Zentralbank macht das Geld so billig wie nie - Die Onleihe

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KOMMENTAR
Zippert zappt
AN DRE A SE IBE L
Vertrauen zu
USA schwindet Helden
I
THEMEN
Nur noch jeder Dritte hält
das Land für verlässlich
D
Naturfilmer David
Attenborough
über den
Reiz des Tierfilms
Seite 24
Sport
Schont sich Messi
schon für
die WM 2014?
Seite 21
Wissen
Weberknechte
breiten sich
in Deutschland
rasant aus
BERLIN – Die Steuereinnahmen in
Deutschland dürften bis 2017 um
insgesamt 14 Milliarden Euro höher
ausfallen als bislang erwartet. Das ist
das Ergebnis der Herbstprognose des
Arbeitskreises Steuerschätzung. Von
dem Einnahmeplus profitieren in
erster Linie Länder und Kommunen. Bundesfinanzminister Wolfgang
Schäuble (CDU) sprach von einer „soliden Einnahmebasis von Bund, Ländern und Gemeinden“ für die nächsten Jahre. Er warnte: „Allerdings zeigen die Ergebnisse der Steuerschätzung auch, dass die finanzpolitischen
Spielräume begrenzt bleiben.“
Seite 4
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EKD will weg
vom Staatsgeld
Schneider: Zahlungen der
Länder „tun nicht gut“
ie Europäische Zentralbank
(EZB) hat die Leitzinsen
überraschend auf das Rekordtief von 0,25 Prozent gesenkt. Sie reagiert damit auf
eine anhaltende Wirtschaftskrise in einer
Reihe von Euro-Ländern und äußerst
niedrige Inflationsraten. Damit ist Geld im
Euro-Raum so billig zu haben wie nie zuvor. Zumindest für die Banken des Währungsgebiets, die sich nun zu einem Zinssatz nahe null mit Zentralbankgeld eindecken können. Ein Limit gibt es dafür nicht:
Die EZB verlängerte ihre Politik, den Kreditinstituten unbegrenzt viel Geld zu leihen, bis mindestens Sommer 2015.
EZB-Präsident Mario Draghi bekräftigte
zudem sein Versprechen, die Leitzinsen
im Euro-Raum für einen längeren Zeitraum so niedrig zu lassen oder sogar noch
weiter zu senken. Der Spielraum für weitere Schritte ist allerdings begrenzt: Die EZB
kann ihren wichtigsten Zinssatz nur noch
ein weiteres Mal um einen Viertelprozentpunkt reduzieren, bis die Null erreicht ist.
Danach könnte die Notenbank die europäische Wirtschaft nur noch mit unkonventionellen Maßnahmen stützen und etwa in großem Stil Staatsanleihen kaufen
oder Notfallkredite für das Bankensystem
zur Verfügung stellen, um sie mit noch
mehr billigem Geld zu versorgen. Diese
Optionen sind jedoch sowohl unter Notenbankern als auch unter Ökonomen
größtenteils umstritten.
Einig über das Vorgehen war sich der
EZB-Rat auch bei seiner jüngsten Entscheidung nicht, wie Draghi einräumte.
„Ich würde die Diskussion von heute so
charakterisieren, dass es Einigkeit darüber
gab, dass wir handeln müssen. Aber es gab
Uneinigkeit darüber, wann wir aktiv werden sollen“, sagte er. Angeblich soll ein
Viertel der 23 Ratsmitglieder gegen die sofortige Zinssenkung gewesen sein. Umso
einiger war sich die deutsche Finanzwelt,
die die Zinssenkung scharf kritisierte. Der
Schritt könne der Wirtschaft hierzulande
schaden, warnten mehrere Verbände unmittelbar nach der EZB-Entscheidung. Der
Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) nannte die Sen-
kung des Leitzinses von 0,5 auf 0,25 Prozent ein „fatales Signal an alle Altersvorsorgesparer in Deutschland“. Mit einer
nennenswerten Belebung der Kreditvergabe in den Euro-Krisenländern sei nicht zu
rechnen, sagte auch Michael Kemmer,
Hauptgeschäftsführer des Privatbankenverbandes BdB. Stattdessen nähmen mittel- bis längerfristig die Risiken der Niedrigzinspolitik weiter zu, insbesondere die
Gefahr von Vermögenspreisblasen.
EZB-Präsident Draghi begründete den
historischen Schritt hingegen mit den gesunkenen Inflationsraten im Euro-Raum.
Zuletzt war die Teuerungsrate auf 0,7 Prozent und damit deutlich unter das Niveau
von zwei Prozent gefallen, das aus Sicht
der Notenbanker für mittelfristig stabile
Preise steht. Eine sogenannte Deflation
mit sinkenden Preisen auf breiter Front
befürchtet die EZB nicht. Draghi betonte
jedoch gleich mehrfach, man erwarte eine
„längere Phase mit niedriger Inflation“.
Die Börsen reagierten mit einem Kurssprung. Der Aktienindex Dax legte zeitweise mehr als 100 Punkte zu, der Euro verlor
zum Dollar etwa ein Prozent. Zuletzt hatte
die Wirtschaft des Euro-Raums die längste
Rezession ihrer Geschichte hinter sich gelassen. Allerdings ist die Konjunkturerholung noch sehr fragil. Die Arbeitslosenquote in der Währungsunion liegt mit 12,2
Prozent auf Rekordhoch. Zugleich hat der
Euro in diesem Jahr fast fünf Prozent gegenüber anderen wichtigen Devisen aufgewertet, was die Exporteure belastetet.
SCHRECKGESPENST
DEFLATION
Die Inflation war der Schrecken der
70er-Jahre. Doch spätestens seit der
Finanzkrise gilt die Deflation als das
größere Angstgespenst für die Notenbanken. Das liegt daran, dass sich ein
solcher Preisverfall auf breiter Front nur
sehr schwer bekämpfen lässt. Kommt es
zu einer Deflation, halten sich Unternehmen und Verbraucher in der Hoffnung
auf immer niedrigere Preise mit Investitionen zurück – und die Wirtschaft friert
ein. So geschehen in Japan, das bis heute
mit den Folgen kämpft.
Die Evangelische Kirche in
Deutschland (EKD) ist offen für eine
Ablösung der Staatsleistungen, die 14
Bundesländer jährlich den Kirchen
zahlen. Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider sagte im „Welt“-Interview: „Das Thema Staatsleistungen
tut uns nicht gut.“ Die Kirche sei bereit zu Gesprächen über ein Bundesgesetz zu den Grundzügen einer Beendigung der Zahlungen, mit denen die
Kirchen für Enteignungen im 19. Jahrhundert entschädigt werden. Schneider betonte, die Leistungen könnten
nicht „ersatzlos gestrichen werden“.
BERLIN –
Leitzins sinkt auf Rekordtief von 0,25 Prozent. Börsen feiern den
Schritt. Deutsche Finanzwelt kritisiert die Folgen für die Sparer
ANJA ETTEL UND SEBASTIAN JOST
Feuilleton
Siehe Kommentar und Seite 4
EZB-Präsident Mario Draghi wirkt angespannt. Er ahnt offenbar bereits, dass die neue Zinssenkung Kritik auslösen wird
Zentralbank macht das
Geld so billig wie nie
Seite 15
wie wir
an konnte in jüngster Zeit
durchaus glauben, die Aufregung rund um NSA, Merkels
Handy und Snowden wäre doch nicht
so groß, wie die Empörungsoptimierer
sich das gewünscht hätten. So jedenfalls der Eindruck: Das Thema Spionage erweist sich doch als schwer entzündlich. Eine unschöne Angelegenheit, im Abseits des allgemeinen Nichtwissens der normalen Menschen
praktiziert, undurchsichtig und doch
für viele unverzichtbar im Gehege einer
immer noch unberechenbaren und
durchaus auch bösen Welt. Geheimdienste kann man eben nicht einfach
abstellen, so wie man die Prostitution
nicht aus der Welt schaffen kann, auch
wenn das Alice Schwarzer will.
Nicht, dass mit dieser lapidaren
Feststellung alles gutgeheißen würde,
was Geheimdienstaktivitäten ausmacht. Im Gegenteil: Man kann davon
ausgehen, dass es zu harschen Klärungsprozessen nicht nur innerhalb der
amerikanischen Dienste kommt, sondern auch im transatlantischen Verhältnis selbst. Dafür gibt es die Diplomatie. Aber all dies spielt sich eben
nicht auf dem Marktplatz der Öffentlichkeit ab, wie es sich besondere Richter vor dem Herrn vorstellen, denkt
man an Hans-Christian Ströbele, der
sich nach Moskau aufmachte, um Edward Snowden zu umgarnen – alles von
Wladimir Putins Gnaden arrangiert,
dem es eine Genugtuung wäre, Amerika und Deutschland zu entfremden.
Der prekäre Grüne mutierte zum
Helden, der farblose Snowden gleich
dazu, finden jedenfalls viele Deutsche
einer neuen Umfrage zufolge. Ströbeles Alleingang, der die Regierung düpierte, wird als witzig erachtet, und bei
Snowden bewundert man einen Heroismus, der jedoch nicht reichte, in
seiner Heimat die Bombe platzen zu
lassen. Er suchte erst in China und
dann in Russland Deckung, beide
nicht gerade demokratisch beleumundet. So also sehen die neuen Helden
aus: ein eitler Alt-68er und ein subalterner, letztlich feiger Jüngling. Helden wie wir?
Ja, die Deutschen sind moralisch
und sehr, sehr idealistisch. Und sie haben eine Schwäche für die Schwachen,
daher hielten sie vor einigen Jahren Israel für den größeren Gefährder des
Weltfriedens und nicht den Iran. Der
einstige Held Obama liegt bei den
Deutschen auf der Beliebtheitsskala
knapp vor Putin. Ob Bush oder Obama: Amerika kann machen, was es will,
die Deutschen mögen es nicht. Den
Franzosen hingegen fühlt man sich
heute zu 80 Prozent verbunden, obwohl sie und die Briten Deutschland
definitiv auch abhören. Aber sie sind
die neuen kranken Männer Europas.
So sympathisch schwach.
Einzig in ihrer Zuneigung zu Angela
Merkel bleiben sich die Befragten treu:
Sie kann machen, was sie will. Sie ist
und bleibt einfach die Beste.
Die Deutschen haben das
Vertrauen in die USA verloren. Nur
noch 35 Prozent sind der Ansicht, dass
die Vereinigten Staaten ein verlässlicher Partner sind. Das sind 14 Prozentpunkte weniger als im Juli. 61 Prozent
der Deutschen sind sogar der Ansicht,
dass man den USA gar nicht mehr vertrauen kann. Mehr Misstrauen
herrscht nur gegenüber Russland. Das
geht aus dem Deutschlandtrend für
November im Auftrag der ARD-„Tagesthemen“ und der „Welt“ hervor. Der
ehemalige NSA-Mitarbeiter Edward
Snowden ist für 60 Prozent der Deutschen ein Held. Nur 14 Prozent sind
der Meinung, dass er ein Straftäter ist.
BERLIN –
DPA/DANIEL REINHARDT; GETTY IMAGES
n Westdeutschland bleibt
jede vierte Frau kinderlos,
unter Akademikerinnen ist
es sogar jede zweite. Ein fataler Trend. Vor allem in Städten gibt es kaum noch Kinder,
am wenigsten sind es in Hamburg. Die Hamburger gehören
aber auch zu den glücklichsten Menschen in Deutschland.
Ob da ein direkter Zusammenhang besteht? CSU-Politiker beklagen außerdem, dass
die wenigen verbliebenen
Kinder systematisch von Homosexuellen adoptiert werden. Der Staat ist aber auf die
regelmäßige Produktion von
Kindern angewiesen. Diskutiert wird daher die Einführung der Fortpflanzungspflicht oder die Einrichtung
eines freiwilligen schwangeren Jahres. Viele Buchverlage
sind in ihrer Existenz bedroht,
weil die Zielgruppe für
Schwangeren- und Erziehungsratgeber ständig kleiner
wird. Immer mehr Lehrer
müssen Kurzarbeit anmelden,
und viele Schulen werden
geschlossen. Das deutsche
Kind wird vom WWF bereits
zu den bedrohten Arten gezählt. Primatenforscher empfehlen, in Zoologischen Gärten mit einem gezielten Nachzuchtprogramm zu beginnen.
Die so aufgezogenen Kinder
könnten dann mit 18 ausgewildert werden.
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D 2,10 E URO
L E S E R- S E RVI C E 0 8 0 0 / 9 3 5 8 5 3 7
Seite 5
14 Milliarden
mehr Steuern
Schäuble: Spielräume
bleiben aber „begrenzt“
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Aus aller Welt
Mehr junge
Köchinnen holen
sich einen Stern
Dax
Im Plus
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EURO
DOW
Xetra-Schluss
EZB-Kurs
17.45 Uhr
9081,03
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FÜR ELEGANZ IST IMMER
DIE RICHTIGE ZEIT.
Putin schießt olympisches Symbol ins All, wo es aber nicht entzündet werden kann
U
Seite 27
DAX
Fliegende Fackel
nd, spüren Sie ihn schon, den Winter? Die Supermärkte
füllen ihre Regale mit Adventskalendern. Wem das nicht
reicht, der richte seinen Blick gen Himmel. Dort kreist
der letzte Vorbote des nahenden Winters. Die Russen, stolzer
Ausrichter der Winterspiele im Februar in Sotschi, haben die
olympische Fackel an Bord einer Transportrakete ins All geschossen. Am Nachmittag erreichte sie die Weltraumstation „ISS“, für
Samstag ist der erste Weltraumspaziergang der olympischen
Geschichte geplant. Vizeregierungschef Dmitri Kosak konnte vor
Stolz kaum an sich halten. „Es wirkt fast so, als würde Raumfahrt
jetzt olympische Disziplin.“
Es soll der spektakulärste Teil des Fackellaufs mit mehr als
14.000 Trägern und 65.000 Kilometern Strecke sein. Vor allem
aber ist es der sinnloseste. Die Fackel kann im Weltall gar nicht
entzündet werden: kein Sauerstoff. Es sei trotzdem ein großes
Vergnügen und eine große Verantwortung, mit diesem Symbol
des Friedens arbeiten zu können, sagte der zuständige Astronaut,
der in den Pressemitteilungen vom Weltraumbahnhof Baikonur
sicherheitshalber Kosmonaut genannt wurde. „Die olympische
Fackel im Weltall – dazu sind nur wir fähig“, prahlte der Moderator im russischen Fernsehen, das live übertrug. In 91 Tagen sollen
mit der Fackel die 22. Olympischen Winterspiele eröffnet werden. Sofern sie heil aus dem All zurückkehrt.
Zuletzt konnte man da leider nicht immer ganz sicher sein. Als
etwa Staatspräsident Wladimir Putin die Fackel am Kreml entgegennahm, erlosch sie mehrfach. Ein Zuschauer musste die
peinliche Szene mit einem Sturmfeuerzeug beenden. Danach
reiste die wehrlose Fackel mit russischen Seeleuten an den Nordpol. Dort ging sie zwar nicht aus; die Begleitumstände waren
dennoch fragwürdig. „Der Eisbrecher mit dem Namen ‚50 Jahre
Sieg‘ legte die 5000 Kilometer lange Strecke Murmansk–Nordpol–Murmansk mit seiner wertvollen Fracht in der Rekordzeit
von nur 91 Stunden und zwölf Minuten zurück“, teilte der Veranstalter nachher mit. So viel zum Symbol des Friedens. sip
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