charles Darwin (1872) beschrieb in seinem Werk „The expression of the emotion in man and animal“ den Körperausdruck des stolzen Mannes und Weisfeld und Beresford (1982) beobachteten eine veränderte Körperhaltung bei Highschoolabsolventen, nachdem diese über ihre Examensnote in Kenntnis gesetzt worden waren. Aus diesen und weiteren Studien wurde ersichtlich, dass das psychische Befinden eine Auswirkung auf den körperlichen Ausdruck hat. Doch der Embodimentansatz geht darüber hinaus und behauptet, dass diese Relation auch umgekehrt ihre Gültigkeit besitzt, 6 dass also auch das Körpergeschehen einen Einfluss auf das psychische Befinden hat. Im Folgenden sollen Studien vorgestellt werden, die sich mit dieser Hypothese befasst haben und unter dem Namen des Bodyfeedbacks bekannt wurden: • Der wohl bekannteste Vertreter dieser Forschungsrichtung ist Paul Ekman. Er machte die Beobachtung, dass mit einer Kontraktion bestimmter Gesichtsmuskeln auch bestimmte Emotionen einhergehen und er nannte diese Entdeckung das „Facial Feedback“. Diese Hypothese wurde zahlreich belegt. So berichten Studienteilnehmer die lächeln, über positivere Gefühle als Teilnehmer, die man aufgefordert hatte die Stirn zu runzeln (Adelman & Zajonc, 1989) • Strack, Martin und Strecker (1988) untersuchten, ob dieser Effekt auch auftritt, wenn sich die Versuchspersonen der Emotionen nicht bewusst sind, die ihre Gesichtsmuskulatur ausdrückt. Dazu sollten Versuchsgruppen den gleichen Cartoon bewerten, während dessen Präsentation sie einen Stift mit den Lippen oder den Zähnen halten mussten. Ein Halten mit den Lippen unterdrückt eine Aktivierung des Musculus Zygomaticus major, der für das Lächeln entscheidende Muskel. Das Halten mit den Zähnen jedoch, aktiviert diesen Muskel. Es zeigte sich, dass Versuchspersonen, die den Stift mit den Zähnen gehalten hatten, dessen Musculus Zygomaticus major also aktiviert wurde, den Cartoon als lustiger und positiver bewerteten als Personen mit der anderen Versuchsbedingung. • Riskind und Gotay (1982) untersuchten den Einfluss von Körperhaltung auf das Durchhaltevermögen bei einer frustrierenden Aufgabe. Dazu brachten sie die Versuchspersonen für 8 Minuten in eine gekrümmte oder eine aufrechte Haltung, legten ihnen anschließend unlösbare Aufgaben vor und maßen die Zeit, die die Probanden beim Lösungsversuch verbrachten. Die Versuchspersonen, die zuvor in einer gekrümmten Haltung verweilen mussten, gaben wesentlich schneller auf als die Versuchspersonen, die aufrecht gesessen hatten. Riskind und Gotay interpretierten die Ergebnisse so, dass die gekrümmte Körperhaltung ein Gefühl von Versagen und Hilflosigkeit hervorruft und die Versuchspersonen zu einem schnellen Aufgeben verleitet. • Ein weiteres Experiment zur Körperhaltung führte Sabine Stepper im Jahre 1992 durch. Um zu vermeiden, dass eine Interpretation der Körperhaltung und damit also kognitive Prozesse diesen Effekt bewirken, überlegte sie sich eine Coverstory. Den Probanden wurde mitgeteilt, sie nähmen an einer Studie zur Testung der Ergonomie von Büromöbeln teil. Dabei waren die Büromöbel so konzipiert, dass die Versuchspersonen entweder in gekrümmter oder aufrechter Haltung sitzen mussten. 7 Während sie in dieser Position verweilten, erhielten sie ein Lob über einen Intelligenztest den sie zuvor absolviert hatten. Anschließend wurden sie zu ihrem subjektiven Gefühl von Stolz über das Lob befragt und die Versuchspersonen, die das Lob in aufrechter Position erhalten hatten, berichteten von signifikant mehr Stolz über das Lob, als Personen die das Lob in der gebückten Position erhalten hatten. In diesen Studien wurde gezeigt, dass der Körper einen wesentlichen Einfluss auf unser psychisches Befinden hat, das einen wesentlichen Einfluss im Mediationsprozess inne hat. Doch geht die Idee des Embodiments noch über das psychische Befinden hinaus und besagt, dass körperliche Prozesse auch einen Einfluss auf unsere Einstellungen haben. Jedoch gerade die Veränderung von Einstellungen ist eine wesentliche Aufgabe des Mediators. Im Folgenden werden Studien gezeigt, die sich mit dem Einfluss der Körperhaltung auf Einstellungen befassten. • Wells und Petty (1980) wählten für ihren Versuch Personen, die eine vorgefestigte Einstellung bezüglich eines Themas hatten. Dazu luden sie Studenten ein, die logischerweise gegen eine Erhöhung der Studiengebühren waren. Ihnen wurde erzählt, dass sie an einer Studie zur Testung der Qualität von Kopfhörer teilnehmen würden. Um die Qualität der Kopfhörer bei Kopfbewegungen beurteilen zu können sollten die Versuchspersonen bestimmte Kopfbewegungen ausführen. Per Zufall wurden sie in drei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe führte eine nickende Kopfbewegung aus, die zweite Gruppe eine verneinende Bewegung und die dritte Gruppe war eine Kontrollgruppe, die keinerlei Bewegung machte. Den Probanden wurde eine angebliche Radioaufzeichnung über die Erhöhung der Studiengebühren an ihrer Universität präsentiert und im Anschluss sollten die Versuchspersonen angeben, welche Summe sie für einen angemessenen Betrag an Studiengebühren halten. Die Kontrollgruppe forderte den aktuellen Betrag beizubehalten. Die „kopfschüttelnde“ Gruppe forderte sogar eine Senkung des aktuellen Betrages, während die „nickende“ Gruppe eine Erhöhung durchaus zustimmte. • Ein weiteres Experiment zur Untersuchung des Einflusses des Körpers auf Einstellungen stammt von Cacioppo et al. (1993). In diesem Experiment wurden die Probanden dazu aufgefordert, mit ihren Handflächen entweder von oben auf die Tischplatte zu drücken oder von unten gegen sie zu drücken. Die beiden Bewegungen führen zu einer Aktivierung unterschiedlicher Muskeln in den Armen. Dabei ist das Drücken von oben eher mit einer abstoßenden Bewegung, also der Reaktion auf einen unerwünschten Stimulus assoziiert, während das Drücken von unten gegen die Tischplatte eher einer heranziehenden Bewegung, also der Reaktion auf einen attraktiven Stimulus entspricht. Im Anschluss an diese beiden Bewegungen 8 präsentierte neutrale Stimuli werden von Probanden hinsichtlich ihrer Valenz unterschiedlich bewertet. Nachdem die zentralen Studienergebnisse dargestellt wurden, soll im nächsten Abschnitt die Übertragung der empirischen Erkenntnisse in die angewandte Praxis im Rahmen der Mediation beschrieben werden. 5. ÜBERTRAGUNG AUF DIE MEDIATION Die vorgestellten empirischen Studien konnten zeigen, dass eine wechselseitige Verbindung zwischen unserem Körper und der Psyche besteht, die sich sowohl auf affektiver, kognitiver als auch behavioraler Ebene zeigen lässt. Sowohl Emotionen, Kognitionen als auch Verhalten der Medianten und ggfs. auch der Mediatoren bestimmen wiederum den Verlauf und Ausgang der Mediation. Daher sollen im Folgenden praktische Implikationen, abgeleitet aus den empirischen Ergebnissen, vorgestellt werden, die Mediatoren als kreatives Tool nutzen könnten. Zuerst werden Möglichkeiten vorgestellt, wie der Mediator Embodiment nutzen kann, um Emotionen, Kognitionen und Verhalten der Medianten günstig zu beeinflussen. Im Anschluss werden zusätzlich mögliche Anknüpfungspunkte dargestellt, die für die Haltung und das Vorgehen des Mediators selbst hilfreich sein könnten. Embodiment als kreatives Tool für den Mediator, um Medianten günstig zu beeinflussen Emotionen begleiten den Mediationsprozess durchweg, weil die Mediationsparteien in der Regel kein neutrales Verhältnis zueinander haben, sondern emotional belastet in die Mediation kommen. Diese emotionale Grundhaltung der Parteien, rührt häufig daher, dass die vordergründig finanziellen Anliegen der Einzelnen zusätzlich auch emotionale Anteile haben, wie bspw. Enttäuschung von der Gegenpartei oder Angst vor möglichen Konsequenzen. Die emotionalen Interessen, die anteilhaft auch unbewusste Bedürfnisse widerspiegeln, gilt es zu berücksichtigen, da diese im Verlauf der Verhandlung entscheidend sein können. Daher sollte der Mediator, diese aufzuspüren und aufzudecken versuchen, was besonders im Rahmen der Interessensfindung möglich und nötig ist. Dazu kann er wiederum die Körpersprache und –haltung der Medianten nutzen, da diese emotionalem Befinden und dahinter liegende Bedürfnissen Ausdruck verleihen können. Der Mediator sollte den Körper der Medianten als zusätzliche Informationsquelle zu verbalen Äußerungen nutzen, um somit zu einem tieferen Verständnis ihrer (emotionalen) Position zu gelangen. Dabei bedeutet 9 tieferes Verständnis, dass er die tatsächlichen Interessen erkennt und somit einen umfassenderen, tieferen Einblick in den Gesamten Konflikt bekommt. Aber nicht nur die Interessen der Parteien, sondern auch die Emotionen an sich mithilfe des Enkodierens von Körpersprache zu entschlüsseln kann in der Interessenphase hilfreich sein, weil diese für den weiteren Prozess entscheidend sein können. In der Verhandlungsphase können Emotionen den entscheidenden Ausschlag geben, ob sich eine Partei auf einen Kompromiss einlässt oder nicht. Allerdings spielen in der Verhandlungsphase besonders auch kognitive Prozesse eine entscheidende Rolle: Besonders die individuellen Einstellungen der Parteien gilt es zu erfassen verstehen und ggfs. zu verändern. Während der Verhandlungsphase ist es oftmals notwendig, dass die Parteien sich auf Kompromisse einlassen und teilweise ein Stück weit von ihren Positionen abrücken, um zu einer Einigung zu gelangen. Dies erfordert häufig eine Einstellungsänderung. Diesbezüglich kann der Mediator Erkenntnisse der empirischen Studien nutzen, in dem er kreative Techniken anwendet, die die Parteien zu einer Einstellungsänderung bewegen. Da es unnatürlich wäre, die Teilnehmer direkt aufzufordern, mit dem Kopf zu nicken, um dadurch eine zustimmende Einstellung zu triggern, kann die Beeinflussung wahrscheinlich „nur“ indirekt erfolgen. Vorstellbar wäre, dass der Mediator, wenn er eine Partei nach ihrer Zustimmung zu einem Kompromiss ihrerseits befragt, selbst mit dem Kopf nickt und dadurch eine Nachahmung beim Gegenüber erzielt. Dies könnte dazu führen, dass die Partei wahrscheinlicher einem Kompromiss zustimmt. In die gleiche Richtung könnte wirken, wenn der Mediator die Frage nach einer Einwilligung oder die hypothetische Formulierung einer Einwilligung durch seine Gestik soweit unterstreicht. Dies könnte so aussehen, dass der Mediator die Arme wie zu einer umarmenden Begrüßung aufhält, was die Annahme der Einwilligung zu seinem Gegenüber transportieren könnte. Der behaviorale Aspekt spielt ebenfalls eine wichtige Rolle, da es wichtig ist, dass die Mediationsparteien während des gesamten Mediationsprozesses aktiv bei der Sache sind. Daher sollte der Mediator den Raum entsprechend gestalten, besonders in Bezug auf die Möblierung. Sind lange Sitzungen angesetzt, sollten die Teilnehmer auf Stühlen sitzen, die eine gerade Sitzposition begünstigen, um darüber das Durchhaltevermögen positiv zu beeinflussen. Couch oder Sessel, die zwar eine Wohlfühlatmosphäre schaffen, können in diesem Fall nicht zielführend sein, da die Anwesenden eher zusammengesunken oder zu bequem sitzen, was zu weniger Durchhaltevermögen führen kann. Denkbar ist jedoch auch das Gegenteil, dass es sinnvoll sein kann, eine kurze Sitzung zu veranstalten, um bspw. gewisse, heikle Themen schnell zu bearbeiten. Für solche Anlässe wären Couch oder Sessel ggfs. die passenderen Sitzgelegenheiten. Daher kann es für einen Mediator sinnvoll sein, diese Aspekte auch bei der Gestaltung des Raumes oder der Raumwahl Embodiment10 Konzepte im Hinterkopf zu behalten. Ebenso kann er die Atmosphäre des Raumes schon direkt zu Beginn beeinflussen, in dem er bewusst seine Stimmlage wählt, um die Parteien willkommen zu heißen. Diese positive Haltung seinerseits kann er zusätzlich durch eine offene Körperhaltung unterstreichen, die seine unvoreingenommene, offene Haltung beiden Parteien und dem Prozess gegenüber symbolisieren sollte. Ausgehend von den beschriebenen, möglichen Einflüssen, die der Mediator mithilfe von Körpersprache und – haltung auf die Medianten oder die Situation nehmen kann, sollen im Folgenden Embodiment-Erkenntnisse dargestellt werden, die der Mediator für sich selbst bzw. für seine eigenen Haltung im Verlaufe des Mediationsprozesses anwenden kann. Embodiment als kreatives Tool für den Mediator selbst Eine der größten Anforderungen an den Mediator ist neben strukturierter Führung und Entwicklung des Mediationsprozesses die Wahrung der Allparteilichkeit gegenüber den Medianten. Betrachtet man diesbezüglich auch den Körper oder die Körperhaltung als Sender möglicher Signale über Zu- oder Abneigung zu den einzelnen Parteien, sollte der Mediator versuchen diese gerecht auszusenden. Dazu kann es für den Mediator bereits hilfreich sein, sich überhaupt die Wirkung seiner Körpersprache und –haltung bewusst zu machen. Weiß der Mediator um die Embodiment-Erkennisse, kann er sich diese implizit oder explizit im Rahmen der Sitzungen zunutze machen. Würde der Mediator z.B. im Rahmen seiner Ausbildung über die Bedeutsamkeit seiner körperlichen Signale lernen, würde dies zu Wissen führen, das er implizit in jeder Sitzung hat. Dies könnte vermeiden, dass der Mediator, einer der Parteien durch unterschiedliche Aufmerksamkeitszuwendung durch die eigene Körperposition vernachlässigt oder falsche Signale aussendet. Zusätzlich könnte er das Wissen explizit anwenden, wenn dies sinnvoll scheint. Sollten bspw. Situationen entstehen, in denen der Mediator das Gefühl hat, eine Partei gewinne die Oberhand aufgrund von mehr Redeanteil oder einer extravertierteren Persönlichkeit, könnte er ganz bewusst die Körperhaltung gegenüber der anderen Partei öffnen, sich dieser zuwenden o.ä., um der Entwicklung entgegenzuwirken. Ebenso könnte der Mediator explizit auf die Körpersprache der Medianten achten, um die dadurch vermittelte Information zusätzlich zu verbalen Äußerungen berücksichtigen zu können. Je besser ein Mediator in der Lage ist, den Körperausdruck der einzelnen Parteien zu integrieren, desto vollständiger wird sein Verständnis der Positionen. Dies wiederum führt dazu, dass er die Verhandlung optimal lenken kann. Dies kann mithilfe von Gesprächsführung unterstützt durch bewusst eingesetzte Mimik und Gestik durch den 11 Mediator erfolgen. Insgesamt kann der Mediator Erkenntnisse des Embodimentansatzes zur bewussten Gestaltung der eigenen inneren und äußeren Haltung nutzen. Nachdem empirisch fundierte, praktische Implikationen vorgestellt wurden, werden abschließend weitere mögliche Ideen zur Übertragung des Embodimentansatzes in den Kontext der Mediation vorgeschlagen, die allerdings noch empirischer Exploration und Überprüfung bedürfen. - Embodiment-Edukation mit einzelnen Parteien vor der ersten gemeinsamen Sitzung o Aufklärung über den Embodimentansatz und mögliche Anwendung in der Mediation o Einnehmen verschiedener Körperhaltungen und Reflektion über Emotionen, Kognitionen, Verhalten, die damit einhergehen o Gezielte, kurze Rollenspiele mit Mediator, um Wirkung der eigenen Körperhaltung erkunden zu können o Gezielte, kurze Rollenspiele mit Mediator, um Wirkung der Körperhaltung des Mediators erkunden zu können o - Anwendbarkeit für die Mediationssitzung diskutieren Mediationsparteien explizit auffordern, über eigene Körperempfindungen zu reflektieren (ggfs. gemeinsam während/nach der Sitzung oder getrennt in Sitzungspausen oder nach der Sitzung) - Mediationsparteien explizit auffordern, ihre Sitzpositionen zu verändern (z.B. in festgefahrenen Situationen, feste Position auflösen, um offene Position zu einander herstellen zu lassen) - Extra Pausen einbauen, um Medianten aus verhärteten (Sitz-)Positionen herauszuholen und ihnen damit helfen aus festgefahrenen Verhandlungspositionen herauszukommen (z.B. in festgefahrenen Situationen oder um Lösungen/Einigungen zu beschleunigen) - Mediator selbst: selbst Bewegung initiieren, um selbst wieder offen zu sein - Mediator selbst: eigenen Körper als Feedback- und Regulierungsinstrument in - Mediator selbst: eigene Körpersignale als Reaktion auf die Teilnehmer wahrnehmen, im Sinne der Übertragung deuten, und im Sinne der Gegenübertragung zurücksenden Die dargestellten Ideen lassen deutlich Schnittmengen zum Klinischen- und Therapiekontext erkennen, da sie teilweise Interventionscharakter bekommen. Interessant ist es, dass in der Klinischen und Psychotherapeutischen Anwendung die Arbeit durchaus mit dem Körperlichen verknüpft wird. Als Beispiel sind altanerkannte Konzepte wie Übertragung und 12 Gegenübertragung, die mittlerweile Eingang in die verschiedensten Psychotherapieschulen gefunden haben und Bezug auf Körperempfindungen nehmen, oder Körpertherapie als eine vielfach angewandte Möglichkeit der Behandlung besonders im klinischen Bereich zu nennen. Umso wahrscheinlicher ist es, dass sinnvolle Erkenntnisse über die Wirkung von Körper(haltung) auch in anderen Bereichen der Beratung wie der Mediation Anklang finden werden. In diesem neuen, möglichen Anwendungsfeld ist es jedoch umso wichtiger, dass das Wissen über die Wirkweise von Embodiment als kreatives Mittel zum Zweck einer erfolgreichen Einigung in der Mediation angewendet und nicht zum Selbstzweck wird. 13 6. VERW EISE UND QUELLEN Adelmann, P. K. & Zajonc, R. B. (1989). Facial efference and the experience of emotion. 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Barbara Michelmichel: Nonverbale Kommunikation: Körpersprache................... 1 3. Barbara Michelmichel: Zentrale Annahmen des Embodimentansatzes ............... 4 4. Lukas Schönenborn: Aktuelle Studienlage............................................................. 6 5. Lisa Musculus: Übertragung auf die Mediation ...................................................... 9 6. alle: Verweise und Quellen......................................................................................14 15
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