Kapitalmarktbrief

Juli 2015
Kapitalmarktbrief
Zwischen Skylla und Charybdis
In den vergangenen Wochen bewegten sich die Investoren
Odysseus gleich auf aufgewühlten Kapitalmärkten zwischen Skylla
und Charybdis. Für ein Auf und Ab an den Aktienmärkten sorgte
nicht zuletzt der sich zuspitzende griechische Schuldenstreit. Auch
über das für Sonntag, den 5. Juli 2015 angesetzte Referendum
in Griechenland hinaus sind Wellenbewegungen zu erwarten,
während Europas Politiker versuchen, das hellenische Boot im
ruhigeren Fahrwasser des Euroraums zu halten.
Zu erwarten ist, dass unserem antiken Helden zumindest von
Seiten der globalen Konjunkturentwicklung kein Wasser ins
Boot läuft.
• Im Euroraum hat sich die konjunkturelle Erholung gefestigt,
während Deflationssorgen wohl ad acta gelegt sind.
Ungeachtet der Griechenland-Saga liefern Frühindikatoren
wie der vorläufige Juni-Einkaufsmanagerindex für die Region
als Ganzes (Vierjahreshoch) ein klares Wachstumssignal.
• N
ach einem schwachen, teils Sonderfaktoren geschuldeten
Jahresauftakt scheint die US-Wirtschaft allmählich zu alter
Stärke zurückzufinden.
• In China, der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt, federn
Regierung und Notenbank den per se gesunden Trend zu
moderateren Wachstumsraten ab.
Und die Rentenmärkte? Der Ausverkauf in den vergangenen
Wochen hat gezeigt, dass fallende bzw. extrem niedrige
Kapitalmarktrenditen keine Einbahnstraße sind:
• In den USA lassen die robuste Arbeitsmarktlage und die
jüngsten Zinsprojektionen des Offenmarktausschusses
(FOMC) der US-Notenbank (Fed) ein Hissen der zinspolitischen
Die Geldpolitik
bleibt per saldo
expansiv – das hilft
bei aufgewühlten
Märkten.
Ann-Katrin Petersen
Assistant Vice President
Global Capital Markets &
Thematic Research,
Allianz Global Investors
Stand: 29.06.15
Aktienindizes
DAX11.083
Euro Stoxx 50
3.469
S&P 500
2.058
Nasdaq4.958
Nikkei 225
20.236
Hang Seng
25.967
Währungen
USD/EUR1,113
Rohstoffe
Öl (Brent, USD/Barrel)
60,2
Neue Publikationen
Zinsen in %
USA
3 Monate
2 Jahre
10 Jahre
EWU
3 Monate
2 Jahre
10 Jahre
Japan 3 Monate
2 Jahre
10 Jahre
0,28
0,66
2,48
-0,02
-0,21
0,92
0,17
0,00
0,46
Kapitalmarktbarometer
RentenfondsAktienfonds
Volatilität als Anlageklasse
www.allianzglobalinvestors.de
Segel durch Fed-Präsidentin Janet Yellen im September
wahrscheinlicher werden. Obwohl die FOMC-Mitglieder ihre
Erwartungen bzgl. des Leitzinserhöhungspfades (Median)
zurückgenommen haben, preisen die Rentenmärkte nach wie
vor ein weniger „falkenhaftes“ Szenario ein. Die Zinswende
dürfte sich daher zwar äußerst langsam, aber vermutlich bei
hoher Schwankungsbreite vollziehen.
• D
ie Euro-Anleihemärkte wiederum werden zwischen
Antipoden hin- und hergeschoben: Dem Nachfrageüberhang
im Umfeld des EZB-Ankaufprogramms (QE) auf der
einen Seite stehen fundamentale Renditetreiber wie
Konjunkturoptimismus, steigende Inflationserwartungen,
ambitionierte Bewertungsniveaus und die nahende
US-Leitzinswende auf der anderen gegenüber. Die
europäischen Währungshüter scheinen unterdessen über
den Renditeanstieg hinwegzuschauen und zeigen sich
vielmehr optimistisch in Bezug auf die realwirtschaftliche
Wirkung des QE-Programms.
Per saldo bleibt die Geldpolitik expansiv – das hilft bei
aufgewühlten Märkten.
Ann-Katrin Petersen
Allianz Global Investors: Kapitalmarktbrief – Juli 2015
Märkte im Detail
Taktische Allokation Aktien & Anleihen
• Die anhaltend expansive Geldpolitik und eine Konjunkturentwicklung etwa im Rahmen des Wachstumspotenzials dürften die
Aktienmärkte längerfristig stützen.
• In einem Umfeld niedriger Realrenditen sollten Dividenden dabei weiterhin ein wichtiger Faktor für die Gesamtrendite von
Aktien sein.
• Die hohen Bewertungen an den US-Aktienmärkten und ein eher schwaches Gewinnumfeld sowie die erwartete Leitzinswende
der Fed (und der Bank of England) könnten jedoch temporär Gegenwind für risikobehaftete Anlagen bedeuten. Mit erhöhter
Volatilität muss auch weiterhin gerechnet werden.
Aktien Deutschland • Die deutsche Wirtschaftsleistung ist im ersten Jahresviertel
2015 „nur“ um 0,3 % gegenüber Vorquartal gestiegen. Nach
wie vor zeigt sich die Binnenwirtschaft als wesentliche Stütze
der deutschen Konjunktur. Aber auch die Exportnachfrage
legte weiter zu.
• Dank des Beschäftigungsaufschwungs, des noch immer
niedrigen Ölpreises und der Euroschwäche (d. h. verbesserter
Exportchancen) bleiben die Konjunkturaussichten weiterhin
positiv.
• Die Bewertungen am deutschen Aktienmarkt liegen gemessen
am zyklusbereinigten Kurs-Gewinn-Verhältnis („Shiller-KGV“)
über dem langfristigen Durchschnitt für Aktien der
Industriestaaten.
Aktien Europa • Der Euroraum liegt im zweiten Quartal weiter auf
Wachstumskurs. Zwar belastet die anhaltende Unsicherheit
über den Ausgang des griechischen Schuldenstreits sehr
deutlich das Wirtschaftsvertrauen in Griechenland – für den
Euroraum als Ganzes liefern Frühindikatoren wie der
Einkaufsmanagerindex für Juni 2015 aber ein klares
Wachstumssignal.
• Gesunkene Rohstoffpreise, günstigere Finanzierungsbedingungen
für Unternehmen und der schwächere Euro-Außenwert
sollten weiterhin positiv zu Buche schlagen.
• Die Aktienmarktbewertungen in einer Reihe von EuroraumPeripherieländern sowie im Vereinigten Königreich können
auf Basis des Shiller-KGV als attraktiv eingeschätzt werden.
Aktien USA • Der schwache Jahresauftakt der US-Konjunktur dürfte
teilweise zeitlich befristeten Sonderfaktoren geschuldet
gewesen sein, z. B. der Witterung in weiten Teilen des
Nordostens zu Jahresbeginn.
• Die weiterhin freundliche Entwicklung am US-Arbeitsmarkt,
die Zugewinne beim realen, verfügbaren Einkommen und die
positive Entwicklung in der Bauwirtschaft sprechen nach wie
vor für ein konjunkturelles Aufholen.
• Die US-Notenbank Fed dürfte im Verlauf des zweiten
Halbjahres 2015 die Leitzinswende einleiten. Das
Zinserhöhungstempo sollte jedoch moderat – und damit für
Finanzmärkte und Konjunktur verkraftbar – ausfallen.
• Die Gewinnrevisionen waren über die letzten Wochen
überwiegend negativ. Der starke US-Dollar und sinkende
Gewinne im Öl-Sektor dürften hierzu beigetragen haben.
• Der US-Markt bleibt insgesamt teuer, auch auf Grundlage des
Shiller-KGV, birgt aber entlang eines sich wieder verfestigenden
Wachstums noch Aufwärtspotenzial.
Aktien Japan • Nach einer nur schleppenden Konjunkturerholung im
vergangenen Jahr hat Japans Wirtschaft im ersten Quartal 2015
ein solides Tempo vorgelegt (+1 % ggü. Vorquartal).
• Die Geldpolitik der Bank of Japan bleibt auf Reflationierungskurs
– und ein wesentlicher Stützpfeiler der Volkswirtschaft.
• Japanische Aktien werden vom schwächeren Yen und einer
Aufholbewegung bei der Profitabilität unterstützt.
• Aufgrund anhaltender Zweifel am langfristigen Erfolg der
„Abenomics“ (u. a. werden tiefgreifende Strukturreformen
hinausgeschoben) könnte sich diese Aufwärtsbewegung
jedoch als zeitlich begrenztes Phänomen entpuppen.
Aktien Emerging Markets • Bei den Aktien der Schwellenländer ist weiterhin eher
Zurückhaltung angesagt.
• Absolut gesehen büßt das Wirtschaftswachstum in der
Gruppe der Schwellenländer an Dynamik ein, während
die Bewertungen (Shiller-KGV) mittlerweile auf dem
langfristigen Durchschnitt liegen.
• Die Konjunkturdaten überraschten zuletzt zwar positiv,
zumindest in Lateinamerika und Osteuropa, dies aber auch
vor dem Hintergrund zuvor abwärts revidierter Erwartungen
von Analysten. So erweist sich die Ländergruppe als sehr
inhomogen, was Selektion erforderlich macht – etwa zwischen
rohstoffimportierenden und -exportierenden Schwellenländern.
• Ein schwächerer US-Dollar, sich stabilisierende Rohstoffpreise
und weitere wirtschaftspolitische Stimuli, vor allem aus China,
könnten das Blatt wenden.
Branchen • Günstige Konjunkturaussichten sprechen weiterhin für
eine moderat zyklische Sektorenausrichtung mit einer
Übergewichtung in Technologiewerten.
• Graduell steigende Bondrenditen dürften mit einer Rotation zu
Ungunsten von „teureren“ defensiven Wachstumsunternehmen
einhergehen.
• Innerhalb des defensiven Branchenuniversums überzeugen
indessen ungeachtet Energiewerte mit einer attraktiven
Dividendenrendite, einem reizvollen Dividendenwachstum
und der Chance auf Steigerung der Ausschüttungsquoten.
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Allianz Global Investors: Kapitalmarktbrief – Juli 2015
Investmentthema: Volatilität als Anlageklasse
Unternehmensanleihen • Üblicherweise wird Volatilität (und damit „Risiko“) unter
Anlegern und Investoren vorrangig als „Gefahr“ verstanden.
Denn je kurzfristiger der Anlagehorizont eines Portfolios ist,
desto stärker können Bewertungsschwankungen den Ertrag
gefährden.
• Doch diese Interpretation des Begriffes „Risiko“ greift zu kurz.
Mittlerweile hat sich Volatilität, also das Phänomen
schwankender Assetbewertungen, an den Kapital- und
Geldmärkten zu einer eigenen Anlageklasse mit attraktiven
Eigenschaften entwickelt.
• Die ambitionierten Bewertungen von Unternehmensanleihen
mit Investment Grade und die High Yield-Segmente in der
Eurozone werden durch eine fortgesetzt expansive Geldpolitik
und sich verbessernde Fundamentaldaten ausgeglichen.
• Bei US-Unternehmensanleihen bewegen sich die
Kreditrisikoprämien leicht unter ihrem historischen
Durchschnitt (moderate Überbewertung). Auf Konjunkturdaten,
Liquiditätsausstattung und Marktvolatilität basierende Modelle
lassen die eingepreisten Risikoprämien jedoch als fundamental
gerechtfertigt erscheinen.
Euro Renten • Setzte das massive Ankaufprogramm der EZB (QE) anfänglich
klassische fundamentale Einflussfaktoren wie die Inflationsoder Konjunkturentwicklung weitgehend außer Kraft, hat der
jüngste Ausverkauf an den Euro-Anleihemärkten gezeigt, dass
Renditerückgänge keine Einbahnstraße sind (vgl. dazu auch
unseren jüngsten QE Monitor.)
• Bis auf Weiteres sollte die quantitative Lockerung der EZB die
Staatsanleiherenditen aber auf niedrigen Niveaus halten –
was erhöhte Volatilität, wie zuletzt gesehen, allerdings nicht
ausschließt.
• Die Euro-Peripherie-Staatsanleihen bleiben durch die
akkommodierende Geldpolitik der EZB unterstützt. Allerdings ist
der Spielraum für weitere Einengungen der Renditezuschläge
mittlerweile äußerst begrenzt.
Währungen
• Das internationale Währungsgefüge befindet sich weiterhin
im Wechselspiel von Geldpolitik (z. B. Dollarstärke, Euro- und
Yenschwäche) und Rohstoffpreisen (z. B. Rubel, kanadischer
Dollar und norwegische Krone).
• Zwar ist der US-Dollar aus fundamentaler Sicht gegenüber den
meisten Währungen bereits teuer, ein weiteres bzw. erneutes
Überschießen des Greenbacks ist im Zuge einer anhaltend
divergierenden Geldpolitik dennoch nicht auszuschließen.
Renten International
• Die US-Notenbank tastet sich behutsam an eine erste
Leitzinserhöhung heran. Nach wie vor preisen die Rentenmärkte
jedoch ein weniger „falkenhaftes“ Szenario ein. Das damit
verbundene Rückschlagpotenzial bzw. das Risiko fallender Kurse
bei US-Staatsanleihen bleibt daher eines der zentralen
Investmentthemen für die kommenden Monate.
• Die negativen Auswirkungen des erwarteten Anstiegs der
US-Staatsanleiherenditen werden durch die inzwischen
flachere Renditekurve und damit einhergehend niedrigeren
„Roll-Down“-Erträge nur teilweise abgemildert.
• Bewertungsmodelle deuten nach wie vor auf eine
Überbewertung 10-jähriger deutscher und US-Staatsanleihen
hin. Insbesondere Bundesanleihen bewegen sich weiterhin auf
sehr ambitionierten Bewertungsniveaus.
Renten Emerging Markets • Strukturell bleibt das positive Umfeld für Hartwährungsanleihen
aus den aufstrebenden Staaten intakt (längerfristig bessere
Wachstumsperspektiven und robustere Situation der
öffentlichen Haushalte im Vergleich zu den Industrieländern).
• Kurzfristig belasten demgegenüber gemischte Konjunkturdaten
und die Erwartung einer weniger expansiven US-Geldpolitik die
Anlageklasse.
• Bei lokalen Emerging Markets-Anleihen wirken die gerade im
Vergleich zu den Industriestaaten hohen und unverändert
positiven Realrenditen mittelfristig unterstützend.
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Allianz Global Investors: Kapitalmarktbrief – Juli 2015
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Hans-Jörg Naumer (hjn), Stefan Scheurer (st), Ann-Katrin Petersen (akp)
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