Manuskript des Beitrags

Manuskript
Beitrag: Erfolg der Rechtspopulisten –
Wie viel Pegida steckt in der AfD?
Sendung vom 17. Februar 2015
von Arndt Ginzel und Ulrich Stoll
Anmoderation:
Da hat die AfD in Hamburg den Sprung in das erste westdeutsche
Parlament geschafft, und trotzdem geht’s gleich weiter mit dem
Zoff in den eigenen Reihen. Frauke Petry, AfD-Chefin aus
Sachsen, mäkelte, man hätte mehr als 6,1 Prozent schaffen
können. Und meint damit, man möge künftig bitte mehr mit
Vorurteilen gegen Zuwanderer und Muslime punkten. Denn
während der Hamburger Spitzenkandidat lieber auf liberal macht,
gehört Petry zu jener starken Gruppe in der AfD, die weit nach
rechts schielt und nach Pegida. Überall, auch in der Hansestadt,
gibt es solche rechtspopulistischen Parteifreunde. Die Sorte, die
beteuert, man habe gar nichts gegen Ausländer, aber tatsächlich
gibt sie den Affen am rechten Rand des Wählerspektrums Zucker.
Arndt Gintzel und Ulrich Stoll berichten.
Text:
6,1 Prozent für die Hamburger AfD. Ihr Kandidat Dirk Nockemann
fühlt sich bestätigt.
O-Ton Dirk Nockemann, AfD Hamburg, Innenpolitischer
Sprecher:
Ich denke, dass wir die Themen besetzt haben, die den
Menschen in dieser Stadt auch unter den Nägeln brennen.
[Hamburg, 27. Januar 2015]
Rückblick: AfD-Wahlkampf in einer Hamburger Kneipe.
Nockemann, früher Innensenator der rechtspopulistischen SchillPartei, punktet mit Pegida-Themen. Angst vor zu viel
Zuwanderung, Angst vor Islamisierung.
O-Ton Dirk Nockemann, AfD Hamburg, Innenpolitischer
Sprecher, am 27.01.2015:
Da, wo es Parallelgesellschaften gibt, wo es Scharia-Gerichte
gibt, da müssen wir ganz entschieden gegenhalten. In
hamburgischen Schule beispielsweise, im Osten von
Hamburg, gab es ja eine Zeit lang auch starke Tendenzen
von Islamisten, sozusagen Nachwuchs zu rekrutieren. Da
müssen wir und da werden wir ganz entschieden
dagegenhalten.
O-Ton Pegida-Demo, Dresden, 9. Februar 2015:
Wir sind das Volk, wir sind das Volk!
[Dresden, 9. Februar 2015]
Das Kalkül: Diese Demonstranten sind potenzielle AfD-Wähler.
[Bremen, 1. Februar 2015]
Darum geht es auch beim AfD-Parteitag:
O-Ton Oliver Sieh, AfD Rheinland-Pfalz, Landesvorsitzender:
Pegida ist nicht unser Hauptthema, aber wenn 25.000 Leute
auf die Straße gehen, dann sind das nicht alles Rechte,
sondern die haben auch zum Großteil ein anderes Problem.
Und um die Probleme muss man sich kümmern.
Und das lohnt sich. Mit einem Team von über 50 Mitarbeitern
befragte der Soziologe Dieter Rucht Pegida-Demonstanten nach
ihrer politischen Haltung.
O-Ton Prof. Dieter Rucht, Soziologe, Wissenschaftszentrum
Berlin:
Wir haben nur einen kleinen Ausschnitt der Anhänger,
Protestierenden, insgesamt befragen können. Und das war
sicherlich der politisch eher moderate, aufgeschlossene Teil.
Aber selbst bei diesem Teil haben 89 Prozent bekundet, dass
sie bei der Sonntagsfrage, wenn am nächsten Sonntag
Bundestagswahl wäre, die AfD wählen würden - 89 Prozent
plus fünf Prozent NPD. Würde man jetzt an die anderen
überhaupt rankommen, an den rechten oder radikalen Kern
rankommen, dann wäre das Ergebnis noch krasser.
Um dieses Wählerpotenzial abzuschöpfen rückt die AfD nach
rechts. Im Bundestagswahlkampf 2013 ging es noch um
Währungspolitik und Euro-Kritik; jetzt steht Islamismus im
aktuellen Positionspapier an erster Stelle:
„Die AfD ist zunehmend besorgt über den Einfluss und die
Gewaltbereitschaft der Islamisten in Deutschland vor dem
Hintergrund des Herrschaftsanspruchs des Islam in der
Welt.“
Fischen am rechten Rand. Alexander Gauland wiegelt ab.
O-Ton Alexander Gauland, AfD Brandenburg, Vorsitzender:
Wenn ich mich für geordnete Zuwanderung einsetze,
übrigens genauso wie Bernd Lucke, wenn ich formuliere,
dass wir keine Parallelgesellschaften in Deutschland
gebrauchen können, dann weiß ich nicht, ob das rechts ist.
Rösrath bei Köln. Es gebe sehr wohl einen Rechtstrend in der
AfD, beklagt Kacem Bitich. Er trat 2013 in die AfD ein, wegen der
Euro-Kritik.
O-Ton Kacem Bitich, ehemaliger Stadtrat AfD Rösrath:
Herr Gauland hat sich ja verbündet mit der Pegida. Ich habe
die Befürchtung, wenn die AfD weiter in die
rechtskonservative Ecke geht, dass durch Slogans gegen
Minderheiten und gegen Asylbewerber und vor allem
Pauschalisierungen, hier wird ganz stark pauschalisiert, dass
Deutschland in eine Ecke driftet, die wir schon einmal hatten
in unserer Geschichte.
Auch Nikolaus Wiedenfeld ist enttäuscht. Für ihn war die AfD mal
eine wirtschafts-liberale Partei.
O-Ton Frontal21:
Wie haben Sie denn die Entwicklung des AfD
wahrgenommen?
O-Ton Norbert Wiedenfeld, ehemaliges AfD-Mitglied:
Na, dass die rechten Tendenzen, die aufgekommen sind, die
ich also vorher nie groß beobachtet habe, sonst wäre ich
auch nie eingetreten, also immer stärker wurden.
Bitich und Wiedenfeld erhielten eine E-Mail. Darin wurden sie
aufgefordert, beim Pegida-Ableger in Köln mitzumarschieren inkognito.
Wörtlich heißt es:
„Wir werden aber nicht als AfD, sondern als besorgte Bürger
auftreten, die das Ziel der Pegida teilen, das sich in großen
Teilen mit den Zielen des AfD deckt.“
„Herr Lucke, Frau Petri, Herr Gauland und andere (…) haben
sich prinzipiell hinter diese Bewegung gestellt.“
[Köln, 5. Januar 2015]
O-Ton Melanie Dittmer Kögida-Rednerin:
Wir stehen hier, weil wir Europa vor der Islamisierung
bewahren möchten.
Doch Kögida, der Pegida-Ableger am Rhein, wird von Anhängern
der islamfeindlichen rechten Partei PRO KÖLN dominiert.
O-Ton Norbert Wiedenfeld ehemaliges AfD-Mitglied:
In Köln, die sind also meines Erachtens also ziemlich schon
am Rand des politischen Spektrums, wenn nicht schon
drüber hinaus. Und so viel wie ich wusste, treffen sich da
bloß Glatzköpfe und die PRO KÖLN. Und das kam für mich
also gar nicht in Frage da mitzugehen.
[Dresden, 7. Januar 2015]
Die sächsische AfD-Spitze steht islamfeindlichen Demonstranten
besonders nahe. Sie traf sich mit den Pegida-Organisatoren –
zwar hinter verschlossenen Türen, doch sie steht dazu.
O-Ton Frauke Petry, AfD Sachsen, Vorsitzende, am
1.02.2015:
Ja, wir haben uns getroffen, auch als Reaktion auf die
wirklich sehr herabsetzenden Reaktionen der anderen
Parteien in Sachsen. Alle anderen Parteien haben die
Demonstranten und das Orgateam als Rassisten und
Fremdenfeinde und Menschenfeinde beschimpft, ohne sich
ein einziges Mal mit ihnen auseinandergesetzt zu haben.
[Dresden, 1. Dezember 2014]
Die AfD unterstützt Pegida sogar juristisch. Als vor kurzem
Gegendemonstranten den Pegida-Zug stoppten, gab die
Dresdner AfD Tipps, wie man die Gegner am besten
kriminalisiert:
„Unser Fraktionsreferent Dirk Taphorn (...) hat (…) eine
Vorlage für eine Strafanzeige wegen Verstoßes gegen
Versammlungsgesetz und Strafgesetzbuch weitergeleitet (…)
das Ziel sollte sein, dass in den nächsten Tagen mindestens
1.000 Strafanzeigen bei der Dresdner Staatsanwaltschaft
eingehen.“
Dirk Taphorn ist nicht nur AfD-Fraktionsreferent, er ist auch
Schriftführer der rechten Deutschen Burschenschaft. Seine
Gesinnung versteckt er nicht. Im Internet posiert er in einem TShirt - darauf ein in rechten Kreisen beliebtes Fahnenmuster.
[Leipzig, 30. Januar 2015]
Dieses Fahnenmuster taucht auf den Demonstrationen von
Pegida und ihrem Leipziger Ableger Legida häufiger auf.
O-Ton Legida-Demonstrantin:
Das ist die Fahne des geheimen Deutschland.
O-Ton Frontal21:
Des geheimen Deutschland?
O-Ton Legida-Demonstrantin:
Ja genau.
O-Ton Frontal21:
Und was wollt ihr damit ausdrücken?
O-Ton Legida-Demonstrantin:
Das ist der deutsche Widerstand. Dass man nicht mehr Herr
im Eigenen ist. Ich bin aus Offenbach geflohen. Also, ich bin
keine Leipzigerin.
O-Ton Frontal21:
Aus Offenbach geflohen?
O-Ton Legida-Demonstrantin:
Genau, vor zwölf Jahren.
O-Ton Frontal21:
Und warum geflohen?
O-Ton Legida-Demonstrantin:
Na, da gibt es 30 Prozent Ausländer und in der Innenstadt
gibt es 90 Prozent, da geht man nicht einmal allein durch zumal, wenn man jung ist und blond ist.
Diffuse Überfremdungsängste beherrschen die Marktplätze von
Dresden bis Köln.
O-Ton Legida-Demonstrant:
Der Islam ist eine gewalttätige Organisation, die unser Land
erobern will.
Solche Demonstranten hatten lange keine politische Heimat. Jetzt
bietet sich eine an.
O-Ton Prof. Hans-Gerd Jaschke, Politologe, Hochschule für
Wirtschaft und Recht Berlin:
Ein Einstellungspotenzial mit strikt rechten und
fremdenfeindlichen Werten gibt es seit Jahrzehnten schon.
Also, ein Wählerpotenzial rechts außen von 10, 15 Prozent,
ganz sicherlich, aber integriert in der Union, aber auch in
anderen Parteien. Und das heißt für die AfD, dass sie
natürlich versuchen wird, ein Sammelbecken, die Politik des
Sammelbeckens zu betreiben, also Strömungen aufzusaugen
im konservativen Bereich, auch im Bereich
Rechtsradikalismus, auch im Bereich Unzufriedene, im
Bereich Nichtwähler.
Kacem Bitich will nicht länger in einer Partei sein, die immer
weiter nach rechts rückt.
O-Ton Kacem Bitich, ehemaliger Stadtrat AfD Rösrath:
Die Konsequenz aus diesen ganzen Geschichten der letzten
Wochen mit Pegida und Kögida und den Äußerungen der
Bundespolitiker war die Konsequenz, dass ich die Partei
verlassen habe, weil ich das nicht mehr mittragen konnte.
Einer geht, aber viele werden kommen. Auch wenn die PegidaDemonstranten von den Straßen verschwinden – sie werden der
AfD erhalten bleiben: Als Wählerpotenzial am rechten Rand.
O-Ton Demonstranten:
Lügenpresse, Lügenpresse!
Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur
zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der
engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten
unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen
Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem
Stand des jeweiligen Sendetermins.