Schwäbischen Zeitung

WIRTSCHAFT
8 Schwäbische Zeitung
Mittwoch, 21. Januar 2015
Kurz berichtet
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Kässbohrer erwartet einen Absatzrückgang
LAUPHEIM (ry) - Den höchsten
Konzernumsatz der Firmengeschichte meldet die Kässbohrer
Geländefahrzeug AG. Das in Laupheim (Landkreis Biberach) ansässige Unternehmen, spezialisiert
auf die Pflege von Pisten, Loipen
und Stränden, hat im Geschäftsjahr
2013/2014 knapp 214 Millionen Euro
bewegt (Vorjahr: 211,1 Millionen).
Das Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Ebit) betrug 22,1 Millionen
Euro (23,1). Stichtag ist jeweils der
30. September.
„Dieses Niveau werden wir im
laufenden Geschäftsjahr sicher
nicht halten können“, sagte der Finanzvorstand Alexander Schöllhorn
am Dienstag. Der vielerorts schneearme Winter 2013/2014 und das
warme Wetter vor Weihnachten
dämpfen die Bereitschaft der Liftbetreiber, in neue Pistenbullys zu
investieren. Um bis zu zehn Prozent
könnte der Absatz von Neufahrzeugen deshalb zurückgehen. Kässbohrer hat laut Schöllhorn finanziell Vorsorge getroffen und will die
geringere Auslastung zudem über
den Abbau von Zeitguthaben der
Mitarbeiter abfedern.
Sorge bereitet die Entscheidung
der Schweizer Notenbank, den Mindestkurs des Franken zum Euro aufzuheben. Dadurch verteuert sich für
Wintersportler aus der Eurozone
der Aufenthalt bei den Eidgenossen.
Sollte der Skitourismus massiv einbrechen, würde wohl auch dies die
Nachfrage nach Pistenbullys schmälern. Die Schweiz ist für Kässbohrer
einer der wichtigsten Märkte in
Europa.
Der warme Winter 2013/14 und der
Kurs des Schweizer Franken machen
FOTO: OH
Kässbohrer zu schaffen.
Tipp des Tages
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Kein Job nach der Lehre –
Rechtzeitig arbeitslos melden
Werden Auszubildende nach dem
Ende ihrer Lehre nicht übernommen, sollten sie rechtzeitig Arbeitslosengeld beantragen. Der späteste
Termin, sich bei der zuständigen
Arbeitsagentur zu melden, ist der
erste Tag ohne Beschäftigung. Frühestens ist das drei Monate vor der
Beschäftigungslosigkeit möglich.
Darauf weist die Arbeitsagentur
Suhl hin. Arbeitslosengeld zu beantragen, sichert ihnen nicht nur
finanzielle Unterstützung. Arbeitslose sind zudem automatisch in der
Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung versichert. (dpa)
Der Euro und seine Kehrseite. Am Donnerstag will die Europäische Zentralbank (EZB) kundtun, ob sie im großen Stil Staatsanleihen der Euroländer
FOTO: DPA
aufkaufen will. Heftige Kritik erfährt EZB-Präsident Mario Draghi vor allem aus Deutschland.
Koste es, was es wolle
Draghis Ausspruch hat Euro-Union verändert – Eine Analyse von Gastautor Markus Will
Von Markus A. Will
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m Donnerstag legt Mario
Draghi seine letzte Kugel in
den geldpolitischen Kanonenlauf: Der EZB-Präsident will Staatsanleihen aufkaufen, um die Kreditvergabe und die Konjunktur im Euroland in Gang zu setzen. Die Rede
ist von 500 Milliarden Euro. Keine
„dicke Bertha“, keine „Bazooka“,
kein Negativzins und keine Sonderprogramme haben geholfen. Auch
die Abwertung des Euro hat den Südländern bislang nicht wirklich etwas
gebracht. Also kommt es auf den
letzten Schuss an. Insofern ist das in
der Tat eine außerordentlich wichtige Sitzung im 41. Stock im neuen Euro-Tower in Frankfurt.
Draghi kämpft „mit allen Mitteln“
– eine passende Übersetzung seiner
Aussage vom 26. Juli 2012 in London
„whatever it takes“. Er sagte: „Wir
glauben, dass der Euro irreversibel
(unumkehrbar) ist. ... Aber es gibt
noch etwas, das ich Ihnen sagen will.
Im Rahmen unseres Mandats ist die
EZB bereit, alles Erforderliche zu tun
(whatever it takes), um den Euro zu
bewahren. Und glauben Sie mir, es
wird genug sein.“ Im Grunde muss
man die Aussage so lesen: Draghi
macht nur seinen Job. Dass dies andere Notenbanker anders sehen, namentlich Bundesbankpräsident Jens
Weidmann, hat denselben Grund.
Auch Weidmann macht nur seinen
Job. Der eine hat ein europäisches,
der andere ein deutsches Mandat innerhalb des Systems der Europäi-
A
schen Zentralbanken. In der Tradition der deutschen Bundesbank steht
Weidmann vor allem für stabiles
Geld. Und stabiles Geld muss eigentlich knapp gehalten werden. Draghis
Plan wäre also genau das Gegenteil
von dem, was die Bundesbank für
richtig hält.
Worum geht es in der Sache?
Es geht nicht um die Angst vor Deflation. Die besteht aber, weil die Geldpolitik nicht mehr wirkt. Die Geschäftsbanken reichen das viele
Geld, das bereits im Markt ist, nicht
genügend als Kredite weiter. Das will
Draghi überwinden, indem er die
Bankbilanzen entlastet. Die EZB will
den Banken Staatsanleihen und wohl
auch Unternehmensanleihen abkaufen, damit sie Geld für Unternehmen
und private Investoren haben. Für
Draghi wäre es „im Rahmen unseres
Mandats”, weil es keine direkte und
damit verbotene Staatsfinanzierung
wäre. Lässt man den juristischen
Streit beiseite, stellt sich die Frage,
ob es auch ein geeignetes Mittel wäre. Hier streiten sich die geldpolitischen Geister. Denn Wirkung kann
diese Maßnahme nur erzielen, wenn
die Banken die frei werdenden Mittel
wirklich in Kredite umwandeln. Das
ist aber alles andere als sicher. In den
USA hat dieses „Quantitative Lockerung“ einigermaßen funktioniert,
aber die US-Notenbank Fed hat nur
US-Anleihen aufgekauft, deren Ausfallrisiko gering war. Vereinfacht
ausgedrückt hat die Fed indirekt „linke Tasche, rechte Tasche“ mit amerikanischem Geld gespielt.
Das ist der große Unterschied
zum Euroland: Es sind 19 Länder mit
unterschiedlichen konjunkturellen
und teilweise ungelösten strukturellen Problemen und unterschiedlichen Ausfallrisiken.
Da kommt die Gretchenfrage ins
Spiel: Wie hält die EZB es mit der
Was die Deflation so gefährlich macht
Deflation (Preisverfall) ist der noch
viel schlimmere Zwilling der Inflation (Preisanstieg). Während
man den ungezügelten, allgemeinen Preisanstieg mit Zinserhöhungen der Notenbank in Griff bekommen kann, geht das bei einem
allgemeinen Preisverfall nicht.
Man kann die Zinsen nicht beliebig
unter Null drücken. Deflation ist
eine Erwartungshaltung der Kon-
sumenten, dass morgen alles noch
billiger sein wird als heute. Man
schiebt die Kaufentscheidung also
auf. Die Folge: Die Unternehmen
verkaufen nichts. Im schlimmsten
Fall setzt sich eine Deflationsspirale in Gang, die die ganze
Wirtschaft in den Abgrund ziehen
kann. Aber das hat es seit den
1930er-Jahren nicht mehr gegeben. (sz)
Haftung? Im EZB-System gilt nämlich bei geldpolitischen Maßnahmen
Gesamthaftung. Also doch deutsches Steuergeld für südländische
Anleihen? Draghi
scheint in diesem
Punkt den Deutschen entgegenzukommen: Jede
Notenbank soll
nur ihre Staatsanleihen kaufen und
in erster Linie nur
dafür haften.
Markus A. Will
Das ist selbstFOTO: RASEMANN verständlich Augenwischerei;
denn was würde passieren, wenn
plötzliche alle südländischen Anleihen faul würden?
Eine Serie von Krisensitzungen
und dann gemeinsame Haftung mit
Deutschland als größten Anteilseigner der EZB wären das Ergebnis. Also: Die Wirkung ist nicht sicher, die
Haftung ebenso nicht. Warum dann
nicht noch einmal abwarten, wie sich
Inflation, Ölpreis und Konjunktur
entwickeln? Denn der Schuss muss ja
treffen. Das wird wohl nicht gehen,
weil Mario Draghi sich festgelegt zu
haben scheint: Draghi will abdrücken – „koste es, was es wolle“, würde da als Übersetzung besser passen.
Der Buchautor und Unternehmensberater Markus A. Will ist auch
als Privatdozent für Kommunikationsmanagement an der Uni St.
Gallen tätig.
Weltwirtschaftsforum zwischen Reich und Arm
Managergipfel in Davos nimmt sich der zunehmenden sozialen Spaltung an – Forum eröffnet am Mittwoch
Von Hannes Koch
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DAVOS - Manche Leute wissen nicht,
wohin mit ihren Millionen und Milliarden. Einige dieser Superreichen
kommen ab Mittwoch wieder zum
Weltwirtschaftsforum (WEF) nach
Davos. Auch von ihrer Anwesenheit
lebt die Veranstaltung, die dieses
Jahr zum 45. Mal in dem Schweizer
Bergort stattfindet.
Die Milliardäre lassen sich für ihre Ideen und Erfolge feiern – und für
ihre Wohltätigkeit. Politikerinnen
wie Angela Merkel reisen hin, um gezielte Botschaften an die Wirtschaftselite, die Manager, Banker
und Investoren zu senden.
Gerade jetzt aber birgt dieser
Charakter des World Economic Forum (WEF) für die Organisatoren eine besondere Herausforderung.
Denn eines der großen weltpolitischen Themen ist die zunehmende
Ungleichheit zwischen Reich und
Arm. Erneut hat der französische
Ökonom Thomas Piketty mit seinem
Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ eine Debatte losgetreten. Das
WEF muss nun den Spagat hinkriegen, die oberen Zehntausend zu hofieren, sich im selben Augenblick
aber von ihnen zu distanzieren. Im
Sinne des Anspruchs des Forums
„den Zustand der Welt zu verbessern“ will man dem Thema der sozialen Spaltung nicht ausweichen.
„Wachsende Ungleichheit würde eine der gängigsten Annahmen über
unsere Wirtschaft infrage stellen:
dass Wachstum für Wohlstand für alle sorgt“, schrieb Philipp Rösler, früherer FDP-Wirtschaftsminister und
jetzt WEF-Manager, kürzlich in einem Zeitungsartikel mit der Überschrift „Piketty ernst nehmen“. Und
Programmdirektor Sebastian Buckup zählt eine Reihe von Diskussionsveranstaltungen auf, die sich mit
Ungleichheit beschäftigen. Piketty
selbst hat man ebenfalls eingeladen,
Weltwirtschaftsforum
Konjunkturabkühlung
Das Weltwirtschaftsforum
(WEF) in Davos gilt als einer der
wichtigsten Treffpunkte für
Spitzenpolitiker, Topmanager
und Wissenschaftler. Gegründet wurde das WEF von dem
aus Ravensburg stammenden
Ökonomie-Professor Klaus
Schwab. Der heute 75-Jährige
will die unabhängige Stiftung
noch mindestens bis zum 50.
Weltwirtschaftsforum im Jahr
2020 leiten. (dpa)
Nur noch 16 Prozent der europäischen Top-Manager rechnen 2015 mit einer Belebung der
Weltwirtschaft. In Deutschland
wird die Lage optimistischer
beurteilt. Das geht aus der am
Dienstag zum diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos veröffentlichten Konjunkturumfrage der Wirtschaftsprüfungs- und
Beratungsgesellschaft PwC
hervor. Die Stimmung in Europa
ist am schlechtesten. (dpa)
doch der sagte ab. Der Abstand zwischen den Einkommen der Armen
und der Mittelschicht einerseits und
den Reichen nimmt zu. Seit 2000 habe „vor allem die Gruppe der höchsten Einkommensbezieher überdurchschnittliche Zuwächse erzielt“,
so Markus Grabka vom Deutschen
Institut für Wirtschaftsforschung.
Wohlstand für manche!
So kann „die Legitimation der geltenden Wirtschaftsordnung verlorengehen“, weiß Philipp Rösler. Im Namen
des WEF plädiert er deshalb für „inklusives Wachstum“. Ungleichheit
soll bekämpft werden, indem möglichst viele Menschen „bessere Bildungs-, Aufstiegs- und Teilhabechancen“ bekommen.
Piketty plädiert ja dafür, die extrem steigenden Einkommen und
Vermögen der Superreichen durch
hohe Steuern einzuebnen. Dass solche Ideen bei den Besuchern des
Weltwirtschaftsforum wenig Anklang finden, verwundert nicht. So
kommt im Programm das Thema
Steuerpolitik nicht einmal vor.