Schattenblick Druckausgabe

Neueste tagesaktuelle Berichte ... Interviews ... Kommentare ... Meinungen .... Textbeiträge ... Dokumente ...
MA-Verlag
POLITIK / REDAKTION
Kriegsparteien im Jemen vereinbaren Feuerpause
Elektronische Zeitung Schattenblick
Sonntag, 27. März 2016
Treffen um Rosa Luxemburg - Grenzen brechen ...
Thawra im Gespräch
Stillstand an den Frontverläufen
macht Verhandlungen sinnvoll
... um alles Trennende zu überwinden
(SB) ­ Ein Jahr nun dauert im Jemen
Rosa Luxemburg Wochenende im Januar 2016
die Militärintervention einer von
Saudi-Arabien angeführten Allianz
sunnitischer Staaten. Weite Teile der
Infrastruktur des ohnehin ärmsten
Landes Arabiens sind durch anhaltende Luftangriffe zerstört worden.
Mehr als 6200 Menschen sind infolge des Krieges ums Leben gekommen, die meisten von ihnen Zivilisten. Wegen einer von den Kriegsmarinen Ägyptens und Saudi-Arabiens aufrechterhaltenen Seeblockade herrscht in weiten Teilen des Jemens Hungersnot; 13 Millionen
Menschen, knapp über die Hälfte der
Bevölkerung, sind auf ... (S. 4)
BÜRGER / REPORT
Das Anti-TTIP-Bündnis - Erhalt
marktregulierter Vorherrschaft ...
Neokoloniale Abhängigkeit Afrikas
im Handelsregime der EU
TTIP Strategie­ und Aktionskonfe­
renz in Kassel
(SB) ­ Das Verhältnis der führenden
Mächte Europas zu den Staaten Afrikas ist von Unterwerfung, Zurichtung und Ausplünderung geprägt.
Daran hat sich seit kolonialen Zeiten
nichts geändert, gründen Entwicklungsvorsprung und Reichtum der
europäischen Länder doch unmittelbar auf dem Rückstand und der Armut des benachbarten Kontinents.
Wo die Eroberung mit Feuer und
Schwert, Fibel und Bibel ... (S. 5)
Thawra
Foto: © 2016 by Schattenblick
(SB) ­ Die internationalistische Rap-
perin Thawra bezieht Stellung für
Menschen, die als Opfer kapitalistischer Zerstörung und imperialistischer Kriege weder Stimme noch
Gesicht haben sollen. Beim Rosa Luxemburg Wochenende im Januar trat
Thawra, die schweizerischer und algerischer Herkunft ist, auf Rosas
Block Party der Antifaschistischen
Revolutionären Aktion Berlin
(ARAB) im Club BI-NUU in BerlinKreuzberg auf, wo sie dem Schattenblick einige Fragen zu ihrem politischen und künstlerischen Selbstverständnis beantwortete.
Schattenblick (SB): Thawra, wie
lange machst du schon Hip Hop?
Thawra: Auf Hochdeutsch etwas
mehr als ein Jahr. Das Stück "Antideutsche / Tahya Falastin" war das
erste, das ich auf Hochdeutsch zu
Ende geschrieben habe. Davor gab
es eine lange Pause, denn mit dreizehn, vierzehn und fünfzehn habe ich
in der Schweiz auf Schwizerdütsch
gerappt.
SB: In dem Stück "Antideutsche /
Tahya Falastin" [1], das du zusammen mit Kaveh [2] aufgenommen
hast, geht es um Palästina. Wie bist
du darauf gekommen, dich speziell
diesem Thema zu widmen?
Elektronische Zeitung Schattenblick
Thawra: Ich bin in der Schweiz politisiert worden. Da gab es wenig bis
keine Antideutschen. Da war Palästina-Solidarität eine Selbstverständlichkeit für Kommunisten. Ich habe
aber online schon sehr früh mitbekommen, was da entsteht, und habe
rege mitdiskutiert. Ich übe auch Kritik an bestimmten verkürzten Sichtweisen, doch obwohl ich die proisraelische Haltung richtig übel und reaktionär fand, habe ich versucht, auch
für Kritiken, die aus einer solchen
Richtung kommen, offen zu bleiben.
Ich wurde allerdings frühzeitig rassistisch und sexistisch beleidigt und
mußte erfahren, daß es da eine richtig
miese Diskussionskultur gibt.
Natürlich habe ich schon weit links
gesucht, und so war die erste Organisation, an die ich Anschluß gefunden hatte, eine Jugendgruppe namens Rote Jugendaktion, die sich gerade in dieser Zeit gebildet hatte.
Nach ein paar Jahren, als es mit dieser Gruppe zu Ende ging, wurde ich
Mitglied im Revolutionären Aufbau
Zürich [3]. Da habe ich an Schulungen teilgenommen und wichtige Erfahrungen in der Praxis gesammelt.
Thawra: Nein, online in den Diskussionen, die sich um Antideutsche
drehten. Das war vor meiner Politisierung gar kein Thema, denn die
normale Hip Hop-Szene ist nicht so
politisch. Dann bin ich irgendwann
nach Deutschland gekommen, habe
noch einmal richtig die volle Ladung
abbekommen und gemerkt, wie stark
die Antideutschen sind und was für
ein krasses Problem sie für die revolutionäre Bewegung darstellen. Ich
habe natürlich erkannt, daß man da
etwas machen und auch offensiv herangehen muß. Es geht darum, gerade diejenigen Leute aufzurütteln, die
sich nicht trauen, sich zu positionieren. Wichtig ist erst einmal, daß sie
sich überhaupt positionieren, auch
wenn das vielleicht in die falsche
Richtung geht. Weil mich das bewegt
hat, habe ich das zum Anlaß genommen, darüber zu schreiben.
Thawra: Natürlich kann ich mir das
vorstellen, das ist ja mit ein Grund,
warum ich Musik und auch Politik
mache. Die Jugend ist immer der
wichtigste Ansprechpartner. Auf gewisse Faktoren haben wir keinen
Einfluß. Aber gegen die herrschende
Ideologie anzukämpfen, sehe ich als
unsere Aufgabe, da können wir Einfluß nehmen und das sollten wir auf
jeden Fall tun. Von Prognosen halte
ich jedoch nicht so viel, man muß es
halt versuchen.
Thawra: Mit Vorbildern konnte ich
noch nie etwas anfangen. Es gibt
viele Künstler, die ich gut finde, von
denen ich mich inspirieren lasse,
aber eine bestimmte Person gibt es
eigentlich nicht.
SB: Kannst du dir vorstellen, daß es
in Anbetracht nicht nur von Krieg,
Ausbeutung und Unterdrückung,
sondern auch der Naturzerstörung
noch einmal zu einem Aufschwung
linksradikaler oder sogar kommuniSB: Meinst du innerhalb der Hip stischer Gesinnung unter JugendliHop-Szene?
chen kommen könnte?
SB: Heute ist es ja nicht mehr so angesagt wie in den 60er oder 70er Jahren, Kommunistin zu sein. Wie
kommt ein junger Mensch wie du
heute dazu, diesen Weg zu wählen?
Thawra: Das war bei mir zum Teil
Zufall. Ich habe mich politisiert zu
einer Zeit, als die Afghanistan-Invasion der US-Imperialisten stattfand.
Seite 2
Keine Scheu vor klaren Worten
Foto: © 2016 by Schattenblick
SB: Hast du es vor allem mit Leuten
zu tun, die politisch ähnlich orientiert SB: Schreibst du deine Texte selber?
sind wie du?
Thawra: Ja. Es ist im Rap total unübThawra: Ich bin als politischer lich, daß jemand anders deine Texte
Mensch in eine neue Stadt gezogen, schreibt. Bei richtig erfolgreichen
dadurch ist mein Freundeskreis in- Amis ist es vielleicht so. Das kann
zwischen sehr politisch. Eigentlich auch bei den erfolgreichen Rappern
ist es ja verkehrt, wenn es sich im- in Deutschland mitunter der Fall
mer um sich selbst dreht und sich nur sein. Beim politischem Rap würde
in der Bewegung aufhält. Aber de ich mich das allerdings sehr wunfacto ergeben sich soziale Beziehun- dern.
gen über die Kontakte bei der Lohnarbeit und die sonstige Praxis, die SB: Im Video von "Antideutsche /
man im Leben hat. Das entwickelt Tahya Falastin" ist das Logo der Antilopen Gang zu sehen. Wie stehst du
sich meistens so.
zu dieser doch sehr bekannten GrupSB: Hast du im Hip Hop Vorbilder, pe, die zumindest über einen gewiswas zum Beispiel politisches Rappen sen Wortwitz verfügt, aber auch für
politische Kontroversen sorgt?
betrifft?
www.schattenblick.de
So, 27. März 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
Thawra: Erst einmal muß man zwischen Form und Inhalt unterscheiden. Wenn ich nur nach dem Musikalischen gehe, würde ich mir viele
Sachen anhören, auch die Antilopen.
Aber man denkt und fühlt ja mit bei
Musik, und gerade deshalb höre ich
keine Antilopen Gang. Auf jeden
Fall lehne ich ihren Zionismus als
Antizionistin ab.
SB: Das Logo der Band im Video soll
aber eine bestimmte Stoßrichtung der
Kritik darstellen, vermute ich?
Thawra: Klar, das steht für "den Antideutschen" und soll ihn als solchen
kenntlich machen. Allerdings ist der
Track nicht dafür gedacht, sich jetzt
an dieser Crew abzuarbeiten.
SB: "Rote Fahnen über Gaza und Jenin" heißt es unter anderem in eurem
Text. Ist das ein Wunschtraum? Die
Palästinenser hatten einmal eine starke Linke, das ist heute aber Geschichte. Glaubst du, daß die Palästinenser das Problem, nicht nur von
den Israelis, sondern auch von der eigenen Oligarchie unterdrückt zu
werden, bewältigen können?
Thawra: Eigentlich ausschließlich.
Ich würde mich natürlich freuen,
wenn ich auch einmal für ganz normale Sachen angefragt würde. Klar,
meine Tracks enthalten viel interne
Kritik an der Bewegung, deswegen
mache ich auch nicht gezielt für den
und den Musik, an dem Punkt bin ich
nicht, sondern schreibe das, was ich
gerade wichtig finde und was gerade
kommt. Ich gehe da nicht taktisch im
Sinne der Frage vor, wie ich mich an
mehr Leute richten kann. Aber das
müßte man bestimmt irgendwann
auch einmal machen.
Solidarität mit der kurdischen
Befreiungsbewegung und türkischen
Linken gerade jetzt
Foto: © 2016 by Schattenblick
Anmerkungen:
[1] https://www.youtube.com/watch?v=LpWzpLepDjo
[2] http://www.schattenblick.de/infopool/musik/report/muri0042.html
[3] http://www.schattenblick.de/infopool/medien/ip_medien_alThawra: Gegenfrage: Denkst du, daß SB: Hattest du schon Berührungs- tern_aufbau.shtml
es in Deutschland wieder eine starke punkte mit der Musikindustrie?
Linke geben kann? Wir waren auch
Rosa Luxemburg Wochenende 2016
schon stärker. Wir hatten auch schon Thawra: Nein.
in Berlin im Schattenblick
einmal 1918. Natürlich ist das kein
Wunschtraum, sondern man muß dar- SB: Selbst zu produzieren und zu www.schattenblick.de → INFO­
aufhinarbeiten, natürlich in erster Li- vertreiben gilt vermutlich für einen POOL → POLITIK → REPORT:
nie im eigenen Land. Dazu gehört In- Großteil des politischen Hip Hop?
BERICHT/223: Treffen um Rosa Luternationalismus, dazu gehört, der eigenen Bourgeoisie und dem eigenen Thawra: Ja, notgedrungen. Aber für xemburg - Wasser predigen ... (SB)
Staat, dessen Staatsräson proisraelisch mich ist Musik auch nicht die erste BERICHT/224: Treffen um Rosa
Luxemburg - Weichgespült ... (SB)
ist, in den Rücken zu fallen. Das ist für Priorität.
BERICHT/225: Treffen um Rosa
mich eine internationalistische Selbstverständlichkeit. Aber jetzt groß in SB: Geht es dir beim Hip Hop eher Luxemburg - Eine Hälfte brennt ...
(SB)
den Diskurs reinzugehen, was die pa- um ein persönliches Anliegen?
BERICHT/226: Treffen um Rosa
lästinensische Linke tun sollte, finde
ich für mich unsinnig. Ich versuche zu Thawra: Ja, im Sinne von "Das Per- Luxemburg - Multiform schlägt Uniunterstützen, wo ich kann und wo ich sönliche ist politisch". Das ist übri- form ... (SB)
es sinnvoll finde mit meinem Wissen, gens ein Track, den ich gleich brin- BERICHT/227: Treffen um Rosa
gen werde - "Das Private ist poli- Luxemburg - Die Gier der Märkte ...
zusammen mit meinen Genossen.
tisch".
(SB)
BERICHT/228: Treffen um Rosa
SB: Trittst du auch auf politischen
Events auf, aufDemos und ähnlichen SB: Thawra, vielen Dank für das Ge- Luxemburg - Zweckvereinnahmung
spräch.
... (SB)
Anlässen?
So, 27. März 2016
www.schattenblick.de
Seite 3
Elektronische Zeitung Schattenblick
BERICHT/229: Treffen um Rosa
Luxemburg - die Pläne des Feindes
... (1) (SB)
BERICHT/230: Treffen um Rosa
Luxemburg - die Pläne des Feindes
... (2) (SB)
BERICHT/232: Treffen um Rosa
Luxemburg - angekommen ... (1)
(SB)
BERICHT/233: Treffen um Rosa
Luxemburg - angekommen ... (2)
(SB)
INTERVIEW/289: Treffen um Rosa
Luxemburg - und niemand sieht hin
... Nick Brauns im Gespräch (SB)
INTERVIEW/290: Treffen um Rosa
Luxemburg - Vergessen frißt Fortschritt auf ... Ihsan Cibelik im Gespräch (SB)
INTERVIEW/291: Treffen um Rosa
Luxemburg - getrennt marschieren ...
S.E. Jorge Jurado im Gespräch (SB)
INTERVIEW/292: Treffen um Rosa
Luxemburg - Etablierte Fronten ...
Talip Güngör im Gespräch (SB)
INTERVIEW/293: Treffen um Rosa
Luxemburg - Im Herzen der Lügen
... Thomas Zmrzly im Gespräch
(SB)
INTERVIEW/294: Treffen um Rosa
Luxemburg - das Ziel im Auge behalten ... Patrik Köbele im Gespräch (SB)
INTERVIEW/295: Treffen um Rosa
Luxemburg - Engels Hordentraum ...
Michael Chrapek im Gespräch (SB)
INTERVIEW/296: Treffen um Rosa
Luxemburg - Revolutionärer Lernprozeß ... Domenico Losurdo im
Gespräch (1) (SB)
INTERVIEW/297: Treffen um Rosa
Luxemburg - Revolutionärer Lernprozeß ... Domenico Losurdo im
Gespräch (2) (SB)
INTERVIEW/298: Treffen um Rosa
Luxemburg - Verantwortlich und
selbstbestimmt ... Jennifer Michelle Rath im Gespräch (SB)
INTERVIEW/299: Treffen um Rosa
Luxemburg - Der falsche Feind ...
Dov Khenin im Gespräch (SB)
http://www.schattenblick.de/
infopool/politik/report/
prin0311.html
Seite 4
POLITIK / REDAKTION / NAHOST
Kriegsparteien im Jemen vereinbaren Feuerpause
Stillstand an den Frontverläufen macht Verhandlungen sinnvoll
(SB) ­ Ein Jahr nun dauert im Jemen
die Militärintervention einer von Saudi-Arabien angeführten Allianz sunnitischer Staaten. Weite Teile der Infrastruktur des ohnehin ärmsten Landes
Arabiens sind durch anhaltende Luftangriffe zerstört worden. Mehr als
6200 Menschen sind infolge des Krieges ums Leben gekommen, die meisten von ihnen Zivilisten. Wegen einer von den Kriegsmarinen Ägyptens
und Saudi-Arabiens aufrechterhaltenen Seeblockade herrscht in weiten
Teilen des Jemens Hungersnot; 13
Millionen Menschen, knapp über die
Hälfte der Bevölkerung, sind aufLebensmittelhilfe angewiesen, so die
Angaben des UN-Welternährungsprogramms. Vor diesem Hintergrund
kann man die Nachricht, die Kriegsparteien hätten für den 10. April eine
Feuerpause und die Aufnahme von
Friedensverhandlungen am 18. April
in Kuwait vereinbart, nur begrüßen.
Vermittelt wurde der geplante Waffenstillstand am 23. März, so hieß es,
durch den mauretanischen Diplomaten Ismail Ould Cheikh Ahmed, der in
seiner Funktion als UN-Sondergesandter seit Monaten zwischen der
Führung der schiitischen Huthi-Rebellen und der Regierung des von ihnen Anfang letzten Jahres abgesetzten
Präsidenten Abd Rabbuh Mansur Hadi pendelt. Laut Ahmed sollen sich die
Verhandlungen in Kuwait Stadt auf
fünfThemenbereiche konzentrieren:
Rückzug aller kämpfenden Einheiten
und Milizen, Schaffung provisorischer Sicherheitsarrangements, Wiederherstellung der staatlichen Institutionen, Abgabe aller schweren Waffen
und Wiederaufnahme eines inklusiven
politischen Dialogs.
Nach eigenen Angaben geht es SaudiArabien in dem Konflikt lediglich
www.schattenblick.de
darum, Hadi als rechtmäßiges Staatsoberhaupt wiedereinzusetzen. Hinter
dem Militärabenteuer Riads stecken
jedoch auch ganz andere Motive,
nicht zuletzt die Festigung der Position des neuen saudischen Königs Salman sowie dessen Sohns Mohammed
als designierter Thronfolger. Der militärische EingriffSaudi-Arabiens in
die innenpolitische Krise des Jemens
erfolgte nur zwei Monate, nachdem
Salman den saudischen Thron infolge
des Ablebens seines Bruders Abdullah geerbt hatte. Leiter der großangelegten, multinationalen Militäroperation ist der 30jährige Prinz Mohammed in seiner Rolle als neuer saudischer Verteidigungsminister.
Für Saudi-Arabien verläuft der Krieg
im Nachbarland alles andere als
ruhmreich. Nur mit Hilfe der USA
und Großbritanniens, deren Militärs
die elektronische Luftraumaufklärung
der gesamten Operation leiten sowie
für die Auftankung und Munitionierung der Kampfjets der Saudis und
deren Verbündeten am Persischen
Golf zuständig sind, sowie von
Kämpfern von Al Kaida aufder Arabischen Halbinsel (AQAP) konnten
die Huthi-Rebellen und die aufihrer
Seite kämpfenden Anhänger des früheren, langjährigen Präsidenten Ali
Abdullah Saleh aus der Hafenmetropole Aden verdrängt werden. Die
Kontrolle der Hadi-Milizionäre über
Aden und praktisch die gesamte Südküste des Jemens ist nur nominell. Separatisten, die den früheren Südjemen
wieder aufleben lassen wollen, sowie
AQAP verfolgen da ganz andere Absichten. Während die saudischen Bodentruppen schwere Verluste haben
hinnehmen müssen, hat die Luftwaffe Riads mit zahlreichen Angriffen auf
zivile Ziele schwere Menschenrechtsverbrechen begangen. Für Empörung
So, 27. März 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
sorgte zuletzt die Bombardierung eines
Marktplatzes am 17. März in der nördlichen Hadscha Provinz. Nach Angaben des UN- Kinderhilfwerkes kamen
hierbei 119 Menschen ums Leben.
Seit Monaten liefern sich die HuthiSaleh-Allianz und die Hadi-Anhänger
mit ihren diversen Verbündeten einen
erbitterten Kampfum die Stadt Taiz,
die auf halber Strecke zwischen Aden
im Süden und der Hauptstadt Sanaa
im Norden liegt. Der militärische
Stillstand dort reflektiert die militärische Realität im ganzen Land. Die
Huthis können im Norden, ihrem traditionellen Siedlungsgebiet, nicht besiegt werden, gleichzeitig können sie
den Süden gegen den Willen der Separatisten, von AQAP und den HadiAnhängern nicht halten, geschweige
denn zurückerobern.
In Kuwait sind harte Verhandlungen
zu erwarten. Dem Vorhaben, einen inklusiven politischen Dialog im Jemen
wieder in Gang zu bringen, steht möglicherweise die Absicht Saudi-Arabiens im Weg. Eine führende Rolle der
Huthis in der jemenitischen Politik
sieht man in Riad mit Argwohn wegen
deren angeblichen Verbindungen zum
Iran, dem Erzfeind Saudi-Arabiens.
Des weiteren müssen die Saudis die
Entstehung einer echten Demokratie
mit Gleichberechtigung für die Frauen im Jemen befürchten, weil eine solche Entwicklung die absolutistische
Monarchie der Familie Saud in Frage
stellen könnte. Man kann auch davon
ausgehen, daß sich die Huthis und die
früheren Truppen Salehs gegen die
geplante Rückgabe jener schweren
Waffen sträuben werden, die sie nach
dem Ausbruch des Bürgerkrieges aus
den staatlichen Beständen erbeutet haben. Man kann nur hoffen, daß die
verschiedenen Konfliktbeteiligten genügend kriegsmüde sind, um sich auf
Abmachungen einzulassen, mit denen
alle mindestens kurzfristig einigermaßen leben können.
http://www.schattenblick.de/
infopool/politik/redakt/
nhst1443.html
So, 27. März 2016
BÜRGER UND GESELLSCHAFT / REPORT / BERICHT
Das Anti-TTIP-Bündnis Erhalt marktregulierter Vorherrschaft ...
Neokoloniale Abhängigkeit Afrikas im Handelsregime der EU
TTIP Strategie­ und Aktionskonferenz in Kassel
(SB) ­ Das Verhältnis der führenden
Mächte Europas zu den Staaten Afrikas ist von Unterwerfung, Zurichtung und Ausplünderung geprägt.
Daran hat sich seit kolonialen Zeiten
nichts geändert, gründen Entwicklungsvorsprung und Reichtum der
europäischen Länder doch unmittelbar auf dem Rückstand und der Armut des benachbarten Kontinents.
Wo die Eroberung mit Feuer und
Schwert, Fibel und Bibel in die Etablierung von Handelsbeziehungen
überging, zog diese friedlich genannte Okkupation die Fesseln nur um so
enger. Wann immer von einer Normalisierung der Beziehungen die Rede war, diente das niemals dazu, alte Rechnungen zu begleichen, sondern führte im Gegenteil zur Durchsetzung einer neuen Schuldnerschaft,
welche die Zugriffsgewalt Europas
über Afrika fortschreibt und vertieft.
Im Zuge der ursprünglichen Akkumulation, die die Voraussetzungen
der kapitalistischen Produktionsweise schuf, raubten die europäischen
Kolonisatoren das Gold und Silber
Amerikas, brachten die dort lebenden
Bevölkerungen in den Bergwerken zu
Tode, plünderten Ostindien aus und
verwandelten Afrika in ein Revier der
Sklavenjagd. Dem folgte ein Handelskrieg auf dem Fuße, der Mord
und Totschlag um die nachhaltigere
Form des Raubes in Gestalt erzwungener Tauschgeschäfte ergänzte, die
unter ungleichen Partnern stets zu Lasten des schwächeren gehen und dessen Entmächtigung besiegeln.
Der Aufschwung antikolonialer
Kämpfe durch nationale Befreiungswww.schattenblick.de
bewegungen konnte die Ketten unmittelbarer Abhängigkeit nicht zuletzt deshalb sprengen, weil den um
den Verlust ihrer Einflußsphären
fürchtenden
imperialistischen
Mächten zu Zeiten des Kalten Krieges das realsozialistisch konnotierte
Lager weltweit Grenzen setzte. Diese geopolitische Konstellation nötigte in der Folge den ehemaligen europäischen Kolonialherren gewisse
Zugeständnisse gegenüber den afrikanischen Ländern ab, drohten sie
doch andernfalls die Kontrolle über
ihre früheren Kolonien vollständig
zu verlieren. Indem sie den betreffenden Staaten und Regionen bevorzugte Konditionen im Warenverkehr
gewährten, sorgten sie für deren
dauerhafte Einbindung in ein neokoloniales Handelsregime.
Der proklamierte Sieg des kapitalistischen Westens im Kampf der Gesellschaftssysteme setzte einen
Schub expansionistischen Vormarsches frei, bei dem eine Kette unablässiger Kriege mit einer nicht
minder aggressiven Freihandelspolitik einhergeht. Freier Handel zwischen der EU und Afrika bedeutet
nun, die Zwischenphase tendenzieller Zugeständnisse an die Entwicklungsländer ad acta zu legen und deren vollständige Öffnung herbeizuführen. Für die ungleich schwächeren afrikanischen Partner heißt das
nichts weniger, als ihre verbliebenen
Schutzmechanismen preiszugeben.
Erzwungen wird diese Überantwortung durch ein Paktieren mit nationalen Eliten, vor allem aber durch finanziellen Druck, da man diese
Staaten in die Abhängigkeit von
Seite 5
Elektronische Zeitung Schattenblick
Gläubigern gebracht hat und mit der
Verweigerung weiterer Zahlungen
oder dem Entzug von Handelsvorteilen drohen kann.
In geostrategischer Hinsicht stellen
die Freihandelsabkommen der EU
mit afrikanischen Ländern nicht zuletzt ein Instrument dar, ihren ehemaligen kolonialen Hinterhof angesichts eines wachsenden Einflusses
aufstrebender Schwellenländer wie
China, Indien und Brasilien weiterhin zu kontrollieren. Dabei geht es
darum, die Staaten und regionalen
Bündnisse Afrikas daran zu hindern,
sich dem Diktat Europas durch den
Ausbau des Handels mit anderen
maßgeblichen Partnern zu entziehen.
Zugleich sind die EPAs (Economic
Partnership Agreements) zwischen
der EU und Afrika als ein Baustein in
der Konstruktion eines weltweiten
Freihandelsregimes erst im Kontext
dieser globalen Offensive, die längst
in Hunderten von Abkommen vorangetrieben wird, angemessen einzuschätzen. Wenngleich nicht zwangsläufig identisch, weisen die verschiedenen strategischen Entwürfe doch
wesentliche Übereinstimmungen in
ihrer zentralen Stoßrichtung auf, was
den analytischen Abgleich wie auch
die Zusammenschau für eine Gegenbewegung um so erforderlicher
macht. Verfolgt man die Kette der
Verhandlungen und Abkommen zwischen Europa und den Entwicklungsländern in den letzten Jahrzehnten,
zeichnet sich eine deutliche Trendwende von einem Würgegriff mit
Samthandschuhen hin zu Brachialgewalt ab, wenngleich mehr oder minder verschleiert und zumeist fernab
der öffentlichen Wahrnehmung. [1]
Handlungsspielraum der Entwicklungsländer schwindet
Auf der TTIP Strategie- und Aktionskonferenz in Kassel war ein
Workshop zum Thema "Was können
wir aus dem Widerstand gegen die
EPAs lernen?" den langjährigen VerSeite 6
suchen der Europäischen Union gewidmet, ihre Freihandelsagenda mit
Hilfe der EPAs auch gegen Afrika
durchzusetzen. Erörtert wurde insbesondere, welche Ziele die EU mit
diesen Abkommen verfolgt, welche
Auswirkungen den afrikanischen
Ländern drohen, wie der Widerstand
gegen die EPAs bislang verlaufen ist
und welche Folgerungen für die weitere Vorgehensweise daraus abzuleiten sind. Clara Weinhardt (wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Bremen International Graduate School
of Social Sciences und Research Associate am Global Public Policy Institute in Berlin), Dr. Boniface Mabanza (Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika in Heidelberg) und
Francisco Mari (Brot für die Welt)
referierten spezifische Aspekte der
Thematik und vertieften diese in der
anschließenden Diskussion.
Wie Clara Weinhardt ausführte,
schwindet der noch verbliebene
Handlungsspielraum der Entwicklungsländer. Seit den 1990er Jahren
wird nicht nur der Abbau von Zöllen,
sondern zunehmend die Liberalisierung von Dienstleistungen sowie
Standards und Regulierungen innerhalb der betreffenden Länder oder regionalen Gruppen verhandelt. Einige
Entwicklungsländer haben sich diesem Druck widersetzt und auf der Ministerkonferenz der WTO 2003 in
Cancún erreicht, daß die sogenannten
Singapur-Themen (Investitionen, öffentliches Beschaffungswesen, Handelserleichterungen und Wettbewerbsregeln) ausgeklammert wurden.
Die bilateralen oder regionalen Abkommen der EPAs zwischen der EU
und den AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik) forcieren jedoch den Liberalisierungsdruck wieder: Sie bringen durch die Hintertür die bei der
WTO erfolgreich ausgeklammerten
Themen in die Verhandlungen zurück
und verbieten beispielsweise Exportzölle, mit denen sich Entwicklungsländer strategisch schützen. Zugleich
wurde in den EPA-Abkommen eine
Klausel eingefügt, welche die Staawww.schattenblick.de
ten verpflichtet, nach Ratifizierung
der Abkommen binnen sechs Monaten die bei der WTO ausgeklammerten Themen doch neu zu verhandeln.
Hingegen stagniert die Doha-Runde,
in der entwicklungspolitische Themen weitergebracht werden sollten,
und läuft schleichend aus.
Aktueller Stand der
Verhandlungen
Zum aktuellen Stand der Verhandlungen merkte Boniface Mabanza
zunächst an, daß laut dem auf Lomé
[2] folgenden Contonou-Abkommen
[3] die EPA-Verhandlungen mit jenen AKP-Staaten geführt werden,
die dazu bereit sind, und das mit einem Tempo, das sie selbst mitbestimmen. Demgegenüber seien jedoch die Verhandlungen mit der karibischen und pazifischen Region,
Westafrika, Zentralafrika, Ost- und
Südafrika von einer aggressiven
Dramatik geprägt. Die Karibik hat
bereits 2008 und die pazifische Region 2009 ein umfassendes Abkommen unterzeichnet. Hingegen verlaufen die Verhandlungen in Afrika
wesentlich widersprüchlicher. So hat
die Region Westafrika 2014 ein Abkommen paraphiert, das inzwischen
von einigen Ländern unterzeichnet
wurde. In Zentralafrika hat nur Kamerun ein Interimsabkommen unterzeichnet und 2014 ratifiziert. EUDokumente sprechen denn auch von
einer schwierigen Situation in dieser
Region. In Ost- und Südafrika haben
Mauritius, die Seychellen, Simbabwe und Madagaskar 2009 ein Interimsabkommen unterzeichnet, doch
ging es dort seit 2011 keinen Schritt
mehr voran. Die East African Community, bestehend aus Kenia, Uganda, Ruanda, Burundi und Tansania,
hat im Oktober 2014 ein Abkommen
paraphiert. Dort hat inzwischen auch
eine Rechtsförmigkeitsprüfung des
Abkommens stattgefunden, das derzeit übersetzt wird, so daß es aus
Perspektive der EU-Kommission
noch in diesem Jahr unterzeichnet
werden könnte, worauf die Schritte
So, 27. März 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
zur Ratifizierung eingeleitet werden
sollen. Das als EPA-Region aus sieben Ländern bestehende südliche
Afrika hat 2014 ein Abkommen paraphiert, die Rechtsförmigkeitsprüfung und die Übersetzung haben
stattgefunden und die Unterzeichnung wird für Juni, spätestens Juli
2016 angestrebt.
Diese verworren anmutende Disparität hängt damit zusammen, daß aufgrund des Widerstands in verschiedenen Ländern mehrfach neue Fristen
gesetzt wurden. Zunächst sollten alle Länder, die seit 2002 verhandelt
hatten, bis Ende Dezember 2007 ein
Abkommen unterzeichnet haben. Als
dies nicht gelang, kamen die Interimsabkommen sowie eine neue Frist
zum 1. Oktober 2014 ins Spiel. Dies
war mit der Drohung verbunden, daß
alle Länder, die bis dahin keine
Schritte eingeleitet hätten, ihren präferenziellen Zugang zum europäischen Markt verlieren würden. Diese
Erpressung zeigte Wirkung, und als
sich diese Länder bewegten, wurde
eine neue Frist zum 1. Oktober 2016
für die Ratifizierung gesetzt.
Dieser Verlauf habe gezeigt, daß der
Widerstand das Tempo der Umsetzung verlangsamen kann, so der Referent. Dadurch hätten Regierungen
und Zivilgesellschaften mehr Zeit
gehabt, die Texte zu analysieren und
Schlußfolgerungen zu ziehen. Zudem habe man Zeit für die Mobilisierung und Beratungen über Alternativen gewonnen. Andererseits
könne sich aber auch mit wachsender Dauer der Auseinandersetzung
eine Müdigkeit des Widerstands einstellen. Zudem habe sich unterdessen
die politische Landschaft verändern,
da an der Elfenbeinküste, in Ghana
und im Senegal EPA-freundliche
Präsidenten gewählt worden seien.
Zur Unterzeichnung erpreßt
Auch Francisco Mari hob hervor,
daß die Freihandelsabkommen hinter den Stand zurückfallen, den die
So, 27. März 2016
meisten Länder Afrikas nach der Dekolonialisierung erlangt hatten. Weil
sie bis auf Äthiopien ehemals europäische Kolonien waren, konnten 80
Prozent der Länder ihre Waren größtenteils zollfrei nach Europa verkaufen. Diese einseitig offenen Märkte
waren jedoch keine Erfolgsgeschichte, was den afrikanischen Regierungen zum Vorwurf gemacht wurde.
Daraus resultierte die Ideologie eines
gegenseitigen Freihandels unter Abbau der Schutzmechanismen der
afrikanischen Länder. Bislang geht
es dabei nur um den Güteraustausch,
wobei Europa einen Teil seiner
Agrarüberschüsse wie Milch, Hähnchenteile oder Tomatenmark nach
Afrika exportiert.
zum 1. Oktober 2015 im Weigerungsfall der Entzug ihrer Präferenz. Erpreßt wurden insbesondere
die relativ entwickelteren und exportstärksten Kerne der Wirtschaftsunion wie Kenia in Ostafrika, Nigeria in Westafrika und Kamerun in Zentralafrika. In Westafrika betrifft das vor allem Agrarprodukte wie Kaffee, Kakao und Bananen, auf die im Weigerungsfall die
offiziellen Zölle zwischen vier und
zehn Prozent in der EU erhoben
werden sollten. Als Kenia zunächst
die Unterschrift verweigerte, blieben nach dem 1. Oktober Exportprodukte wie Blumen oder grüne
Bohnen in den Häfen liegen, weil
die europäischen Importeure sofort
auf Tansania und Äthiopien umDie Partnerschaftsabkommen wer- schwenkten, die die Präferenz noch
den in Deutschland als Entwick- haben. Zwei Monate später gab
lungshilfe deklariert, weshalb das auch Kenia nach.
Entwicklungsministerium in diesen
Fällen auch die Verhandlungen führt. Es liegt auf der Hand, daß die EU ihDer Widerstand war jedoch so groß, re Handelspolitik entgegen andersdaß die afrikanischen Länder eine lautenden Behauptungen mitnichten
Liberalisierung landwirtschaftlicher für Entwicklung, Menschen- und
Produkte verhindern konnten. Die Umweltrechte betreibt. Inzwischen
wenngleich geringen, aber doch be- haben die afrikanischen Länder
stehenden Zölle auf diese Produkte größtenteils unterschrieben und
müssen in den nächsten 20 Jahren müssen dies bis zum 1. Oktober
nicht abgebaut werden. Da sich die- 2016 in den Parlamenten debattiese Länder jedoch nur 20 Prozent al- ren. Was Afrika weiterhelfen könnler Zölle aussuchen konnten, die von te, wäre ein wesentlich ausgeprägteder Liberalisierung ausgenommen rer Binnenhandel, da 90 Prozent alwurden, wird der gesamte industriel- ler exportierten Waren außerhalb
le Bereich liberalisiert. Damit nimmt und nur zehn Prozent innerhalb des
die EU diesen Ländern jede Perspek- Kontinents gehandelt werden. Die
tive, eine eigenständige Industriepo- Afrikanische Union schlägt daher
litik umzusetzen.
vor, eine afrikanische Wirtschaftszone zu schaffen, die die künstliche
Im Grunde genommen sind nur Aufgliederung in die EPA-Regionen
neun Länder gezwungen, sich die- beendet. Diese Wirtschaftszone sollsem Druck zu beugen. Die EU ge- te als ganze Präferenz der EU geniewährt seit 2000 den 40 ärmsten ßen, ohne zugleich ihre SchutzmeLändern (darunter 80 Prozent afri- chanismen aufzugeben.
kanischen) die Präferenz, ihre Waren zollfrei in Europa einzuführen. Welche negativen Auswirkungen
Nur die neun etwas reicheren Län- TTIP für Afrika hätte, verdeutlichte
der dürfen das nicht, wobei die der Referent an einem aufschlußreiGrenze bei lächerlichen 500 Dollar chen Beispiel. Deutschland ist einer
Jahreseinkommen im Durchschnitt der größten Exporteure von Kaffee
der Bevölkerung liegt. Kenia, Gha- und Schokolade in die USA, wobei
na, Elfenbeinküste und einigen Öl- 80 Prozent der Wertschöpfung aus
staaten drohte bei einer Fristsetzung afrikanischen Kaffee- und Kakaowww.schattenblick.de
Seite 7
Elektronische Zeitung Schattenblick
bohnen hierzulande erfolgen. Die
Erzeugnisse werden dann zu hohen
Preisen in die USA ausgeführt, obgleich diese keinen Zoll auf afrikanischen Kaffee und afrikanische
Schokolade erheben. Da im Rahmen von TTIP die US-Zölle für Importe aus Deutschland herabgesetzt
werden sollen, würde dies die afrikanischen Länder um so mehr von
einem direkten Export von Kaffee
und Kakao in die USA abschneiden.
Es ließe sich auch an anderen Beispielen zeigen, daß TTIP Afrika
ebenfalls schaden würde.
Von Auswegen abgeschnitten
Was hindert die Länder Afrikas daran, zu günstigeren Bedingungen
Handel mit Indien, China oder Brasilien zu treiben? Auch diesbezüglich sitzt ihnen die EU im Nacken,
die dank der Meistbegünstigungsklausel dieselben Konditionen einfordern kann, die Drittstaaten gewährt werden. Die EPAs gehen über
WTO-Recht hinaus, indem sie die
anderen Handelspartnern gewährten Bedingungen auf den Handel
mit der EU übertragen, sofern es
sich um günstigere Vereinbarungen
handelt. Das war denn auch einer
der zentralen Streitpunkte in den
Verhandlungen mit der EU und
führte zumindest dazu, daß die
Klausel nur für Abkommen mit
Schwellenländern gilt, die mehr als
1,2 Prozent Weltwirtschaftkraft aufweisen. Da dies jedoch die attraktivsten Handelspartner wären, wird
den afrikanischen Ländern weitgehend die Möglichkeit genommen,
eigenständig mit anderen Wirtschaftregionen günstigere Abkommen zu schließen.
Hinzu kommt die Strategie der EU,
durch getrennte Verhandlungen mit
verschiedenen Gruppen von Ländern die regionale Integration zu
untergraben. Auf diese Weise blieb
die Afrikanische Union ausgeschlossen und konnte allenfalls in
beratender Funktion warnen. Die an
Seite 8
sich naheliegende Idee einer binnenafrikanischen Freihandelszone,
deren Gründung für 2023 geplant
ist, dürfte sich als kaum oder gar
nicht zu realisierende Option erweisen. Berücksichtigt man, daß Europa ein halbes Jahrhundert gebraucht
hat, um die EU in ihrer heutigen
Form zu konstituieren, wobei die
wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den afrikanischen Ländern
noch weit größer sind, wird die Umsetzung dieses Vorhabens binnen
weniger Jahre schwerlich gelingen.
Vor allem aber befindet sich die
Afrikanische Freihandelszone erst
in den Anfängen, während die EPAs
schon vor der Ratifizierung stehen
und damit Fakten schaffen.
Boniface Mabanza zitierte aus einer
Rede, die der Staatspräsident von
Namibia, Hage Geingob, 2009 im
Parlament gehalten hat:
"Besser gar kein Abkommen als
ein schlechtes Abkommen. Aber
wenn du ein schlechtes unterzeich­
net hast, mußt du damit leben!"
Angesichts der seither vorangetriebenen Umsetzung der EPAs könnte
man diese Warnung dahingehend
auslegen, daß es fast, aber noch
nicht ganz zu spät ist. Die Hoffnung
der Protagonisten des Freihandels,
die afrikanischen Länder binnen
kurzer Fristen in der Tasche zu haben, brach sich zumindest in Teilen
an deren Widerstand und verzögerte die Vollendung des Vorhabens
ganz erheblich. Für den Kampf gegen die Freihandelsabkommen in
all ihren Gestalten folgt daraus, daß
dem Versuch der führenden westlichen Mächte, die Opfer ihrer Handelspolitik jeweils getrennt, doch
stets nach demselben Muster über
den Tisch zu ziehen, nur mit einer
nicht minder vielgestaltigen Gegenbewegung in zahlreichen Ländern
beizukommen sein könnte. Die traditionsreiche Maxime internationaler Solidarität, daß der Feind im eigenen Land steht, dürfte dabei von
Nutzen sein.
www.schattenblick.de
Anmerkungen:
[1] Siehe dazu:
REZENSION/398:
A. Groth, T. Kneifel - Europa plündert Afrika (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/buch/sachbuch/busar398.html
Annette Groth, Theo Kneifel: Europa plündert Afrika, VSA-Verlag
Hamburg 2007, ISBN: 978-3-89965228-4
[2] Das Lomé-Abkommen wurde
1975 unterzeichnet und bis 1989
durch Lomé II, III und IV ersetzt.
Es war das bislang umfassendste
völkerrechtlich verbindliche Kooperationsabkommen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern.
Darin verzichteten die EG/EUStaaten im industriellen Bereich
vollständig, im landwirtschaftlichen
weitgehend auf Gegenpräferenzen
bei Handelsabkommen. So wurde
diesen Ländern ein bevorzugter
Marktzugang in Europa gewährt.
Darüber hinaus enthielten die
Lomé-Abkommen eine Versicherung für Exporterlöse.
[3] Im Juni 2000 wurde das Cotonou-Abkommen zwischen der EU
und ihren 79 assoziierten AKPStaaten (Afrika, Karibik, Pazifik)
unterzeichnet. Es löste die LoméAbkommen ab, die den AKP-Staaten Handelspräferenzen für ihre Exportgüter einräumten, die nun entfielen. Das war ein Paradigmenwechsel von Präferenzabkommen
zugunsten der ehemaligen Kolonien der europäischen Mächte, die
zumindest partiell einen Ausgleich
für die wirtschaftliche Benachteiligung schufen, hin zu Freihandelsabkommen zwischen ungleich starken Partnern. Denn das CotonouAbkommen sieht die graduelle
Handelsliberalisierung gemäß den
Bestimmungen des WTO-GATTAbkommens vor.
http://www.sopos.org/aufsaetze/45bf8f72d52d0/1.phtml
So, 27. März 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
TTIP Strategie­ und Aktionskonfe­
renz in Kassel im Schattenblick
www.schattenblick.de → INFO­
POOL → BUERGER → REPORT:
BERICHT/068: Das Anti-TTIPBündnis - Widerstand und Kompromiß ... (SB)
BERICHT/069: Das Anti-TTIPBündnis - Lackmustest Verschärfung
... (SB)
BERICHT/070: Das Anti-TTIPBündnis - die Hoffnung auf Mehrheiten ... (1) (SB)
BERICHT/071: Das Anti-TTIPBündnis - die Hoffnung auf Mehrheiten ... (2) (SB)
INTERVIEW/097: Das Anti-TTIPBündnis - die Säge am Überlebensast
... Pia Eberhardt im Gespräch (SB)
INTERVIEW/098: Das Anti-TTIPBündnis - Kulturelle Errungenschaften im Ausverkauf ... Olaf Zimmermann im Gespräch (SB)
INTERVIEW/099: Das Anti-TTIPBündnis - Konsens ... Nelly Grotefendt im Gespräch (SB)
INTERVIEW/100: Das Anti-TTIPBündnis - Rechtsprechung statt Verträge ... Petra Pinzler im Gespräch
(SB)
INTERVIEW/101: Das Anti-TTIPBündnis - Korrumption im Zangengriff der Basis ... John Hilary im
Gespräch (SB)
INTERVIEW/102: Das Anti-TTIPBündnis - Kontroll- und Verwertungsmotive ... Uta Wagenmann im
Gespräch (SB)
INTERVIEW/103: Das Anti-TTIPBündnis - der Kriegsführung entlehnt ... Uwe Hiksch im Gespräch
(SB)
INTERVIEW/104: Das Anti-TTIPBündnis - Großer Spieler Eurozone
... Francisco Mari im Gespräch
(SB)
INTERVIEW/105: Das Anti-TTIPBündnis - Betrogene Mehrheitsinteressen ... Melinda St. Louis im Gespräch (SB)
http://www.schattenblick.de/
infopool/buerger/report/
brrb0072.html
So, 27. März 2016
SCHACH UND SPIELE / SCHACH / SCHACH-SPHINX
Schlauheit eins Weltmeisters
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt der ungarische Meister
Géza Maróczy als einer der stärksten
Spieler von Rang. Sein Stil war von
schlichter Brillanz, schnörkellos, tief
durchdacht und von hohem strategischen Zuschnitt. Nachdem er die
Turniere in Monte Carlo 1904 sowie
Ostende und Barmen 1905 für sich
entschieden hatte, liefen die Verhandlungen mit dem damaligen
Weltmeister Emanuel Lasker heiß.
Lasker war kein Mensch, der sich
gerne im Wettkampf maß, und daher
lange Zeit nicht bereit, seine Krone
aufs Spiel zu setzen. Doch die
Schachwelt verlangte seinerzeit nach
einem Duell der hellsten Köpfe.
Auch fanden sich Geldgeber, die in
die Tasche greifen wollten, um eine
Weltmeisterschaft zu finanzieren.
Doch dann in Ostende 1906, die Vorbereitungen standen vor dem Abschluß, verlor Maróczy unerwartet in
der letzten Runde die entscheidende
Partie gegen Ossip Bernstein. Lasker
nahm dies zum Anlaß, um den WMKampf zu vertagen. Schließlich wurde der Termin mehr und mehr in die
Ferne gerückt. Die Geldgeber verloren das Interesse, sprangen ab und
der Wettkampf fiel ins Wasser. Feigheit konnte man Lasker gewiß nicht
vorwerfen, aber geschickt, durchtrieben und winkelkrämerisch genug
war er, um sich schlau aus der Affäre zu ziehen, wenn es ungemütlich
zu werden drohte. Daß Maróczy
auch in späteren Jahren nichts von
seiner geistigen Spannkraft verlor,
bewies die Schacholympiade in
München 1936, wo er am Spitzenbrett Ungarn zum Sieg führte. Das
heutige Rätsel der Sphinx entstammt
einer Fernpartie des ungarischen
Meisters, wo er sein taktisches Gespür unter Beweis stellte. Also, Wanderer, was war grundverkehrt an der
weißen Stellung?
(SB) ­
www.schattenblick.de
Zambelly ­ Maróczy
Fernpartie 1897
Auflösung des letzten
Sphinx­Rätsels:
Statt sich bescheiden mit einem Remis zu begnügen, hätte Damjanovic
mit 1.Db3-g3+! Kg8-h8 2.Dg3-e5+
Kh8-g8 3.De5-g5+ Kg8-h8 4.Tf1xf7
Df8xf7 5.Dg5-d8+ Df7-g8 6.Dd8f6+ gewinnen können. Ob Damjanovic zum Ende der Partie eine Remisbrille getragen hatte?
http://www.schattenblick.de/
infopool/schach/schach/
sph05787.html
Liste der neuesten und
tagesaktuellen Nachrichten ...
Kommentare ... Interviews ...
Reportagen ... Textbeiträge ...
Dokumente ... Tips und
Veranstaltungen ...
http://www.schattenblick.de/
infopool/infopool.html
Seite 9
Elektronische Zeitung Schattenblick
______I n h a l t____________________________________Ausgabe 1776 / Sonntag, den 27. März 2016____
POLITIK - REPORT
POLITIK - REDAKTION
BÜRGER - REPORT
SCHACH-SPHINX
DIENSTE - WETTER
Treffen um Rosa Luxemburg - Grenzen brechen ... Thawra im Gespräch
Kriegsparteien im Jemen vereinbaren Feuerpause
Das Anti-TTIP-Bündnis - Erhalt marktregulierter Vorherrschaft ...
Schlauheit eins Weltmeisters
Und morgen, den 27. März 2016
Seite
Seite
Seite
Seite
Seite
1
4
5
9
10
DIENSTE / WETTER / AUSSICHTEN
Und morgen, den 27. März 2016
+++ Vorhersage für den 27.03.2016 bis zum 28.03.2016 +++
© 2016 by Schattenblick
IMPRESSUM
Der April, er meldet sich,
klopft mit Regenwetter an,
dabei windet 's fürchterlich.
Jean-Luc feiert, wie er kann.
Elektronische Zeitung Schattenblick
Diensteanbieter: MA-Verlag Helmut Barthel, e.K.
Verantwortlicher Ansprechpartner: Helmut Barthel, Dorfstraße 41, 25795 Stelle-Wittenwurth
Elektronische Postadresse: [email protected]
Telefonnummer: 04837/90 26 98
Registergericht: Amtsgericht Pinneberg / HRA 1221 ME
Journalistisch-redaktionelle Verantwortung (V.i.S.d.P.): Helmut Barthel, Dorfstraße 41, 25795 Stelle-Wittenwurth
Inhaltlich Verantwortlicher gemäß § 10 Absatz 3 MDStV: Helmut Barthel, Dorfstraße 41, 25795 Stelle-Wittenwurth
ISSN 2190-6963
Urheberschutz und Nutzung: Der Urheber räumt Ihnen ganz konkret das Nutzungsrecht ein, sich eine private Kopie für persönliche
Zwecke anzufertigen. Nicht berechtigt sind Sie dagegen, die Materialien zu verändern und / oder weiter zu geben oder gar selbst zu
veröffentlichen. Nachdruck und Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Wenn nicht
ausdrücklich anders vermerkt, liegen die Urheberrechte für Bild und Text bei: Helmut Barthel
Haftung: Die Inhalte dieses Newsletters wurden sorgfältig geprüft und nach bestem Wissen erstellt. Bei der Wiedergabe und Verarbeitung
der publizierten Informationen können jedoch Fehler nie mit hundertprozentiger Sicherheit ausgeschlossen werden.
Seite 10
www.schattenblick.de
So, 27. März 2016