Leseprobe zum Titel: Handelsblatt (17.12.2014) - Die Onleihe

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Stand: 22h00
G 02531 NR. 243 / PREIS 2,50 €
MITTWOCH, 17. DEZEMBER 2014
DEUTSCHLANDS WIRTSCHAFTS- UND FINANZZEITUNG
2
Scheitert Russland?
THEMEN DES TAGES
Griechenland droht eine
neue Schicksalswahl
Scheitert Kandidat Stavros Dimas
bei der Präsidentenwahl, drohen
dem Land unkalkulierbare Folgen.
Denn sollte Oppositionsführer Alexis Tsipras bei dann anstehenden
Neuwahlen wie erwartet siegen,
will er die Kreditverträge mit EU
und IWF „zerreißen“, den Sparkurs
beenden, Privatisierungen rückgängig machen und Renten, Löhne
und Sozialleistungen erhöhen. Damit dürfte er das Land aus dem
Euro-Raum katapultieren. Seite 8
Der Ölpreis bricht ein, die Sanktionen des Westens entfalten eine
verheerende Wucht. Nun verfällt auch noch der Rubel. Kreml-Chef
Wladimir Putin kämpft um die Zukunft seines Riesenreichs.
M. Brüggmann, J. Münchrath
Berlin, Düsseldorf
Wladimir Putin: Setzt er seinen
Ministerpräsidenten ab?
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Wirtschaft kritisiert
Pegida-Demonstrationen
Getty Images
Der Rubel rollt davon
35 % Wertverlust
seit 1.12.2014
Wechselkurs am 16.12.2014
72,06 Rubel je US-Dollar
90,66 Rubel je Euro
Handelsblatt | Quelle: Bloomberg
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S
eine Popularität im Volk
verdankt Wladimir Putin
nicht allein seiner kraftstrotzenden Großmachtpolitik. Russlands Präsident ist vor allem deshalb beliebt,
weil er seinem Land Stabilität brachte – nach den Chaosjahren der JelzinÄra. Inflation, Rubel-Kurs, Wachstum – Putin hatte das lange im Griff.
Doch dann kamen die Krim und
die Ukraine, die Sanktionen des Westens und der Verfall des Ölpreises.
Und mit jedem Tag wird die Lage
Russlands dramatischer: Seit dem
Sommer verlor der Rubel 50 Prozent
an Wert, allein seit Montag mehr als
zehn Prozent. Dass die Zentralbank
in der Nacht zum Dienstag panisch
versuchte, die Notbremse zu ziehen,
half nichts. Sie erhöhte den Leitzins
um fast zwei Drittel auf 17 Prozent.
Doch der Rubel fiel weiter.
Ökonomen sehen Parallelen zur
Horrorkrise von 1998: Russland
durchlebe derzeit „die größte und
komplizierteste Herausforderung
der postsowjetischen Ära“, sagt der
Ökonom und frühere ZentralbankVize Sergej Aleksaschenko. „Russland steht kurz vor einem wirtschaftlichen Kollaps“, sagt Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts
für Wirtschaftsforschung (DIW).
Dass die Zinserhöhung völlig verpufft, liegt vor allem am einbrechenden Weltmarktpreis für Öl, von dem
die russische Ökonomie abhängt
wie ein Junkie. „Russland büßt jetzt
dafür, dass es außerhalb des staats-
nahen Energiesektors kein wirkliches Unternehmertum hat entstehen lassen“, sagt CommerzbankChefökonom Jörg Krämer.
Im noch jungen russischen Mittelstand herrscht Schockstarre.
Denn je schwächer der Rubel, desto
teurer ist es für die Russen, Kredite
in ausländischen Währungen zu bedienen oder Importware zu kaufen.
Hinzu kommt die steigende Inflation. Selbst die Zentralbank prognostiziert für 2015 einen Rückgang der
Wirtschaftsleistung von 4,5 Prozent.
Den deutschen Exporteuren
bricht damit ein wichtiger Auslandsmarkt weg. Seit Jahresbeginn ist etwa der Absatz von VW und Opel um
20 Prozent eingebrochen. Die gesamten deutschen Russland-Exporte sind in den ersten neun Monaten
ähnlich stark geschrumpft. Und das
dürfte nicht das Ende sein. Von „dramatischen Entwicklungen“ spricht
Eckhard Cordes, Chef des Ost-Aus-
schusses der Deutschen Wirtschaft.
Politische Beobachter in Moskau
rechnen nun mit einem politischen
Befreiungsschlag Putins. Regierungschef Dmitrij Medwedjew wurde bereits am Dienstag in die Duma
einbestellt. Die Zeichen mehren
sich, dass Putin in Kürze seine Regierung umbaut – und Medwedjew
als Bauernopfer herhalten muss.
Doch klar ist: Ein autoritäres Regime mag zwar das politische Geschehen dominieren. Aber die Wirtschaft funktioniert nach eigenen,
bisweilen noch brutaleren Gesetzen.
Russland kollabiert Seiten 4 - 7
Krankenkassen unterlaufen Mindestlohn
CDU-Politiker Laumann kritisiert Kostenerstattungen für Haushaltshilfen.
Dietmar Neuerer, Peter Thelen
Berlin
I
m Januar soll er starten, doch der neue gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro pro
Stunde sorgt weiter für Ärger. Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, der CDU-Politiker Karl-Josef Laumann, wirft nun den Krankenkassen vor, sie seien auf dem besten Weg,
das neue Recht zu verletzen. Zuvor hatten bereits die Gewerkschaften davor gewarnt, die
neue Lohnuntergrenze drohe auf breiter Front
unterlaufen zu werden.
Hintergrund von Laumanns Warnung ist die
Praxis vieler Kassen, Versicherten, die etwa wegen eines Klinikaufenthalts eine Haushaltshilfe
benötigen, die Kosten nur mit einem Stundensatz von etwa fünf Euro zu vergüten. So zahlt die
Techniker Krankenkasse 5,25 Euro, die Barmer
GEK sechs Euro. Die Rechtslage sei eindeutig,
sagte Laumann dem Handelsblatt. Nach dem
Sozialgesetzbuch müssen die Krankenkassen
„den Versicherten die Kosten für eine selbst beschaffte Haushaltshilfe in angemessener Höhe
erstatten“. Angemessen sei nach der Rechtsprechung der ortsübliche Lohn, also in Zukunft
mindestens der gesetzliche Mindestlohn.
Auch SPD-Bundesvize Ralf Stegner betonte,
dass der Mindestlohn „überall und für alle“ gelte, die keine Übergangsregelungen in Anspruch
nehmen können. „Es darf nicht geduldet werden, dass sich Krankenkassen oder andere hier
vom Acker machen wollen“, sagte Stegner dem
Handelsblatt. Die Politik werde das nicht hinnehmen. Die SPD habe den Mindestlohn durchgesetzt. „Wir werden uns mit jedem anlegen,
der das zu umgehen versucht.“
Bericht Seite 10
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Unternehmer und Wirtschaftspolitiker sehen in den Pegida-Demonstrationen eine Gefahr für die
Willkommenskultur in Deutschland. „Die deutsche Wirtschaft
braucht qualifizierte Zuwanderung“, sagte Lencke Steiner, Bundesvorsitzende des Verbands „Die
Jungen Unternehmer“, dem Handelsblatt. Anders könnten Unternehmen nicht gegen den Fachkräftemangel ankommen. Seite 10
Samsung leitet den
Generationswechsel ein
Der erkrankte Patriarch des weltgrößten Elektronik-Konzerns übergibt die Macht an seine Kinder.
Doch die stehen vor einer schwierigen Aufgabe. Sie müssen nicht
nur fünf Milliarden Dollar für die
Erbschaftsteuer flüssig machen,
sondern die gesamte Gruppe reorganisieren. Seite 16
Weidmann warnt vor
Deflation in Deutschland
Bundesbank-Chef Jens Weidmann
hat erstmals öffentlich vor negativen Inflationsraten in Deutschland
gewarnt. Dennoch bleibt er seinen
harten geldpolitischen Grundsätzen treu. Auch bei negativen Inflationsraten, so Weidmann, bestehe
keine Notwendigkeit, Staatsanleihen zu kaufen, wie es EZB-Chef
Mario Draghi vom kommenden
Jahr an plant. Seite 28
Experten erwarten Run
auf Gewerbeimmobilien
Das Nullzinsumfeld treibt vor allem
institutionelle Anleger in Gewerbeimmobilien. Daher erwarten
vom Handelsblatt befragte Makler
auch für 2015 eine steigende
Nachfrage nach Gewerbebauten.
Experten gehen davon aus, dass
das Marktvolumen in Deutschland
von rund 40 Milliarden Euro in diesem Jahr 2015 sogar 50 Milliarden
Euro erreichen könnte. Seite 34