Neueste tagesaktuelle Berichte ... Interviews ... Kommentare ... Meinungen .... Textbeiträge ... Dokumente ... MA-Verlag SPORT / BOXEN Eric Molina fordert Deontay Wilder einiges ab Elektronische Zeitung Schattenblick Montag, 15. Juni 2015 Aufbruchtage - Januskopf und Bündnis ... (3) Frag' nach beim Bundestag (3) WBCWeltmeister braucht neun Runden für den Außenseiter Transformation statt Revolution? (SB) Bei seiner Rückkehr nach Ala- Podiumsveranstaltung am 3. September 2014 in Leipzig bama hatte Deontay Wilder zunächst einige Mühe mit dem als Außenseiter gehandelten Eric Molina. Am Ende setzte sich der WBC-Weltmeister im Schwergewicht jedoch einmal mehr mit seiner gefürchteten Rechten durch, die den Herausforderer viermal zu Boden schickte, bis sich dieser in der neunten Runde endgültig geschlagen geben mußte. Wenngleich der Titelverteidiger zu diesem Zeitpunkt auf den Zetteln der Punktrichter weit in Front lag, mußte er doch auf dem Weg dahin einige gefährliche Situationen bewältigen ... (Seite 8) SPORT / MEINUNGEN Hunger-, Ernährungselend und Verwertungsperversionen Neue "DarthVader"Kampagne von UNICEF: Kinder, die sich nicht be wegen, lassen andere hungern (SB) In der hiesigen Berichterstat- tung wird bereits darüber spekuliert, ob es sich bei dem, was das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen aus der Taufe gehoben hat, um eine Real-Satire oder gar eine Fake-Meldung handelt. Schaut man sich jedoch die offizielle Website der UNICEF-Kampagne "Kid Power" sowie die Postings mit begeisterten Teilnehmerinnen und Teilnehmern, Eltern, Lehrern oder Promisportlern aus den USA an ... (Seite 9) Angelika Zahrnt, Hermann Ott, Sabine Leidig und Matthias Zimmer (v.l.n.r.) Foto: © 2014 by Schattenblick "Was hat die Wachstums-Enquetekommission des Bundestags gebracht und wie weiter damit?" Unter diesem Titel fand auf der DegrowthKonferenz in Leipzig am 3. September 2014 eine Podiumsdiskussion mit den ehemaligen Kommissionsmitgliedern Hermann Ott (Wuppertal Institut, seinerzeit Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen), Sabine Leidig (Die Linke) und Matthias Zimmer (CDU) unter Mo- deration von Prof. Dr. Angelika Zahrnt (BUND) statt. [1] Die Kommission hatte von 2011 bis 2013 zum Thema "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität - Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft" gearbeitet. Damit wurden die drängenden Gegenwarts- und Zukunftsfragen innerhalb der kapitalistischen Verwertungsordnung als im Prinzip lösbar behandelt, was eine inhaltliche Eingrenzung darstellt, die im Widerspruch steht zu den von vielen Teilnehmenden und Akteuren der Degrowth-Konferenz formulierten antikapitalistischen Positionen. Elektronische Zeitung Schattenblick Die Ergebnisse der Enquetekommission variierten nach Einschätzungen der Beteiligten wie Experten stark. Von kritischen Mitgliedern wurde beispielsweise moniert, daß ein Teil ihrer Kommissionskollegen nicht bereit gewesen sei, das Wachstumsparadigma zu hinterfragen, auch wenn von einem parlamentarischen Gremium, in dem selbstverständlich auch die offizielle Regierungspolitik repräsentiert wird, deshalb auch zu erwarten war, daß nicht wenige Mitglieder die Auffassung vertreten würden, die Probleme sozialer, ökologischer und klima- wie verteilungspolitischer Art seien zu bewältigen, wenn nur die der kapitalistischen Marktwirtschaft inhärente Fähigkeit, bei einem genügenden Wirtschaftswachstum die erforderlichen Lösungsoptionen freizusetzen, nicht blockiert werde. Wie in Leipzig deutlich wurde, aber auch einschlägigen Publikationen zu entnehmen ist, zogen sich die Kontroversen zwischen Wachstumsbefürwortern und -gegnern, wenn auch mit unterschiedlich starken Beeinträchtigungen der einzelnen Projektgruppen, durch die gesamte Kommissionsarbeit. Die inhaltliche Unzufriedenheit wachstumkritischer Kommissionsmitglieder mit dem 844 Seiten starken Abschlußbericht war insofern vorprogrammiert. Die Abgeordneten der Partei Die Linke Ulla Lötzer und Sabine Leidig sowie die von der Linken benannten Sachverständigen Ulrich Brand und Norbert Reuter sahen sich veranlaßt, ein Sondervotum zu verfassen mit dem Titel "Sozial-ökologische Transformation als demokratischen, gerechten und emanzipatorischen Prozess gestalten", in dem sie die von ihnen in dem über zweijährigen Arbeitsund Diskussionsprozeß entwickelten Positionen deutlich machten. [2] Transformation - ein Zauberwort Begrifffür Wachstumskritik wäre die der Kapitalismuskritik? "sozial-ökologische Transformation", womit eine "Transformation des Ulrich Brand, Professor für Interna- Kapitalismus über ihn hinaus" getionale Politik an der Universität Wi- meint sei. Der BegriffTransformatien mit dem Arbeitsschwerpunkt Glo- on ist, wenn es um gesellschaftliche balisierung bzw. Globalisierungskri- Umbrüche und Fragen der polititik und selbst an der Degrowth-Kon- schen Zukunftsgestaltung und Konferenz beteiligt, erläuterte in einem fliktbewältigung geht, keineswegs Gespräch, inwiefern Wachstums- neu. Der österreichisch-ungarische und Kapitalismuskritik für ihn zu- Wirtschaftshistoriker, Wirtschaftssammenfallen und wieso die vor- und Sozialwissenschaftler Karl herrschende Wachstumsfixierung Polanyi (1886-1964) hatte den Beaus seiner Sicht immer problemati- griff Große Transformation für die scher wird: [3] tiefgreifenden sozialen, politischen und wirtschaftlichen Veränderungen Ich finde es wichtig, von kapitali- verwendet, die die westlichen Gestischem Wachstum zu sprechen, sellschaften im 19. und 20. Jahrhunwenn wir von Wachstum sprechen. dert im Zuge der Industrialisierung Wachstum ist ja nicht nur eine quan- vollzogen hatten. titative Größe, Wachstum ist ein soziales Verhältnis. Wachstum bzw. die Aus heutiger Sicht könnte Polanyi Ausweitung kapitalistischer Verhält- als früher Kapitalismuskritiker benisse reißt die Menschen in Lohnar- zeichnet werden. In seinem 1944 erbeit (wohin sie ja vielleicht auch schienenen Werk "Die große Transwollen) und macht den Staat abhän- formation" hatte er geschrieben: "Es gig von Wachstum, was Steuerein- war das Dilemma, dass sich das nahmen angeht und anderes. Kurz- Marktsystem sein eigenes Grab geum: Diese Form von kapitalistischer schaufelt hat und zuletzt auch die soweltmarktorientierter Wachstumsfi- zialen Institutionen zerstörte, auf dexierung führt nicht mehr dazu, dass nen es basierte." Wie Marx hielt Gesellschaften im globalen Norden - Polanyi die zunehmende Inwertsetund auch nicht im globalen Süden zung und Kapitalisierung für einen sich stabilisieren können. Skandal. Das Unheil habe seinen Lauf genommen, als zum ersten Mal Auf die Frage, ob die Wachstumsfi- in der Geschichte Land, Arbeit und xierung, also das Streben nach Pro- Geld aus ihrer sozialen Welt gerissen fit und Expansion, dem Kapitalismus und wie Rohstoffe oder Güter beausgetrieben werden könne, erklärte handelt, das heißt den Gesetzen von Brand, sein politisch-strategischer Angebot und Nachfrage unterworfen wurden. Polanyi zufolge, der sich als Sozialist verstand, führte das zur moralischen Zerstörung der gesellschaftlichen Lebensgrundlagen und dehumanisierte die soziale Welt. Der Begriff "große Transformation" wird auch auf das Aufkommen von Ackerbau und Viehzucht in dem ebenfalls mit tiefgreifenden sozialen Veränderungen verbundenen Übergang von der Jungsteinzeit (Neolithikum) zu Vorratshaltung und ersten festen Siedlungen bezogen, wofür der australisch-britische marxistische Archäologe und Archäologie- Ulrich Brand moderierte eine Podiumsdiskussion zum Thema "Degrowth Ein Bündnis zwischen dem Globalen Norden und Süden?!" Foto: © 2014 by Schattenblick Seite 2 www.schattenblick.de Mo, 15. Juni 2015 Elektronische Zeitung Schattenblick theoretiker Vere Gordon Childe 1936 den Begriff Neolithische Revolution geprägt hatte. Was also hat es zu bedeuten, wenn heute von einer dritten, mutmaßlich bevorstehenden Großen Transformation die Rede ist? Karl Marx wo liegen Nutzen und Grenzen seiner Analysen? Foto: John Jabez Edwin Mayall [Pu blic domain], via Wikimedia Com mons Auf zentralen Transformationsfeldern müßten Produktion, Konsumtion und Lebenstile so verändert werden, daß "die globalen Treibhausgasemissionen im Verlauf der kommenden Dekaden auf ein absolutes Minimum sinken und klimaverträgliche Gesellschaften entstehen können". Das Ausmaß dieses nach Ansicht des WBGU bevorstehenden Übergangs sei kaum zu überschätzen und hinsichtlich der Eingriffstiefe den beiden bisherigen "fundamentalen Transformationen" der Weltgeschichte, womit hier ebenfalls die Neolithische Revolution und die Industrielle Revolution nach Polanyi gemeint sind, vergleichbar. Im Unterschied zu den historischen Vorläufern, bei denen erst in Reaktion auf Krisen und Katastrophen tiefgreifende Richtungsänderungen vorgenommen worden Für die Leipziger Podiumsdiskussion zur Enquetekommission des Bundestages sind dieser Beirat und sein Gutachten erwähnenswert, um dem Mißverständnis vorzubeugen, es könnte sich bei dieser Parlamentskommission um so etwas wie ein wissenschaftliches Beratergremium handeln, wie es der WBGU für die Bundesregierung tatsächlich ist. In dessen Gutachten wurde auch empfohlen, die Zivilgesellschaft in die Bemühungen, für eine "Große Transformation" eine gesellschaftliche Akzeptanz zu schaffen, einzubinden. Für die Degrowth-Konferenz und ihre Teilnehmenden hätte sich aus solchen Gründen und Anlässen eine interessante Diskussion ableiten lassen, um in der Gretchenfrage, wie halten wir es in der Bündnispolitik mit der Regierung, für klare Positionen zu sorgen. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) propagiert eine "Große Transformation" Im April 2011, während die Enquetekommission des Bundestages zu Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität noch in ihren Anfängen steckte, hatte der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) ein Gutachten zu einem inhaltlich nah verwandten Thema "Welt im Wandel - Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation" vorgelegt. [5] Wie einer für politische Verantwortungsträger gedachten Zusammenfassung zu entnehmen ist, hält dieses hochkarätig besetzte wissenschaftliche Beratergremium der Bundesregierung einen "nachhaltigen weltweiten Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft" - so sein Verständnis der "Großen Transformation" - für erforderlich. Mo, 15. Juni 2015 seien, wird in dem Gutachten für den nun propagierten Wandel erklärt, es gelte, einen "umfassenden Umbau aus Einsicht, Umsicht und Vorsicht" anzutreiben und mit einem neuen Gesellschaftsvertrag zu besiegeln. Eine solche Transformation erfordere einen "gestaltenden Staat" und, mehr noch, den Aufbau von "Strukturen für globale Politikgestaltung" (Global governance). [6] www.schattenblick.de Degrowth als Lösung? Großer An drang im Foyer der Universität Leipzig zu Beginn der Konferenz Foto: © 2014 by Schattenblick Revolte "von unten" oder Transformation "von oben"? Wie im Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) hatte offenbar auch in der Wachstums-EnSeite 3 Elektronische Zeitung Schattenblick quetekommission des Bundestages der Tenor vorgeherrscht, den Schulterschluß zwischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu propagieren und voranzutreiben. Auf der Degrowth-Konferenz hingegen war in vielen Referaten und Diskussionen von strategischen Ansätzen und praktischen Kämpfen berichtet worden, geführt von Menschen, die sich nicht länger den Vorgaben der Politik zu unterwerfen und auf die Selbstheilungskräfte des kapitalistischen Systems zu hoffen bereit sind. Basisbewegungen und dezentrale Initiativen in allen Teilen der Welt wurden thematisiert als Zeugen und Akteure einer Entwicklung, für die das Fehlen einer zentralistischen bzw. globalen Ordnungsmacht, die ihr Lösungskonzept mit einer klimakatastrophendefinierten Sachzwangslogik unterfüttert und Marschrouten vorgibt, nach denen sich alle anderen zu richten hätten, kennzeichnend ist. Eine ergebnisoffene Diskussion der Frage, ob die Bevölkerungen der führenden demokratischen Staaten ihre Geschicke selbst in die Hand nehmen sollten, wäre eine logische Konsequenz, sollte sich herausstellen, daß die repräsentativen Institutionen bedingungslos am herrschenden Verwertungsystem und damit auch den ihm inhärenten Kapitalakkumulationszwängen festhalten. Die an der Podiumsdiskussion zur Enquetekommission auf der Degrowth-Konferenz beteiligten Parlamentarier schienen sich ungeachtet ihrer partiellen bzw. parteipolitischen Differenzen in der Annahme einig gewesen zu sein, daß nur durch mehr Staat bzw. den Aufbau globaler Regierungs- oder Kooperationsstrukturen die anstehenden Probleme angegangen werden könnten - und das, wie es hieß, unter Einbeziehung der sogenannten Zivilgesellschaft. Seite 4 Sabine Leidig Foto: © 2014 by Schattenblick Institutionalisierung - Rezeptur unter Bundestagsabgeordneten Sabine Leidig von der Linken erklärte auf die Frage der Moderatorin Prof. Zahrnt, wie es in den Fraktionen nach der Enquetekommission mit dem Thema weitergegangen sei, daß es eine enge Zusammenarbeit ihrer Partei mit der Rosa-LuxemburgStiftung gäbe, die aus wissenschaftlicher Sicht noch näher am Thema dran sei. Leidig wies darauf hin, daß eine kleine Oppositionspartei geringere Möglichkeiten hätte, in der parlamentarischen Arbeit eigene Schwerpunkte zu setzen, als die Regierungsparteien. Ihrer Partei käme die Rolle zu, nach Bündnispartnern Ausschau zu halten, um Einfluß auf den politischen Prozeß nehmen zu können. Sie würde sich wünschen, daß in der parlamentarischen Arbeit nicht nur allgemeine Bekenntnisse zu wachstumskritischen Impulsen abgegeben werden, sondern daß es zu einer Institutionalisierung bestimmter Debatten komme. www.schattenblick.de Hermann Ott sprach von den Schwierigkeiten, die Ergebnisse aus der Enquetekommission in die praktische Realität der parlamentarischen Arbeit zu übertragen. Dafür sei, so zeigte er sich mit Sabine Leidig einig, eine Institutionalisierung erforderlich. In der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen gäbe es bereits eine Arbeitsgruppe "Transformation". Ott plädierte dafür, sich innerhalb der Fraktionen dafür einzusetzen, daß tatsächlich eine Form der Institutionalisierung stattfände, weil da ansonsten, so seine Befürchtung, gar nichts laufen würde. Die Zivilgesellschaft sei hier gefragt, auch wenn der Abstand zur politischen Sphäre "unglaublich groß" sei. Die Menschen meinten, das sei doch alles bloß Mist, was da laufe und beschlossen werde. Zu sagen, das interessiere mich nicht, sei jedoch falsch. Es wäre unglaublich wichtig, daß der Druck auf das Parlament und die einzelnen Abgeordneten aus der Zivilgesellschaft komme, denn nur dann tue sich etwas in der Politik. Hermann Ott Foto: © 2014 by Schattenblick Arbeitswelt, Konsumverhalten und Lebensstile - Themen der Projektgruppe 5 In Projektgruppe 5, in der Sabine Leidig, Hermann Ott und Matthias Zimmer vertreten waren und bei der es sich, wie Ott unter dem zustimmenden Gelächter der Anwesenden erklärte, um die "Wohlfühl-Gruppe" Mo, 15. Juni 2015 Elektronische Zeitung Schattenblick der Enquetekommission gehandelt habe, war es um Arbeit, Konsum und Lebensstile gegangen. Themen also, die, wie die ehemalige Vorsitzende Sabine Leidig erklärte, "ganz nah an der Lebenswirklichkeit der Menschen dran sind" und zu denen es "ganz spannende" Anhörungen und Diskussionen gegeben habe. So habe Prof. Sauer [7] in einem Gutachten dargelegt, in welche Zwickmühlen Beschäftigte zunehmend gerieten, weil sie Arbeit ohne Ende abliefern müßten, die Bedingungen jedoch gar nicht selbst bestimmen könnten, wodurch ein Leiden an der Arbeit entstünde. Wie Sabine Leidig erklärte, sei die Frage nach der Qualität der Arbeit in Projektgruppe 5 parteipolitisch kontrovers besetzt gewesen. An der Frage, welcher Arbeitsbegriff überhaupt zugrunde gelegt werden sollte, hätten sich die Geister extrem geschieden. Beim Konsum, dem zweiten großen Thema dieser Projektgruppe, habe es ebenfalls eine Kontroverse gegeben. Einige Mitglieder hätten argumentiert, es sei wichtig, die Bevölkerung umfassend zu informieren, damit sie ökologischer einkaufe. Konkret sei die Idee entwickelt worden, Waren mit Barcodes zu versehen, um die Produktinformationen per Handy einlesbar zu machen, damit die Konsumierenden vor den Regalen stehend klimaverantwortliche Kaufentscheidungen treffen könnten. Andere hätten den Standpunkt vertreten, die Politik sei dafür verantwortlich, daß bestimmte Waren gar nicht erst in den Handel kämen. Dies müsse zuvor gegebenenfalls durch Verbote - reguliert werden, indem ein Warensortiment organisiert werde, das den einzelnen nicht mehr vor das Problem stelle, sich an der Ausbeutung von Menschen und der Zerstörung der Natur mitschuldig zu machen. Zwischen diesen Positionen habe kein Konsens hergestellt werden können, im Abschlußbericht wurden sie nebeneinandergestellt. Offenbar waren sich die Gruppenmitglieder Mo, 15. Juni 2015 darin einig, unter den Bedingungen des gegenwärtigen Wirtschaftssystems von einem ökologisch richtigen gegenüber einem falschem Konsumverhalten auszugehen. Wird dabei nicht außer acht gelassen, daß, wie Kritiker des kapitalistischen Systems einwenden könnten, der Zwang zu Kapitalakkumulation und zunehmender Inwertsetzung die politischen Handlungsspielräume so weit einenge, daß Problemlösungen im Interesse der diesen Strukturen unterworfenen Menschen von vornherein ausgeschlossen werden? Sabine Leidig hob hervor, daß bei der Frage nach Veränderungen des Lebensstils bzw. der Lebensweise der Suffizienz-Begriff als wichtige Bezugsgröße in das politische Feld gerückt wurde. Sie sei sehr froh, daß in der Enquetekommission nicht nur Effizienzfragen in dem Sinne, wie für bestimmte Werkstoffe Ersatz gefunden werden könne, thematisiert wurden, sondern daß viel über Suffizienz, verstanden als ein "selbstbestimmtes Weniger", gesprochen wurde, was der Degrowth-Perspektive entspräche. Angelika Zahrnt wies an dieser Stelle aufdas von ihr und Uwe Schneidewind, dem Präsidenten des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, an dem auch Hermann Ott tätig ist, zur Suffizienzpolitik gemeinsam verfaßte Buch hin. [8] Abschließend stellte die Moderatorin die Frage, wie es nach der Enquetekommission mit dem Thema Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität weitergehe und aus welchen Bereichen nach Ansicht der Referenten in nächster Zukunft die Anstöße kommen würden. Aus den Parteien, dem Parlament, der Zivilgesellschaft, in verstärktem Maße der Forschung oder aus allen Bereichen zusammen? www.schattenblick.de Angelika Zahrnt Foto: © 2014 by Schattenblick Wer sind die entscheidenden Akteure? Sabine Leidig erklärte, ihre Hoffnungen lägen klar auf den Bewegungsimpulsen, auf Konferenzen wie der hier in Leipzig, aber auch auf den Protesten, die auf den Straßen gegen konkrete Wachstumsprojekte stattfänden. Sie sei optimistisch, daß sich eine gegenhegemoniale Wissenschaftslandschaft so weit entwickeln werde, daß die Mainstream-Ökonomen das Feld nicht mehr allein besetzen könnten. Leidig formulierte den Wunsch, daß die hier versammelten Menschen sowie die an der Konferenz beteiligten Organisationen die in den Parlamenten wirkenden Akteure nicht rechts oder links oder sonstwo liegenlassen. Zur Begründung erinnerte sie an den attac-Wachstumskongreß von 2010, den sie noch als attac-Geschäftsführerin mitorganisiert hatte. Im Spektrum von attac habe es eine große Rolle gespielt, zu den Parteien und den Parlamentariern auf Distanz zu gehen. Den Institutionen täte es jedoch gut, um wenigstens zu versuchen, den Degrowth-Gedanken zu Seite 5 Elektronische Zeitung Schattenblick entwickeln, wenn es mehr Interaktion gäbe und von außen Anforderungen an die Parlamentarier gestellt werden würden, sich gefälligst mit diesen Fragen zu beschäftigen und dazu Rede und Antwort zu stehen auf Veranstaltungen wie dieser. Es gäbe da eine ungeheure Borniertheit, so die Politikerin der Linkspartei, die unter dem Beifall der Anwesenden dafür warb, "diese Bornierten nicht abzuschreiben und nicht locker zu lassen". Hermann Ott ging auf eine Entwicklung ein, die während der Enquetekommission begonnen habe und "cross over" genannt worden sei. Organisiert von der Heinrich-Böll-, der Friedrich-Ebert- und der Rosa-Luxemburg-Stiftung seien Mitglieder der Enquetekommission mit Vertretern der Zivilgesellschaft zusammengekommen, um zu diskutieren und die Frage weiterzuverfolgen, wie es nach dem Ende der Enquetekommission weitergehen könne. Seiner Überzeugung nach sei ein zivilgesellschaftliches Forum erforderlich, das auch die aus dem Degrowth-Diskurs kommenden Impulse aufnimmt und weiterträgt und in dem sich die Akteure der verschiedenen Bewegungen, Gruppen und Projekte treffen können, um die sozial-ökologische Transformation und gemeinsame Projekte bzw. Konzepte voranzutreiben. Dabei gehe es um die Frage, wie sich die Gesellschaft weiterentwickeln könne und müsse. Wachstumskritische Debatten habe es schon in den 70er und 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts gegeben. Dies sei jetzt die dritte, und damit sie nicht wie ihre Vorgängerinnen völlig vergessen werde, müsse eine Institution gebildet werden, eine Agora zwischen Zivilgesellschaft, Politik, Wirtschaft, Medien und Wissenschaft. Er werde sich dafür einsetzen, so Ott, daß in einer solchen Plattform auch "Interventionen gemacht werden können in die aktuelle Politik", ohne sich allerdings dazu zu äußern, wie es um Seite 6 die demokratische Legitimation ei- über sich hinaus getrieben werden nes solchen Gremiums bestellt wäre. sollte, anstatt ihn als Hemmnis eines herrschaftsfreien Zusammenleben, Bliebe da nicht zu problematisieren, so die bislang uneingelöste gesellob sich eine mit Vorrangrechten ge- schaftliche Utopie früherer revolugenüber regulären Organen wie der tionärer Bestrebungen, von Grund Bundesregierung oder den Gesetzge- auf zu bekämpfen? Fragen dieser Art bungsorganen versehene Institution kritisch zu reflektieren und zuzuspitzum Einfallstor für eine technokra- zen, könnte womöglich, wie als Fatisch-ökologische De-facto-Diktatur zit auch aus der Podiumsdiskussion entwickeln könnte? Und wäre nicht zur Wachstums-Enquetekommission ein Szenario vorstellbar, in dem zu des Bundestages gezogen werden dem vorgeblichen Zweck, die könnte, dem Degrowth-Diskurs zu Menschheit vor sich selbst, d.h. dem anwachsender Stärke verhelfen. anthropogenen Klimakollaps mit seinen unabsehbaren sozialen und ökologischen Folgen, zu retten, jede und jeder, die oder der die "sozial-ökologische TransforKapitalismus Teil des Problems mation" hinterfragt oder ihr eigene, oder Teil der Lösung? vielleicht anderslautende Konzepte entgegenstellt, Gefahr liefe, nicht nur Foto: By LepoRello (Own work) [CC BYSA 3.0 (http://creativecom als Staatsfeind, sondern als Blockiemons.org/licenses/bysa/3.0) or rer der Rettung der Menschheit sankGFDL (http://www.gnu.org/copy tioniert zu werden? Einen Begriff wie Transformation mit Etiketten wie "sozial" und "ökologisch" zu versehen, dürfte nicht ausreichen, um das Mißtrauen vieler Menschen gegen ein Projekt, bei dem sie sich mit der Regierung und den Unternehmen "in ein Boot" setzen sollen, zu zerstreuen. Und steht nicht auch zu befürchten, daß eine solche Transformation eine Sachzwangslogik befördert, die den so engagiert verfolgten Degrowth-Anliegen sogar entgegenwirken könnte? Was macht, anders gefragt, den Kapitalismus so erhaltenswert, daß er auf dem Transformationswege www.schattenblick.de left/fdl.html)], via Wikimedia Commons Anmerkungen: [1] Bisherige Beiträge zur Podiumsveranstaltung "Was hat die Wachstums-Enquetekommission des Bundestages gebracht und wie weiter damit?" auf der Degrowth-Konferenz siehe www.schattenblick.de → INFOPOOL → BÜRGER/GESELLSCHAFT → REPORT: BERICHT/049: Aufbruchtage Januskopf und Bündnis ... (1) (SB) Mo, 15. Juni 2015 Elektronische Zeitung Schattenblick BERICHT/050: Aufbruchtage Januskopf und Bündnis ... (2) (SB) on. Hauptgutachten 2011, Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen WBGU, Berlin. Die "Zusammenfassung" (Zusammenfassung für Entscheidungsträger) kann als PDF (382 KB / 34 Seiten) heruntergeladen werden unter: http://www.wbgu.de/hauptgutachten/hg-2011-transformation/ [2] Das Sondervotum (und weitere Textbeiträge zum Thema) wurde von Ulrich Brand, Katharina Pühl und Stefan Thimmel in der Reihe "Manuskripte Neue Folge" der Rosa-Luxemburg-Stiftung unter dem Titel "Wohlstand - wie anders? Linke Perspektiven" 2013 als Broschüre herausgegeben. [7] Prof. Dr. Dieter Sauer studierte Nationalökonomie und Soziologie in [3] "Den Kuchen anders backen München und ist seit 1969 als Soziund verteilen. Wie könnte eine Ge- alforscher am dortigen Institut für sellschaft ohne ökonomischen Sozialwissenschaftliche Forschung Wachstum aussehen?" Gespräch e.V. (ISF) tätig. Er hat an vielen emmit dem Politikwissenschaftler Ul- pirischen und theoretischen Aufrich Brand. In: graswurzelrevoluti- tragsforschungen mitgewirkt und deon, 43. Jahrgang, Nr. 393, Novem- ren Ergebnisse veröffentlicht. 2012 ber 2014, S. 3. Im Schattenblick wurde sein für die Projektgruppe 5 unter www.schattenblick.de → der Bundestags-Enquetekommission INFOPOOL → MEDIEN → Wachstum, Wohlstand LebensqualiALTERNATIV-PRESSE: tät erstelltes Gutachten OrganisatoriGRASWURZELREVOLUTION/ sche Revolution - Neue Anforderun1431: Den Kuchen anders backen gen durch den Wandel der Arbeitsund verteilen - ein Gespräch mit Ul- welt am Institut für Sozialwissenrich Brand schaftliche Forschung publiziert. http://www.isf-muenchen.de/publi[4] Der entfesselte Kapitalismus. kationen/arbeitspapieKarl Polanyi geißelt Profitgier und re/id/24/lang/all deregulierte Märkte. Die heutigen Kapitalismuskritiker sind seine Er- [8] Uwe Schneidewind und Angelika ben - und wissen es nicht. Von Rai- Zahrnt: Damit gutes Leben einfacher ner Hank. Frankfurter Allgemeine wird. Perspektiven einer SuffizienzZeitung, 19.12.2014 politik. Oekom Verlag, München http://www.faz.net/aktuell/wirt2013. ISBN 978-3-86581-441-8 schaft/wirtschaftswissen/die-weltverbesserer/karl-polanyi-der-entfesselte-kapitalismus13113650.html?printPagedArticBisherige Beiträge zur Degrowth le=true#pageIndex_2 Konferenz in Leipzig im Schatten [5] Welt im Wandel: Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation. Hauptgutachten 2011, Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen WBGU, Berlin. In der "Vollversion" als PDF (4,9 MB / 420 Seiten) herunterzuladen unter: http://www.wbgu.de/hauptgutachten/hg-2011-transformation/ blick unter www.schattenblick.de → INFOPOOL → BÜRGER/GESELL SCHAFT → REPORT: BERICHT/028: Aufbruchtage Brauch- und Wuchskultur auf die Gegenspur ... (SB) BERICHT/029: Aufbruchtage Schuld und Lohn ... (SB) BERICHT/030: Aufbruchtage - Umkehr marsch ... (SB) [6] Welt im Wandel: Gesellschafts- BERICHT/031: Aufbruchtage - Kavertrag für eine Große Transformati- pital gezähmt ... (SB) Mo, 15. Juni 2015 www.schattenblick.de BERICHT/032: Aufbruchtage Quadratur des Kreises und wie es doch zu schaffen ist ... (SB) BERICHT/033: Aufbruchtage Mensch- und umweltfreundlicher Verkehr ... (SB) BERICHT/034: Aufbruchtage - Die Praxis eines jeden ... (1) (SB) BERICHT/035: Aufbruchtage - Die Praxis eines jeden ... (2) (SB) BERICHT/036: Aufbruchtage - Die Praxis eines jeden ... (3) (SB) BERICHT/037: Aufbruchtage - die Weckruferin ... (SB) BERICHT/038: Aufbruchtage - globalisierungs- und kapitalismusfreie Demokratie (SB) BERICHT/039: Aufbruchtage - Gartenbrot und Schrebernot ... (SB) BERICHT/040: Aufbruchtage - Sozioökologische Auswege ... (SB) BERICHT/041: Aufbruchtage - mit dem Schnee schmilzt das Leben ... (SB) BERICHT/042: Aufbruchtage Klassenkampf und Umweltfront ... (SB) BERICHT/043: Aufbruchtage - Mit beschränkter Haftung ... (1) (SB) BERICHT/044: Aufbruchtage - Mit beschränkter Haftung ... (2) (SB) BERICHT/044: Aufbruchtage - Mit beschränkter Haftung ... (2) (SB) BERICHT/045: Aufbruchtage Vielfalt für die Menschen ... (1) (SB) BERICHT/046: Aufbruchtage Vielfalt für die Menschen ... (2) (SB) BERICHT/047: Aufbruchtage - Mit beschränkter Haftung ... (3) (SB) BERICHT/049: Aufbruchtage - Januskopf und Bündnis ... (1) (SB) BERICHT/050: Aufbruchtage - Januskopf und Bündnis ... (2) (SB) BERICHT/052: Aufbruchtage - indigene Subversion ... (SB) INTERVIEW/056: Aufbruchtage Hoffen auf den Neubeginn ... Tadzio Müller im Gespräch (SB) INTERVIEW/057: Aufbruchtage Zwei Seiten einer Medaille ... Nicola Bullard im Gespräch (SB) INTERVIEW/058: Aufbruchtage Sozialökonomie ... Éric Pineault im Gespräch (SB) INTERVIEW/059: Aufbruchtage Entfremdungsfreies Schaffen ... Seite 7 Elektronische Zeitung Schattenblick Stefan Meretz im Gespräch (SB) INTERVIEW/060: Aufbruchtage Neue Formen des Protestes ... Bengi Akbulut im Gespräch (SB) INTERVIEW/061: Aufbruchtage Gemeinschaft wecken ... Barbara Muraca im Gespräch (SB) INTERVIEW/062: Aufbruchtage Beweglich, demokratisch und global ... Maggie Klingler-Lauer im Gespräch (SB) INTERVIEW/063: Aufbruchtage Mut zum großen Wandel ... Hans Thie im Gespräch (SB) INTERVIEW/064: Aufbruchtage Marktplatz der Retter ... Clive Spash im Gespräch (SB) INTERVIEW/065: Aufbruchtage Pflanzen, Wohnen, Leben ... Gerda Münnich im Gespräch (SB) INTERVIEW/066: Aufbruchtage Avantgardebereinigt und zusammen ... Ashish Kothari im Gespräch (SB) INTERVIEW/067: Aufbruchtage Planiertes Leben ... Haris Konstantatos im Gespräch (SB) INTERVIEW/068: Aufbruchtage Druck von unten ... Federico Demaria im Gespräch (SB) INTERVIEW/069: Aufbruchtage palaverdemokratisch ... Christopher Laumanns im Gespräch (SB) INTERVIEW/070: Aufbruchtage Eine Frage des Systems ... Steffen Lange im Gespräch (SB) INTERVIEW/071: Aufbruchtage ohne Staat und menschenfreundlich ... David Barkin im Gespräch (1) (SB) INTERVIEW/072: Aufbruchtage ohne Staat und menschenfreundlich ... David Barkin im Gespräch (2) (SB) INTERVIEW/073: Aufbruchtage Rückbesinnung, Neuanfang ... Horst Arndt-Henning im Gespräch (SB) INTERVIEW/075: Aufbruchtage und wenn, für alle Menschen ... Lucia Ortiz im Gespräch (SB) http://www.schattenblick.de/ infopool/buerger/report/ brrb0053.html Seite 8 SPORT / BOXEN / MELDUNG Eric Molina fordert Deontay Wilder einiges ab WBCWeltmeister braucht neun Runden für den Außenseiter (SB) Bei seiner Rückkehr nach Ala- bama hatte Deontay Wilder zunächst einige Mühe mit dem als Außenseiter gehandelten Eric Molina. Am Ende setzte sich der WBC-Weltmeister im Schwergewicht jedoch einmal mehr mit seiner gefürchteten Rechten durch, die den Herausforderer viermal zu Boden schickte, bis sich dieser in der neunten Runde endgültig geschlagen geben mußte. Wenngleich der Titelverteidiger zu diesem Zeitpunkt auf den Zetteln der Punktrichter weit in Front lag, mußte er doch auf dem Weg dahin einige gefährliche Situationen bewältigen. Obwohl die meisten Experten davon ausgegangen waren, daß Molina die ersten Runden nicht überstehen würde, präsentierte sich der Texaner doch wesentlich besser als erwartet und stellte sich zum Kampf. In der dritten Runde kam er mit einer Kombination aus einem linken Haken und einem rechten Cross durch, die den Weltmeister sichtlich erschütterte. Der 29 Jahre alte Champion erholte sich jedoch von diesen Treffern wieder und revanchierte sich kurz vor der Pause mit einem Uppercut. Im vierten Durchgang drehte Wilder den Spieß vollends um und streckte den in der Ecke stehenden Herausforderer mit einem linken Haken erstmals auf die Bretter. In der fünften Runde wollte der 2,01 m große Favorit die Entscheidung herbeiführen und schickte Molina zwei weitere Male zu Boden. Wider Erwarten überstand der Außenseiter jedoch auch diese bedrängte Lage und griff in der Folge seinerseits mutig an. Als Wilder müde wurde, mußte er in der achten Runde eine Reihe von Körpertreffern einstecken, bis er schließlich im folgenden Durchgang mit eiwww.schattenblick.de nem mächtigen Konter den vierten Niederschlag herbeiführte. Daraufhin brach der Ringrichter den Kampf nach 1:03 Minuten der Runde ab, ohne Molina anzuzählen, der gegen diese Entscheidung protestierte. Wie der Herausforderer, für den nun 23 Siege und drei Niederlagen zu Buche stehen, im anschließenden Interview unterstrich, habe er wie angekündigt alles gegeben. Er respektiere die Entscheidung des Referees, der gute Arbeit geleistet habe. Deontay Wilder sei zweifellos ein guter Boxer, dem er nun wünsche, in den Rang einer Legende aufzusteigen. Der in 34 Profikämpfen ungeschlagene Deontay Wilder räumte ein, wie sehr ihn der Herausforderer überrascht habe. Nachdem zahllose Kritiker Molinas Fähigkeiten in Abrede gestellt hätten, erfülle ihn dieser mutige Gegner mit Stolz, der eine hervorragende Leistung geboten habe. Wilder, der sich beim Titelgewinn im Kampf gegen den Kanadier Bermane Stiverne im Januar einen Bruch in der Schlaghand zugezogen hatte, bestätigte den Eindruck, zunächst vorsichtig zu Werke gegangen zu sein, um seine Rechte zu prüfen. Nachdem er dann einige Treffer ohne Beschwerden ins Ziel gebracht habe, sei er offensiver zu Werke gegangen. Der Herausforderer erwies sich als unbequemer Gegner, da er immer wieder nachsetzte und ungestüm auf den Champion einschlug. Auf die Frage, ob er nicht Angst vor Molinas gefährlichen Kontern gehabt habe, erwiderte der Weltmeister, er ziehe es vor, im Ring nichts zu überstürzen, sondern mit kühlem Kopf zu boxen. Er habe seinem Namen in der Vergangenheit des öfteren mit wilden Mo, 15. Juni 2015 Elektronische Zeitung Schattenblick Angriffen alle Ehre gemacht, doch wolle er sich nun auch in technischer Hinsicht weiterentwickeln. Sollte der Tag kommen, an dem er aufhöre, etwas dazuzulernen, habe er nichts mehr in diesem Sport zu suchen. Da dies der erste Titelkampf gewesen sei, der je in diesem Bundesstaat ausgetragen wurde, habe er sich einen zähen und beherzten Gegner ausgesucht. Eric Molina sei immer wieder aufgestanden und habe weitergekämpft, wofür er ihm danke. Gemeinsam habe man Alabama eine großartige Show geboten. [1] Wie der Weltmeister nach seinem Erfolg erklärte, sei er nun bereit für den Pflichtherausforderer Alexander Powetkin. Der 35jährige Russe hat 29 Auftritte gewonnen und nur gegen Wladimir Klitschko verloren, weshalb er zu den führenden Titelaspiranten gehört. Im Mai schaltete er in einem Ausscheidungskampf des Verbands WBC den als außerordentlich robust geltenden Kubaner Mike Perez bereits in der ersten Runde aus, was seine Gefährlichkeit unterstreicht. Die Entscheidung, ob es zu diesem attraktiven Duell kommt, liegt wieder einmal bei Al Haymon, der auch Wilder unter Vertrag genommen hat. Sollte der Verband jedoch auf einen umgehenden Kampf gegen den Russen bestehen, wäre noch vor Ende des Jahres damit zu rechnen. [2] Anmerkungen: [1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/13074424/deontay-wilderretains-wbc-heavyweight-titleknockout-eric-molina [2] http://www.boxingnews24.com/2015/06/deontay-wilder-looking-forward-to-alexanderpovetkin-fight/#more-194818 http://www.schattenblick.de/ infopool/sport/boxen/ sbxp0584.html Mo, 15. Juni 2015 SPORT / MEINUNGEN / KOMMENTAR Hunger-, Ernährungselend und Verwertungsperversionen Neue "DarthVader"Kampagne von UNICEF: Kinder, die sich nicht bewegen, lassen andere hungern (SB) In der hiesigen Berichterstat- tung wird bereits darüber spekuliert, ob es sich bei dem, was das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen aus der Taufe gehoben hat, um eine Real-Satire oder gar eine Fake-Meldung handelt. Schaut man sich jedoch die offizielle Website der UNICEF-Kampagne "Kid Power" sowie die Postings mit begeisterten Teilnehmerinnen und Teilnehmern, Eltern, Lehrern oder Promisportlern aus den USA an, wo die Kampagne ihren Anfang nahm, dann scheint hier tatsächlich ein Massenmobilisierungsprogramm am Start zu sein, das Fitneßtrends, Sozialmarketing und kindliche Welterklärungsschemas auf eingängige Weise mit modernen Überwachungstechniken der Selbstoptimierung verbindet. So hat UNICEF ein weltweites Programm ins Leben gerufen, das tendenziell übergewichtige Kinder aus reichen Ländern dazu animieren soll, sich mehr zu bewegen, um dadurch Essensrationen für Kinder in ärmeren Ländern freizuschalten. In Anspielung an den Kino-Blockbuster "Krieg der Sterne" wird US-amerikanischen Kids und ihren Eltern mit vollmundigen Slogans allen Ernstes suggeriert, daß Kinder die Macht oder Kraft hätten, durch eigene körperliche Aktivitäten die globale Unterernährung zu beenden und Leben zu retten ("Kids have the power to end global malnutrition by getting active to save lives!"). [1] Bezeichnenderweise ist der Disney-Konzern, der mit dem Star Wars-Epos Milliarden einspielte und im vergangenen Sommer die Kampagne "Force-forChange" (Macht zur Veränderung) [2] zugunsten von UNICEF und des eigenen Merchandisings initiierte, www.schattenblick.de prominenter Unterstützer von "Kid Power". Das Projekt wurde bereits in Bosten, Dallas und New York erprobt und soll nun auch auf andere Städte bzw. Industrieländer ausgeweitet werden. Elektronische Fitneßarmbänder in blauer Farbe ("wearable-for-good") geben Auskunft, ob die Kinder oder Schülergruppen ausreichend Bewegungspunkte gesammelt haben, damit aus einer "Welt des Überflusses", wie stolze Teilnehmer in offenkundiger Verkennung der weit verbreiteten Armut in den USA berichten, "lebensrettende Nahrung" an Kinder in armen Ländern versandt werden kann. Je mehr Aktivitäten gezählt werden, desto mehr Nahrungspakete für Kinder in Entwicklungsländern finanzieren die Sponsoren. Zwar könnten die Pakete auch direkt an die Bedürftigen geschickt werden, doch dann gäbe es die perfide Simplifizierung und karitative Pädagogisierung der Armuts-, Ernährungsund Bewegungsprobleme in der Welt nicht. Wieder einmal müssen Kinder dafür herhalten, was sich die Erwachsenen so ausgedacht haben. Ob Schulkindern wohl die ganze Bedeutung des brutalen UNICEF-Mottos "get active. save lives." bewußt ist? Für Erwachsene liegt sie auf der Hand: Je weniger sich (dicke) Kinder bewegen oder von ihren Eltern angetrieben werden, desto weniger Nahrungspakete werden in Armutsländer versandt - was nichts anderes heißt, als daß die dortigen Kinder hungern oder sterben müssen. Sehen so die "Hunger Games" im OnlineZeitalter aus? Müssen sich Jugendliche wie in dem Bestsellerroman und Kinohit "Die Tribute von Panem" Seite 9 Elektronische Zeitung Schattenblick wirklich wie Gladiatoren gegenseitig bekämpfen oder reicht es nicht vollkommen aus, daß sich (dicke) Kinder auf die Jagd nach Bewegungspunkten machen, damit die reichen Sponsoren ihre Wohltätigkeit demonstrieren und dazu noch das Volk in Atem halten können? Die subtile Bezichtigung, durch das eigene Bewegungsverhalten schuld daran zu sein oder zumindest Anteil daran zu haben, daß Kinder in armen Ländern hungern müssen, beginnt allerdings schon sehr viel früher. Nämlich dort, wo Kindern (und ihren Eltern) aus Geberländern weisgemacht wird, sich selbst in einer körperlich höchst defizitären Lage zu befinden, die durch Aktivitätssteigerungen unbedingt ausgeglichen werden muß. Unter Ausblendung wesentlicher sozialer Faktoren, genetischer Dispositionen sowie gesellschaftlicher Produktionsverhältnisse, die für adipöses Übergewicht, Bewegungsmangel oder minderwertige Nahrung verantwortlich sind, wird den Trägern von Fitneßarmbändern beigebracht, sich auf das quantitativ Meßbare zu beschränken. Das Individuum soll nicht die gesellschaftlichen Besitz- und Gewaltverhältnisse in Frage stellen, sondern sich selbst - am besten jederzeit und allerorten. Sogar Schlaf und Sex können mit Hilfe von Aktivitätstrackern noch auf höhere Effizienzwerte getrimmt werden. Die Körpermaschine muß laufen; nur wer täglich das Bewegungssoll erfüllt und sein Eßverhalten bis auf die letzte Kalorie abgerechnet hat, darf ruhigen Gewissens glauben, den Idealen von Gesundheit, Fitneß, Schlankheit oder Wohlgefühl ein Stück nähergekommen zu sein. Leider nur ein bißchen, denn die Endlosschleife der Selbstvermessung hält die Quantifizierer unablässig an der Kandare des Vergleichs, manifestiert durch die Zahl, die es zu erreichen oder zu überbieten gilt. Daß der Mensch in seinem Streben nach Identität und Selbstvergewisserung so töricht ist, Seite 10 aus der Zahl den eigenen sozialen Wert, Rang oder Vitalfaktor abzuleiten, läßt das Ausmaß seiner Fremdbestimmung und -verfügbarkeit erahnen. So kann auch die UNICEF-Kampagne gar nicht platt genug sein, um die zu Datenträgern degradierten Massen in Bewegung zu setzen. In einem erstaunlich unkritischen Bericht über "Kid Power" schwärmt Heise-Online vom pädagogischen Effekt, der über die Motivation zur Bewegung hinausgehe: "Die aktiven Kinder können sich selbst als positive Kraft erleben. Anstatt lediglich Hilfsempfänger zu sein, können sie selbst anderen helfen, häufig zum ersten Mal in ihrem Leben. Im begleitenden Unterricht erfahren sie außerdem etwas über die Welt außerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika." [3] Wer sich die Werbevideos und Erfahrungsberichte zu "Kid Power" im Netz anschaut, hört und sieht vor allem zu Lebensrettern mutierte Kinder, die die Win-Win-Phrasen der Erwachsenen nachreden und auf spielerisch-sublime Weise den selbstverständlichen Umgang mit Aktivitätstrackern antrainiert bekommen. Im vergangenen Jahr hatten Schulen in den USA bereits damit begonnen, den Kindern das Tragen von elektronischen Pulsmessern vorzuschreiben, um ihre Fitneßarbeit und Leistungsbereitschaft vollständiger überwachen und besser benoten zu können. [4] ger leiden, aus Armut und Elend zu befreien, steht indessen nicht zu erwarten. Dann schon lieber Schritte zählen, Pulsschlag messen und Bewegungspunkte sammeln, die dazu berechtigen, das gute Gewissen in Nahrungspakete verpackt gen Afrika oder Asien zu schicken. Für Geld sollen künftig Teilnahmetickets an der Bewegungskampagne auch über Apps zu ordern sein. Der kleine Schönheitsfehler in der Planung: Apple und Google behalten 30 Prozent dieser Beträge ein. Das sei der allgemein übliche Satz. Ausnahmen für karitative Organisationen gäbe es keine, zitiert Heise-Online Rajesh Anandan, den Vizepräsidenten des UNICEF U.S. Funds, der als Kampagnenverkäufer durch die Medien tingelt. Sollte die IT-Industrie, die mit der digitalen Selbstund Fremdüberwachung ein Bombengeschäft macht, der UNICEF preislich noch etwas entgegenkommen, können sich bald alle in dem schönen Gefühl sonnen, als "Jedi"Lebensretter auf der "hellen Seite der Macht" zu stehen. Anmerkungen: [1] http://unicefkidpower.org/ [2] http://www.starwars.com/forcefor-change [3] http://www.heise.de/newsticker/meldung/Fitness-Armbandvon-UNICEF-hilft-armen-KindernDaß den Power Kids im Unterricht 2672686.html. 02.06.2015. "die dunkle Seite der Macht" eröffnet wird, z.B. mit welchen "Darth [4] http://www.schattenblick.de/infVader"-Strategien US-amerikani- opool/sport/meische Lebensmittelkonzerne sowie nung/spmek215.html Saatgut-, Pestizid- und Gentechnik- KOMMENTAR/215: Vermessungsmultis die ärmeren Länder als Res- joch und Leistungszwang sourcen-, Absatz- und Produktionsräume gefügig machen und mit welch plakativen Scheinaktionen http://www.schattenblick.de/ die reichen Industriestaaten vorgeinfopool/sport/meinung/ ben, die weltweit 805 Millionen spmek232.html Menschen, die regelmäßig an Hunwww.schattenblick.de Mo, 15. Juni 2015 Elektronische Zeitung Schattenblick SCHACH UND SPIELE / SCHACH / SCHACH-SPHINX Metaphysische Verzückung An Aktualität hat der Ausspruch des Friedensnobelpreisträgers von 1922, Fridtjof Nansen, nichts eingebüßt, der angesichts der sich verselbständigenden Sportentwicklung ins Grübeln kam und sich fragte: "Sollte es nicht die Aufgabe der Leibesübung sein, Körper und Geist zu bilden, statt vernunftbegabte Menschen in Rennpferde und Muskelmaschinen zu verwandeln?" Und wie steht es mit Schachspielern, die zu Denkmaschinen mutieren? Vom schwärmerischen Blick für die multiplen Bytes-Universen verblendet, scheinen sich gewisse Zeitgeister den Computern in geradezu bedenklicher Weise verschrieben zu haben. Wie Surfer, die sich von Wellen tragen und berauschen lassen, so versteigen sich die Computeristen unter den Schachspielern darin, sich von der unendlichen Vielfalt digitalisierter Zugmöglichkeiten Stunde für Stunde, Tag und Nacht, in eine abstrakte Datenwelt entführen zu lassen. Der Blick verliert sich in der Blässe des Virtuellen, wird durchsichtig, lebensmatt. In der myriadenfachen Ausuferung astronomisch schneller Rechenoperationen wird das Schachspiel selbst nur noch zum Mittel für (SB) einen absurden Zweck. Im Kern scheint hier der Geist an der fanatischen Suche nach der letzten Daseinsbegründung des Lebens erkrankt zu sein. Was Philosophen in Gedanken zu bewältigen hofften, die Computergeneration von heute bedient sich in der Klärung dieser Frage eines technischen Hilfsmittels. Metaphysische Verzückung was kommt hinter der letzten Krümmung des Raums? So nützlich Schachprogramme in den Händen versierter Berufsspieler sein können, so giftig erweisen sie sich in ihrer Funktion als Ersatz und Beruhigung gegen die galoppierenden Zukunftsängste unserer Zeit. Tatmensch oder Träumer, nach innen gekehrt, melancholisch, eine tragische Shakespeare-Gestalt oder tief im Willen verwurzelte lebensbejahende Lust - ist da wirklich eine Wahl vonnöten? Jedenfalls hatte der Kölner Meister Johannes Eising seine Wahl längst getroffen, als er mit den schwarzen Steinen einen der Großmeister, nämlich den Russen Lew Polugajewksi, von dessen abstrakter Remishoffnung kurierte. Wie brach er die Tore zum Mattsieg im heutigen Rätsel der Sphinx auf, Wanderer? Polugajewski - Eising Solingen 1974 Auflösung letztes SphinxRätsel: Ein wenig schöner und effektiver hätte die 16jährige Caroline Claus die Partie mit 1.Sb4xa6! gewinnen können, denn nach 1...b7xa6 2.Lf1xa6+ nebst 3.Le3-b6 oder 1...Dc7-d8 2.Le3-b6 hätte es für die gegnerische Dame kein Entkommen gegeben. Aber auch ihr Einfall hatte etwas für sich, denn 1.Le3-b6 2.Dc7b8 Sb4xa6 3.Db8-a8 Sa6-c7 sieht alles in allem recht hübsch aus. http://www.schattenblick.de/ infopool/schach/schach/ sph05505.html IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH Kooperationspartner von Schattenblick IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH berichtet seit 30 Jahren über die Belange der Menschen in Afrika, Asien, Lateinamerika und Nahost. Schwerpunkt der Nachrichtenagentur Mo, 15. Juni 2015 sind Themen der menschenwürdigen und nachhaltigen Entwicklung, der Völkerverständigung sowie der internationalen Zusammen-arbeit für eine 'faire Globalisierung'. www.schattenblick.de IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH Marienstr. 19/20, 10117 Berlin Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25 E-Mail: [email protected] Internet: www.ipsnews.de Seite 11 Elektronische Zeitung Schattenblick ______I n h a l t_____________________________________Ausgabe 1494 / Montag, den 15. Juni 2015____ BÜRGER - REPORT SPORT - BOXEN SPORT - MEINUNGEN SCHACH-SPHINX DIENSTE - WETTER Aufbruchtage - Januskopf und Bündnis ... (3) Eric Molina fordert Deontay Wilder einiges ab Hunger-, Ernährungselend und Verwertungsperversionen Metaphysische Verzückung Und morgen, den 15. Juni 2015 Seite Seite Seite Seite Seite 1 8 9 11 12 DIENSTE / WETTER / AUSSICHTEN Und morgen, den 15. Juni 2015 +++ Vorhersage für den 15.06.2015 bis zum 16.06.2015 +++ Kaum zu merken, doch es kühlt langsam runter, Jean-Luc ahnt, daß das, was er heute fühlt, an ein neues Klima mahnt. © 2015 by Schattenblick IMPRESSUM Elektronische Zeitung Schattenblick Diensteanbieter: MA-Verlag Helmut Barthel, e.K. 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