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MA-Verlag
SOZIALWISSENSCHAFTEN
Elektronische Zeitung Schattenblick
Sonntag, 19. April 2015
China baut seine Position
im Südchinesischen Meer aus
Manila über Pekings Rollfeldbau auf den Spratly­Inseln erzürnt
(SB) ­ Auf die Veröffentlichung er-
ster Satellitenbilder vom Bau einer
Start- und Landebahn durch die
Streitkräfte der Volksrepublik China auf dem Riff Fiery Cross, das
zur Gruppe der Spratly-Inseln gehört, hat die Regierung der Philippinen mit Empörung reagiert. Präsident Benigno Aquino hat vor einem militärischen Konflikt geKrieg um die Köpfe - Renaissance warnt. Sein Außenminister Albert
del Rosario hat den Verbündeten
der Gewaltpsychiatrie ...
USA öffentlich um zusätzliche
Dr. Almuth Bruder-Bezzel im
Unterstützung gebeten. Peking hat
Gespräch
Ärzte und Therapeuten ­ Maschi­ den Vorwurf Manilas, die Volksrepublik provoziere im Südchinesinengewehre hinter der Front
Interview am 7. März 2015 an der schen Meer einen Krieg, zurückgewiesen und die Philippinen aufFreien Universität Berlin
gefordert, die "territoriale Souve(SB) ­ Dr. Almuth Bruder-Bezzel ist
Diplom-Psychologin und Psycho- ränität" Chinas zu respektieren.
analytikerin in eigener Praxis sowie Tatsächlich herrscht unter den AnDozentin, Lehranalytikerin und Su- rainerstaaten des Südchinesischen
pervisorin am Alfred-Adler-Institut Meers - China, Taiwan, die Philipin Berlin. Sie hat zahlreiche wissen- pinen, Brunei, Malaysia und Vietschaftliche Arbeiten, ... (Seite 2)
nam - seit Jahren große Uneinigkeit, was den Umfang ihres jeweiligen Territoriums betriff. Es überSPORT / BOXEN
schneiden sich nicht nur die exklusiven Wirtschaftszonen, deren
Erstaunliche Wende trägt die Grenzen nach internationalem
Handschrift Al Haymons
Recht 200 Seemeilen entfernt parKampf zwischen Kowaljow und allel zur Festlandsküste verlaufen,
Stevenson in weite Ferne gerückt
sondern es gibt unzählige kleine
(SB) ­ Der mit Abstand bedeutendste Inseln und Riffe, auf die gegenKampf im Halbschwergewicht sätzliche Besitzansprüche erhoben
zwischen den Weltmeistern Sergej werden. Besonders erbittert wird
Kowaljow (WBA, WBO, IBF) und um die Spratly-Inseln - eine breitAdonis Stevenson (WBC) ... (S. 8) gestreute Ansammlung von rund
450 Atollen und Riffen - gestritten.
China erhebt Besitzansprüche auf
die ganze Gruppe, während Taiwan, die Philippinen, Malaysia,
Vietnam und Brunei jeweils einen
Teil der Inseln beanspruchen. Auf
über 40 der unbewohnten Eilande
sind Marinesoldaten stationiert.
Die Bilder vom neuem Rollfeld
auf Fiery Cross Reef hatte die renommierte britische Militärzeitschrift Jane's Defence Weekly am
16. April veröffentlicht. Sie waren
am 23. März von Kameras eines
kommerziellen Satelliten des Airbus-Konzerns aufgenommen worden. Fiery Cross ist eines von sieben Riffen in der Spratly-Gruppe,
welche seit vergangenem Jahr die
Volksrepublik mittels Sandaufschüttung zu richtigen kleinen Inseln aufbaut, um darauf Hubschrauberlandeplätze, Häfen und
andere Anlagen zu errichten. Bisher haben die chinesischen Behörden die Maßnahmen mit der Notwendigkeit des Ausbaus von Forschungs- und Seerettungseinrichtungen begründet. Die von Jane's
veröffentlichten Bilder sprechen
jedoch eine andere Sprache. Auf
dem Riff Fiery Cross befindet sich
inzwischen ein Rollfeld, das im
vergangen August noch nicht existierte und jetzt eine Länge von
rund 3000 Metern aufweist. Damit
eignet es sich für die Nutzung
durch die meisten Flugzeugtypen.
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Da die Spratlys zu klein sind, um
SOZIALWISSENSCHAFTEN / REPORT / INTERVIEW
eine touristische Erschließung mit
Hotels und allem, was dazu gehört,
zu rechtfertigen, kommt nur der
Krieg um die Köpfe - Renaissance der Gewaltpsychiatrie ...
militärische Gebrauch in Frage.
In einem Artikel, der am 17. April
bei der New York Times erschienen ist, hat Peter Dutton, Professor
für strategische Studien am Naval
War College in Rhode Island die
Nachricht von der Errichtung eines
derart langen Rollfelds auf den
Spratly-Inseln durch die Volksrepublik China als ein "großes strategisches Ereignis" bezeichnet.
"Um die Kontrolle über ein Seegebiet zu haben, muß man erst die
Lufthoheit haben", so Dutton. James Hardy, Asien-Pazifik-Redakteur von Jane's Defence Weekly,
gab gegenüber der New York Times die Einschätzung ab, Fiery
Cross Reef solle den chinesischen
Streitkräften künftig als Befehlsund Kontrollzentrum dienen.
Seit die damalige US-Außenministerin Hillary Clinton 2011 die ungehinderte Schiffahrt durch das
Südchinesische Meer zu einem
"Nationalinteresse" der USA erklärte, befinden sich die Vereinigten Staaten und die Volksrepublik
auf Kollisionskurs. Bislang hat
keiner der beiden Seiten etwas unternommen, um die Konfrontation
zwischen alter und neuer Supermacht entscheidend zu entschärfen. Tatsächlich muß man den
Ausbau der chinesischen Position
auf den Spratly-Inseln als Reaktion Pekings auf die verstärkte Verlegung amerikanischer Militärkontingente in den ostasiatischen,
westpazifischen Raum in den vergangenen Jahren - wofür die Dauerstationierung von 2500 US-Marineinfanteristen im nordaustralischen Darwin nur ein Beispiel von
vielen ist - sehen.
http://www.schattenblick.de/
infopool/politik/redakt/
asie­822.html
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Dr. Almuth Bruder-Bezzel im Gespräch
Ärzte und Therapeuten ­ Maschinengewehre hinter der Front
Interview am 7. März 2015 an der Freien Universität Berlin
(SB) ­ Dr. Almuth Bruder-Bezzel ist
Diplom-Psychologin und Psychoanalytikerin in eigener Praxis sowie
Dozentin, Lehranalytikerin und Supervisorin am Alfred-Adler-Institut
in Berlin. Sie hat zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten, Vorträge und
Buchveröffentlichungen vor allem
zur Geschichte und Theorie der Individualpsychologie Alfred Adlers
vorgelegt, daneben zusammen mit
Klaus-Jürgen Bruder Publikationen
zur Jugendkultur. Zudem hat sie
Aufsätze und Vorträge zum Themenbereich Psychoanalyse und Arbeitslosigkeit sowie Prekariat veröffentlicht. Auf dem diesjährigen
Kongreß der Neuen Gesellschaft für
Psychologie (NGfP) hielt sie einen
Vortrag zum Thema "Traumatherapie als Kriegsdienst. Zur Geschichte der Militärpsychiatrie und Psychotherapie."
gen heilbar seien und die Soldaten
durch eine Psychotherapie wieder
einsatzfähig würden.
Wie die Geschichte der deutschen
Militärpsychiatrie und -psychotherapie seit dem Ersten Weltkrieg belegt, war die Indienstnahme der
Medizin für den Krieg unzweifelhaft. Diese Geschichte müsse erzählt werden, da sie sich wiederholt
hat und in Zukunft wiederholen
könne, so die Referentin. Die Vertreter der genannten Berufsstände
hätten sich in allen Kriegen stets
staatstreu, nationalistisch, antirevolutionär und antidemokratisch den
herrschenden Interessen unterworfen. Die Behörden und Militärs
stellten nicht die Ärzteorganisationen unter Befehl, es waren vielmehr
diese selbst, die ihre Dienste von
sich aus anboten und zu größerer
Schärfe gegen Patienten und sogeWie die Referentin eingangs aus- nannte Simulanten drängten.
führte, trat im September 2013 eine
Vereinbarung zwischen der Psycho- Dabei standen die wissenschaftlitherapeutenkammer und der Bun- chen Debatten und Theorien von
deswehr in Kraft, die eine Psycho- Traumen und Kriegsbeschädiguntherapie für Soldaten in privaten gen wie auch die Ziele und MethoPraxen im Erstattungsverfahren er- den der Traumabehandlung ganz im
möglicht. Dies ist mit Fortbildun- Dienst der Kriegsführung. Je längen verbunden, die eine positive ger, verlustreicher und aussichtsloEinstellung zur Bundeswehr ver- ser der Krieg wurde, desto mehr
mitteln sollen. Solche Veranstaltun- stieg der Druck auf die Soldaten, an
gen finden innerhalb der Kaserne die Front zurückzukehren, und destatt und sind gut besucht. Dagegen sto weniger wurden sie entschädigt.
haben die Teilnehmenden am Der Krieg wurde zum Lehrmeister
NGfP-Kongreß im März 2014 pro- der Psychiatrie und bot ihr die
testiert, weil sie darin eine kritiklo- Chance, als Wissenschaft und Prose Unterstützung der Kriegspolitik fession anerkannt zu werden. Sie
sahen. Der Kammerpräsident, Prof. trug entscheidend zur PathologisieRichter, habe versprochen, daß rung sozialer Probleme und UmPosttraumatische Belastungsstörun- deutung struktureller Krisenphänowww.schattenblick.de
So, 19. April 2015
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mene in medizinische Krankheitsbilder bei. Die Medizinpsychiatrie
orientierte sich stets an den Vorgaben des Staates, nicht jedoch an den
Erfordernissen der Patienten.
Der Erste Weltkrieg wurde häufig
als das traumatische Erlebnis des
Frontsoldaten geschildert, analysiert, dokumentiert und künstlerisch
verarbeitet. Schwere traumatische
Reaktionen traten bereits ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn auf und
wuchsen rasant an. Schätzungen gehen von 200.000 deutschen Kriegsneurotikern aus. Der organische
Ansatz des Traumas ging von einer
Verletzung des Zentralnervensystems als "Granatschock" oder
"Schreckneurose" aus und behandelte diese mit Erholung und Bäderkuren, schrieb Soldaten dienstunfähig und befürwortete Entschädigungen.
Das massenhaften Auftreten von
Kriegsneurosen beförderte jedoch
eine andere Erklärung, die an die
Erfordernisse der Kriegsführung
angepaßt war. So wurde die organische Theorie ab 1916 zugunsten der
psychologischen und soziologischen Erklärung zurückgedrängt,
die Wiedereinsatzfähigkeit durch
Behandlung versprach. Die sogenannten Psychogeniker diagnostizierten Hysterie, die Ausdruck einer
schlechten psychischen Disposition
oder Willensschwäche sei. Das äußere Trauma wurde entweder geleugnet oder nur als Auslöser mit
geringer Bedeutung angesehen. Das
galt jedoch nur für einfache Soldaten, denn bei Offizieren sprach man
von Neurasthenie oder Erschöpfungssyndrom und erklärte dies mit
erhöhter Verantwortung.
Die soziologische Erklärung fügte
das Begehren von Entschädigung
und Rente hinzu und sprach von
Flucht in die Krankheit oder
Kriegsunlust. So dämmten die Ärzte Rentenansprüche ein und versuchten, die Geschädigten haftbar
zu machen. Bei der Musterung hatSo, 19. April 2015
te man anfangs die sogenannten
Psychopathen zurückgewiesen,
später verfuhr man umgekehrt: Sie
wurden als Kanonenfutter an die
Front geschickt, um die sogenannten wertvollsten Mitglieder der Gesellschaft nicht weiter zu verheizen.
Dennoch klagten die Psychiater zu
Ende des Krieges, daß dieser eine
negative Auslese hervorgebracht
habe.
Die Behandlung der Kriegsneurosen war brutal, was sich noch steigerte, je aussichtsloser der Krieg
wurde. Den Ärzten war alles erlaubt, sie trieben die Soldaten mit
Angst und Schrecken an die Front
zurück. Folterbehandlungen wie
Isolation, Deprivation, Elektroschocks, Erstickungsangst, Erniedrigung, Zwangssuggestion und
Zwangsexerzieren waren gang und
gäbe. Der Arzt sollte den Willen zur
Gesundheit erzwingen, Heilung
möglichst in einer Sitzung herbeiführen. Die Ärzte waren die Maschinengewehre hinter der Front,
wie Adler (1919) und Freud (1920)
es ausdrückten. Die Erfolge waren
jedoch äußerst beschränkt, da nur
eine verschwindende Anzahl behandelter Soldaten 1918 noch die
Frontdiensttauglichkeit erreichte.
sche Konferenz unter Anwesenheit
hoher militärischer Gäste statt. Alle
führenden Analytiker waren dienstverpflichtet und hatten leitende Positionen in Speziallazaretten eingenommen. Sie stuften Kriegsneurosen als Angst- oder Konversionshysterie auf Grundlage narzistischer
Selbstliebe ein, die in einen infantilen Narzismus ausarte. Dabei sei
das primäre Krankheitsmotiv das
Vergnügen, im sicheren Hort der
kindlichen Situation zu verbleiben,
was eine bedingungslose Hingabe
zugunsten der Gesamtheit verhindere und die Bereitschaft zum Töten und Sterben ausschließe.
Im NS-Staat standen die Militärpsychiater bald wieder stramm,
um den kommenden Krieg vorzubereiten. Ab 1934 wurde die Militärärztliche Akademie
mit
Wehrpsychiatrie und -psychotherapie aufgebaut, ab 1937 folgten die
beratenden Militärpsychiater, die
meistens prominente Ordinarien
waren. AufTagungen wurden Maßnahmen gegen Psychopathen, Asoziale, Gemeinschaftsschädlinge
diskutiert. Zu diesen Maßnahmen
gehörten Meldepflicht, Arbeitsdienst, Sterilisation und Vernichtung im KZ. Zwischen 1933 und
1939 wurde ein Großteil dieser ReAngesichts dieses Mißerfolgs bot pression unter maßgeblicher Hilfe
sich die Psychoanalyse als Retterin der Psychiater praktisch umgesetzt.
in der Not an. Wie sich zu Ende des
Krieges zeigte, unterschieden sich Im Zweiten Weltkrieg traten die
die Psychoanalytiker in den Dia- Kriegsneurosen zuerst langsam und
gnosestellungen und Zielen nicht weniger heftig auf. Erst ab 1940 gab
von den Psychiatern, wenngleich es die klassischen Symptome wie
ihre Behandlungen milder waren. Kriegszitterer oder psychogene
Auch sie leugneten den Kausalzu- Überlagerungen von realen Versammenhang und eine direkte Pa- wundungen, was allerdings auch die
thogenese durch das Trauma und Folge leistungssteigernder Aufgriffen statt dessen auf eine persön- putschmittel wie Pervitin und Preliche Disposition in der Kindheit ludin war, die man den Soldaten
zurück, die der Krieg nun aktiviert verabreicht hatte. Ab Frühjahr 1941
habe, und auch sie sparten nicht mit löste die Vorbereitung des Angriffs
der Bezichtigung von Kriegsneuro- auf die Sowjetunion große Furcht
tikern. Als Ende September 1918 aus. Im russischen Winter 1941 und
alle Zeichen auf ein Ende des Krie- 1942, dann in Stalingrad 1942/43,
ges und einen pazifistischen Um- stiegen die Zahlen der schweren
sturz hinwiesen, fand in Budapest Symptome wie auch der Verweigeeine internationale psychoanalyti- rungen, Selbstverstümmelungen
www.schattenblick.de
Seite 3
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und Selbsttötungen. Dies steigerte
sich noch in den letzten Kriegsjahren. Bis 1944 waren es schätzungsweise 20.000 Kriegsneurotiker, um
die Jahreswende 1944/1945 über
100.000.
Aufgrund des Mißerfolgs der harten
Methoden und aus Angst vor Revolten waren die NS-Behörden zunächst vorsichtiger als die Psychiater selbst. Zudem sorgte die biologische Ausrichtung der Medizin für
eine gewisse Abgrenzung von den
Neuropsychiatern. Mit den Rückschlägen an der Ostfront und der
Barbarisierung des Krieges endete
diese Zurückhaltung. Nun wurden
wieder aggressive Methoden wie
Insulinschock, Krampfbehandlung
und Elektroschock eingesetzt. Ab
1942 wurde die Meldepflicht für
psychogene Reaktionen eingeführt,
1945 eine Politik der Furcht durchgesetzt: Speziallazarette, Strafbataillone, KZ, Todesurteil, woran
Kriegspsychiater maßgeblich beteiligt waren. Zwischen Januar 1944
und April 1945 wurden schätzungsweise 13.000 Todesurteile wegen
Wehrkraftzersetzung ausgesprochen. Die hohe Zunahme der affektiven Störungen, die Häufung der
Therapieresistenzen und die der
Selbstverstümmelungen zeigt, daß
die Neuropsychiater mit ihren brutalen Methoden erneut versagten:
Der Schrecken der Therapie konnte
den Schrecken der Front nicht übertreffen, so Bruder-Bezzel.
In der Zwischenkriegszeit organisierten sich ab 1933 die vorwiegend
tiefenpsychologisch ausgerichteten
Therapeuten als Deutsche Seelenheilkunde, und 1936 wurde das sogenannte Göring-Institut gegründet.
Dieses kümmerte sich im Krieg
vornehmlich um die Offiziere der
Luftwaffe, für die die Aversionstherapie nicht in Frage kam. Man behandelte mit Tiefenpsychologie,
Hypnose, Gesprächstherapie und
autogenem Training, das dort entwickelt wurde. Im Laufe des Krieges schwenkten auch die PsychoSeite 4
therapeuten um und griffen zu Abschreckung, Aufputschmitteln und
Unterbringung in KZ-ähnlichen Lagern.
Im Anschluß an ihren Vortrag beantwortete Frau Dr. Bruder-Bezzel
dem Schattenblick einige Fragen zu
diesem Themenkomplex wie auch
ihren Erfahrungen und EinschätAus den Kriegen der Gegenwart zungen im Umgang mit der berufskehren traumatisierte Soldaten zu- ständischen Problematik.
rück, deren
Symptome
sich mit der
Häufigkeit
der Einsätze
verschlimmern. Bei
sogenannten
friedensstiftenden Einsätzen geht
man nach offiziellen Angaben von 3
bis 8 Prozent
Traumatisierten, bei
Almuth Bruder­Bezzel
Kriegseinsätzen von 10 bis 18 ProFoto: © 2015 by Schattenblick
zent aus, wobei die Angaben beträchtlich schwanken. Zur Prävention gehören Auslese, Umgang mit Schattenblick (SB): Sie erwähnten in
Streß und realitätsnahe Ausbildung Ihrem Vortrag, daß Sie in Ihrer eigewie etwa im Gefechtsübungszen- nen Ausbildung mit Walter Ritter
trum (GÜZ). Im Einsatz erfolgt die von Baeyer, einem ehemaligen
Betreuung durch Gespräche mit Kriegspsychiater des NS-Staats aus
dem Ziel des Verbleibs im Einsatz- Heidelberg, als Hochschullehrer
land. Zur Nachbereitung werden konfrontiert waren. Hat das dazu
dreitägige Seminare durchgeführt. beigetragen, Ihre Kritik am traditioHinzu kommen Schnelltherapien nellen Verständnis und Handeln dieund vermutlich wie schon während ses Berufsstands zu schärfen?
des Einsatzes Psychopharmaka.
Almuth Bruder-Bezzel (ABB): Ich
In der US-Universität Harvard wer- habe Psychologie in einer Zeit studen neue Wirkstoffe getestet, die diert, als die Psychiatrie noch generell
Erinnerungen auslöschen sollen. in der Kritik stand. Von der VerganSoldaten unterliegen bei zivilen genheit des betreffenden HochschulTherapeuten strikter Geheimhal- lehrers wußten wir damals nicht viel,
tungspflicht, dürfen also über keine nur daß er in der Kriegszeit in irgendDetails ihres Einsatzes sprechen. welche Projekte involviert war. AuDas von Militärpsychiatern vorge- ßerdem war er CDU-Mitglied, und
haltene neue Konzept, den kurati- auch seine Frau trat sehr kämpferisch
ven Zielen gegenüber der Wieder- in dieser Partei in Erscheinung. Viel
herstellung der Einsatzfähigkeit den habe ich von ihm nicht gelernt. Zuletzt
Vorrang einzuräumen, ist zweifel- hat er meine Prüfung abgenommen,
haft und allenfalls solange ein The- aber sein Einfluß auf meine Entwickma, bis eskalierende Kriege unter lung war insgesamt nur gering.
Beteiligung der Bundeswehr einen
forcierten Nachschub an Soldaten SB: Nicht wenige Menschen haben
nach dem Krieg mehr oder minder
erzwingen.
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So, 19. April 2015
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große Teile ihrer Geschichte verheimlicht und dieselben Ämter bekleidet, wie schon während des NSStaats. Drang die Vergangenheit dieses Hochschullehrers im Unterricht
in keiner Weise durch?
ABB: Es verhielt sich offenbar so,
daß er in seiner früheren Tätigkeit
unter anderem auch Umgang mit
KZ-Häftlingen hatte. Während meiner Studienzeit hat er jedoch den
Traumabegriff im positiven Sinn
verwendet und sich in der Wiedergutmachungsfrage engagiert. Über
seine Vergangenheit habe ich erst
neuerdings ausführlicher gelesen.
SB: Wie sind Sie Adlerianerin geworden? Geschah es umständebedingt oder stand eine absichtliche
Entscheidung dahinter?
ABB: Ich habe meine Diplomarbeit
über die sozialdemokratische Erziehung in Wien geschrieben, und darin kam auch Adler vor. So gesehen
besaß ich eine gewisse Vorkenntnis.
Danach habe ich mich weiter für Geschichte wie auch Pädagogik interessiert, und in der Frage der Pädagogik
schien mir Adler praktikabler zu sein
als Freud. Ich habe die Ausbildung
unter anderem deswegen sehr spät
absolviert, weil ich einerseits zu der
Zeit arbeitslos war und andererseits
die Freudsche Ausbildung nicht machen wollte.
SB: Ihrem Vortrag zufolge war die
Psychoanalyse im Umgang mit
Kriegsneurosen zunächst etwas weniger aggressiv als die Psychiatrie.
Später schloß sie jedoch auf und
übernahm deren Funktion. Läßt sich
die Psychoanalyse vom psychiatrischen Standpunkt, den Sie scharf kritisiert haben, überhaupt abgrenzen?
Gibt es strukturelle Unterschiede
oder ist es eine Frage der Persönlichkeit der Therapeutin oder des Therapeuten?
ABB: Meine Kritik an der damaligen
Psychoanalyse besteht erstens darin,
daß sie den Kausalzusammenhang
So, 19. April 2015
mit dem Trauma nicht mehr thematisiert, ja geleugnet hat, und daß man
nach ihrer Lesart durch die Kindheit
und nie durch spätere Ereignisse
krank wird. Sie verfolgte zudem das
gleiche Ziel wie die Psychiatrie,
nämlich die Kriegstauglichkeit wieder herzustellen. Das finde ich sehr
erschütternd. Als ich mich mit dem
Thema beschäftigte, fiel mir ein, daß
ich den psychoanalytisch orientierten Ernst Federn einmal kennengelernt hatte. Er war der Sohn des
gleichnamigen herausragenden Psychoanalytikers, der acht Jahre im KZ
Buchenwald verbracht hatte. Von
dem Sohn erfuhr ich, daß sich sein
Vater später selbst einer Psychoanalyse unterzogen hat. Dabei sagte sein
Psychoanalytiker zu ihm, uns interessiert Ihre KZ-Erfahrung überhaupt
nicht. Darüber wurde nie gesprochen, sondern nur über seine Kindheit. Das ist doch absurd!
waren, daß sie sich auch wehren
konnten. Freud hat es als eines der
Ziele formuliert, dem Patienten zu
helfen, sich gegen bedrückende Lebensverhältnisse zur Wehr setzen zu
können. Ich will jetzt nicht sagen,
daß es nur darum geht, aber es kann
ein wichtiger Punkt sein. Ich erlebe
auch immer wieder, daß mir Patienten sagen, ich hatte eine gute Kindheit, meine Mutter war wunderbar.
Dann kann es sehr sinnvoll sein,
wenn sie doch an diesem Bild zu
zweifeln beginnen, ohne daß ich es
ihnen suggeriere, und anfangen, über
bestimmte Situationen in der Kindheit, die sie auch in der Gegenwart
erleben, immer wieder neu nachzudenken.
SB: In der Diskussion wurde vorhin
der Einwand vorgebracht, daß Soldaten, die therapeutisch behandelt
werden, möglicherweise den Kriegsdienst hinterher verweigern. Dies
SB: Ihren Worten entnehme ich, daß stelle jedoch eine inakzeptable Form
die lebensgeschichtliche Erfahrung der Beeinflussung dar. Was halten
des Patienten oder Klienten eine tra- Sie von diesem Argument?
gende Rolle in der Therapie spielen
müßte.
ABB: Das ist eine sehr einseitige
Sicht und stellt im Grunde eine Form
ABB: Ja, auch die Erfahrungen als repressiver Toleranz dar. Bei unserer
Jugendlicher und Erwachsener sind Arbeit sind wir sehr vorsichtig mit
nicht minder bedeutsam. Ich be- Beeinflussung, weil es für uns selber
schäftige mich auch mit Arbeitslo- wie auch für den Betroffenen schädsigkeit und Prekariat, und da ist es lich sein kann. Wenn man allerdings
ganz wichtig, dies einzubeziehen. beispielsweise einen Sexualstraftäter
Natürlich arbeite ich auch psycho- in Therapie hat, ist es klar, daß wir
analytisch und lege Gewicht auf die unseren Standpunkt, daß so etwas
Kindheit, aber dennoch muß die jet- nicht gut, sondern fehlgeleitet ist,
zige Situation dringend in die Thera- nicht verheimlichen. Auf dieser Bapie einbezogen werden.
sis kann man dann mit dem Klienten
arbeiten.
SB: Nach Ihrem Vortrag kam die
klassisch zu nennende Diskussion SB: Im Rahmen der Konferenz wird
auf, inwieweit die Psychotherapie auch über Posttraumatische Belanur eine Anpassung an und Einglie- stungsstörungen bei Soldaten diskuderung in die Gesellschaft bewerk- tiert. In diesem Zusammenhang sprastelligt oder ob sie auch eine eman- chen Sie von einer Inflation des Trauzipatorische Entwicklung einleiten mabegriffs. Inwieweit läßt er sich auf
kann.
bestimmte Krankheitsbilder anwenden, und wo fängt für Sie der inflatioABB: Aus meiner Arbeit sind mir näre Gebrauch des Begriffs an?
durchaus Beispiele von Patienten bekannt, von denen ich sagen kann, daß ABB: Der BegriffTrauma war in der
sie nach der Therapie so gekräftigt Psychoanalyse im Zusammenhang
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Seite 5
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mit sexuellem Mißbrauch in der
Kindheit gängig. Auch wenn Naturkatastrophen über die Menschen hereinbrachen, wurde von einem Trauma gesprochen. Daß Posttraumatische Belastungsstörungen bei Soldaten mit dem Krieg zusammenhängen,
ist ja lange bekannt, auch wenn das
heute mitunter wie eine neue Erkenntnis erörtert wird. In der aktuellen Diskussion ist jedoch eine regelrechte Inflation des Traumabegriffs
zu beobachten. Ich habe mich gefragt, warum jetzt alle eine Traumatherapieausbildung machen, obgleich
der Begriff in der Psychoanalyse lange Zeit nicht mehr verwendet wurde.
SB: Wäre das so etwas wie ein neues Label, das möglicherweise mit
dem konkreten Menschen und dessen Leiden gar nicht viel zu tun hat?
ABB: Ja, zumal es in der Psychoanalyse üblich ist, alles mögliche als
Trauma zu betrachten. In dem Sinne
ist auch eine böse Mutter ein Trauma, aber der Begriff selbst verfließt
und ist wenig griffig. Von Krieg ist
jedoch in den Reihen der Psychoanalytiker bezeichnenderweise nie die
Rede, er wird schlichtweg geleugnet.
SB: Sie vertreten demnach die Ansicht, daß eine soziale Problematik
von den Therapeuten in gewissem
Ausmaß zu einer psychischen Störung umgedeutet wird?
ABB: Ja, die Umdeutung findet
durch die Pathologisierung des Individuums statt, während die kausalen
Zusammenhänge mit seinem früheren oder aktuellen Umfeld nicht benannt und einbezogen werden. In einem etwas anderen, aber durchaus
vergleichbaren Zusammenhang
sprach Thomas Gebauer vorhin in
seinem Vortrag über Resilienz im
neoliberalen Diskurs der Eigenverantwortung davon, daß Reparaturalmosen gegeben werden, statt die
Selbsthilfekräfte zu stärken.
SB: In der historischen Rückschau
hatten Sie erläutert, daß die zunehSeite 6
mende Eskalation des Krieges unter
anderem auch dazu führt, daß die
Therapeuten immer stärker in die
Kriegsideologie eingebunden werden. Mit dem Slogan "Wir. Dienen.
Deutschland." versucht sich die Bundeswehr seit einigen Jahren ein neues Image zu geben. So wird der Eindruck erweckt, deutsche Soldaten
würden unsere Interessen im Ausland vertreten. Steigen dadurch auch
die Anforderungen an die Therapeuten seitens der Bundeswehr?
SB: Würde für Sie diese Grenze auch
dann gelten, wenn jemand den Anspruch erhebt, Sie müßten eine Behandlung aus moralischen oder berufsethischen Gründen durchführen?
ABB: Das ist für mich eine absolute
Grenze. Anders als die Ärzte müssen
Therapeuten keine Patienten annehmen. Wir sind sogar angehalten, nur
solche zu nehmen, mit denen wir
auch arbeiten können. Wenn ich bei
jemandem das Gefühl habe, das geht
nicht, dann arbeite ich auch nicht mit
ABB: Die Aufgabe von Therapeuten ihm. Von daher haben wir die Freibei der Behandlung von Soldaten ist heit der Wahl.
aus meiner Sicht die gleiche wie eh
und je: Sie müssen wieder einsatzfä- SB: Sie hatten in Ihrem Vortrag auch
hig oder im Vorfeld wehrtüchtig ge- geschildert, daß Psychiater und Psymacht werden. Im letzteren Sinne chotherapeuten an im Grunde gewird davon gesprochen, die Resili- nommen nur als Folter zu bezeichenz zu steigern.
nenden Formen der Behandlung beteiligt waren oder sie vielfach sogar
SB: Sie hatten bereits angedeutet, selbst entwickelt haben. Können Sie
daß Sie eine Zusammenarbeit inner- sich vorstellen, daß eine derartige
halb der Strukturen der Bundeswehr Entwicklung erneut zum Tragen
auf jeden Fall ablehnen, aber im Fal- kommt?
le, daß ein Soldat an Ihre Tür klopft,
sich nicht verweigern würden. Was ABB: Ja, davon bin ich überzeugt.
macht den großen Unterschied für Auch wenn die Bedingungen jetzt
Sie aus?
noch nicht so extrem sind, ist die
Grundhaltung der Ärzte doch so, daß
ABB: Der Unterschied ist natürlich, sie alles mitmachen würden, zumal
daß der Arbeitgeber wie auch der ihr Handeln gerechtfertigt wird. So
Geldgeber die Bundeswehr wäre. gibt es in der Psychiatrie wieder die
Das impliziert, daß die Soldaten un- Behandlung mit Elektroschocks, und
ter Geheimhaltungspflicht stehen man setzt Psychopharmaka von graund nicht über alles sprechen dürfen, vierender Wirkung ein. Ich hatte beselbst wenn sie nicht mehr im Dienst reits angedeutet, daß die psychologisind. Ich unterliege natürlich auch schen Psychotherapeuten darauf
der Schweigepflicht, müßte aber den drängen, krankschreiben, PsychoTruppenarzt über mein Gutachten in- pharmaka verschreiben und in Kliniformieren. Von einer Anonymität ken einweisen zu dürfen, was bisher
meines Patienten könnte also keine nur Ärzten vorbehalten war. Daher
Rede sein. Wenn mich ein Soldat um bin ich der festen Überzeugung, daß
eine Therapie bäte, würde ich mich ein gewisses kritisches Potential, das
im Einzelfall nicht verweigern, aber die Psychotherapeuten noch haben,
ganz sicher auch nicht vordrängen. dabei verlorengehen wird. Ich mache
Allerdings würde ich keinen Solda- da nicht mit. Irgendwann muß man
ten therapieren wollen, der wieder eine Grenze ziehen.
zurück in den Auslandseinsatz gehen
möchte. Man kann sich jedoch nicht SB: Sie haben Ihre akademische
von vornherein vornehmen, ihn da- Ausbildung in einer Zeit absolviert,
von abzubringen, zumal ein solches als eine kritische Diskussion sehr
Maß an Einwirkungsmöglichkeiten verbreitet war, sowohl innerhalb der
ohnehin illusorisch wäre.
Fachdisziplin als auch gesellschaftwww.schattenblick.de
So, 19. April 2015
Elektronische Zeitung Schattenblick
lich. Wenn Sie jetzt den Blick aufdie
heutige Generation von Studierenden werfen, ist da von diesem kritischen Geist noch etwas zu spüren
oder hat sich die Situation grundlegend geändert?
ABB: Sie hat sich tatsächlich grundlegend verändert. Mein Mann hat das
an der Universität erlebt, und ich war
bis vor einiger Zeit auch an der Ausbildung von Psychotherapeuten an
unserem Institut beteiligt. Die Medizinalisierung der Psychotherapie hat
so zugenommen, daß sich darüber
die gesamte Haltung deutlich verändert hat. Natürlich gibt es hin und
wieder schöne Erlebnisse mit einzelnen Studentinnen und Studenten, die
nachfragen und begierig sind, etwas
zu erfahren, weil sie wenig wissen,
aber die meisten wollen nur noch
konsumieren.
SB: Frau Bruder-Bezzel, vielen
Dank für dieses Gespräch.
Anmerkung:
Zum Umgang mit psychischen Problemen von Soldaten gestern und
heute ihm Schattenblick siehe auch:
Im Namen des Krieges - Selektion
traumatisierter Soldaten
http://www.schattenblick.de/infopool/pannwitz/report/pprb0015.html
Bisherige Beiträge zur NGfP­Konfe­
renz in Berlin im Schattenblick unter
www.schattenblick.de → INFO­
POOL → SOZIALWISSENSCHAF­
TEN → REPORT:
BERICHT/029: Krieg um die Köpfe
- auf die Füße stellen ... (SB)
BERICHT/030: Krieg um die Köpfe
- Miles legalitus ... (SB)
INTERVIEW/024: Krieg um die
Köpfe - teile und kriege ... Dr. Moshe Zuckermann im Gespräch (SB)
INTERVIEW/025: Krieg um die
Köpfe - Angriff ausgeschlossen ...
Prof. Dr. Klaus-Jürgen Bruder im
Gespräch (SB)
So, 19. April 2015
ehemalige Schachweltmeister Michail
Botwinnik rigoros seine Socken nicht,
wenn er gerade eine Siegesserie hatte. Verlor er jedoch, so zog er sich
umgehend neue Strümpfe an. Das allein genügte allerdings nicht. Seinem
Ordnungsdenken zufolge mußte er eine neue Variable in sein Handeln einfügen. Zum Wechseln der Socken gehörte daher auch das Wechseln der
Sockenfarbe. Diesem Verhalten blieb
er bis zu seinem Tode treu, und immerhin hatte Botwinnik den Berufdes
Ingenieurs erlernt und war nebenbei
auch auf dem Gebiet der Computertechnologie tätig. Ordnungsliebe,
http://www.schattenblick.de/
Ordnungswahn - der graduelle Unterinfopool/sozial/report/
schied ist nur eine Frage gesellschaftsori0031.html
licher Auffälligkeit. Im heutigen Rätsel der Sphinx hoffte nun Meister
Onischuk mit einem Remis davonkommen zu können, als er seine
SCHACH - SPHINX
schwarzen Figuren in einer ähnlichen
Formation zu den weißen aufstellte.
Sein Kontrahent Illescas war hingePedantisches Beharren
gen ein Chaotiker - er zerstörte den
(SB) ­ Unter Pedanterie versteht man schönen Regellauf der Ordnung. Mit
eine ins Fanatische getriebene Form welcher Kombination, Wanderer?
der Ordnungsliebe, wie beispielsweise das Festhalten an starren Verhaltensschemata, mit deren Hilfe ein beIllescas stimmter Zweck oder Erfolg wiederOnischuk
holt werden soll. Weit verbreitet ist
Wijk aan
diese Neigung unter Menschen, die
Zee 1997
latent oder offen abergläubischen
Vorstellungen nachhängen. Daß man
ausgerechnet unter Wissenschaftlern
und auch Schachmeistern aufsolche
Beharrungsmerkmale stößt, mag zunächst Verwunderung erweckten, Auflösung letztes Sphinx­Rätsel:
doch bei einiger Beobachtung wird
der Mechanismus leicht verständlich. Meister Norwood begriff schnell,
Bei Wissenschaftlern ist es die Fixie- daß der Sieg ihm gehörte, wenn er
rung auf Naturgesetze, wodurch der den schwarzen Fianchettoläufer ins
Ordnungsgedanke heiliggesprochen Freie lockte. Also opferte er mit
wird. Bei Schachspielern hingegen 1.Td1xd4! die Qualität und leitete
begründet sich die Annahme, durch nach 1...Lg7xd4 umgehend einen
ein wiederkehrendes Verhalten einen Königsangriff ein: 2.Se4-f6+ Ld4xf6
Dauererfolg sicherstellen zu können, 3.Dh3-h7+ Kg8-f8 4.g5xf6 Db7xd5+
aus dem Umstand, daß in ihrem Den- - eitles Racheschach - 5.Kg2-g1 und
ken feste Leitbilder in Form spezifi- Schwarz gab auf, da er gegen die
scher Eröffnungen und Schrittfolgen zahlreichen Drohungen nicht mehr
immer wieder auftauchen. So liegt es gegenankam.
nahe, daß diese kontinuierlichen
Denkmodelle auch aufs Alltagsver- http://www.schattenblick.de/info­
halten abfärben. So wechselte der pool/schach/schach/sph05448.html
INTERVIEW/027: Krieg um die
Köpfe - Rückwärts voran ...
Dr. Peer Heinelt im Gespräch (SB)
INTERVIEW/028: Krieg um die
Köpfe - Rückwärtsgang, nur schneller ... Dr. Friedrich Voßkühler im
Gespräch (SB)
INTERVIEW/029: Krieg um die
Köpfe - Nibelungentreue ...
Jürgen Rose im Gespräch (SB)
INTERVIEW/030: Krieg um die
Köpfe - Zum Menschen zurück ...
Christiane Reymann im Gespräch
(SB)
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SPORT / BOXEN / MELDUNG
Erstaunliche Wende trägt die Handschrift Al Haymons
Kampf zwischen Kowaljow und Stevenson in weite Ferne gerückt
(SB) ­ Der mit Abstand bedeutendste
Kampf im Halbschwergewicht zwischen den Weltmeistern Sergej Kowaljow (WBA, WBO, IBF) und
Adonis Stevenson (WBC) schien
endlich in greifbare Nähe gerückt zu
sein, als ihm nun von unerwarteter
Seite ein Riegel vorgeschoben wurde. Ausgerechnet Kowaljows Promoterin Kathy Duva, die sich zusammen mit dem Russen seit langem für
dieses Duell stark gemacht hatte, zog
sich vor der anberaumten Versteigerung der Austragungsrechte zurück.
Entgegen der gängigen Praxis bei
den vier maßgeblichen Weltverbänden, die jeweils anderen Weltmeister
aus ihren Ranglisten zu streichen,
hatte WBC-Präsident Mauricio Sulaiman den Sieger des Kampfs zwischen Sergej Kowaljow und Jean
Pascal am 14. März zum neuen
Pflichtherausforderer Adonis Stevensons erklärt. Da sich der Russe
dabei durchsetzte, eröffnete sich ihm
die lange vergeblich geforderte Gelegenheit, mit dem kanadischen
WBC-Weltmeister in den Ring zu
steigen. Sulaiman hatte seine ungewöhnliche Entscheidung damit begründet, daß dieses Duell um die
Führerschaft im Halbschwergewicht
endlich kommen müsse, weil es zum
Besten des Boxsports sei.
verteidigt hatte, erklärten er und sein
Promoter Yvon Michel sich überraschend bereit, in Verhandlungen über
einen Kampf gegen Kowaljow einzutreten oder es zu einer Versteigerung kommen zu lassen.
Wie Kathy Duva zur Erklärung ihres
Rückzugs anführte, wünsche sie
nach wie vor nichts sehnlicher als ein
Duell zwischen Kowaljow und Stevenson. Da der Russe jedoch bei
HBO unter Vertrag stehe, sei ein
Kampf unter der Regie eines anderen Senders ausgeschlossen. Die
Promoterin mußte davon ausgehen,
bei der Versteigerung zu unterliegen,
da sie den finanziellen Möglichkeiten Al Haymons nicht gewachsen
war, der mit Showtime wie auch
NBC, CBS, ESPN und Spike TV zusammenarbeitet, um sein Format
"Premier Boxing Champions" zu
vermarkten. Selbst wenn sich HBO
kräftig am Gebot beteiligt hätte, wäre man kaum mit Haymons Offerte
fertig geworden, dessen Kriegskasse
für solche Zwecke auf weit über 100
Millionen Dollar geschätzt wird.
Wäre es zur Versteigerung gekommen, hätte der Höchstbietende die
gesamten Vermarktungsrechte des
Kampfs erworben und Datum, Austragungsort und Sender bestimmen
können. Die Gesamtbörse in Höhe
des abgegebenen Gebots wäre zu
gleichen Teilen an die beiden Boxer
gegangen, an deren Einkünften wiederum die Promoter, Trainer und Betreuer partizipieren. Unter den genannten Umständen ist es durchaus
nachvollziehbar, daß Kathy Duva einem bloßen Scheingefecht von vornherein eine Absage erteilt hat.
Das war Musik in den Ohren Sergej
Kowaljows, der Stevenson seit langem vergeblich hinterhergejagt war.
Im vergangenen Jahr glaubte Main
Events, einen Kampfvertrag in der
Tasche zu haben, als der Kanadier
unter der Führung des Beraters Al
Haymon plötzlich eine andere Richtung einschlug, wofür er heftige Kritik einstecken mußte. Nachdem Stevenson jedoch seinen Titel am 4. Sergej Kowaljow, der bislang 27 SieApril erfolgreich gegen Sakio Bika ge und ein Unentschieden erzielt hat,
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will im Juni oder Juli eine Pflichtverteidigung gegen den Franzosen
Nadjib Mohammedi absolvieren, die
ursprünglich der Vorbereitung auf
einen Kampf gegen Stevenson im
Herbst dienen sollte. Auch der Kanadier wird nach Angaben Yvon Michels im Sommer wieder in den Ring
steigen. Duva führte diese zwischenzeitlichen Auftritte beider Boxer als
weiteres Argument an, die Versteigerung zum gegenwärtigen Zeitpunkt
abzulehnen. Es sei grundsätzlich
nicht ratsam, bereits den übernächsten Kampf fest zu vereinbaren, bevor der nächste mit all seinen Unwägbarkeiten stattgefunden hat.
Yvon Michel kritisierte den Rückzug
Kathy Duvas und erklärte, Stevenson
sei zwar mit Showtime assoziiert,
habe aber keinen Vertrag mit dem
Sender. Man habe Vorkehrungen getroffen, notfalls auch unter der Regie
von HBO anzutreten. Eine vernünftige Lösung wäre seines Erachtens,
die Vorschläge der beteiligten Sender auf den Tisch zu legen und sich
dann für das günstigste Angebot zu
entscheiden. Er sei gerne bereit zu
verhandeln, sofern auch die Gegenseite den bestmöglichen Erlös anstrebe. Sei das jedoch nicht der Fall,
zweifle er an der Ernsthaftigkeit der
Absichten im anderen Lager. [1]
Angesichts der jüngsten Wendung
braucht sich Adonis Stevenson wohl
doch nicht von Sergej Kowaljow demontieren zu lassen und hat zugleich
der wachsenden Kritik das Wasser
abgegraben, er laufe vor dem Russen
davon. Dessen Team muß nun mit
dem Vorwurf leben, den so gut wie
vereinbarten Kampf verhindert zu
haben. Diese vertrackte Situation
läßt die Handschrift Al Haymons erkennen, der dank seines strategiSo, 19. April 2015
Elektronische Zeitung Schattenblick
schen Geschicks und Einflusses das
derzeit Bestmögliche für Stevenson
herausgeholt hat. Der Berater pflegt
die bei ihm unter Vertrag stehenden
Boxer vor absehbaren Niederlagen
zu schützen, ohne ihrer Karriere damit Steine in den Weg zu legen. Das
scheint ihm auch im Falle des WBCWeltmeisters auf erstaunliche Weise
gelungen zu sein.
POLITIK / REDAKTION
REZENSION
US-Wundermaschine F-35 erweist
sich als teurer Flop
Irak - Ein Staat zerfällt
F­35 weniger einsatzfähig als der
A­10­Thunderbolt
Mit geschätzten Kosten für Entwicklung, Herstellung und Inbetriebnahme von sage und schreibe 1,4 Billionen Dollar gilt das TarnkappenMehrzweckflugzeug F-35 Lightning
Anmerkung:
II als teuerstes Rüstungsprojekt der
Militärgeschichte. Die neue Wun[1] http://espn.go.com/boxing/sto- derwaffe der USA gibt es in drei Verry/_/id/12692849/sergey-kovalev- sionen ...
bails-adonis-stevenson-purse-bidhttp://www.schattenblick.de/
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http://www.schattenblick.de/
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nachhaltigen Entwicklung, der
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So, 19. April 2015
Hintergründe, Analysen,
Berichte
von Tyma Kraitt (Hg.)
http://www.schattenblick.de/
infopool/politik/kommen/
raub1080.html
Als der Generalsekretär der Arabischen Liga und frühere ägyptische
Außenminister Amr Moussa im September 2002 eindringlich vor dem
drohenden angloamerikanischen
Einmarsch in den Irak warnte, weil
ein solcher Schritt im Nahen Osten
"das Tor zur Hölle" aufstoßen würde, wurden seine Kassandrarufe von
George W. Bush und Tony Blair einfach ignoriert. Zu jenem Zeitpunkt,
mehr als ein halbes Jahr vor der eigentlichen Invasion, hatten sich die
Regierungen der USA und Großbritanniens entgegen anderslautender
Zusicherungen längst auf einen gewaltsamen "Regimewechsel" in
Bagdad verständigt, um das Problem
Saddam Hussein loszuwerden und
eine "Transformation" des Nahen
Ostens einzuleiten. Beides ist ihnen
vollends gelungen. Der Irak, einst
fortschrittlichster Staat der arabischen Welt, liegt am Boden, während
der dort gelegte Brand Syrien in
einen verheerenden Bürgerkrieg gestürzt hat. Und jene "terroristischen"
Kräfte, die Bush und Blair durch den
Irak-Einmarsch angeblich eliminieren wollten, ...
SPORT / BOXEN
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infopool/buch/sachbuch/
busar641.html
infopool/politik/redakt/
milt­893.html
POLITIK / KOMMENTAR
Die Teilung der Welt über den Tod
hinaus
(SB) ­ Es wird Halbmast geflaggt,
der Staat trägt Trauer. Präsident und
Bundeskanzlerin ringen um die angemessenen Worte, um das Ausmaß
der Katastrophe zu umschreiben.
Millionen Menschen fühlen mit den
Angehörigen, die Medienmaschine
rotiert einmal mehr um den Absturz
des Germanwings-Fluges 9525 in
den französischen Alpen am 24.
März ...
Navigieren in seichten Gewässern
(SB) ­ Der britische Weltergewichtler Amir Khan trifft am 29. Mai im
New Yorker Barclays Center auf den
US-Amerikaner Chris Algieri ...
http://www.schattenblick.de/
infopool/sport/boxen/
sbxm1685.html
www.schattenblick.de
Tyma Kraitt (Hg.)
Irak ­ Ein Staat zerfällt
Hintergründe, Analysen, Berichte
ProMedia Verlag, Wien, 2015
221 Seiten
ISBN: 978­3­85371­385­3
Seite 9
Elektronische Zeitung Schattenblick
______I n h a l t_________________________________Ausgabe 1437 / Sonntag, den 19. April 2015_______
POLITIK - REDAKTION
SOZIALWISSENSCHAFTEN
SCHACH-SPHINX
SPORT - BOXEN
DIENSTE - WETTER
China baut seine Position im Südchinesischen Meer aus
Krieg um die Köpfe - Renaissance der Gewaltpsychiatrie ... Dr. Almuth Bruder-Bezzel
Pedantisches Beharren
Erstaunliche Wende trägt die Handschrift Al Haymons
Und morgen, den 19. April 2015
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DIENSTE / WETTER / AUSSICHTEN
Und morgen, den 19. April 2015
+++ Vorhersage für den 19.04.2015 bis zum 20.04.2015 +++
Ein Sonntagssonnenwetterchen
kommt heute einmal wie bestellt.
Mit Kegel, Kind und Vetterchen
erobert Frosch Jean-Luc die Welt.
© 2014 by Schattenblick
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