Wie werden gute Chefs gemacht . . . - GWA

Übern Tag hinaus denken
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Kommunikation + Agenturen
Agentur-Management
Wie werden gute Chefs gemacht . . .
Gerade in Agenturen ist die Ressource Mensch ein wichtiger Faktor für den
Erfolg des Geschäftsmodells. Die oft bunt zusammen gewürftelten Teams,
z.B. Germanisten, Biologen und Programmierer, brauchen eine Kultur der
gegenseitigen Wertschätzung und des Spaß-an-der-Arbeit-habens. ‚Bossing‘
als Chefstil mit immer nur Druck aufbauen ist out.
Autor: Achim Hollenberg, Havas Life
Als ich den Titel der Reihe bewusst las,
habe ich mich gefreut, einen Beitrag in
‚Healthcare Marketing‘ leisten zu dürfen, der dem Anspruch, über den Tag
hinaus zu gelten, genügt.
Als ich dann die Beiträge, die bisher bereits geschrieben wurden, durchschaute, fiel mir auf, dass das gar nicht so
einfach ist. Warum?
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Healthcare Marketing 10/2013
Zum einen soll der Beitrag einen gewissen Anspruch an den Inhalt erfüllen und
zum anderen möglichst neu sein. Das
erste bekomme ich gegebenenfalls hin,
doch das zweite – etwas Neues bringen?? Nun, es wird versucht, deshalb
gibt es heute hier mal nichts zu lesen
zu den üblichen Themen: „Unser Pitch,
mit oder ohne Vergütung, die KreativIdee in fünf Schritten, digital at the core
oder gar zu medical education und ihrer
Bedeutung 2020“. Nein – heute geht es
um die Chefs. Um good und bad boy
(bad girls)-Chefs. Und deren gute oder
nicht so gute Teams.
In unserer Welt, der Welt des Healthcare-Marketings, der Werbung für
enorm erklärungsbedürftige Güter,
braucht es Teams, Teams beim Kun-
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den und beim Dienstleister, also in der
Agenturwelt. Diese Teams sind kraft
Aufgabe enorm heterogen. Wo arbeitet
auch sonst schon ein Germanist mit einem Diplom-Biologen zusammen, der
gemeinsam mit einem Veterinär-Mediziner über die Aussagen zu einem Kalziumantagonisten brütet.
Dann, wenn die Ideen stehen, kommt
noch eine Kommunikations-Designerin
dazu, die selbiges in anspruchsvolle,
aussagekräftige Grafiken gießt. Hui
– und dann noch die Wirtschaftswissenschaftler im Team, oft mit Marketing-Schwerpunkt und Lizenz zum
Schlausein am Mann/an der Frau. Brisante Gruppe.
Es geht um Menschen –
wie Du und Ich
Hier geht es um Sprengstoff, um
menschlichen Sprengstoff, der mit viel
Gefühl manchmal gezielt zündet – und
das ist stets besser, als eine unkontrollierte Detonation. Also hier geht es um
Führung, um Chefs, die menschlich sind
und nicht nur den harten Hund geben.
Das wird seit Jahren von diversen Beratern und deren Lehrbüchern gefordert.
Doch oft sieht die Realität noch ganz
anders aus. Drangsalieren, intrigieren,
schikanieren, das ist die böse Version
des Mobbing. Bossing heißt eine besonders belastende extreme Variante dieses
psychischen Drucks am Arbeitsplatz.
Dann ist es nämlich der Chef persönlich, der die Mitarbeiter schlecht behandelt.
„Alles hört auf mein Kommando“ – so
oder ähnlich ist oft noch der Ton in
unserer Marketing-Werbewelt. Doch
wo bleiben da die Werte, die Gefühle
Kommunikation + Agenturen
und die Zwischentöne, die für das gute
Miteinander einer solchen heterogenen
Gruppe nötig sind. Schließlich wollen
wir hier gute Leistungen, oft Höchstleistungen, kreativ und terminlich auf
den Punkt. Das geht für die eine Fraktion nur unter Druck. Verbunden mit
einem Klima der Angst und der absoluten Anerkennung der Autorität. Hm,
das mag gut gehen, muss aber nicht.
Vor allem macht es keinen Spaß. Weder
den Teams, noch den (meisten) Chefs.
In so vielschichtigen Gruppen, in denen
es um Kreativität geht und auch um
fachlich medizinische Korrektheit, ist
ein gewisses Maß an Freiheit, an freiem
Arbeiten unersetzlich.
Das geht nur in einem Klima der Wertschätzung, des gegenseitigen Respekts.
Da wird gearbeitet, hart gearbeitet,
weil es um das gute Resultat geht. Ein
Resultat, das die Gruppe gemeinsam
verantwortet. Eben ein Ergebnis, das
dem Kunden nützt und damit auch am
Ende der Agentur. Ist der Kunde zufrieden, kann abgerechnet werden. Und
das gerne auch gut. Denn gute Arbeit
kostet gutes Geld. Damit schließt sich
dann wieder der Kreis, denn der Autor
ist schließlich BWLer.
Kein humanistischer
Selbstzweck
Gute Mitarbeiterführung, offene Kommunikation und ein menschliches Miteinander sind nicht nur humanistischer
Selbstzweck, sondern eine feine Investition in das Betriebskapital Mitarbeiter.
Denn empfinden Menschen das Gebaren ihrer Chefs auf Dauer inakzeptabel,
hat eine Firma über kurz oder lang ein
Problem. Gerade bei jungen gut ausge-
bildeten Fachkräften ist die Wechselbereitschaft groß. Deshalb plädiere ich für
mehr Wertigkeit.
Werten wir unsere Kollegen auf und
behandeln wir unsere Kollegen gut,
werden diese auch unsere Kunden gut
behandeln. Und auch uns, ihre Chefs...
Und wer sich geachtet, wertvoll fühlt,
der leistet auch mehr. Das gilt für Mitarbeiter, wie für die Chefs gleichermaßen.
Neben der Leistung, kommt dann auch
der Spaß nicht zu kurz. Dort, wo man
angstfrei arbeiten kann, wo Fehler nicht
gleich den Kopf kosten, da geht man
gerne hin. Sogar am Montagmorgen
und am Freitagabend gern mal länger.
Meistens zumindest. Also seien Sie gute
Chefs, damit Ihre Agentur oder auch
Ihre Marketing-Abteilung floriert, prosperiert und ihre Ziele erreicht. Einfach
Mensch sein und Spaß haben. Wenn wir
das dann auch manchmal zeigen, dann
geht alles gut. Eben all das im Business,
was Sie bisher von den Kollegen zu „unser Pitch, mit oder ohne Vergütung, die
Kreativ-Idee in fünf Schritten, digital at
the core oder gar zu medical education“
– (gähn!) gelesen haben.
Bringen wir es
auf den Punkt
Zeigen Sie auch mal Schwäche, Gefühle, geben Sie Ihrer Intuition mehr
Raum. Das ist wichtig für nachhaltigen
Erfolg. Das Bild des immer starken, beherrschten Chefs, des unverletzlichen
Managers ist ohnehin Humbug.
Geben Sie Ihrem Team das Gefühl, kreativ, angstfrei und fröhlich arbeiten zu
können. Sie werden sehen – Sie werden noch erfolgreicher. Und noch mehr
Freude an Ihrer Aufgabe haben.
Achim Hollenberg,
Wirtschaftswissenschaftler, ist seit 13 Jahren CEO der Networkagentur Havas Life
Deutschland (früher Euro RSCG Life). F Kontakt: [email protected]
Innerhalb des Agenturenverbands GWA, Frankfurt, gibt es das Forum Healthcare
Kommunikation, dem 24 Agenturen angehören. 2011 startete das Forum den GWA
Healthcare Award. Er zeichnet Kommunikation aus, die durch „Klarheit und Unverwechselbarkeit von Auftritt und Positionierung sowie durch ihre channel-übergreifende Marken- und Mediastrategie“ überzeugt. Der nebenstehende Beitrag erscheint in
unserer Rubrik ‚übern Tag hinaus denken‘, in der sich Führungskräfte aus HealthcareAgenturen zu einem visionären Thema ihrer Wahl äußern (www.gwa.de).
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