Neueste tagesaktuelle Berichte ... Interviews ... Kommentare ... Meinungen .... Textbeiträge ... Dokumente ... MA-Verlag POLITIK / REDAKTION Kriegsparteien im Jemen vereinbaren Feuerpause Elektronische Zeitung Schattenblick Sonntag, 27. März 2016 Treffen um Rosa Luxemburg - Grenzen brechen ... Thawra im Gespräch Stillstand an den Frontverläufen macht Verhandlungen sinnvoll ... um alles Trennende zu überwinden (SB) Ein Jahr nun dauert im Jemen Rosa Luxemburg Wochenende im Januar 2016 die Militärintervention einer von Saudi-Arabien angeführten Allianz sunnitischer Staaten. Weite Teile der Infrastruktur des ohnehin ärmsten Landes Arabiens sind durch anhaltende Luftangriffe zerstört worden. Mehr als 6200 Menschen sind infolge des Krieges ums Leben gekommen, die meisten von ihnen Zivilisten. Wegen einer von den Kriegsmarinen Ägyptens und Saudi-Arabiens aufrechterhaltenen Seeblockade herrscht in weiten Teilen des Jemens Hungersnot; 13 Millionen Menschen, knapp über die Hälfte der Bevölkerung, sind auf ... (S. 4) BÜRGER / REPORT Das Anti-TTIP-Bündnis - Erhalt marktregulierter Vorherrschaft ... Neokoloniale Abhängigkeit Afrikas im Handelsregime der EU TTIP Strategie und Aktionskonfe renz in Kassel (SB) Das Verhältnis der führenden Mächte Europas zu den Staaten Afrikas ist von Unterwerfung, Zurichtung und Ausplünderung geprägt. Daran hat sich seit kolonialen Zeiten nichts geändert, gründen Entwicklungsvorsprung und Reichtum der europäischen Länder doch unmittelbar auf dem Rückstand und der Armut des benachbarten Kontinents. Wo die Eroberung mit Feuer und Schwert, Fibel und Bibel ... (S. 5) Thawra Foto: © 2016 by Schattenblick (SB) Die internationalistische Rap- perin Thawra bezieht Stellung für Menschen, die als Opfer kapitalistischer Zerstörung und imperialistischer Kriege weder Stimme noch Gesicht haben sollen. Beim Rosa Luxemburg Wochenende im Januar trat Thawra, die schweizerischer und algerischer Herkunft ist, auf Rosas Block Party der Antifaschistischen Revolutionären Aktion Berlin (ARAB) im Club BI-NUU in BerlinKreuzberg auf, wo sie dem Schattenblick einige Fragen zu ihrem politischen und künstlerischen Selbstverständnis beantwortete. Schattenblick (SB): Thawra, wie lange machst du schon Hip Hop? Thawra: Auf Hochdeutsch etwas mehr als ein Jahr. Das Stück "Antideutsche / Tahya Falastin" war das erste, das ich auf Hochdeutsch zu Ende geschrieben habe. Davor gab es eine lange Pause, denn mit dreizehn, vierzehn und fünfzehn habe ich in der Schweiz auf Schwizerdütsch gerappt. SB: In dem Stück "Antideutsche / Tahya Falastin" [1], das du zusammen mit Kaveh [2] aufgenommen hast, geht es um Palästina. Wie bist du darauf gekommen, dich speziell diesem Thema zu widmen? Elektronische Zeitung Schattenblick Thawra: Ich bin in der Schweiz politisiert worden. Da gab es wenig bis keine Antideutschen. Da war Palästina-Solidarität eine Selbstverständlichkeit für Kommunisten. Ich habe aber online schon sehr früh mitbekommen, was da entsteht, und habe rege mitdiskutiert. Ich übe auch Kritik an bestimmten verkürzten Sichtweisen, doch obwohl ich die proisraelische Haltung richtig übel und reaktionär fand, habe ich versucht, auch für Kritiken, die aus einer solchen Richtung kommen, offen zu bleiben. Ich wurde allerdings frühzeitig rassistisch und sexistisch beleidigt und mußte erfahren, daß es da eine richtig miese Diskussionskultur gibt. Natürlich habe ich schon weit links gesucht, und so war die erste Organisation, an die ich Anschluß gefunden hatte, eine Jugendgruppe namens Rote Jugendaktion, die sich gerade in dieser Zeit gebildet hatte. Nach ein paar Jahren, als es mit dieser Gruppe zu Ende ging, wurde ich Mitglied im Revolutionären Aufbau Zürich [3]. Da habe ich an Schulungen teilgenommen und wichtige Erfahrungen in der Praxis gesammelt. Thawra: Nein, online in den Diskussionen, die sich um Antideutsche drehten. Das war vor meiner Politisierung gar kein Thema, denn die normale Hip Hop-Szene ist nicht so politisch. Dann bin ich irgendwann nach Deutschland gekommen, habe noch einmal richtig die volle Ladung abbekommen und gemerkt, wie stark die Antideutschen sind und was für ein krasses Problem sie für die revolutionäre Bewegung darstellen. Ich habe natürlich erkannt, daß man da etwas machen und auch offensiv herangehen muß. Es geht darum, gerade diejenigen Leute aufzurütteln, die sich nicht trauen, sich zu positionieren. Wichtig ist erst einmal, daß sie sich überhaupt positionieren, auch wenn das vielleicht in die falsche Richtung geht. Weil mich das bewegt hat, habe ich das zum Anlaß genommen, darüber zu schreiben. Thawra: Natürlich kann ich mir das vorstellen, das ist ja mit ein Grund, warum ich Musik und auch Politik mache. Die Jugend ist immer der wichtigste Ansprechpartner. Auf gewisse Faktoren haben wir keinen Einfluß. Aber gegen die herrschende Ideologie anzukämpfen, sehe ich als unsere Aufgabe, da können wir Einfluß nehmen und das sollten wir auf jeden Fall tun. Von Prognosen halte ich jedoch nicht so viel, man muß es halt versuchen. Thawra: Mit Vorbildern konnte ich noch nie etwas anfangen. Es gibt viele Künstler, die ich gut finde, von denen ich mich inspirieren lasse, aber eine bestimmte Person gibt es eigentlich nicht. SB: Kannst du dir vorstellen, daß es in Anbetracht nicht nur von Krieg, Ausbeutung und Unterdrückung, sondern auch der Naturzerstörung noch einmal zu einem Aufschwung linksradikaler oder sogar kommuniSB: Meinst du innerhalb der Hip stischer Gesinnung unter JugendliHop-Szene? chen kommen könnte? SB: Heute ist es ja nicht mehr so angesagt wie in den 60er oder 70er Jahren, Kommunistin zu sein. Wie kommt ein junger Mensch wie du heute dazu, diesen Weg zu wählen? Thawra: Das war bei mir zum Teil Zufall. Ich habe mich politisiert zu einer Zeit, als die Afghanistan-Invasion der US-Imperialisten stattfand. Seite 2 Keine Scheu vor klaren Worten Foto: © 2016 by Schattenblick SB: Hast du es vor allem mit Leuten zu tun, die politisch ähnlich orientiert SB: Schreibst du deine Texte selber? sind wie du? Thawra: Ja. Es ist im Rap total unübThawra: Ich bin als politischer lich, daß jemand anders deine Texte Mensch in eine neue Stadt gezogen, schreibt. Bei richtig erfolgreichen dadurch ist mein Freundeskreis in- Amis ist es vielleicht so. Das kann zwischen sehr politisch. Eigentlich auch bei den erfolgreichen Rappern ist es ja verkehrt, wenn es sich im- in Deutschland mitunter der Fall mer um sich selbst dreht und sich nur sein. Beim politischem Rap würde in der Bewegung aufhält. Aber de ich mich das allerdings sehr wunfacto ergeben sich soziale Beziehun- dern. gen über die Kontakte bei der Lohnarbeit und die sonstige Praxis, die SB: Im Video von "Antideutsche / man im Leben hat. Das entwickelt Tahya Falastin" ist das Logo der Antilopen Gang zu sehen. Wie stehst du sich meistens so. zu dieser doch sehr bekannten GrupSB: Hast du im Hip Hop Vorbilder, pe, die zumindest über einen gewiswas zum Beispiel politisches Rappen sen Wortwitz verfügt, aber auch für politische Kontroversen sorgt? betrifft? www.schattenblick.de So, 27. März 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick Thawra: Erst einmal muß man zwischen Form und Inhalt unterscheiden. Wenn ich nur nach dem Musikalischen gehe, würde ich mir viele Sachen anhören, auch die Antilopen. Aber man denkt und fühlt ja mit bei Musik, und gerade deshalb höre ich keine Antilopen Gang. Auf jeden Fall lehne ich ihren Zionismus als Antizionistin ab. SB: Das Logo der Band im Video soll aber eine bestimmte Stoßrichtung der Kritik darstellen, vermute ich? Thawra: Klar, das steht für "den Antideutschen" und soll ihn als solchen kenntlich machen. Allerdings ist der Track nicht dafür gedacht, sich jetzt an dieser Crew abzuarbeiten. SB: "Rote Fahnen über Gaza und Jenin" heißt es unter anderem in eurem Text. Ist das ein Wunschtraum? Die Palästinenser hatten einmal eine starke Linke, das ist heute aber Geschichte. Glaubst du, daß die Palästinenser das Problem, nicht nur von den Israelis, sondern auch von der eigenen Oligarchie unterdrückt zu werden, bewältigen können? Thawra: Eigentlich ausschließlich. Ich würde mich natürlich freuen, wenn ich auch einmal für ganz normale Sachen angefragt würde. Klar, meine Tracks enthalten viel interne Kritik an der Bewegung, deswegen mache ich auch nicht gezielt für den und den Musik, an dem Punkt bin ich nicht, sondern schreibe das, was ich gerade wichtig finde und was gerade kommt. Ich gehe da nicht taktisch im Sinne der Frage vor, wie ich mich an mehr Leute richten kann. Aber das müßte man bestimmt irgendwann auch einmal machen. Solidarität mit der kurdischen Befreiungsbewegung und türkischen Linken gerade jetzt Foto: © 2016 by Schattenblick Anmerkungen: [1] https://www.youtube.com/watch?v=LpWzpLepDjo [2] http://www.schattenblick.de/infopool/musik/report/muri0042.html [3] http://www.schattenblick.de/infopool/medien/ip_medien_alThawra: Gegenfrage: Denkst du, daß SB: Hattest du schon Berührungs- tern_aufbau.shtml es in Deutschland wieder eine starke punkte mit der Musikindustrie? Linke geben kann? Wir waren auch Rosa Luxemburg Wochenende 2016 schon stärker. Wir hatten auch schon Thawra: Nein. in Berlin im Schattenblick einmal 1918. Natürlich ist das kein Wunschtraum, sondern man muß dar- SB: Selbst zu produzieren und zu www.schattenblick.de → INFO aufhinarbeiten, natürlich in erster Li- vertreiben gilt vermutlich für einen POOL → POLITIK → REPORT: nie im eigenen Land. Dazu gehört In- Großteil des politischen Hip Hop? BERICHT/223: Treffen um Rosa Luternationalismus, dazu gehört, der eigenen Bourgeoisie und dem eigenen Thawra: Ja, notgedrungen. Aber für xemburg - Wasser predigen ... (SB) Staat, dessen Staatsräson proisraelisch mich ist Musik auch nicht die erste BERICHT/224: Treffen um Rosa Luxemburg - Weichgespült ... (SB) ist, in den Rücken zu fallen. Das ist für Priorität. BERICHT/225: Treffen um Rosa mich eine internationalistische Selbstverständlichkeit. Aber jetzt groß in SB: Geht es dir beim Hip Hop eher Luxemburg - Eine Hälfte brennt ... (SB) den Diskurs reinzugehen, was die pa- um ein persönliches Anliegen? BERICHT/226: Treffen um Rosa lästinensische Linke tun sollte, finde ich für mich unsinnig. Ich versuche zu Thawra: Ja, im Sinne von "Das Per- Luxemburg - Multiform schlägt Uniunterstützen, wo ich kann und wo ich sönliche ist politisch". Das ist übri- form ... (SB) es sinnvoll finde mit meinem Wissen, gens ein Track, den ich gleich brin- BERICHT/227: Treffen um Rosa gen werde - "Das Private ist poli- Luxemburg - Die Gier der Märkte ... zusammen mit meinen Genossen. tisch". (SB) BERICHT/228: Treffen um Rosa SB: Trittst du auch auf politischen Events auf, aufDemos und ähnlichen SB: Thawra, vielen Dank für das Ge- Luxemburg - Zweckvereinnahmung spräch. ... (SB) Anlässen? So, 27. März 2016 www.schattenblick.de Seite 3 Elektronische Zeitung Schattenblick BERICHT/229: Treffen um Rosa Luxemburg - die Pläne des Feindes ... (1) (SB) BERICHT/230: Treffen um Rosa Luxemburg - die Pläne des Feindes ... (2) (SB) BERICHT/232: Treffen um Rosa Luxemburg - angekommen ... (1) (SB) BERICHT/233: Treffen um Rosa Luxemburg - angekommen ... (2) (SB) INTERVIEW/289: Treffen um Rosa Luxemburg - und niemand sieht hin ... Nick Brauns im Gespräch (SB) INTERVIEW/290: Treffen um Rosa Luxemburg - Vergessen frißt Fortschritt auf ... Ihsan Cibelik im Gespräch (SB) INTERVIEW/291: Treffen um Rosa Luxemburg - getrennt marschieren ... S.E. Jorge Jurado im Gespräch (SB) INTERVIEW/292: Treffen um Rosa Luxemburg - Etablierte Fronten ... Talip Güngör im Gespräch (SB) INTERVIEW/293: Treffen um Rosa Luxemburg - Im Herzen der Lügen ... Thomas Zmrzly im Gespräch (SB) INTERVIEW/294: Treffen um Rosa Luxemburg - das Ziel im Auge behalten ... Patrik Köbele im Gespräch (SB) INTERVIEW/295: Treffen um Rosa Luxemburg - Engels Hordentraum ... Michael Chrapek im Gespräch (SB) INTERVIEW/296: Treffen um Rosa Luxemburg - Revolutionärer Lernprozeß ... Domenico Losurdo im Gespräch (1) (SB) INTERVIEW/297: Treffen um Rosa Luxemburg - Revolutionärer Lernprozeß ... Domenico Losurdo im Gespräch (2) (SB) INTERVIEW/298: Treffen um Rosa Luxemburg - Verantwortlich und selbstbestimmt ... Jennifer Michelle Rath im Gespräch (SB) INTERVIEW/299: Treffen um Rosa Luxemburg - Der falsche Feind ... Dov Khenin im Gespräch (SB) http://www.schattenblick.de/ infopool/politik/report/ prin0311.html Seite 4 POLITIK / REDAKTION / NAHOST Kriegsparteien im Jemen vereinbaren Feuerpause Stillstand an den Frontverläufen macht Verhandlungen sinnvoll (SB) Ein Jahr nun dauert im Jemen die Militärintervention einer von Saudi-Arabien angeführten Allianz sunnitischer Staaten. Weite Teile der Infrastruktur des ohnehin ärmsten Landes Arabiens sind durch anhaltende Luftangriffe zerstört worden. Mehr als 6200 Menschen sind infolge des Krieges ums Leben gekommen, die meisten von ihnen Zivilisten. Wegen einer von den Kriegsmarinen Ägyptens und Saudi-Arabiens aufrechterhaltenen Seeblockade herrscht in weiten Teilen des Jemens Hungersnot; 13 Millionen Menschen, knapp über die Hälfte der Bevölkerung, sind aufLebensmittelhilfe angewiesen, so die Angaben des UN-Welternährungsprogramms. Vor diesem Hintergrund kann man die Nachricht, die Kriegsparteien hätten für den 10. April eine Feuerpause und die Aufnahme von Friedensverhandlungen am 18. April in Kuwait vereinbart, nur begrüßen. Vermittelt wurde der geplante Waffenstillstand am 23. März, so hieß es, durch den mauretanischen Diplomaten Ismail Ould Cheikh Ahmed, der in seiner Funktion als UN-Sondergesandter seit Monaten zwischen der Führung der schiitischen Huthi-Rebellen und der Regierung des von ihnen Anfang letzten Jahres abgesetzten Präsidenten Abd Rabbuh Mansur Hadi pendelt. Laut Ahmed sollen sich die Verhandlungen in Kuwait Stadt auf fünfThemenbereiche konzentrieren: Rückzug aller kämpfenden Einheiten und Milizen, Schaffung provisorischer Sicherheitsarrangements, Wiederherstellung der staatlichen Institutionen, Abgabe aller schweren Waffen und Wiederaufnahme eines inklusiven politischen Dialogs. Nach eigenen Angaben geht es SaudiArabien in dem Konflikt lediglich www.schattenblick.de darum, Hadi als rechtmäßiges Staatsoberhaupt wiedereinzusetzen. Hinter dem Militärabenteuer Riads stecken jedoch auch ganz andere Motive, nicht zuletzt die Festigung der Position des neuen saudischen Königs Salman sowie dessen Sohns Mohammed als designierter Thronfolger. Der militärische EingriffSaudi-Arabiens in die innenpolitische Krise des Jemens erfolgte nur zwei Monate, nachdem Salman den saudischen Thron infolge des Ablebens seines Bruders Abdullah geerbt hatte. Leiter der großangelegten, multinationalen Militäroperation ist der 30jährige Prinz Mohammed in seiner Rolle als neuer saudischer Verteidigungsminister. Für Saudi-Arabien verläuft der Krieg im Nachbarland alles andere als ruhmreich. Nur mit Hilfe der USA und Großbritanniens, deren Militärs die elektronische Luftraumaufklärung der gesamten Operation leiten sowie für die Auftankung und Munitionierung der Kampfjets der Saudis und deren Verbündeten am Persischen Golf zuständig sind, sowie von Kämpfern von Al Kaida aufder Arabischen Halbinsel (AQAP) konnten die Huthi-Rebellen und die aufihrer Seite kämpfenden Anhänger des früheren, langjährigen Präsidenten Ali Abdullah Saleh aus der Hafenmetropole Aden verdrängt werden. Die Kontrolle der Hadi-Milizionäre über Aden und praktisch die gesamte Südküste des Jemens ist nur nominell. Separatisten, die den früheren Südjemen wieder aufleben lassen wollen, sowie AQAP verfolgen da ganz andere Absichten. Während die saudischen Bodentruppen schwere Verluste haben hinnehmen müssen, hat die Luftwaffe Riads mit zahlreichen Angriffen auf zivile Ziele schwere Menschenrechtsverbrechen begangen. Für Empörung So, 27. März 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick sorgte zuletzt die Bombardierung eines Marktplatzes am 17. März in der nördlichen Hadscha Provinz. Nach Angaben des UN- Kinderhilfwerkes kamen hierbei 119 Menschen ums Leben. Seit Monaten liefern sich die HuthiSaleh-Allianz und die Hadi-Anhänger mit ihren diversen Verbündeten einen erbitterten Kampfum die Stadt Taiz, die auf halber Strecke zwischen Aden im Süden und der Hauptstadt Sanaa im Norden liegt. Der militärische Stillstand dort reflektiert die militärische Realität im ganzen Land. Die Huthis können im Norden, ihrem traditionellen Siedlungsgebiet, nicht besiegt werden, gleichzeitig können sie den Süden gegen den Willen der Separatisten, von AQAP und den HadiAnhängern nicht halten, geschweige denn zurückerobern. In Kuwait sind harte Verhandlungen zu erwarten. Dem Vorhaben, einen inklusiven politischen Dialog im Jemen wieder in Gang zu bringen, steht möglicherweise die Absicht Saudi-Arabiens im Weg. Eine führende Rolle der Huthis in der jemenitischen Politik sieht man in Riad mit Argwohn wegen deren angeblichen Verbindungen zum Iran, dem Erzfeind Saudi-Arabiens. Des weiteren müssen die Saudis die Entstehung einer echten Demokratie mit Gleichberechtigung für die Frauen im Jemen befürchten, weil eine solche Entwicklung die absolutistische Monarchie der Familie Saud in Frage stellen könnte. Man kann auch davon ausgehen, daß sich die Huthis und die früheren Truppen Salehs gegen die geplante Rückgabe jener schweren Waffen sträuben werden, die sie nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges aus den staatlichen Beständen erbeutet haben. Man kann nur hoffen, daß die verschiedenen Konfliktbeteiligten genügend kriegsmüde sind, um sich auf Abmachungen einzulassen, mit denen alle mindestens kurzfristig einigermaßen leben können. http://www.schattenblick.de/ infopool/politik/redakt/ nhst1443.html So, 27. März 2016 BÜRGER UND GESELLSCHAFT / REPORT / BERICHT Das Anti-TTIP-Bündnis Erhalt marktregulierter Vorherrschaft ... Neokoloniale Abhängigkeit Afrikas im Handelsregime der EU TTIP Strategie und Aktionskonferenz in Kassel (SB) Das Verhältnis der führenden Mächte Europas zu den Staaten Afrikas ist von Unterwerfung, Zurichtung und Ausplünderung geprägt. Daran hat sich seit kolonialen Zeiten nichts geändert, gründen Entwicklungsvorsprung und Reichtum der europäischen Länder doch unmittelbar auf dem Rückstand und der Armut des benachbarten Kontinents. Wo die Eroberung mit Feuer und Schwert, Fibel und Bibel in die Etablierung von Handelsbeziehungen überging, zog diese friedlich genannte Okkupation die Fesseln nur um so enger. Wann immer von einer Normalisierung der Beziehungen die Rede war, diente das niemals dazu, alte Rechnungen zu begleichen, sondern führte im Gegenteil zur Durchsetzung einer neuen Schuldnerschaft, welche die Zugriffsgewalt Europas über Afrika fortschreibt und vertieft. Im Zuge der ursprünglichen Akkumulation, die die Voraussetzungen der kapitalistischen Produktionsweise schuf, raubten die europäischen Kolonisatoren das Gold und Silber Amerikas, brachten die dort lebenden Bevölkerungen in den Bergwerken zu Tode, plünderten Ostindien aus und verwandelten Afrika in ein Revier der Sklavenjagd. Dem folgte ein Handelskrieg auf dem Fuße, der Mord und Totschlag um die nachhaltigere Form des Raubes in Gestalt erzwungener Tauschgeschäfte ergänzte, die unter ungleichen Partnern stets zu Lasten des schwächeren gehen und dessen Entmächtigung besiegeln. Der Aufschwung antikolonialer Kämpfe durch nationale Befreiungswww.schattenblick.de bewegungen konnte die Ketten unmittelbarer Abhängigkeit nicht zuletzt deshalb sprengen, weil den um den Verlust ihrer Einflußsphären fürchtenden imperialistischen Mächten zu Zeiten des Kalten Krieges das realsozialistisch konnotierte Lager weltweit Grenzen setzte. Diese geopolitische Konstellation nötigte in der Folge den ehemaligen europäischen Kolonialherren gewisse Zugeständnisse gegenüber den afrikanischen Ländern ab, drohten sie doch andernfalls die Kontrolle über ihre früheren Kolonien vollständig zu verlieren. Indem sie den betreffenden Staaten und Regionen bevorzugte Konditionen im Warenverkehr gewährten, sorgten sie für deren dauerhafte Einbindung in ein neokoloniales Handelsregime. Der proklamierte Sieg des kapitalistischen Westens im Kampf der Gesellschaftssysteme setzte einen Schub expansionistischen Vormarsches frei, bei dem eine Kette unablässiger Kriege mit einer nicht minder aggressiven Freihandelspolitik einhergeht. Freier Handel zwischen der EU und Afrika bedeutet nun, die Zwischenphase tendenzieller Zugeständnisse an die Entwicklungsländer ad acta zu legen und deren vollständige Öffnung herbeizuführen. Für die ungleich schwächeren afrikanischen Partner heißt das nichts weniger, als ihre verbliebenen Schutzmechanismen preiszugeben. Erzwungen wird diese Überantwortung durch ein Paktieren mit nationalen Eliten, vor allem aber durch finanziellen Druck, da man diese Staaten in die Abhängigkeit von Seite 5 Elektronische Zeitung Schattenblick Gläubigern gebracht hat und mit der Verweigerung weiterer Zahlungen oder dem Entzug von Handelsvorteilen drohen kann. In geostrategischer Hinsicht stellen die Freihandelsabkommen der EU mit afrikanischen Ländern nicht zuletzt ein Instrument dar, ihren ehemaligen kolonialen Hinterhof angesichts eines wachsenden Einflusses aufstrebender Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien weiterhin zu kontrollieren. Dabei geht es darum, die Staaten und regionalen Bündnisse Afrikas daran zu hindern, sich dem Diktat Europas durch den Ausbau des Handels mit anderen maßgeblichen Partnern zu entziehen. Zugleich sind die EPAs (Economic Partnership Agreements) zwischen der EU und Afrika als ein Baustein in der Konstruktion eines weltweiten Freihandelsregimes erst im Kontext dieser globalen Offensive, die längst in Hunderten von Abkommen vorangetrieben wird, angemessen einzuschätzen. Wenngleich nicht zwangsläufig identisch, weisen die verschiedenen strategischen Entwürfe doch wesentliche Übereinstimmungen in ihrer zentralen Stoßrichtung auf, was den analytischen Abgleich wie auch die Zusammenschau für eine Gegenbewegung um so erforderlicher macht. Verfolgt man die Kette der Verhandlungen und Abkommen zwischen Europa und den Entwicklungsländern in den letzten Jahrzehnten, zeichnet sich eine deutliche Trendwende von einem Würgegriff mit Samthandschuhen hin zu Brachialgewalt ab, wenngleich mehr oder minder verschleiert und zumeist fernab der öffentlichen Wahrnehmung. [1] Handlungsspielraum der Entwicklungsländer schwindet Auf der TTIP Strategie- und Aktionskonferenz in Kassel war ein Workshop zum Thema "Was können wir aus dem Widerstand gegen die EPAs lernen?" den langjährigen VerSeite 6 suchen der Europäischen Union gewidmet, ihre Freihandelsagenda mit Hilfe der EPAs auch gegen Afrika durchzusetzen. Erörtert wurde insbesondere, welche Ziele die EU mit diesen Abkommen verfolgt, welche Auswirkungen den afrikanischen Ländern drohen, wie der Widerstand gegen die EPAs bislang verlaufen ist und welche Folgerungen für die weitere Vorgehensweise daraus abzuleiten sind. Clara Weinhardt (wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Bremen International Graduate School of Social Sciences und Research Associate am Global Public Policy Institute in Berlin), Dr. Boniface Mabanza (Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika in Heidelberg) und Francisco Mari (Brot für die Welt) referierten spezifische Aspekte der Thematik und vertieften diese in der anschließenden Diskussion. Wie Clara Weinhardt ausführte, schwindet der noch verbliebene Handlungsspielraum der Entwicklungsländer. Seit den 1990er Jahren wird nicht nur der Abbau von Zöllen, sondern zunehmend die Liberalisierung von Dienstleistungen sowie Standards und Regulierungen innerhalb der betreffenden Länder oder regionalen Gruppen verhandelt. Einige Entwicklungsländer haben sich diesem Druck widersetzt und auf der Ministerkonferenz der WTO 2003 in Cancún erreicht, daß die sogenannten Singapur-Themen (Investitionen, öffentliches Beschaffungswesen, Handelserleichterungen und Wettbewerbsregeln) ausgeklammert wurden. Die bilateralen oder regionalen Abkommen der EPAs zwischen der EU und den AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik) forcieren jedoch den Liberalisierungsdruck wieder: Sie bringen durch die Hintertür die bei der WTO erfolgreich ausgeklammerten Themen in die Verhandlungen zurück und verbieten beispielsweise Exportzölle, mit denen sich Entwicklungsländer strategisch schützen. Zugleich wurde in den EPA-Abkommen eine Klausel eingefügt, welche die Staawww.schattenblick.de ten verpflichtet, nach Ratifizierung der Abkommen binnen sechs Monaten die bei der WTO ausgeklammerten Themen doch neu zu verhandeln. Hingegen stagniert die Doha-Runde, in der entwicklungspolitische Themen weitergebracht werden sollten, und läuft schleichend aus. Aktueller Stand der Verhandlungen Zum aktuellen Stand der Verhandlungen merkte Boniface Mabanza zunächst an, daß laut dem auf Lomé [2] folgenden Contonou-Abkommen [3] die EPA-Verhandlungen mit jenen AKP-Staaten geführt werden, die dazu bereit sind, und das mit einem Tempo, das sie selbst mitbestimmen. Demgegenüber seien jedoch die Verhandlungen mit der karibischen und pazifischen Region, Westafrika, Zentralafrika, Ost- und Südafrika von einer aggressiven Dramatik geprägt. Die Karibik hat bereits 2008 und die pazifische Region 2009 ein umfassendes Abkommen unterzeichnet. Hingegen verlaufen die Verhandlungen in Afrika wesentlich widersprüchlicher. So hat die Region Westafrika 2014 ein Abkommen paraphiert, das inzwischen von einigen Ländern unterzeichnet wurde. In Zentralafrika hat nur Kamerun ein Interimsabkommen unterzeichnet und 2014 ratifiziert. EUDokumente sprechen denn auch von einer schwierigen Situation in dieser Region. In Ost- und Südafrika haben Mauritius, die Seychellen, Simbabwe und Madagaskar 2009 ein Interimsabkommen unterzeichnet, doch ging es dort seit 2011 keinen Schritt mehr voran. Die East African Community, bestehend aus Kenia, Uganda, Ruanda, Burundi und Tansania, hat im Oktober 2014 ein Abkommen paraphiert. Dort hat inzwischen auch eine Rechtsförmigkeitsprüfung des Abkommens stattgefunden, das derzeit übersetzt wird, so daß es aus Perspektive der EU-Kommission noch in diesem Jahr unterzeichnet werden könnte, worauf die Schritte So, 27. März 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick zur Ratifizierung eingeleitet werden sollen. Das als EPA-Region aus sieben Ländern bestehende südliche Afrika hat 2014 ein Abkommen paraphiert, die Rechtsförmigkeitsprüfung und die Übersetzung haben stattgefunden und die Unterzeichnung wird für Juni, spätestens Juli 2016 angestrebt. Diese verworren anmutende Disparität hängt damit zusammen, daß aufgrund des Widerstands in verschiedenen Ländern mehrfach neue Fristen gesetzt wurden. Zunächst sollten alle Länder, die seit 2002 verhandelt hatten, bis Ende Dezember 2007 ein Abkommen unterzeichnet haben. Als dies nicht gelang, kamen die Interimsabkommen sowie eine neue Frist zum 1. Oktober 2014 ins Spiel. Dies war mit der Drohung verbunden, daß alle Länder, die bis dahin keine Schritte eingeleitet hätten, ihren präferenziellen Zugang zum europäischen Markt verlieren würden. Diese Erpressung zeigte Wirkung, und als sich diese Länder bewegten, wurde eine neue Frist zum 1. Oktober 2016 für die Ratifizierung gesetzt. Dieser Verlauf habe gezeigt, daß der Widerstand das Tempo der Umsetzung verlangsamen kann, so der Referent. Dadurch hätten Regierungen und Zivilgesellschaften mehr Zeit gehabt, die Texte zu analysieren und Schlußfolgerungen zu ziehen. Zudem habe man Zeit für die Mobilisierung und Beratungen über Alternativen gewonnen. Andererseits könne sich aber auch mit wachsender Dauer der Auseinandersetzung eine Müdigkeit des Widerstands einstellen. Zudem habe sich unterdessen die politische Landschaft verändern, da an der Elfenbeinküste, in Ghana und im Senegal EPA-freundliche Präsidenten gewählt worden seien. Zur Unterzeichnung erpreßt Auch Francisco Mari hob hervor, daß die Freihandelsabkommen hinter den Stand zurückfallen, den die So, 27. März 2016 meisten Länder Afrikas nach der Dekolonialisierung erlangt hatten. Weil sie bis auf Äthiopien ehemals europäische Kolonien waren, konnten 80 Prozent der Länder ihre Waren größtenteils zollfrei nach Europa verkaufen. Diese einseitig offenen Märkte waren jedoch keine Erfolgsgeschichte, was den afrikanischen Regierungen zum Vorwurf gemacht wurde. Daraus resultierte die Ideologie eines gegenseitigen Freihandels unter Abbau der Schutzmechanismen der afrikanischen Länder. Bislang geht es dabei nur um den Güteraustausch, wobei Europa einen Teil seiner Agrarüberschüsse wie Milch, Hähnchenteile oder Tomatenmark nach Afrika exportiert. zum 1. Oktober 2015 im Weigerungsfall der Entzug ihrer Präferenz. Erpreßt wurden insbesondere die relativ entwickelteren und exportstärksten Kerne der Wirtschaftsunion wie Kenia in Ostafrika, Nigeria in Westafrika und Kamerun in Zentralafrika. In Westafrika betrifft das vor allem Agrarprodukte wie Kaffee, Kakao und Bananen, auf die im Weigerungsfall die offiziellen Zölle zwischen vier und zehn Prozent in der EU erhoben werden sollten. Als Kenia zunächst die Unterschrift verweigerte, blieben nach dem 1. Oktober Exportprodukte wie Blumen oder grüne Bohnen in den Häfen liegen, weil die europäischen Importeure sofort auf Tansania und Äthiopien umDie Partnerschaftsabkommen wer- schwenkten, die die Präferenz noch den in Deutschland als Entwick- haben. Zwei Monate später gab lungshilfe deklariert, weshalb das auch Kenia nach. Entwicklungsministerium in diesen Fällen auch die Verhandlungen führt. Es liegt auf der Hand, daß die EU ihDer Widerstand war jedoch so groß, re Handelspolitik entgegen andersdaß die afrikanischen Länder eine lautenden Behauptungen mitnichten Liberalisierung landwirtschaftlicher für Entwicklung, Menschen- und Produkte verhindern konnten. Die Umweltrechte betreibt. Inzwischen wenngleich geringen, aber doch be- haben die afrikanischen Länder stehenden Zölle auf diese Produkte größtenteils unterschrieben und müssen in den nächsten 20 Jahren müssen dies bis zum 1. Oktober nicht abgebaut werden. Da sich die- 2016 in den Parlamenten debattiese Länder jedoch nur 20 Prozent al- ren. Was Afrika weiterhelfen könnler Zölle aussuchen konnten, die von te, wäre ein wesentlich ausgeprägteder Liberalisierung ausgenommen rer Binnenhandel, da 90 Prozent alwurden, wird der gesamte industriel- ler exportierten Waren außerhalb le Bereich liberalisiert. Damit nimmt und nur zehn Prozent innerhalb des die EU diesen Ländern jede Perspek- Kontinents gehandelt werden. Die tive, eine eigenständige Industriepo- Afrikanische Union schlägt daher litik umzusetzen. vor, eine afrikanische Wirtschaftszone zu schaffen, die die künstliche Im Grunde genommen sind nur Aufgliederung in die EPA-Regionen neun Länder gezwungen, sich die- beendet. Diese Wirtschaftszone sollsem Druck zu beugen. Die EU ge- te als ganze Präferenz der EU geniewährt seit 2000 den 40 ärmsten ßen, ohne zugleich ihre SchutzmeLändern (darunter 80 Prozent afri- chanismen aufzugeben. kanischen) die Präferenz, ihre Waren zollfrei in Europa einzuführen. Welche negativen Auswirkungen Nur die neun etwas reicheren Län- TTIP für Afrika hätte, verdeutlichte der dürfen das nicht, wobei die der Referent an einem aufschlußreiGrenze bei lächerlichen 500 Dollar chen Beispiel. Deutschland ist einer Jahreseinkommen im Durchschnitt der größten Exporteure von Kaffee der Bevölkerung liegt. Kenia, Gha- und Schokolade in die USA, wobei na, Elfenbeinküste und einigen Öl- 80 Prozent der Wertschöpfung aus staaten drohte bei einer Fristsetzung afrikanischen Kaffee- und Kakaowww.schattenblick.de Seite 7 Elektronische Zeitung Schattenblick bohnen hierzulande erfolgen. Die Erzeugnisse werden dann zu hohen Preisen in die USA ausgeführt, obgleich diese keinen Zoll auf afrikanischen Kaffee und afrikanische Schokolade erheben. Da im Rahmen von TTIP die US-Zölle für Importe aus Deutschland herabgesetzt werden sollen, würde dies die afrikanischen Länder um so mehr von einem direkten Export von Kaffee und Kakao in die USA abschneiden. Es ließe sich auch an anderen Beispielen zeigen, daß TTIP Afrika ebenfalls schaden würde. Von Auswegen abgeschnitten Was hindert die Länder Afrikas daran, zu günstigeren Bedingungen Handel mit Indien, China oder Brasilien zu treiben? Auch diesbezüglich sitzt ihnen die EU im Nacken, die dank der Meistbegünstigungsklausel dieselben Konditionen einfordern kann, die Drittstaaten gewährt werden. Die EPAs gehen über WTO-Recht hinaus, indem sie die anderen Handelspartnern gewährten Bedingungen auf den Handel mit der EU übertragen, sofern es sich um günstigere Vereinbarungen handelt. Das war denn auch einer der zentralen Streitpunkte in den Verhandlungen mit der EU und führte zumindest dazu, daß die Klausel nur für Abkommen mit Schwellenländern gilt, die mehr als 1,2 Prozent Weltwirtschaftkraft aufweisen. Da dies jedoch die attraktivsten Handelspartner wären, wird den afrikanischen Ländern weitgehend die Möglichkeit genommen, eigenständig mit anderen Wirtschaftregionen günstigere Abkommen zu schließen. Hinzu kommt die Strategie der EU, durch getrennte Verhandlungen mit verschiedenen Gruppen von Ländern die regionale Integration zu untergraben. Auf diese Weise blieb die Afrikanische Union ausgeschlossen und konnte allenfalls in beratender Funktion warnen. Die an Seite 8 sich naheliegende Idee einer binnenafrikanischen Freihandelszone, deren Gründung für 2023 geplant ist, dürfte sich als kaum oder gar nicht zu realisierende Option erweisen. Berücksichtigt man, daß Europa ein halbes Jahrhundert gebraucht hat, um die EU in ihrer heutigen Form zu konstituieren, wobei die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den afrikanischen Ländern noch weit größer sind, wird die Umsetzung dieses Vorhabens binnen weniger Jahre schwerlich gelingen. Vor allem aber befindet sich die Afrikanische Freihandelszone erst in den Anfängen, während die EPAs schon vor der Ratifizierung stehen und damit Fakten schaffen. Boniface Mabanza zitierte aus einer Rede, die der Staatspräsident von Namibia, Hage Geingob, 2009 im Parlament gehalten hat: "Besser gar kein Abkommen als ein schlechtes Abkommen. Aber wenn du ein schlechtes unterzeich net hast, mußt du damit leben!" Angesichts der seither vorangetriebenen Umsetzung der EPAs könnte man diese Warnung dahingehend auslegen, daß es fast, aber noch nicht ganz zu spät ist. Die Hoffnung der Protagonisten des Freihandels, die afrikanischen Länder binnen kurzer Fristen in der Tasche zu haben, brach sich zumindest in Teilen an deren Widerstand und verzögerte die Vollendung des Vorhabens ganz erheblich. Für den Kampf gegen die Freihandelsabkommen in all ihren Gestalten folgt daraus, daß dem Versuch der führenden westlichen Mächte, die Opfer ihrer Handelspolitik jeweils getrennt, doch stets nach demselben Muster über den Tisch zu ziehen, nur mit einer nicht minder vielgestaltigen Gegenbewegung in zahlreichen Ländern beizukommen sein könnte. Die traditionsreiche Maxime internationaler Solidarität, daß der Feind im eigenen Land steht, dürfte dabei von Nutzen sein. www.schattenblick.de Anmerkungen: [1] Siehe dazu: REZENSION/398: A. Groth, T. Kneifel - Europa plündert Afrika (SB) http://www.schattenblick.de/infopool/buch/sachbuch/busar398.html Annette Groth, Theo Kneifel: Europa plündert Afrika, VSA-Verlag Hamburg 2007, ISBN: 978-3-89965228-4 [2] Das Lomé-Abkommen wurde 1975 unterzeichnet und bis 1989 durch Lomé II, III und IV ersetzt. Es war das bislang umfassendste völkerrechtlich verbindliche Kooperationsabkommen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Darin verzichteten die EG/EUStaaten im industriellen Bereich vollständig, im landwirtschaftlichen weitgehend auf Gegenpräferenzen bei Handelsabkommen. So wurde diesen Ländern ein bevorzugter Marktzugang in Europa gewährt. Darüber hinaus enthielten die Lomé-Abkommen eine Versicherung für Exporterlöse. [3] Im Juni 2000 wurde das Cotonou-Abkommen zwischen der EU und ihren 79 assoziierten AKPStaaten (Afrika, Karibik, Pazifik) unterzeichnet. Es löste die LoméAbkommen ab, die den AKP-Staaten Handelspräferenzen für ihre Exportgüter einräumten, die nun entfielen. Das war ein Paradigmenwechsel von Präferenzabkommen zugunsten der ehemaligen Kolonien der europäischen Mächte, die zumindest partiell einen Ausgleich für die wirtschaftliche Benachteiligung schufen, hin zu Freihandelsabkommen zwischen ungleich starken Partnern. Denn das CotonouAbkommen sieht die graduelle Handelsliberalisierung gemäß den Bestimmungen des WTO-GATTAbkommens vor. http://www.sopos.org/aufsaetze/45bf8f72d52d0/1.phtml So, 27. März 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick TTIP Strategie und Aktionskonfe renz in Kassel im Schattenblick www.schattenblick.de → INFO POOL → BUERGER → REPORT: BERICHT/068: Das Anti-TTIPBündnis - Widerstand und Kompromiß ... (SB) BERICHT/069: Das Anti-TTIPBündnis - Lackmustest Verschärfung ... (SB) BERICHT/070: Das Anti-TTIPBündnis - die Hoffnung auf Mehrheiten ... (1) (SB) BERICHT/071: Das Anti-TTIPBündnis - die Hoffnung auf Mehrheiten ... (2) (SB) INTERVIEW/097: Das Anti-TTIPBündnis - die Säge am Überlebensast ... Pia Eberhardt im Gespräch (SB) INTERVIEW/098: Das Anti-TTIPBündnis - Kulturelle Errungenschaften im Ausverkauf ... Olaf Zimmermann im Gespräch (SB) INTERVIEW/099: Das Anti-TTIPBündnis - Konsens ... Nelly Grotefendt im Gespräch (SB) INTERVIEW/100: Das Anti-TTIPBündnis - Rechtsprechung statt Verträge ... Petra Pinzler im Gespräch (SB) INTERVIEW/101: Das Anti-TTIPBündnis - Korrumption im Zangengriff der Basis ... John Hilary im Gespräch (SB) INTERVIEW/102: Das Anti-TTIPBündnis - Kontroll- und Verwertungsmotive ... Uta Wagenmann im Gespräch (SB) INTERVIEW/103: Das Anti-TTIPBündnis - der Kriegsführung entlehnt ... Uwe Hiksch im Gespräch (SB) INTERVIEW/104: Das Anti-TTIPBündnis - Großer Spieler Eurozone ... Francisco Mari im Gespräch (SB) INTERVIEW/105: Das Anti-TTIPBündnis - Betrogene Mehrheitsinteressen ... Melinda St. Louis im Gespräch (SB) http://www.schattenblick.de/ infopool/buerger/report/ brrb0072.html So, 27. März 2016 SCHACH UND SPIELE / SCHACH / SCHACH-SPHINX Schlauheit eins Weltmeisters Zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt der ungarische Meister Géza Maróczy als einer der stärksten Spieler von Rang. Sein Stil war von schlichter Brillanz, schnörkellos, tief durchdacht und von hohem strategischen Zuschnitt. Nachdem er die Turniere in Monte Carlo 1904 sowie Ostende und Barmen 1905 für sich entschieden hatte, liefen die Verhandlungen mit dem damaligen Weltmeister Emanuel Lasker heiß. Lasker war kein Mensch, der sich gerne im Wettkampf maß, und daher lange Zeit nicht bereit, seine Krone aufs Spiel zu setzen. Doch die Schachwelt verlangte seinerzeit nach einem Duell der hellsten Köpfe. Auch fanden sich Geldgeber, die in die Tasche greifen wollten, um eine Weltmeisterschaft zu finanzieren. Doch dann in Ostende 1906, die Vorbereitungen standen vor dem Abschluß, verlor Maróczy unerwartet in der letzten Runde die entscheidende Partie gegen Ossip Bernstein. Lasker nahm dies zum Anlaß, um den WMKampf zu vertagen. Schließlich wurde der Termin mehr und mehr in die Ferne gerückt. Die Geldgeber verloren das Interesse, sprangen ab und der Wettkampf fiel ins Wasser. Feigheit konnte man Lasker gewiß nicht vorwerfen, aber geschickt, durchtrieben und winkelkrämerisch genug war er, um sich schlau aus der Affäre zu ziehen, wenn es ungemütlich zu werden drohte. Daß Maróczy auch in späteren Jahren nichts von seiner geistigen Spannkraft verlor, bewies die Schacholympiade in München 1936, wo er am Spitzenbrett Ungarn zum Sieg führte. Das heutige Rätsel der Sphinx entstammt einer Fernpartie des ungarischen Meisters, wo er sein taktisches Gespür unter Beweis stellte. Also, Wanderer, was war grundverkehrt an der weißen Stellung? (SB) www.schattenblick.de Zambelly Maróczy Fernpartie 1897 Auflösung des letzten SphinxRätsels: Statt sich bescheiden mit einem Remis zu begnügen, hätte Damjanovic mit 1.Db3-g3+! Kg8-h8 2.Dg3-e5+ Kh8-g8 3.De5-g5+ Kg8-h8 4.Tf1xf7 Df8xf7 5.Dg5-d8+ Df7-g8 6.Dd8f6+ gewinnen können. Ob Damjanovic zum Ende der Partie eine Remisbrille getragen hatte? http://www.schattenblick.de/ infopool/schach/schach/ sph05787.html Liste der neuesten und tagesaktuellen Nachrichten ... Kommentare ... Interviews ... Reportagen ... Textbeiträge ... Dokumente ... Tips und Veranstaltungen ... http://www.schattenblick.de/ infopool/infopool.html Seite 9 Elektronische Zeitung Schattenblick ______I n h a l t____________________________________Ausgabe 1776 / Sonntag, den 27. März 2016____ POLITIK - REPORT POLITIK - REDAKTION BÜRGER - REPORT SCHACH-SPHINX DIENSTE - WETTER Treffen um Rosa Luxemburg - Grenzen brechen ... Thawra im Gespräch Kriegsparteien im Jemen vereinbaren Feuerpause Das Anti-TTIP-Bündnis - Erhalt marktregulierter Vorherrschaft ... Schlauheit eins Weltmeisters Und morgen, den 27. März 2016 Seite Seite Seite Seite Seite 1 4 5 9 10 DIENSTE / WETTER / AUSSICHTEN Und morgen, den 27. März 2016 +++ Vorhersage für den 27.03.2016 bis zum 28.03.2016 +++ © 2016 by Schattenblick IMPRESSUM Der April, er meldet sich, klopft mit Regenwetter an, dabei windet 's fürchterlich. Jean-Luc feiert, wie er kann. Elektronische Zeitung Schattenblick Diensteanbieter: MA-Verlag Helmut Barthel, e.K. Verantwortlicher Ansprechpartner: Helmut Barthel, Dorfstraße 41, 25795 Stelle-Wittenwurth Elektronische Postadresse: [email protected] Telefonnummer: 04837/90 26 98 Registergericht: Amtsgericht Pinneberg / HRA 1221 ME Journalistisch-redaktionelle Verantwortung (V.i.S.d.P.): Helmut Barthel, Dorfstraße 41, 25795 Stelle-Wittenwurth Inhaltlich Verantwortlicher gemäß § 10 Absatz 3 MDStV: Helmut Barthel, Dorfstraße 41, 25795 Stelle-Wittenwurth ISSN 2190-6963 Urheberschutz und Nutzung: Der Urheber räumt Ihnen ganz konkret das Nutzungsrecht ein, sich eine private Kopie für persönliche Zwecke anzufertigen. Nicht berechtigt sind Sie dagegen, die Materialien zu verändern und / oder weiter zu geben oder gar selbst zu veröffentlichen. Nachdruck und Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. 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