Mitarbeitergespräche professionell führen

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Deutsches Ärzteblatt I Heft 11 I 13. März 2015
PRAXISFÜHRUNG
Mitarbeitergespräche
professionell führen
u den Aufgaben des Arztes
gehört es, zielgerichtete Mitarbeitergespräche zu führen. Das
Gelingen dieser Gespräche hängt in
einem hohen Maße von der professionellen Vorbereitung ab. Was ist
dabei zu beachten?
Die Kernkompetenz eines Arztes
liegt zweifelsohne im medizinischen Bereich. Jeder Arzt sollte
sich dennoch fragen, wie oft am
Tag er Mitarbeitergespräche führt:
Da ist zum einen das Fachgespräch
mit einem Mitarbeiter, mit dem das
Vorgehen bezüglich der Behandlung eines Patienten diskutiert werden soll. Die Ärzte sind unterschiedlicher Therapiemeinungen
und wollen zu einem gemeinsamen
Weg finden. Danach steht die Unterredung mit einem Arzt an, der in
letzter Zeit des Öfteren zu spät zur
Arbeit erschienen ist – die Kollegen
munkeln schon. Der Arzt will herausfinden, welche Gründe es für
die Verspätungen gibt und ob er
einschreiten muss – etwa mit dem
Hinweis, „dass es so nicht weitergehen kann“, oder mit dem unterstützenden Rat zu einer privaten Problematik, die für die Verspätungen
verantwortlich ist.
Weiter geht es: Ein Assistenzarzt
ist durch die praktische Prüfung gerasselt und benötigt motivatorische
Unterstützung. Was kann er tun, damit es beim nächsten Mal klappt?
der Arzt eine andere Strategie zum
Einsatz bringen, will er denn sein
jeweiliges Gesprächsziel erreichen.
Darum sollte er über differenzierte Gesprächstechniken verfügen.
Würde er über lediglich eine Gesprächsführungsstrategie und nur
wenige Kommunikationstechniken
verfügen, wären die Gespräche von
vornherein zum Scheitern verurteilt. Darum ist die dezidierte Vorbereitung auf die Gespräche unerlässlich, und zwar trotz des hektischen Arbeitsstresses.
Es ist jene Hektik des Arbeitsalltages, die so manchen Arzt dazu
verleitet, selbst das heikle Mitarbeitergespräch mal schnell „zwischen
Tür und Angel“ zu führen. So kann
es zu keinem vernünftigen Gesprächsverlauf kommen – letztendlich verliert der Arzt mehr Zeit, als
wenn er das Gespräch ordentlich
vorbereitet hätte. Zielführender ist
es daher, sich etwas Zeit zu lassen
und bei der Vorbereitung einige elementare Aspekte zu berücksichtigen. Vor allem gilt: Das Gespräch
sollte in einer störungsfreien Atmosphäre stattfinden. Dazu gehört die
konkrete Festlegung des Termins
und des Ortes. Telefonanrufe oder
andere Störungen sind in dieser Zeit
tabu. Der Arzt verdeutlicht dem
Mitarbeiter so, dass ihm Gespräch,
Anlass und Gesprächspartner wichtig sind.
Sich für das Gespräch Zeit nehmen – In jedem dieser Gespräche –
und im Praxis- und Klinikalltag
sind es ja noch viel mehr – sollte
Das „Tor zum Mitarbeiter“ öffnen
– Es ist meistens der mitarbeiterorientierte Führungsstil, der das „Tor
zum Mitarbeiter“ öffnet, weil dieser
Z
Foto: iStockphoto
Eine gute Vorbereitung ist bei
Mitarbeitergesprächen die halbe (Erfolgs-)Miete.
Führungsstil den Mitarbeiter als
gleichberechtigten Partner definiert,
dem im Kommunikationsprozess
Achtung und Akzeptanz entgegengebracht wird. Soziale und kommunikative Kompetenz hat derjenige Arzt,
der fähig ist, sich in die Lage des Gesprächspartners zu versetzen und eine
Angelegenheit auch aus dessen Sicht
zu betrachten. Die Überzeugung,
dass sich jeder Mitarbeiter prinzipiell
motiviert für die Interessen „seiner“
Klinik einsetzt, führt zu einer wertschätzenden Kommunikation.
Zudem sollte sich der Arzt vorab
alle notwendigen Informationen
über den Mitarbeiter und den Gesprächsanlass besorgen und seine
Gesprächsziele so exakt wie möglich definieren. Nur so gelingt eine
stringente Gesprächsführung und
eine Gesprächsauswertung, bei der
der Arzt die angestrebten mit den
erreichten Ziele abgleicht.
Gesprächsziele definieren – Der
Arzt gibt dem Gespräch eine Struktur: Er eröffnet es stets mit einer
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Formulierung, die eine positive Atmosphäre schafft, nennt den Gesprächsanlass und sorgt für einen
Gesprächsabschluss, durch den beide Beteiligte genau wissen, welche
Schritte nach der Unterredung einzuleiten sind. Dazu trifft er mit
dem Mitarbeiter konkrete und zeitlich terminierte Vereinbarungen –
bei besonders wichtigen Gesprächsanläsen ist es nicht von Nachteil, ein Gesprächsprotokoll anzufertigen.
Eine erfolgreiche Gesprächsführung kann erfolgen, wenn sich der
Arzt über seine Gesprächsintention
im Klaren ist. Um die Gesprächsabsichten und -ziele festzulegen muss
er wissen: „Weshalb führe ich dieses Gespräch? Welche Hauptziele,
welche Nebenziele will ich erreichen? Welche Ergebnisse soll das
Gespräch haben?“ Aus der Beantwortung dieser Fragen lassen sich
die Argumente ableiten, mit denen
er seine Ziele erreichen kann.
Fragen stellen – Für den konstruktiven Verlauf des Gesprächs
ist es von Relevanz, dass der Arzt
nicht nur selbst redet und seinen
Standpunkt darlegt, sondern zum
aktiven Zuhören fähig ist, also
schweigen und zuhören kann. In
den meisten Mitarbeitergesprächen
ist es richtig und notwendig, den
eigenen Redeanteil gering zu halten, möglichst viele Fragen zu stellen und die Unterhaltung mit Fragen zu lenken. Die Frage gilt als
die effektivste und zugleich eleganteste Form der Gesprächsführung. Denn so signalisiert der Arzt
dem Mitarbeiter, dass ihm an seiner Meinung gelegen ist und er seine Gedanken und Argumente kennenlernen möchte.
Körpersprache und Sprache einsetzen – Was dabei zuweilen vergessen wird: Gespräche laufen stets
auch auf einer nonverbalen Ebene
ab – nicht nur das gesprochene
Wort wirkt. Durch die äußere Erscheinung, durch Körperhaltung,
Gesichtsausdruck,
Sprechtempo
und -modulation senden die Gesprächspartner unbewusst Signale
aus, die vor allem die Beziehungsebene betreffen.
Umgekehrt gilt: Der Arzt kann
nonverbale Signale bewusst einsetzen, um den Gesprächsverlauf
zu lenken. Durch eine ausgeprägte Körpersprache gibt er zu verstehen, dass er offen für das Gespräch und bereit ist, sich auf
den Gesprächspartner einzulassen. Durch eine offensiv eingesetzte Körpersprache drückt er
ihm seine Sympathie aus. Mit
nonverbalen Signalen schließlich
unterstützt und bekräftigt er seine verbalen Äußerungen und signalisiert dem Mitarbeiter, was
er von dessen Äußerungen hält.
Mit einem Kopfnicken oder einem Kopfschütteln zum Beispiel
drückt er Zustimmung oder Ablehnung aus.
Darum sollte der Arzt bei der Gesprächsvorbereitung überlegen, wie
er seine verbalen Aussagen mit Hilfe
der Körpersprache unterstützt, etwa
wenn er den Assistenzarzt, der
durch die Prüfung gefallen ist, aus
dem Motivationsloch hieven möchte – und dabei eine offensive Gestik
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und Mimik einsetzt.
Dr. Michael Madel
FRAGE DER WOCHE AN . . .
Thomas Greiner, Präsident des Arbeitgeberverbandes Pflege
Im Rahmen eines Pilotprojektes hat der Arbeitgeberverband Pflege zunächst 27 Krankenschwestern aus China nach Baden-Württemberg geholt, die dort eine Weiterbildung zur Altenpflegerin erhalten. Insgesamt
sollen in den Länder Hessen, Baden-Württemberg, Hamburg und Bayern
bis Jahresende 150 chinesische Pflegefachkräfte weitergebildet werden.
Der Arbeitgeberverband Pflege will 150 chinesische Pflegefachkräfte nach Deutschland holen, damit sie hier in der Altenpflege
arbeiten. Warum ist das aus Ihrer Sicht wichtig und ethisch vertretbar?
Greiner: In China werden heute viel mehr Krankenschwestern und
Krankenpfleger ausgebildet, als dieses große Land derzeit benötigt.
Viele der hervorragend ausgebildeten Fachkräfte in der Pflege, die alle
über ein Hoch- oder Fachschulstudium verfügen, finden momentan in
ihrem Heimatland keine Anstellung in ihrem Beruf. Daher gehen jährlich, durch die chinesische Arbeitsverwaltung CHINCA vermittelt, über
200 000 Absolventen medizinischer Berufsgruppen ins Ausland. Beispielsweise in die USA, aber auch nach Australien, Großbritannien
oder nach Kanada. Diese Länder beschäftigen seit Jahren sehr erfolgreich junge Chinesinnen und Chinesen in der Kranken- und in der Al-
tenpflege. Sie erwerben im Ausland praktisches Fachwissen, Führungs- und Managementkenntnisse und internationales Know-how.
Das kommt dann nach einer möglichen Rückkehr, durchschnittlich
nach fünf Jahren, dem chinesischen Gesundheitssystem bewusst zugute. Viele werden aber auch für länger oder für immer im Ausland
bleiben. In Deutschland fehlen uns derzeit mehr als 30 000 Fachkräfte
alleine in der Altenpflege. Tendenz steigend. Aller intensiven Bemühungen zum Trotz, die Aus- und Fortbildungen, die Weiterqualifikationen und Umschulungen zu steigern, werden wir die entstehende
Lücke nicht schließen können. Wir brauchen deshalb auch in der Pflegewirtschaft die qualifizierte Zuwanderung aus EU- und Drittstaaten.
Innerhalb unseres Pilotprojektes mit chinesischen Pflegefachkräften
haben wir bisher hervorragende Erfahrungen sammeln können. Die
jungen Damen aus China fühlen sich in Hessen und Baden-Württemberg sehr wohl, werden analog zu den deutschen Kolleginnen und Kollegen bezahlt und haben sehr schnell die deutsche Sprache auf gutem
B2-Niveau erlernt. Das freut die Bewohner in den Pflegeeinrichtungen
und die Arbeitgeber in der Pflege allemal.
fos