Ökonomische Rahmenbedingungen – 1. Quartal 2016 Einige Überraschungen und Rekorde prägten das Jahr 2015 Das Börsenjahr 2015 lässt sich mit einer stürmischen See vergleichen. Auf haushohe Wellenkämme – der Dax stand im April bei fast 12400 Punkten – folgten tiefe Wellentäler, als der Dax im Spätsommer wieder auf rund 9300 Punkte herunterrauschte. Zum Jahresende hat sich das deutsche Börsenbarometer schließlich bei 10743 Punkten stabilisiert. Bezogen auf den Jahresanfang entspricht dies im Dax noch einer Steigerung von 9,5%, wobei der Euro Stoxx (+3,8%) und der Dow Jones Index (-2,2%) schlechter abschnitten. Fast jeder Monat hielt eine neue Überraschung bereit: Die Schweizer Nationalbank gab die Bindung zum Euro auf, die Rentenmärkte brachen zeitweise ein, Chinesische Aktien stiegen rasant und fielen ebenso dramatisch, Griechenland stand kurz vor einem Austritt aus der Eurozone, China wertete die Währung ab, die Volatilität an den Aktienmärkten stieg auf den höchsten Wert seit 2008, Wachstumssorgen in China breiteten sich aus, der Abgasskandal belastete VW schwer, die Rohstoff- und Aktienmärkte brachen ein, die EZB kündigte weitere Lockerungsmaßnahmen an, der Ölpreis fiel unter 40 US-Dollar und die Fed verschob aufgrund der globalen Konjunktursorgen im Sommer die erste Zinserhöhung seit 2004. Obwohl die EZB im Dezember schließlich eine weitere Kürzung des Einlagenzinssatzes auf -0,3%, die Verlängerung des Anleihekaufprogrammes (QE) bis März 2017 und eine Ausweitung der zum Kauf zugelassenen Wertpapiere auf regionale sowie Kommunalanleihen beschloss, reagierten die Börsen enttäuscht. Die Marktteilnehmer hatten zudem eine Aufstockung der monatlichen Anleihekäufe erwartet. Highlights Moderate Wachstums- und niedrige Inflationsraten werden u.E. bestehen bleiben. Trotz einem intakten Aufwärtstrend am Aktienmarkt gehen wir von einer hohen Schwankungsintensität aus. Highlights im 1. Quartal 2016: Geldpolitik, Konjunktur und Währungspolitik in China, Ölpreisentwicklung. Aktien 31.12.2014 31.12.2015 in % DAX Euro Stoxx MSCI Welt in EUR 9805,55 3146,43 1412,95 10743,01 3267,52 1530,27 9,6% 3,8% 8,3% Anleihen (Zinsen) in Bp Bundesanleihen (10J) 0,54% US-Treasuries (10J) 2,17% 0,63% 2,27% Wechselkurse EUR/USD EUR/CHF 9 10 in % 1,21 1,20 1,09 1,09 -10,2% -9,5% Nach einem so turbulenten Börsenjahr stellt sich jetzt nun die Frage, wie es im neuen Jahr weitergeht? Moderate Wachstumsraten und (noch) niedrige Inflationsraten werden das konjunkturelle Umfeld in den Industrieländern weiterhin prägen. Darüber hinaus wird sich unserer Meinung nach die hohe Volatilität 2016 fortsetzen. Im Folgenden gehen wir deshalb auf die Kernfragen ein, die u. E. das neue Jahr bestimmen können. Haben wir den vorläufigen Höchststand der Aktienmärkte bereits 2015 gesehen? Zum Jahresende lagen nun die Aktienmärkte der Industrienationen deutlich unter ihren (Allzeit)-Höchstständen, die 2015 erreicht Quartalsbericht 1/2016 Seite 1 wurden. Die längste Aufwärtsphase seit dem 2. Weltkrieg hält nun schon 7 Jahre an. Eine Rally am Aktienmarkt hört jedoch nicht grundlos auf. Momentan sprechen die meisten Faktoren für eine intakte Entwicklung: Erstens liegen die globalen Wachstumsraten in einem soliden Bereich, obwohl sie (teilweise) enttäuscht haben. Eine Rezession in den Industrieländern ist aus heutiger Sicht aber in weiter Ferne. Wir gehen von einem moderaten globalen Wachstum in Höhe von 3,3% aus. Zweitens werden unseres Erachtens die Unternehmensgewinne in den USA in diesem Jahr wieder anziehen. Die negativen Effekte durch den starken US-Dollar und der Verfall der Unternehmen im Energiesektor durch den niedrigen Ölpreis werden 2016 möglicherweise ausklingen. In der Eurozone und Japan wird das solide Wirtschaftswachstum durch die ultralockere Geldpolitik gestützt. Drittens gehen wir nicht von einer aggressiven Zinserhöhungsphase durch die Fed aus. Eine moderate Entwicklung der Zinsen, in Abhängigkeit der konjunkturellen Lage und des Arbeitsmarktes, unterstützt eher den Aktienmarkt. Viertens sind Aktien zwar nicht mehr günstig bewertet, aber noch nicht überbewertet. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des MSCI Welt Index beträgt 16,6, verglichen mit dem langfristigen Durchschnitt von 17,6. Das KGV im Dax liegt sogar „nur“ bei 13. Zinszyklus 1994, Aktienmarkt indexiert, 4.2.94 = 100 Quelle: Bloomberg, FG&W Welchen Einfluss wird eine straffere Geldpolitik in den USA haben? In Amerika ist nun die längste Ära der Nullzinspolitik zu Ende. Am 16.12.2015 erhöhte die Fed den Leitzins um 25 Basispunkte auf 0,25 bis 0,5%. Dieser Schritt wurde an den Finanzmärkten erwartet, nachdem die Notenbank im September noch aufgrund der globalen Konjunktursorgen gezögert hatte. Allerdings ist unserer Meinung nach der Zeitpunkt des ersten Zinsschritts weniger bedeutend, als das Tempo der folgenden Zinsanhebungen. Janet Yellen hat dabei bekräftigt, dass die zukünftige Zinsentwicklung maßgeblich von den Konjunkturaussichten abhängt. Die vom Markt implizierte Wahrscheinlichkeit deutet auf maximal 4 Zinserhöhungen im nächsten Jahr hin. Die Furcht vor dem „Schreckensgespenst“ Zinserhöhung sollte jedoch diesmal geringer ausfallen. Die Fed hat bereits seit einigen Monaten die Kapitalmärkte allmählich vorbereitet. Somit ist ein großer Unsicherheitsfaktor über die weitere Gestaltung der Geldpolitik aus dem Weg geräumt. In der Vergangenheit wurde weder der 1. Zinsschritt noch der Zinserhöhungspfad von der amerikanischen Zentralbank kommentiert. Wie werden die Börsen diesmal auf steigende Zinsen reagieren? Dabei kann ein Blick in die Vergangenheit helfen. „Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich“, hat bereits Mark Twain festgestellt. Wir haben deshalb die letzten Zinserhöhungszyklen der Fed von 1994 und 2004 analysiert und verglichen. Die Auswirkungen auf die Aktienmärkte fielen dabei recht unterschiedlich aus. 1994 hat die Zinserhöhungsphase mindestens zeitweise den Aktienmarkt negativ beeinflusst, obwohl die Kurse sich innerhalb der ersten 12 Monate wieder erholen konnten (vgl. Chart: Zinszyklus 1994). Im Gegensatz dazu konnte die straffere Geldpolitik 2004 den Aufwärtstrend am Aktienmarkt nicht stoppen. Im weiteren Verlauf sind sowohl die Kurse in den USA als auch in Deutschland rund 10-15% gestiegen (vgl. Chart: Zinszyklus 2004, Seite 3). Diese Beispiele Quartalsbericht 1/2016 Seite 2 verdeutlichen, dass die Auswirkungen einer Zinserhöhung auf den Aktienmarkt dann gering ausfallen bzw. zu vernachlässigen sind, wenn ein solides Wirtschaftswachstum zugrunde liegt (vgl. 2004). Hatte eine Zinssteigerung vorwiegend das Ziel, die wachsende Inflation zu bekämpfen, dann waren die Auswirkungen auf Aktien eher negativ zu sehen (vgl. 1994). Zinszyklus 2004, Aktienmarkt indexiert, 30.6.04 = 100 Quelle: Bloomberg, FG&W In der aktuellen Situation gehen wir davon aus, dass Aktien nur unter folgenden 2 Szenarien signifikant leiden werden: Wenn die Inflation in den USA plötzlich erheblich ansteigt oder wenn die Fed die Zinsen zu schnell anhebt. Da beide Szenarien eher unwahrscheinlich erscheinen und sich die amerikanische Konjunktur in einer robusten Verfassung befindet, werden unserer Meinung nach die Aktienmärkte nicht nennenswert unter einer (moderaten) Zinserhöhungsphase leiden. werden kann. Die Herausforderungen sind groß: Abbau des Verschuldungsgrades (Kreditblase), Beseitigung der Immobilienkrise, Reduktion der Überkapazitäten im Industriegütersektor und Vermeidung eines Kollaps im Bankensektor. Unserer Meinung nach haben die chinesische Regierung und Zentralbank noch weiteren Handlungsspielraum, um die Wirtschaft und das Bankensystem zu stützen. Darüber hinaus hat China hohe Währungsreserven (3,5 Trillion US-Dollar), eine sehr geringe Staatsverschuldung (40% im Verhältnis zu BIP) und profitiert von den niedrigen Energiekosten. Die fallenden Rohstoffpreise sowie politische und wirtschaftliche Krisen haben vor allem Brasilien, Russland und Südafrika in eine tiefe Rezession gestürzt. Insbesondere hängen diese rohstoffexportierenden Länder von der Nachfrage aus China ab. Darüber hinaus schadet eine Zinserhöhung in den USA den Schwellenländern, deren Währung an den US-Dollar gebunden ist. Diese vielen Unsicherheitsfaktoren werden unserer Ansicht nach dazu führen, dass auch im neuen Jahr die Aktienmärkte der Schwellenländer schlechter abschneiden als die Börsen der Industrienationen (vgl. Chart: Unterperformance der Schwellenländer seit 2010). Unterperformance der Schwellenländer seit 2010 Können die Schwellenländer ihre Krisen überwinden? Ob China seinen wirtschaftlichen Abschwung aufhalten bzw. verlangsamen kann, wird auch in diesem Jahr einen großen Einfluss auf die Finanzmärkte haben. Wir rechnen zwar weiterhin mit fallenden Wachstumsraten, gehen aber davon aus, dass eine sog. „harte Landung“ in China vermieden Quelle: Bloomberg, FG&W Quartalsbericht 1/2016 Seite 3 Sehen wir in 2016 Deflation oder Inflation? Welche Anlageentscheidungen bestimmen das neue Jahr? Die von vielen Ökonomen gefürchtete Inflation aufgrund der expansiven Geldpolitik der Industrieländer in den vergangen Jahren hat sich nicht bewahrheitet. Vielmehr liegt die Inflationsrate vielerorts gerade einmal knapp über 0. Obwohl die Ölpreisentwicklung bei der Berechnung der Kerninflationsrate nicht berücksichtigt wird, hat der Verfall der Energiepreise Auswirkungen auf nahezu alle Preise, da die Input-Kosten für die meisten Güter deutlich gesunken sind. Wenn der Effekt der niedrigen Energiepreise in diesem Jahr abnimmt, sollte die Inflationsrate wieder leicht ansteigen (vgl. Chart: Inflationserwartungen zeigen moderate Erholung an). Ein moderater Anstieg wäre auch aus Sicht der Kapitalmärkte wünschenswert, da dann die Sorgen vor einer Deflation abnehmen. Wie bereits zuvor erläutert, gehen wir davon aus, dass der Aufwärtstrend am Aktienmarkt noch nicht zu Ende ist. Dennoch kann insbesondere kurzfristig die Schwankungsintensität deutlich steigen, wie bereits im Jahr 2015 gesehen. Allerdings lässt die sog. Marktbreite nach. D.h., die Anzahl der Aktien, die eine positive Marktentwicklung tragen, nimmt ab. Somit wird die Auswahl von Aktien aussichtsreicher Unternehmen bzw. Sektoren auch in diesem Jahr eine bedeutende Rolle spielen. Welcher Auslöser die Märkte schließlich negativ beeinflusst, ist aus heutiger Sicht unklar. Mögliche Risikofaktoren sind vor allem eine zu stark steigende Inflation, eine zu restriktive Geldpolitik (vor allem in den USA), ein Crash am Markt für Hochzinsanleihen, eine enttäuschende Konjunkturentwicklung in China oder geopolitische Ereignisse. Auch wenn sprichwörtlich in der Regel „politische Börsen kurze Beine“ haben, stehen im Jahr 2016 wichtige Entscheidungen bevor, wie z.B. die USPräsidentschaftswahlen und die Entscheidung von Großbritannien hinsichtlich der Zugehörigkeit zur Europäischen Union. Darüber hinaus verlieren die etablierten Parteien in Europa immer mehr an Boden. Insbesondere sind die radikaleren Parteien in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal im Aufwind und könnten den Reformfortschritt dort bremsen. Bezogen auf den Rentenmarkt erwarten wir in diesem Jahr weiterhin niedrige bzw. leicht steigende Zinsen. Die Geldpolitik wird sowohl in Europa als auch Japan expansiv bleiben und sich in Amerika nur sehr langsam normalisieren. Sollte jedoch die Inflation stärker als erwartet zunehmen, könnten die Anleihezinsen negativ darauf reagieren. Inflationserwartungen zeigen moderate Erholung an Quelle: Bloomberg, FG&W Allerdings wäre ein Anstieg der Inflation aufgrund höherer Lohnabschlüsse für den Kapitalmarkt eher negativ zu beurteilen, da zum einen die Margen der Unternehmen sinken und zum anderen die Zentralbanken zum stärkeren Handeln gezwungen werden. Wir gehen insbesondere in den USA von steigenden Löhnen aus, auch wenn der Effekt durch eine noch hohe Anzahl von Kurzarbeitern begrenzt ist. Quartalsbericht 1/2016 Seite 4 Impressum Haftungsausschluss: Herausgeber: Franzen Gerber & Westphalen Asset Management GmbH Minnholzweg 2b 61476 Kronberg im Taunus Telefon: 06173 800-400 Fax: 06173 800-444 Email: [email protected] www.fgw-asset.de Geschäftsführende Gesellschafter: Walter Franzen Matthias Gerber Matthias Graf von Westphalen Jörg Franzen Registergericht: Amtsgericht Königstein i. Ts., HRB 5003 Sitz der GmbH: Kronberg i. Ts. Zuständige Aufsichtsbehörde: Bundesanstalt für Nr.: VII 1 (116394) Finanzdienstleistungsaufsicht Redaktionsschluss: 4. Januar 2016 Die in diesem Dokument zum Ausdruck gebrachten Informationen, Meinungen und Analysen geben die Einschätzung der Franzen Gerber & Westphalen Asset Management (im Folgenden: FG&W) zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wider und können sich, auch im Hinblick auf die gegenwärtige Rechts- und Steuerlage, jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern. Zu einer Mitteilung von künftigen Änderungen ist FG&W nicht verpflichtet. 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