SÜDWESTRUNDFUNK SWR2 Wissen - Manuskriptdienst Stark dank Papa? Wie Väter ihre Töchter unterstützen können Autorin: Ingrid Strobl Redaktion: Anja Brockert Regie: Nicole Paulsen Sendung: Donnerstag, 11.09.2014, 8.30 Uhr, SWR 2 _________________________________________________________________ Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Wissen/Aula (Montag bis Sonntag 8.30 bis 9.00 Uhr) sind beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden für 12,50 € erhältlich. Bestellmöglichkeiten: 07221/929-26030 SWR 2 Wissen können Sie ab sofort auch als Live-Stream hören im SWR 2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/wissen.xml Manuskripte für E-Book-Reader E-Books, digitale Bücher, sind derzeit voll im Trend. 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Jedenfalls hat er immer gesagt, "du wirst mal richtig hübsch", oder "mir ist eigentlich auch egal, wie du aussiehst, weil ich liebe dich trotzdem". Zitator: Das Selbstbewusstsein von Frauen ist umso höher, je mehr sie von ihrem Vater positiv bestätigt wurden. Tanya Scheffler und Peter Naus, kanadische Humanwissenschaftler. O-Ton 2 (Jörg Lautwein) Lisa ist mit Kaiserschnitt auf die Welt gekommen, und ich war sozusagen die erste Person, die mit ihr in Kontakt kam, außer natürlich der Geburtshelfer. Und dann hatt ich dieses kleine Würmchen im Arm und hab mich dann direkt halt um die kümmern müssen. Normal werden die ja angelegt, die Babies, und ich hatte halt den kleinen Finger als Ersatz für die. Und das ist von Anfang an bis jetzt geblieben, ne, diese Verbindung. Regie: Musik langsam weg Ansage: Stark dank Papa? Wie Väter ihre Töchter unterstützen können. Eine Sendung von Ingrid Strobl. Erzähler: Töchter und ihre Väter, Väter und ihre Töchter. Eine ganz spezielle Beziehung - und Stoff für Dramen aller Art. Schon der antike Dichter Euripides erzählte davon. In seinem Stück „Iphigenie in Aulis“ bringt ein Vater seine geliebte Tochter als Opfer dar. In Shakespeares „King Lear“ wird die jüngste Tochter zu Unrecht vom Vater verstoßen, und in der Hollywood-Komödie "Vater der Braut" muss Daddy lernen, dass das Töchterchen ihn für einen anderen Mann verlassen will. Auch die Psychoanalyse befasst sich mit dem besonderen Verhältnis zwischen Töchtern und Vätern; Familienpsychologen und Therapeutinnen kümmern sich um gestörte Vater-Tochter-Beziehungen und die Folgen sexuellen Missbrauchs. Doch kaum eine wissenschaftliche Studie hat bisher die Frage untersucht, wie sich ein Vater verhalten sollte, damit seine Tochter zu einem selbstbewussten und selbstbestimmten weiblichen Wesen heranwachsen kann. Regie: Leise Musik (zum Beispiel Schönbergs Verklärte Nacht), darüber: 2 Zitator: Meine liebe Anna! An dir sehe ich jetzt, wie alt ich bin, denn du bist so alt wie die Psychoanalyse. Beide haben mir Sorgen gemacht, aber im Grunde erwarte ich doch mehr Freude von Dir als von ihr. Erzähler: Schrieb Sigmund Freud seiner Tochter Anna zu ihrem 25. Geburtstag. Freud war einer der ersten, der das Thema Väter und Töchter auf wissenschaftlicher Ebene aufgriff. Seine Theorie der kindlichen Sexualität und der Ausrichtung der Tochter auf den Vater prägte lange Zeit das Bild, das sich nicht nur Psychoanalytiker von Frauen machten. Der kleine Junge, so Freud, begehrt die Mutter und betrachtet den Vater als Konkurrenten und Widersacher. Als Vorbild für diese Konstellation nahm er die antike Sage von Ödipus, der - unwissentlich - seine Mutter heiratet und den Vater tötet. In seinem 1925 verfassten Aufsatz "Einige psychische Folgen des anatomischen Geschlechtsunterschiedes" erläuterte Sigmund Freud, warum seines Erachtens die sexuelle Entwicklung beim Mädchen völlig anders verläuft: Zitator: Das kleine Mädchen bemerkt den auffällig sichtbaren, groß angelegten Penis eines Bruders oder Gespielen, erkennt ihn sofort als überlegenes Gegenstück seines eigenen, kleinen und versteckten Organs und ist von da an dem Penisneid verfallen. Erzähler: Gleichzeitig hasst das Mädchen die Mutter dafür, dass sie es mit diesem "Mangel" geboren hat. Im weiteren Verlauf, so Freud: Zitator: Gibt [das Mädchen] den Wunsch nach dem Penis auf, um den Wunsch nach einem Kinde an die Stelle zu setzen, und nimmt in dieser Absicht den Vater zum Liebesobjekt. Die Mutter wird zum Objekt der Eifersucht, aus dem Mädchen ist ein kleines Weib geworden. Erzähler: Indem das Mädchen den Vater begehrt und sich von der Mutter löst, akzeptiert es, dass es selbst keinen Penis hat. Das ist die Voraussetzung dafür, dass es zu einem im Sinne der damaligen Zeit "normalen Weibe" heranwachsen kann, sprich: zur Gattin, Hausfrau und Mutter. Hält das Mädchen aber daran fest, selbst einen Penis - anders gesagt: ein selbstbestimmtes Leben - zu wollen, entwickelt es laut Freud einen "Männlichkeitskomplex", der zu Neurosen führen kann. Freuds dritte Tochter Anna hielt sich nicht an dieses Schema. Sie zog es vor, berufstätig zu sein, wurde selbst Psychoanalytikerin - und holte ihre Lebensgefährtin samt deren Kindern in das väterliche Haus. Nach Freuds Theorie ein klassischer Fall von nicht bewältigtem Penisneid. Heute mutet diese Theorie etwas aus der Zeit gefallen, genauso wie der von dem Analytiker Carl Gustav Jung beschriebenen Elektrakomplex. Regie: Leise Musik, darüber: Zitatorin: 3 Ich gieße diese Spenden für die Toten aus / Und rufe dich, mein Vater, mein erbarme dich / Und deines Sohns Orestes, dass er wiederkehrt! / Denn sieh, verstoßen leben wir und wie verkauft / Von unsrer Mutter; und zum Manne hat sie sich / Aigisth erlesen, der dich mit erschlagen hat / Und einer Magd gleich hält sie mich; Orestes / Ist verjagt aus seinem Erbe; während sie in Prunk / Und eitler Wollust deines Schweißes Frucht vertun! Erzähler: Die mykenische Prinzessin Elektra gilt als klassische Vatertochter. Der Dichter Aischylos ließ sie am Grab ihres Vaters Agamemnon dessen Tod beweinen und Anklage gegen die Mutter erheben. Das Thema tauchte schon bei Homer auf, mehrere griechische Dramatiker übernahmen es. Den Analytiker C. G. Jung inspirierte der Elektra-Mythos zu einer Replik auf den Wiener Kollegen Sigmund Freud. 1912 stellte Jung in einer Vorlesung in New sein weibliches Gegenstück zu Freuds Ödipus-Komplex vor: Zitator: Beim Mädchen entwickelt sich die spezifische Zuneigung zum Vater und die entsprechende Eifersuchtseinstellung gegen die Mutter. Man könnte diesen Komplex dann den Elektrakomplex nennen. Elektra hat ja bekanntlich Blutrache genommen an ihrer Mutter Klytämnestra für den Gattenmord, der Elektra des geliebten Vaters beraubte. Erzähler: Heute werden diese Theorien nur noch von wenigen vertreten. Bereits in den 1970er Jahren kritisierten Kate Millett und andere Theoretikerinnen der Frauenbewegung den Freud’schen „Penisneid“ als Männerfantasie. Das männliche Geschlecht werde damit zum überlegenen erklärt, Frauen zu Mängelwesen degradiert und die gesellschaftlichen Bedingungen, die zur Entstehung von Rollenmustern führten, ignoriert. Sigmund Freud selbst wurde übrigens als Vater eines Besseren belehrt. Er wünschte sich zwar lange Zeit, seine Tochter Anna würde endlich eine "richtige Frau" werden. Als sie aber beharrlich an ihrer beruflichen Karriere und einem Leben ohne Mann und Kind festhielt, lernte er sie schließlich als kompetente Kollegin schätzen. Er war stolz auf sie und dankbar für ihre Unterstützung. Regie: Musik / Akzent O-Ton 3 (Thalia Krapohl) Meine Beziehung zu meinem Papa ist eigentlich ganz gut. Wir haben viel zu reden. Also eigentlich red ich meistens (lacht) und Papa hört ganz gut zu. Und, ja, wir haben auch gemeinsame Interessen, was natürlich auch förderlich ist für Gesprächsfindung und so was. Erzähler: Thalia Krapohl, geboren 1993, Studentin. Ihr Vater, Lothar Krapohl, ist Jahrgang 1949 und Erziehungswissenschaftler an der Hochschule für Soziale Arbeit in Aachen. O-Ton 4 (Lothar Krapohl) Die Einstellung, die meine Frau und ich damals hatten, war, dass Hausarbeit ein gemeinsames Thema war, und Berufstätigkeit auch. Wir sind ja nun auch durch die Frauenbewegung gegangen, als Männer, und sind (lachend) davon nicht unberührt 4 geblieben. Also spätestens da war klar, die Modelle Frau und Haushalt und Mutter und Kind, und wir dann draußen in Beruf und Karriere, das haut nicht hin. Das war vorbei. Erzähler: Infolge der Frauenbewegung wurden auch in manch anderer Familie die alten Rollenbilder infrage gestellt oder sogar verworfen. Bereits Ende der Achtzigerjahre blieb zum Beispiel der Bonner Familientherapeut Dieter Dicke ein paar Jahre zuhause, um sich um die Kinder zu kümmern. Ursprünglich wollten er und seine Frau Teilzeit arbeiten. Doch dann bekam seine Frau eine Vollzeitstelle als Lehrerin. O-Ton 5 (Dieter Dicke) Und dann hab ich gesagt, okay, ich wollte mit meinen Kindern immer schon mehr zu tun haben, das war irgendwas, was in meinem Leben relativ früh Thema war oder Raum eingenommen hat. Also insofern ist es in unserem Familienleben immer normal gewesen sowohl, dass die Mutter arbeitet, als auch, dass der Vater zuhause ist und alles macht, was man so macht. Und dass es auch kein Thema war, also wir haben darüber nie diskutiert. Im Sinne von Konfliktdiskussionen. Erzähler: So weit wie er ging damals kaum ein Vater. Doch auch schon weniger ist hilfreich. Studien in den USA zeigen, dass es für Töchter von Vorteil ist, wenn ihre Eltern die herkömmliche Rollenverteilung außer Kraft setzen. Oder sie zumindest nicht uneingeschränkt leben. So untersuchten etwa die amerikanischen Psychologinnen Lois W. Hoffman und Lise M. Youngblade Ende der 90er Jahre, welche Wirkung die Berufstätigkeit der Mutter auf die Kinder hat. Und fanden, quasi nebenbei, heraus: Zitatorin: Je umfangreicher die Berufstätigkeit der Partnerin ist, desto mehr beteiligt sich der Mann an Hausarbeit und Kindererziehung. Eine vermehrte Partizipation des Vaters und ein egalitäreres Geschlechtsrollenkonzept in der Familie wiederum führen zu einer egalitäreren Sichtweise der Töchter bezüglich der weiblichen Rolle. Erzähler: Auch auf die schulischen Leistungen hat es offenbar Einfluss, wenn sich Väter stärker an Haushalt und Kindererziehung beteiligen. Das hat der Erziehungswissenschaftler Sebastian Bergold von der Universität Dortmund in seinen Untersuchungen zu diesem Thema festgestellt: O-Ton 6 (Sebastian Bergold) Immer wenn Kinder mitbekommen, dass in ihrer Familie traditionelle Rollenmuster aufgebrochen werden, wirkt sich das positiv aus. In dem Sinne, dass sie dann eben auch unbekümmerter an Aufgaben herangehen, die von anderen eher als geschlechtsspezifisch betrachtet werden. Forschung von Kolleginnen und Kollegen zeigt, dass Mädchen zum Beispiel in Mathematik dann bessere Leistungen erzielen konnten. Erzähler: Wie aber wirken sich Verhalten und Einstellungen des Vaters ganz konkret auf die Tochter aus? Und was kann ein Vater tun, um seine Tochter gezielt zu fördern? Die Wissenschaft hat darauf nur spärliche Antworten. Einige wenige US-amerikanische Studien ergaben in den 80er und 90er Jahren, dass zum Beispiel die Karriere5 Orientierung von Collegestudentinnen stärker von der Einstellung des Vaters zu Beruf und Karriere abhängt als von der Einstellung der Mutter. Und dass die bedingungslose Zuneigung des Vaters „positive Auswirkungen“ auf das Selbstbewusstsein der Tochter hat. Linda Nielsen, Psychologin an der Wake Forest University in North Carolina, fasst auf ihrer Website die bislang vorliegenden Untersuchungsergebnisse zu Vätern und Töchtern zusammen. Demnach haben Töchter, die von einem liebevollen Vater unterstützt werden, anderen Mädchen einiges voraus: Zitatorin: Sie sind in Studium und Beruf erfolgreich; sie vermeiden emotional und physisch missbräuchliche Beziehungen und können dem Druck der Peergroup, Drogen zu nehmen, zu trinken und verfrüht Sex zu haben, widerstehen. Sie verfügen über Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit und sind in ihrer Selbstbewertung weniger abhängig vom Urteil eines Jungen. Sie können ihre Ansichten vertreten und zu ihren Haltungen stehen, Herausforderungen annehmen und gut mit Autoritätspersonen umgehen. Und sie neigen weniger zu Depressionen und Essstörungen. Erzähler: Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch: oftmals wurden diese Studien von weißen, privilegierten College-Studentinnen und Studenten erstellt, die - per Fragebogen - vor allem Ihresgleichen befragten. Häufiger noch ergaben sich die Befunde aus Umkehrschlüssen. So erforschten die Psychologinnen Rose Merlino Perkins und Rebecca Dumlao zum Beispiel, welche Auswirkungen ein abwesender oder ein missbrauchender Vater auf die Entwicklung seiner Tochter haben kann. Und stellten dabei auch fest: Zitatorin: Töchter mit einer guten Vater-Beziehung sind selbstbewusster, selbstsicherer und erfolgreicher in Schule und Karriere als Töchter mit einer schlechteren VaterBeziehung. Erzähler: Die kanadischen Humanwissenschaftler Tanya S. Scheffler und Peter Naus kommentierten die Forschungslage 1999 ziemlich ernüchtert: Zitator: Bis heute konzentriert sich der größte Teil der wissenschaftlichen Literatur zur VaterTochter-Beziehung auf persönliche Erfahrungsberichte oder den Elektra-Komplex. Es wurde viel über Inzest geschrieben und relativ wenig über "normale" Vater-TochterBeziehungen. Es ist durchaus bemerkenswert, dass etwas, das häufig als "machtvolle Beziehung im Leben einer Frau" beschrieben wird, kaum Gegenstand wissenschaftlicher Forschung ist. Erzähler: Und sie stimmen dem Befund der US-amerikanischen Psychologin Victoria Secunda zu, die 1992 schrieb: Zitatorin: Von allen innerfamiliären Bindungen ist die Vater-Tochter-Beziehung noch immer diejenige, die am wenigsten verstanden und am wenigstens untersucht wird. Ende OC] 6 Erzähler: Bis heute hat sich die wissenschaftliche Lage kaum verbessert. Es sind vor allem Praktiker, die sich dafür interessieren, wie sich das väterliche Verhalten konkret auf die Tochter auswirkt: Jugendpsychologinnen, Familientherapeuten, Väter und Mütter. O-Ton 7 (Dieter Dicke) Ich glaub, der Ursprung ist eigentlich die Mann-Frau-Beziehung. Die Beziehung zwischen Vater und Mutter. Erzähler: Sagt der Bonner Familientherapeut Dieter Dicke. O-Ton 8 (Dieter Dicke) Das ist eine ganz wesentliche Grundlage: Wie reden Vater und Mutter miteinander? Und natürlich auch, wie redet der Vater mit seiner Tochter? Und ein Bewusstsein darüber zu haben, dass das, die Art und Weise, wie er spricht, wie er sich verhält, für seine Tochter bedeutsam ist. O-Ton 9 (Angelika Greiwe-Krapohl) Die väterliche Position ist auch deswegen so wichtig, weil sie von der Mutter trennt. Und damit auch ne eigene Identifikationsbildung überhaupt erst in ‘nem guten Sinne möglich macht. Sonst bleibt das Mädchen zu stark an die Mutter gebunden. Und kann dadurch die eigene Persönlichkeit nicht so gut entfalten. Also, diese dritte Person, wir nennen das in der Therapie das Triangulierende, ist unglaublich wichtig für die eigene Identitätsbildung. Erzähler: Angelika Greiwe-Krapohl ist Psychotherapeutin und Psychoanalytikerin und arbeitet vorwiegend mit Kindern und Jugendlichen. O-Ton 10 (Angelika Greiwe-Krapohl) Natürlich ist in erster Linie die Identitätsfindung stark gebunden an die Mutter. Was ist das für eine Frau, was ist die Mutter für ein Vorbild, oder die weibliche Bezugsperson, es ist ja auch nicht immer die Mutter. Das hat sicherlich eine ganz starke Wirkung. Aber genau so stark ist auch die Wirkung des Vaters: wie gucke ich meine Tochter an, habe ich einen Glanz in den Augen, wenn ich sie angucke, freue ich mich über sie? Das ist schon so entscheidend für die Entwicklung des Selbstbewusstseins. Dass ich die Freude in den Augen meines Vaters auch sehe, nicht nur in den Augen meiner Mutter. Erzähler: Aus ihrer Praxis weiß Angelika Greiwe-Krapohl, dass vielen Vätern gar nicht bewusst ist, dass sie für ihre Tochter eine wichtige Rolle spielen könnten. Häufig beobachtet sie … O-Ton 11 (Angelika Greiwe-Krapohl) …dass die Väter sich mit den Söhnen stärker identifizieren und auch ihnen was weitergeben wollen. Und dass sie bei den Töchtern oft hilflos sind, was kann ich den Töchtern weitergeben? Erzähler: 7 Diese Erfahrung hat auch ihr Mann gemacht, der Erziehungswissenschaftler Lothar Krapohl: O-Ton 12 (Lothar Krapohl) Ich hatte tausend Ideen, wie man spielerisch die Welt mit ‘nem Jungen erkunden kann. Deutlich weniger Ideen, wie man mit ‘nem kleinem Mädchen und später dann auch größeren Mädchen als Vater die Welt erkunden kann. Erzähler: Nach der Geburt seiner beiden Töchter ließ Lothar Krapohl die Dinge erst einmal auf sich zukommen. O-Ton 13 (Lothar Krapohl) Ich dachte, gut, da ist eine Mutter, und da ist ein Vater, und das, was jeder geben kann, gibt er, und das wird schon hinhauen. Insofern hab ich mir da nicht viele Gedanken drum gemacht. Sondern das ist eher geschlechtsunabhängig gewesen, was so meine rudimentären Vorstellungen waren von selbständigen Menschen, kritischen Menschen, wie geht das, die dahin zu bringen. Erzähler: Allerdings war es ihm wichtig, sich die Erziehung der Töchter mit seiner Frau zu teilen. O-Ton 14 (Lothar Krapohl) Also, wie sich ein Mädchen anzieht, das war nicht so sehr mein Gebiet, und das hab ich auch meiner damaligen Frau überlassen. Aber bei allen anderen Fragen fühlte ich mich genauso gefragt, da wollt ich schon auch mitreden. Weil ich denke, es ist wichtig, dass die eben beide Seiten kennenlernen, ne männliche Sicht, ne weibliche Sicht, Papa und Mama. Erzähler: Die Töchter Maite und Thalia erinnern sich gerne an ihren "Spiele-Papa", der mit ihnen raus in den Wald ging, Pflanzen und Tiere erklärte, Geschichten vorlas, mit ihnen malte und Musik machte. O-Ton 15 (Maite Krapohl) Wir haben unseren Hasenstall selber gebaut und unser Gehege selber gebaut. Ich war das klassische Pferdemädchen, aber es war dann ganz gut, den Ausgleich zu haben, wenn (lachend) Papa dann mit einem auch was Handwerkliches gemacht hat. Erzähler: Auch der Kinder-und Familientherapeut Dieter Dicke hat bei der Geburt seiner Kinder Gianna und David in den späten Achtzigerjahren nicht darüber nachgedacht, wie er die Tochter nun ganz spezifisch fördern könnte. Allerdings: O-Ton 16 (Dieter Dicke) In der damaligen Zeit gab´s natürlich das Thema männlich - weiblich, also wie viel Männlichkeit oder Weiblichkeit ist sozusagen angeboren, und wie viel nicht. Insofern haben wir natürlich auch damals versucht, in Hinblick auf Spielzeug und alles Mögliche, das gleich zu verteilen. Konkret hieß das, dass wir eben schon auch Gianna Autos und Bau-Spielzeuge gegeben haben. 8 Erzähler: Ein Erziehungsstil, der die Geschlechtsstereotypen nicht unterstützt, ist für die Entwicklung der Töchter wichtig, meint auch Erziehungswissenschaftler Sebastian Bergold von der Universität Dortmund: O-Ton 17 (Sebastian Bergold) Und wichtig ist auch, dass Väter ihren Töchtern genau das gleiche zutrauen wie Söhnen. Und das den Töchtern auch überzeugend kommunizieren. Regie: Musik / Akzent O-Ton 18 (Lisa Lautwein) Ich hab ziemlich lange Barbie gespielt. Genauso gut konnt ich aber auch mit den Jungs auf der Straße Fußball spielen. Und er hat mich eigentlich auch immer unterstützt. Bei sportlichen Sachen oder bei Klamottenfragen oder sonst irgendwas. Erzähler: Lisa Lautwein ist 23 und Bürokauffrau. Als sie zweieinhalb Jahre alt war, trennten sich ihre Eltern, Lisa blieb beim Vater, der als Bäckermeister nicht unbegrenzt Zeit für sie hatte. Trotzdem, sagt Lisa Lautwein lächelnd, wusste er immer, womit sie sich gerade beschäftigte. Und zwängte sie dabei in keine Rolle. O-Ton 19 (Jörg Lautwein) Ich hatte nie ne Vorstellung, wie sie sein sollte. Ich wollte einfach nur, dass sie halt locker ist, umgänglich, sozial. Erzähler: Diese Haltung von Lisas Vater würde der amerikanische Bestsellerautor und Coach Joe Kelly vermutlich befürworten. Joe Kelly ist selbst Vater von Zwillingstöchtern. Auf seiner Website nennt er sich „The Dad-Man“, der Papa-Mann. Er sitzt in unzähligen Gremien zum Thema Väter und Töchter, hält Vorträge und wendet sich in seinen Büchern und Videos an Familien aller Schichten und Hautfarben. Er gibt praktische Tipps und hat einen Test für Väter ins Netz gestellt: Regie: Leise Musik, darüber: Zitator: Ich kenne die Ziele, die meine Tochter gerade verfolgt. Erzähler: Ich kenne die Namen ihrer drei engsten Freundinnen. Zitator: Ich spreche mit meiner Tochter über Geld. Erzähler: Ich kommentiere das Gewicht meiner Partnerin. Zitator: Ich empfehle meiner Tochter, eine Diät zu machen. 9 Erzähler: Ich brülle meine Partnerin an. Regie: Musik langsam weg Erzähler: Insgesamt 36 Fragen beinhaltet der Test. Die Auswertung der Punkte reicht von „Ihre Beziehung zu Ihrer Tochter beruht offenbar auf einer soliden Grundlage“ bis „Sie sollten ernsthaft eine Veränderung erwägen. Ihre Handlungen und ihr Verhalten können ihre Tochter zugrunde richten.“ Joe Kellys Bücher tragen Titel wie: "Väter und Töchter. Wie Sie Ihre Tochter inspirieren, verstehen und unterstützen können". Und auf seiner Website gibt er schon mal konkrete Tipps dazu: Zitator: Hör deiner Tochter zu. Finde heraus, was wichtig für sie ist, was sie denkt, glaubt, fühlt, tut und wovon sie träumt. Ermutige sie und fördere ihre Stärken. Hilf ihr, Hindernisse zu erkennen und zu überwinden, ihre Ziele zu erreichen, sich selbst und anderen zu helfen. Respektiere ihre Einmaligkeit. Ermutige sie, sich und ihren Körper zu lieben. Fördere sie von klein auf darin, Sport zu treiben und körperlich aktiv zu sein. Nimm sie mit zur Arbeit. Zeige ihr, was du da machst. Zeige ihr, wie du mit Geld umgehst. Trag dazu bei, dass die Welt ein guter und sicherer Ort für Mädchen wird. Erzähler: Viele dieser Tipps, das wissen Eltern aus Erfahrung, kann man ganz gut umsetzen, solange die Tochter noch ein Kind ist. Doch dann kommt die Pubertät. Und auch die liebevollste Vater-Tochter-Beziehung gerät in Turbulenzen. Selbst Papa-Tochter Lisa Lautwein erinnert sich an schwierige Phasen in der Pubertät. Und daran, dass ihr Vater damals für sie das Richtige tat: O-Ton 20 (Lisa Lautwein) Klar, es gab Tage oder Wochen, da haben wir nicht mit einander geredet. Oder halt nur das nötigste. Aber der war halt immer da. Und das war glaub ich auch sehr prägend für mich. Erzähler: In ihrem Blog "Strong Fathers, Strong Daughters" - "Starke Väter, starke Töchter" wendet sich die amerikanische Kinder-und Jugendärztin Meg Meeker an Väter pubertierender Töchter. Und gibt zunächst einen etwas ernüchternden Hinweis: Zitatorin: Egal wie sehr Sie sich bemühen, ihre Tochter vor schädlichen Einflüssen einer Welt zu bewahren, die Frauen herabwürdigt und zu Sexualobjekten macht: es wird Ihnen nicht gelingen. Erzähler: Allerdings könnten Väter in der Zeit der Pubertät, wenn sich der Körper der Tochter verändert und die Seele in Aufruhr ist, ein paar hilfreiche Verhaltensweisen an den Tag legen: Zitatorin: 10 Sagen Sie ihr, dass Sie sie lieben. Drücken Sie Ihre Bewunderung für sie aus und zeigen Sie ihr, dass Sie an sie glauben. Machen Sie keine Bemerkungen über ihr Gewicht. Niemals! Benutzen Sie keine Koseworte für Körperteile und nennen Sie sie nie "sexy". Äußern Sie sich nicht zu oft zu ihrem Aussehen. Sie soll nicht das Gefühl haben, das spiele eine vorrangige Rolle für Sie. Erzähler: Die Tochter soll aber auch nicht das Gefühl bekommen, dass ihr Vater sich jetzt von ihr zurückzieht, sagt die Kinder-und Jugendpsychologin Angelika Greiwe-Krapohl. Oder dass ihm ihr Aussehen völlig egal ist. O-Ton 21 (Angelika Greiwe-Krapohl) In der Pubertät ist wichtig so ne väterliche Anerkennung zu spüren, damit ich mir zum Beispiel leistungsmäßig was zutraue. Aber auch mitbekomme, aha, ich werde ein weibliches attraktives Wesen. Und mein Vater kann auch das rückmelden. Also, er kann sagen, "du siehst toll aus, du bekommst eine gute Figur, schön". Das muss nicht gleich, und das ist heutzutage unsere Schwierigkeit, in den missbräuchlichen Bereich gehen, sondern das kann auch einfach so sein, dass man sich freut, als Vater, zu sehen, meine Tochter macht eine gesunde, gute körperliche weibliche Entwicklung. Und dann haben die Mädchen es leichter, wenn sie dann selber Interesse haben an ‘nem jungen Mann oder einem Jungen, dass sie der Anerkennung nicht so hinterher laufen. Weil die haben sie ja vom Vater schon mal bekommen. Sondern sie können einfach auch selbstbewusster auswählen. Und ihre eigenen Grenzen dann auch stärker spüren. Und aber auch ihre Möglichkeiten. Erzähler: Das Heranreifen zur Frau kann allerdings dazu führen, dass Mädchen in alte oder auch neue, sexualisierte Rollenklischees verfallen. Deshalb ist es gerade in der Pubertät wichtig, die Tochter vor dieser Falle zu bewahren. O-Ton 22 (Angelika Greiwe Krapohl) Väter könnten mit ihren Töchtern die sportlichen Sachen stark betonen, sofern sie auch selber Lust dran haben. Aber auch es könnten die intellektuellen Sachen sein. Dass man diskutiert, dass man über politische Themen spricht, dass ich halt meiner Tochter das Gefühl gebe, du bist ein ernstzunehmender Diskussionspartner. Das können sicher auch die Mütter, natürlich. Aber die Väter fordern dann vielleicht auch ein bisschen mehr. Dass sie sagen, "dann sag doch mal, wie du argumentierst zu ‘nem bestimmten Thema! Ich bin gespannt". Also, so auch in ´nem konkurrierenden, Anreiz gebenden Setting. Erzähler: Ermutigen, nicht entmutigen – im eigenständigen Denken ebenso wie im positiven Verhältnis zum Körper. Präsent sein, wenn die Tochter den Vater braucht, ihn um Rat und Unterstützung bittet. Sich an der Erziehung beteiligen, von Anfang an. Das sind für den Erziehungswissenschaftler Lothar Krapohl wesentliche Punkte im Umgang von Vätern mit ihren Töchtern. O-Ton 23 (Lothar Krapohl) Und, das ist, glaub ich, der wichtigste Punkt, dass die das Gefühl haben, egal, was sie machen, sie sind geliebt. Und zwar in ihren unterschiedlichen Facetten: als werdende Frauen, als Frauen, die ein Studium machen oder einen Beruf ergreifen, oder auch, 11 wenn sie die Mutterrolle anstreben, also da nicht vorweg Lebenspläne begrenzen. Sondern die in ihren Überlegungen begleiten. Was nicht immer heißt, zu allem Ja und Amen zu sagen, also schon auch Stellung beziehen, Dinge zu bedenken geben. Aber eben sie als Personen darin wertschätzen. Regie: Leise Musik, darüber: Erzähler: Maite, Lothar Krapohls älteste Tochter, ist heute 26, Schulsozialarbeiterin – und hat noch einen Punkt hinzuzufügen: O-Ton 24 (Maite Krapohl) Mit das wichtigste ist auch, dass der Papa stolz auf seine Tochter ist. Und das auch sagen kann. Ich glaub, dass, jetzt aus meiner Sicht, das schönste ist, natürlich nach "Ich hab dich lieb" oder so: "Ich bin stolz auf dich". Ja. Das ist auch das, wonach sich ne Tochter am meisten sehnt. Regie: Musik noch einmal hoch, dann weg! ***** Literaturangaben: Sigmund Freud und Anna Freud: Briefwechsel, Frankfurt am Main 2006, S. Fischer Verlag, 34,90 Euro Joe Kelly: Dads and Daughters, Broadway Paperback 2007, 12,34 $ 12
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