Seine letzte Wette - Die Onleihe

Wirtschaft
WELT AM SONNTAG
11. JANUAR 2015
Autokonzern auf
Kollisionskurs
Privatbank auf
Expansionskurs
VOLKSWAGEN S. 31
BERENBERG S.32
SEITE 27
FRAUENSACHE
Wachstumsschub
Seine letzte
Wette
enoît Coeuré will nicht
so recht heraus mit der
Sprache. „Die Diskussion ist weit fortgeschritten. Aber wir haben
noch keine Entscheidung getroffen“, sagt er
und lächelt verbindlich. „Es sind noch
wichtige Fragen offen: Wann handeln
wir? Und wie gestalten wir unsere Maßnahmen?“ Der 45-jährige Franzose, einer
von sechs Direktoren der Europäischen
Zentralbank, sitzt am Freitag dieser Woche im 38. Stock im neuen EZB-Turm in
Frankfurt. Der Boden ist mit Parkett ausgelegt, die Sessel sind aus Leder, die Bilder großformatig, es ist die Chefetage.
B
VON ANJA ETTEL
UND SEBASTIAN JOST
Vor gut acht Wochen haben die Währungshüter ihr neues Domizil im Frankfurter Ostend bezogen, ein riesiger Komplex aus Glas und Stahl, in dem vieles
noch neu und ungewohnt ist, die weiten
Laufwege inklusive. Neu und ungewohnt
ist auch die Entscheidung, vor der die
Währungshüter stehen. Am 22. Januar
wird Coeuré zusammen mit seinen Kollegen im EZB-Rat darüber entscheiden,
ob die „Maßnahmen“, von denen allenthalben die Rede ist, in die Tat umgesetzt
werden. Gemeint ist damit vor allem eines: Geld, noch viel mehr Geld einzusetzen, um Europas Wirtschaft und seine
Währung zu stabilisieren.
Um mindestens eine halbe Billion Euro geht es, womöglich sogar um das Doppelte. Geld, gut ein Drittel der jährlichen
deutschen Wirtschaftsleistung, das mal
eben zusätzlich gedruckt werden soll. Es
wäre ein historischer Schritt. Und der
vielleicht letzte große Tabubruch für eine Notenbank, die einst mit dem Versprechen angetreten war, nie, wirklich
nie Staaten mit der Notenpresse finanzieren zu wollen. Nun tut sie es wohl
doch, wenn auch indirekt. Das ist nach
gängiger Notenbanker-Lesart legal. Ist es
aber auch legitim? Wirkungsvoll? Unschädlich? Die Zweifel sind beträchtlich.
Die Notenbank jedenfalls ist mit ihrem Zinslatein am Ende. Die Sätze befinden sich nahe null, der für die Bankeinlagen ist sogar schon negativ. Und trotzdem will die Wirtschaft der Euro-Zone
nicht durchstarten. „Man kann die Pferde zur Tränke führen, saufen müssen sie
selber“, pflegte schon der frühere Superminister Karl Schiller über die Grenzen
der herkömmlichen Geldpolitik zu sagen. Nun will die EZB den Pferden Flüssigkeit gleichsam intravenös zuführen.
„Quantitative Easing“ oder kurz QE
heißt dieses Instrument im Fachjargon,
auf Deutsch: „quantitative Lockerung“.
Gemeint ist: Die EZB druckt Geld, mit
dem sie in großem Stil am Kapitalmarkt
Staatsanleihen aufkauft.
PICTURE ALLIANCE / DPA; MONTAGE: WELT AM SONNTAG
Im Kampf gegen den Preisverfall
könnte Europas oberster
Währungshüter Mario Draghi bald
eine Billion Euro in die Kapitalmärkte
pumpen. Ein riskantes Unterfangen
von fragwürdigem Nutzen
QE ist umstritten. Es ist die letzte große
Waffe, die die EZB noch einsetzen kann,
sagen die Befürworter. Es ist der panikartige Abschied vom Prinzip einer soliden
Geldpolitik, sagen die Kritiker. Unstrittig
ist: Die Maßnahme ist das letzte Mittel,
das zum Einsatz kommt, wenn eine Notenbank ihre Geldpolitik weiter lockern
will, die traditionellen Möglichkeiten aber
bereits ausgereizt sind.
Zu den Befürwortern gehören neben
EZB-Präsident Mario Draghi zahlreiche
nationale Notenbankgouverneure wie
der Italiener Ignazio Visco (siehe Interview Seite 28). Doch keineswegs alle Euro-Notenbanker sind von der Idee überzeugt. Unter anderem stellen sich die
deutschen Mitglieder im Rat quer, Bundesbankchef Jens Weidmann und die
EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger.
In der neuen EZB-Zentrale am Main
läuft deshalb alles auf eine geldpolitische
Entscheidungsschlacht hinaus. Für die
meisten Beobachter steht aber längst
fest, wer den Sieg davontragen wird: das
Lager der Befürworter rund um Präsident Draghi. Und wenn nicht jetzt, dann
eben in der folgenden Sitzung. Dabei haben die Anhänger von QE keineswegs
unbedingt die besseren Argumente. Sie
sind schlicht in der Überzahl.
EZB-BILANZSUMME
in Milliarden Euro
3000
2500
2000
1500
Jan. 2013
Dez. 2014
QUELLE: BLOOMBERG
Die Bilanzsumme der EZB spiegelt ihre
Vermögen und Verbindlichkeiten wider.
Im Zuge der Euro-Krise war sie zunächst
stark gestiegen, weil die EZB das Bankensystem mit billigen Krediten stabilisierte.
Nach und nach zahlten die Banken jedoch
einen großen Teil des Geldes zurück,
sodass die Notenbank-Bilanz lange
schrumpfte. Mit der „quantitativen Lockerung“ soll sie wieder wachsen. Begründet wird dies mit der zuletzt negativen Inflationsrate. Allerdings ist die
„Kerninflationsrate“ noch immer positiv
INFLATION
in der Euro-Zone in Prozent ggü. Vorjahr
2,0
1,5
1,0
0,5
Inflationsrate
0
Kerninflationsrate*
–0,5
Jan. 2013
Dez. 2014
*Inflationsrate o. Energie und Nahrungsmittel
QUELLE: EUROSTAT
Und als wäre das noch nicht genug, ist
auch das Szenario dieser historischen
Entscheidung an Dramatik kaum zu
überbieten: Nur drei Tage nach der mutmaßlich hitzigen Debatte im Glaspalast
der EZB wählt Griechenland ein neues
Parlament. Ausgerechnet das Land, mit
dem im Jahr 2010 die Euro-Krise begann.
Sollte das Linksbündnis Syriza diesmal
den Sieg davontragen und den bisherigen Reformkurs aufkündigen, ist sogar
der Verbleib des Landes in der Währungsunion in Gefahr. Reiht sich die
nächste Hilfsmaßnahme der EZB also
nahtlos in die Serie ihrer Euro-Rettungen ein? Die EZB, so würden es viele verstehen, druckt halt mal wieder frische
Euros, um einem klammen Staat aus der
Klemme zu helfen.
Doch ist die Lage diesmal anders.
Denn die Debatte um die Anleihenkäufe
begann lange vor den jüngsten Turbulenzen in Griechenland. Zumindest vordergründig bewegt die Währungshüter
etwas ganz anderes. An den Finanzmärkten geht die Angst vor einer Deflation
um. Im Vergleich zur klassischen Gegenspielerin der Geldhüter, der Inflation,
gilt die Deflation als noch heimtückischerer Gegner. Sie ist schwerer zu erkennen und vor allem deutlich schwerer
zu bekämpfen. Hält ein solcher Preisverfall auf breiter Front eine Volkswirtschaft erst einmal im Griff, gibt es für eine Notenbank kaum noch ein Mittel, um
dagegen wirksam anzugehen. Das macht
die Deflation so gefährlich – und erklärt
ein Stück weit die Panik an den Finanzmärkten.
Weiter geschürt wurde sie diese Woche durch eine Zahl, die auf den ersten
Blick relativ harmlos wirkt: Um 0,2 Prozent sind die Preise im Dezember europaweit im Vergleich zum Vorjahr gefallen, zum ersten Mal seit dem Krisenjahr
2009. Keine große Sache, sollte man
meinen. Für einige Ökonomen ist der
Rückgang allerdings ein untrügliches
Warnzeichen dafür, dass Europa in eine
alles lähmende Abwärtsspirale aus stürzenden Preisen, sinkenden Löhnen und
fallenden Investitionen geraten könnte.
Die Folge wären Massenentlassungen,
Pleitewellen und schließlich ein sich
selbst verstärkender Abwärtssog.
Damit liegt diese Krise viel näher am
entscheidenden Mandat der EZB, die
Preise in Europa stabil zu halten, als das
während der vorangegangenen Episoden
der Euro-Schuldenkrise der Fall war. Eigentlich soll die Inflationsrate im EuroRaum bei knapp zwei Prozent liegen.
Das war zuletzt vor zwei Jahren der Fall.
Allerdings bleibt umstritten, wie nah
die Währungsunion der gefährlichen Deflation tatsächlich schon gekommen ist.
Denn nicht jede negative Teuerungsrate
ist eine Katastrophe. „Man muss sich
Fortsetzung auf Seite 29
Wären alle Deutschen wie ich, müssten wir uns keine Sorgen ums Wirtschaftswachstum machen. Denn ich
habe vergangene Woche 194,99 Euro
in den Einzelhandel gepumpt. Erst
habe ich mir im Vorbeigehen einen
Hosenanzug gekauft. Der war auf 179
Euro runtergesetzt und vom Umtausch ausgeschlossen. Da ich meine
Größe kenne, musste ich ihn nicht
mal anprobieren. Zu Hause habe ich
festgestellt, dass er recht groß ausfällt, weshalb ich darin aussehe wie
ein Clown. Lustig, weil ich zwei Tage
zuvor ebenfalls heruntergesetzte
Stützräder für das Fahrrad meines
Sohnes gekauft hatte. Ich wusste
noch aus dem Kopf, von welcher
Marke das Fahrrad ist, weshalb die
Räder auf jeden Fall passen würden.
Zu Hause stellte ich fest: Das Fahrrad ist von einer ganz anderen Marke. 15,99 Euro weg.
Würden es alle 81 Millionen Deutschen so machen, nähme der Handel
pro Jahr fast 16 Milliarden Euro
zusätzlich ein. Übrigens habe ich
auch etwas für die Autobranche
getan. Nach dem Tanken habe ich
selbst Öl nachgefüllt, eine halb volle
Flasche lag noch im Kofferraum.
Darin war aber, wie sich herausstellte, Frostschutzmittel. Ölwechsel: 89,90 Euro. Anette Dowideit
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