Alt-Kunden werden benachteiligt Was Besitzern von

FOCUS ONLINE 04.06.2014 dpa/Arno Burgi
Alt-Kunden werden benachteiligt
Verbraucher-Schock:
Was Besitzern von Lebensversicherungen jetzt droht
Die unter den extremen Niedrigzinsen leidenden Lebensversicherer sollen mit einem
Maßnahmen-Paket stabilisiert und damit ein Großteil der Verbraucher gestärkt werden.
Die Bundesregierung hat das Reformpaket zur Stabilisierung der Lebensversicherer auf den
Weg gebracht - mit weitreichenden Folgen für Kunden und die Branche. Was Besitzer von
Lebensversicherungen jetzt tun müssen - und für wen jetzt Gefahren drohen.
Die Lebensversicherung gilt immer noch als Lieblingsanlageprodukt der Deutschen. Rund 95
Millionen Policen gibt es. Aber etliche Versicherer haben wegen der niedrigen Zinsen
Probleme, bei sinkenden Erträgen aus ihren Kapitalanlagen frühere Zusagen an Kunden
einzuhalten und versprochene Renditen zu erwirtschaften.
Die Bundesregierung hat deswegen ein Reformpaket verabschiedet, das Einbußen für
Altkunden, abgespeckte Zinsversprechen sowie strengere Auflagen für Unternehmen
vorsieht.
Die Eckpunkte der Reform:
1. Garantiezins:
Er soll zum 1. Januar 2015 für Neuverträge von 1,75 Prozent auf 1,25 Prozent sinken. Mit
einem hohen Garantiezins von einst bis zu 4 Prozent hatten Anbieter in der Vergangenheit
Kunden für das Altersvorsorge-Produkt gelockt. Der Gesetzgeber zieht nun eine neue
Obergrenze dafür ein, was Unternehmen ihren Kunden künftig maximal zusagen können.
Die übrigen Kunden sollen geschützt werden. Lebensversicherungen verlieren damit aber
weiter an Attraktivität.
dpa-Grafik Entwicklung des
Garantiezinses auf
Lebensversicherungen seit 1942
2. Stille Reserven:
Die „Bewertungsreserven“ bei festverzinslichen Papieren sollen zwischen auslaufenden und
bestehenden Verträgen fairer verteilt werden. Bei Kündigung oder regulärem Ablauf müssen
Kunden bisher zur Hälfte an diesen Reserven beteiligt werden. Das betrifft im Jahr etwa 6,6
Millionen Verträge. Künftig darf dieser Teil der Reserven nur noch in dem Maße
ausgeschüttet werden, in dem Garantiezusagen für die restlichen Versicherten auch sicher
sind.
Ausscheidende Kunden müssen - je nach Versicherungssumme - teils auf mehrere tausend
Euro verzichten. Kann ein Versicherer alle Zusagen bedienen, würde auch ausgeschüttet.
Steigen die Kapitalmarktzinsen wieder, entfällt die geplante Begrenzung. Etwa zwei
Milliarden der drei Milliarden Euro, die Kunden aus der Ausschüttung im vergangenen Jahr
zugeflossen sind, stammen aus festverzinslichen Wertpapieren. Die Beteiligung an
Bewertungsreserven aus Immobilien und Aktien bleibt unverändert. Unberührt bleiben
Garantieverzinsung und Überschussbeteiligung einschließlich der Schlussüberschüsse.
FOCUS Money: Funktion einer
klassischen Lebensversicherung
3. Risikogewinne:
Daran sollen Kunden künftig stärker beteiligt werden. Dafür soll der „Mindestbeteiligungssatz“ von 75 auf 90 Prozent steigen.
4. Kosten:
Unternehmen sollen ihre Abschlusskosten bei Policen senken. Diese dürfen künftig zu einem
geringeren Teil an Versicherte weitergereicht werden. Bei Vertragsabschluss sollen zudem
Provisionen offen gelegt werden.
5. Ausschüttungssperre:
Ist die Leistungsfähigkeit eines Versicherers gefährdet, kann die Dividendenzahlung an
Aktionäre entfallen.
6. Wen betrifft das Reformpaket?
„Von diesen Änderungen sind nahezu alle Kunden betroffen“, kritisiert Niels Nauhauser von
der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Sofort spürbar sind die Auswirkungen
besonders bei jenen Kunden, deren Lebensversicherung in Kürze fällig wird.“ Diese müssten
damit rechnen, dass sich ihre Auszahlungssumme deutlich reduziert. „Die
Bewertungsreserven können bei einer Auszahlung über 50 000 Euro durchaus bei 2000 bis
4000 Euro liegen“, erklärt der Finanzexperte.
7. Lohnt es sich, sofort auszusteigen?
Das hängt vom Einzelfall ab. „In unserer Beratungspraxis haben wir die unterschiedlichsten
Fallkonstellationen gesehen“, erläutert Nauhauser. „In einigen Fällen lohnt sich eine
Kündigung, weil die Kunden heute mehr herausbekommen würden als bei Vertragsablauf.“
In anderen Fällen lohne sich die Kündigung nicht. Kunden sollten daher versuchen, bei ihrem
Versicherer Informationen einzuholen.
Das Problem: „Viele Kunden erhalten selbst auf Anfrage keine klaren Informationen“, sagt
Nauhauser. „Eine vernünftige Entscheidung ist praktisch unmöglich.“ Sinnvoll könne es sein,
sich unabhängig beraten zu lassen, etwa von einem Versicherungsberater. „Viel Zeit bleibt
aber nicht“, sagt Nauhauser: Das Gesetz soll noch im Sommer beschlossen werden.