Weltflucht oder Berufung: Über Menschen, die sich heute noch einem Orden anschließen Lebenszeichen Von Ernst Dohlus 18.01.2015 Zitat: „Höre auf die Weisung des Meisters!“ Aus der Ordensregel des Heiligen Benedikt. O-Ton: Also, Benediktiner möchte ich werden, weil ich schon immer Sehnsucht hatte nach der Stille und dem Gebet in der Stille. O-Ton: Das Wichtigste ist für mich, Christus ganz nachzufolgen, und nicht mit einer Hintertür. Zitat: Neige das Ohr deines Herzens. O-Ton: Dann war ich hier zu einem Seminar im Kloster, und da hat es mich quasi gepackt. Da wehrt man sich dagegen, denn wer will das schon machen, und dann lässt es einen nicht mehr los. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2012 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. Weltflucht oder Berufung: Über Menschen, die sich heute noch einem Orden anschließen Lebenszeichen Von Ernst Dohlus 18.01.2015 O-Ton: Ich habe irgendwann begonnen zu merken, dass ich ein Leben führen möchte, das nicht irgendwie mit der Gottesfrage sich nebenbei beschäftigt, sondern in dem Gott wirklich in der Mitte steht. O-Ton: Gott ist mir ein Leben lang nachgegangen und ich konnte nichts mehr entgegensetzen. Mir ist kein Argument mehr eingefallen, es nicht zu versuchen. Zitat: Nimm den Zuspruch des gütigen Vaters willig an! Und erfülle ihn durch die Tat! O-Ton: Das war bei mir die Suche nach der wahren Liebe und der wahren Freude im Leben, die ich im bisherigen Leben so nicht gefunden habe, in meinem damaligen Berufs- und Arbeitsumfeld. O-Ton: Ein Zuhause zu haben, wo ich Glauben so intensiv leben kann, wie ich möchte; und auch nach außen hin geradezustehen durch das Ordenskleid. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2012 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 2 Weltflucht oder Berufung: Über Menschen, die sich heute noch einem Orden anschließen Lebenszeichen Von Ernst Dohlus 18.01.2015 Zitat: Und erfülle den Zuspruch des Vaters durch die Tat! Sprecherin: Die Motive derer, die sich einem Orden anschließen wollen, sind so unterschiedlich wie sie selbst. 80 Männer und 60 Frauen entschieden sich 2013 dafür, in einen Orden, in ein Kloster einzutreten. Kandidatur, Postulat, Noviziat heißen die Stufen vor der Profess, dem Versprechen also, sich dauerhaft an einen Orden zu binden. So richtig jung ist der Nachwuchs jedoch nicht. O-Ton: Also, bei den vier Postulantinnen gegenwärtig ist die Altersspanne zwischen 25 und 42. Und die Novizin ist schon 50. O-Ton: In den 80er Jahren kamen sie sicher nach dem Abitur, nach der Ausbildung mit Anfang 20, in den 90er Jahren verschob sich das bis Mitte 20, nach Abschluss des Studiums oder in der Mitte des Studiums. Heute haben wir ganz oft Bewerber, die sind Ende 30 bis Mitte 40. O-Ton: Garantiert sind die Bewerberinnen und die, die eintreten, älter. Das intellektuelle Niveau ist tatsächlich auch bei den Frauen deutlich gestiegen. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2012 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 3 Weltflucht oder Berufung: Über Menschen, die sich heute noch einem Orden anschließen Lebenszeichen Von Ernst Dohlus 18.01.2015 Ob die reifer sind, die heute kommen, also das weiß ich nicht. Was es gibt, ist eine Verschiebung an die Ränder, eher sehr reif oder sehr unreif, von daher ist es im Entscheidungsprozess der Gemeinschaft leichter geworden. Sprecherin: Zwischen 22 und 49 Jahre alt sind die 14 Ordensneulinge, die Sie in dieser Sendung hören. Vier sind Konvertiten oder wurden erst als Erwachsene getauft. Einige kommen aus religiösen, einige aus liberalen Elternhäusern. Sie wollen Benediktiner, Dominikaner, Jesuiten werden, sie sind oder werden Schwestern in Bestwig, Münster, Waldbreitbach, Koblenz oder Bad Saulgau. O-Ton: Was bei uns Voraussetzung ist, dass die Frau eine abgeschlossene Berufsausbildung hat, bereits im Beruf gestanden hat, eigenes Geld verdient hat einfach Lebenserfahrung hat und weiß, was sie hinter sich lässt, wenn sie eintritt. Sprecher: Schwester Ursula betreut den Nachwuchs bei den Arenberger Dominikanerinnen in Koblenz. Die Voraussetzungen für einen Ordenseintritt sind bei den Männerorden ähnlich. Nur bei Priesterorden gibt es Ausnahmen: Wer Theologie studiert, wird auch schon mit 21 Jahren aufgenommen. Nötig ist aber besonders das Gefühl, berufen zu sein. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2012 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 4 Weltflucht oder Berufung: Über Menschen, die sich heute noch einem Orden anschließen Lebenszeichen Von Ernst Dohlus 18.01.2015 O-Ton: Berufung kann jeder unterschiedlich erfahren. Ich kann da nur von mir sprechen. Dass da kein Blitz vom Himmel gefahren ist oder ich hatte eine Erscheinung. Sondern dass ich einfach auf mein Inneres gehört habe, auf mein Herz. Zitat: Stehen wir also endlich einmal auf! Die Schrift rüttelt uns wach und ruft: "Die Stunde ist da, vom Schlaf aufzustehen." O-Ton: Also, bei manchen ist das ein sehr nüchterner Prozess, ich merke, dass eine bestimmte Form zu mir passt. Bei manchen hat es durchaus so etwas gegeben, was man sich landläufig unter Berufung vorstellt, also dass es einschneidende Erlebnisse gab, die eine Veränderung bewirkt haben. Sprecher: Schwester Katharina hat vor einigen Jahren 150 Frauen zu ihren Motiven befragt, in einen Orden einzutreten. Sie vergleicht Berufung mit der Entscheidung für eine Partnerschaft. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2012 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 5 Weltflucht oder Berufung: Über Menschen, die sich heute noch einem Orden anschließen Lebenszeichen Von Ernst Dohlus 18.01.2015 O-Ton: Es gibt Liebe auf den ersten Blick. Wenn es den gibt, sollte man lieber noch den zweiten tun, wie bei einem Ehemann. Aber es ist ganz oft eher ein Herantasten und ein Merken, wir passen zusammen. Sprecherin: Menschen, die sich einem Orden anschließen wollen, kommen aus sehr unterschiedlichen Berufen und Lebensumständen. O-Ton: Ich bin aufgewachsen in Mecklenburg, in der katholischen Diaspora, in einem katholischen Umfeld, bin aber spät getauft. Ich habe in Mecklenburg noch Abitur gemacht, bin dann nach Kiel, eine Ausbildung machen, kaufmännische Ausbildung und habe dann in der Verwaltung gearbeitet. O-Ton: Ich komme aus dem Münsterland. Mein Vater ist Diakon hauptberuflich, habe also von Kindheit an viel mit Kirche zu tun gehabt, habe aber auch so viel die Schattenseiten kennengelernt. Es war ein Kirchenbild, das mich sehr abgestoßen hat, das mir den Zugang zum Glauben erschwert hat. Zitat: Öffnen wir unsere Augen dem göttlichen Licht! © Westdeutscher Rundfunk Köln 2012 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 6 Weltflucht oder Berufung: Über Menschen, die sich heute noch einem Orden anschließen Lebenszeichen Von Ernst Dohlus 18.01.2015 O-Ton: Ich war Einkäuferin in der Mode- und Textilbranche. O-Ton: Ich bin von der Berufsausbildung her biologisch-technische Assistentin. In dem Beruf habe ich dann auch drei Jahre gearbeitet. O-Ton: Ich habe ursprünglich mal Schauspieler gelernt, war Regieassistent am Theater und dann auch freischaffender Regisseur. Auf dem Weg hat sich herauskristallisiert, dass ich Sehnsucht hatte, erst mal religiöses Leben zu leben und dafür musste ich mich erst mal taufen lassen. Und das habe ich Ende 30 selber entschieden. Zitat: Und hören wir mit aufgeschrecktem Ohr, wozu uns die Stimme Gottes täglich mahnt und aufruft. O-Ton: Vorher war ich Fertigungsmechaniker in Freiburg und das knapp 12 Jahre lang. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2012 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 7 Weltflucht oder Berufung: Über Menschen, die sich heute noch einem Orden anschließen Lebenszeichen Von Ernst Dohlus 18.01.2015 O-Ton: Ich habe Bäcker gelernt, habe dann noch Konditor gemacht und 2005 meine Ausbildung zur Altenpflegerin abgeschlossen. Sprecherin: Die Modeeinkäuferin, der Regisseur, die kaufmännische Angestellte sind Konvertiten, alle drei um die 40. Zwei Novizinnen haben langjährige Partnerschaften hinter sich, eine hatte einen Heiratsantrag. Einige vermissen die engen Verbindungen zur Herkunftsfamilie, zu den Freunden, sie haben viel aufgegeben, schöne Wohnungen, interessante Berufe. Sprecher: So richtig katholisch sind viele am Ordensleben Interessierte nicht mehr, stellt Pater Jonas fest, Novizenmeister in der Benediktiner-Abtei Königsmünster: O-Ton: Es sind ganz oft Suchende. Und so ist der Anfang des Noviziats gar nicht so sehr Einführung in das Mönchtum, sondern Einführung in den christlichen Glauben. Sprecherin: Bei den Frauen ist das Motiv für den Ordenseintritt häufiger der Wunsch nach einem erfüllten Gebetsleben in einer Gemeinschaft, bei den Männern oft die Suche nach © Westdeutscher Rundfunk Köln 2012 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 8 Weltflucht oder Berufung: Über Menschen, die sich heute noch einem Orden anschließen Lebenszeichen Von Ernst Dohlus 18.01.2015 Gott. In Deutschland gibt es 60 verschiedene Männerorden und mehr als 300 selbständige Frauenorden und Klöster. Wie finden die, die Interesse am Ordensleben haben, die richtige Gemeinschaft für sich? O-Ton: Ich habe Jesuiten erlebt, die mich fasziniert haben in der Art, wie sie sind, wie sie leben. O-Ton: Als der Ordenswunsch vor sieben Jahren wieder aufkam, dachte ich zuerst an mein Traumkloster, die Benediktinerinnen, und hab dann tatsächlich dort eine Probezeit gemacht und hab gemerkt: Och, das geht gar nicht das ist mir alles zu eng, von den Räumlichkeiten bis zum Beichtvater, alles benediktinisch, nur benediktinisch. Ich kam mir vor wie mit Scheuklappen. O-Ton: Nach Königsmünster bin ich gekommen, weil ich hier kontemplative Exerzitien gemacht habe, das ist also Meditation im Schweigen, so 10 Tage lang. Da hat im Grunde der Blitz eingeschlagen. O-Ton: Ich bin über die Internetseite der Deutschen Ordensoberenkonferenz gegangen und habe nach Klöstern auf Zeit gesucht und bin in meinem Postleitzahlengebiet 5 geblieben und da war Koblenz nicht weit. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2012 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 9 Weltflucht oder Berufung: Über Menschen, die sich heute noch einem Orden anschließen Lebenszeichen Von Ernst Dohlus 18.01.2015 O-Ton: Bei den Dominikanern hatte ich einige Freunde gefunden durch das Studium und habe einige Leute kennengelernt, die sehr inspirierend sind, die sehr klar sind in ihrer Meinung, im Fach Theologie immer vorn dabei sind. Sprecherin: Die Wahl des Ordens hängt oft von Vorerfahrungen ab. Meist ist es das Beispiel von Ordensmitgliedern, die die Bewerber zuvor schon kennengelernt haben. Oder das Erlebnis von Exerzitien, Begegnungswochenenden, Kloster auf Zeit – Aufenthalten. Ganz selten ist die Farbe des Ordenskleides ausschlaggebend. Aber auch das gibt es. „Mich hat der weiße Habit angezogen“ sagt eine Postulantin, „in einen Orden mit schwarzer oder grauer Kleidung wäre ich nie eingetreten.“ Sprecher: Ansprüche stellen aber immer beide Seiten: der Bewerber und der Orden. Die Tatsache, dass die Orden dringend Nachwuchs brauchen - Sprecherin: Jedes Jahr sterben 1000 Ordensschwestern, nur 60 kommen nach. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2012 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 10 Weltflucht oder Berufung: Über Menschen, die sich heute noch einem Orden anschließen Lebenszeichen Von Ernst Dohlus 18.01.2015 Sprecher: Diese Tatsache also hat die Hürden nicht kleiner gemacht, die Orden sind nicht sorgloser bei der Aufnahme, sondern kritischer. Denn viele Bewerber kommen mit durchaus zweifelhaften Motiven. Sprecherin: Meditationserfahrene Frauen suchen den Sinn des Lebens, wollen sich aber nicht binden. Einsame Menschen suchen Gemeinschaft und Versorgung. Manchmal suchen auch psychisch Kranke Halt in einem geregelten Leben hinter Klostermauern. Sprecher: Für die Aufnahme richten sich die Orden oft nach ganz traditionellen Regeln. O-Ton: Ein bisschen christlich sollte man schon sein, um in eine christliche Ordensgemeinschaft einzutreten, das wäre hilfreich. O-Ton: Ob er Gott sucht, darauf soll man schauen, ob diese Suche, diese Spiritualität da ist, ob er gebetsfähig ist. Ein anderes wichtiges Kriterium, ob er gemeinschaftsfähig ist, er lebt Ja sein ganzes Leben lang in einer Gemeinschaft, und ein drittes Kriterium, ob er arbeitsfähig ist. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2012 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 11 Weltflucht oder Berufung: Über Menschen, die sich heute noch einem Orden anschließen Lebenszeichen Von Ernst Dohlus 18.01.2015 Zitat: Kommt einer neu und will das klösterliche Leben beginnen, werde ihm der Eintritt nicht leicht gewährt! O-Ton: Entscheidend ist – und da steht und fällt alles damit, ist die wachsende Christusbeziehung. Normalerweise zeigt dann jemand auch Eifer und Freude und einen Wunsch, zu den Menschen zu gehen. Das merkt man einfach im Dasein, in den kleinen Dingen. Wenn jemand nicht bereit ist, das Klo zu putzen für die Gemeinschaft, dann wird das nichts. O-Ton: Also, es geht nicht drum, zu prüfen, hat jemand eine Berufung, oder hat jemand keine Berufung, sondern: Kann sie das leben in dieser Gemeinschaft unter diesen Bedingungen oder kann sie das nicht. Zitat: Man achte genau darauf, ob der Novize wirklich Gott sucht, ob er Eifer hat für den Gottesdienst, ob er bereit ist zu gehorchen und ob er fähig ist, Widerwärtiges zu ertragen. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2012 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 12 Weltflucht oder Berufung: Über Menschen, die sich heute noch einem Orden anschließen Lebenszeichen Von Ernst Dohlus 18.01.2015 O-Ton: Man kann mit ziemlichen Macken kommen, wenn man bereit ist, an diesen Macken zu arbeiten. Aber wenn diese Bereitschaft fehlt, das ist ein Ausschlusskriterium. Es gibt heute zum Beispiel Gemeinschaften, die psychologische Tests erwarten, es gibt natürlich so ein Mindestkriterium an Gesundheit, psychischer, aber auch körperlicher – aber es gibt Ausnahmen, es werden durchaus auch behinderte Frauen aufgenommen. Es gehört die Gemeinschaftsfähigkeit dazu und die Bindungsfähigkeit. Sprecherin: Nach den ersten Stufen der Ausbildung zum Ordensmitglied – Kandidatur, Postulat, Noviziat – steht in den meisten Fällen zuerst die zeitliche, nach mehreren Jahren dann die ewige Profess. Darin werden die Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams abgelegt. O-Ton: Die Gelübde sind in der heutigen Zeit eine Herausforderung. Und zwar alle drei. Das womit die meisten ringen und sich beschäftigen, ist schon die ehelose Keuschheit. Das liegt in der Natur des Menschen, das geht ziemlich an den Leib. Viele hatten auch schon Freundschaften, drei, vier Jahre. Wichtig ist, dass sie tatsächlich sagen: ich kenne das, worauf ich verzichte, aber es gibt eine größere Liebe in meinem Herzen, ein größeres Projekt und für das kann ich das andere loslassen. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2012 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 13 Weltflucht oder Berufung: Über Menschen, die sich heute noch einem Orden anschließen Lebenszeichen Von Ernst Dohlus 18.01.2015 Sprecher: Pater Joseph Maureder ist Novizenmeister der Jesuiten in Deutschland. Und was meinen die neuen Ordensmitglieder selbst dazu: O-Ton: Am Anfang des Noviziats dachte ich, dass es die Keuschheit sein könnte. Also ich bin 24. Ich bin ein junger Mann, der natürlich Gefallen findet an zwischenmenschlicher Nähe und auch absolut bereit wäre, eine Partnerschaft einzugehen. Und jetzt im Noviziat merke ich, dass vielleicht die anderen Gelübde die größere Herausforderung darstellen, Armut zum Beispiel und Gehorsam. Auf den eigenen Willen so manchmal zu verzichten, könnte schon schwer fallen. O-Ton: Also das schwerste ist der Gehorsam, so allgemein. Der Gehorsam ist nicht mehr der Kadavergehorsam, sondern die Frage: Was sagt Gott mir? Zitat: Sollte es jedoch aus wohlüberlegtem Grund etwas strenger zugehen, so um Fehler zu bessern und die Liebe zu bewahren. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2012 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 14 Weltflucht oder Berufung: Über Menschen, die sich heute noch einem Orden anschließen Lebenszeichen Von Ernst Dohlus 18.01.2015 O-Ton: Für mich wird es auch der Gehorsam sein. Vor allen Dingen etwas mitzutragen, wenn ich spüre: Eigentlich stehe ich nicht dahinter. O-Ton: Im Alltag das Gelübde der Armut. Ich kann mir nicht mehr alles kaufen. Die Verfügbarkeit, dass ich nicht mehr sagen kann: ich plane jetzt meinen Tag so. Man ist halt jetzt verfügbarer, und das fällt mir manchmal schon recht schwer. Zitat: Lass dich nicht sofort von Angst verwirren und fliehe nicht vom Weg des Heils; er kann am Anfang nicht anders sein als eng. O-Ton: Ehelosigkeit ist wahrscheinlich eine der schwierigsten Sachen, die viele auch davon abhält. O-Ton: Mein Wunsch ist, die Gelübde zu leben, weil ich glaube, dass Jesus – und das ist der letzte Grund – auch die Gelübde gelebt hat. Und weil er es gelebt hat, möchte ich es auch leben. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2012 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 15 Weltflucht oder Berufung: Über Menschen, die sich heute noch einem Orden anschließen Lebenszeichen Von Ernst Dohlus 18.01.2015 O-Ton: Wenn ich wirklich bei der Sinnsuche auf ein christliches Angebot stoße und feststelle, das ist das Richtige für mich, dann aber mich zu entscheiden für eine Gemeinschaft, die ein Durchschnittsalter kurz vor den 80 hat, das finde ich für eine 30, 40-jährige Frau schon richtig mutig. Sprecherin: Wer sich für einen Lebensweg in einem Kloster, in einem Orden entscheidet, schließt sich in der Regel einer Gemeinschaft an, die bei den Männern ein Durchschnittsalter von 65, bei den Frauen von knapp unter 80 Jahren hat. O-Ton: Also ich bin im Orden aktuell mit 24 der jüngste und der Altersschnitt liegt bei 67. Als ich das gesehen habe, war ich schockiert. O-Ton: Der Altersdurchschnitt ist zwar hoch, aber die Schwestern sind so jugendlich geblieben, dass das Alter keine Rolle spielt. O-Ton: Doch, die Spannungen gibt es schon, weil die aus einem ganz anderen Umfeld kommen. Die sind ganz anders erzogen worden und aufgewachsen wie wir jüngere Schwestern. Manchmal hilft auch nur ein dickes Fell. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2012 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 16 Weltflucht oder Berufung: Über Menschen, die sich heute noch einem Orden anschließen Lebenszeichen Von Ernst Dohlus 18.01.2015 O-Ton: Wir sind in einer Welt demographischen Wandels und das Kloster ist in diesem Bezug schon Vorreiter. Sprecher: Das Durchschnittsalter der Gemeinschaft war auch der Grund dafür, dass eine junge Theologin und Pastoralreferentin aus dem Münsterland ein Franziskanerinnenkloster in Oberschwaben gewählt hat. O-Ton: Einmal, weil alle Gemeinschaften, die ich kannte, eine Altersstruktur hatten, die ich mir schwer vorstellen konnte. Ich wollte nicht das Gefühl haben, ich bin eine der wenigen Jüngeren, ich wollte auch Leute in meinem Alter haben. Ich wollte nicht das Gefühl haben, auf mir lastet dann viel Verantwortung, wie es mit meiner Gemeinschaft weitergeht. Sprecherin: Die Franziskanerinnen von Waldbreitbach haben ihren Sozialkonzern mit 6.000 Mitarbeitern in eine Stiftung ausgelagert. Sie beschäftigen ihre Jungschwestern im Konzerncontrolling oder in der Betreuung der ordenseigenen Altenheime für Mitschwestern. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2012 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 17 Weltflucht oder Berufung: Über Menschen, die sich heute noch einem Orden anschließen Lebenszeichen Von Ernst Dohlus 18.01.2015 Sprecher: Im Orden der Arenberger Dominikanerinnen sind nur noch fünf Prozent der Schwestern arbeitsfähig. Im Kloster stehen noch ein Gäste- und Wellnesszentrum, ein Klostergarten, die Wäscherei und die Kirche als Arbeitsfelder für den Nachwuchs zur Verfügung. Aber immerhin gibt es hier vier Postulantinnen. Sprecherin: Einige Orden haben in den vergangenen 30 Jahren ihre Ausbildung nicht entscheidend geändert, andere behandeln ihre immer älteren Novizinnen nicht mehr wie Unmündige. Sprecher: Was ein Ordensmitglied beruflich macht, wohin es gestellt wird, das entscheidet es nicht selbst, das ist allein Entscheidung der Oberin, des Oberen. In aufgeschlossenen Orden geschieht das nach Rücksprache und möglichst nach den Interessen und der Vorbildung des Ordensmitglieds, in anderen ausschließlich nach den Bedürfnissen des Ordens. Und der finanziert sich ja ausschließlich aus Spenden und der Arbeit seiner Mitglieder. O-Ton: Ich arbeite jetzt 39 Stunden im Büro, habe also feste Arbeitszeiten, daneben Stundengebet, Betrachtungszeit und Gemeinschaftsleben, das ist auch nicht zu vernachlässigen. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2012 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 18 Weltflucht oder Berufung: Über Menschen, die sich heute noch einem Orden anschließen Lebenszeichen Von Ernst Dohlus 18.01.2015 O-Ton: Ich glaube, dass der Orden sehr viele Möglichkeiten bietet, die man als Weltpriester nicht hat. Man muss im Orden nicht Karriere machen. Es ist sehr befreiend von Zeit zu Zeit den Konvent zu wechseln. Zitat: Wer aber im klösterlichen Leben fortschreitet, dem wird das Herz weit, und er läuft in unsagbarem Glück der Liebe den Weg der Gebote Gottes. O-Ton: Ich bin der festen Überzeugung, dass Gott über mich entscheidet und vielleicht durch den Oberen. Und ich bin bereit, mich von Gott führen zu lassen. O-Ton: Morgens um halb sieben das Morgengebet, danach Zeit für die persönliche Lesung in der heiligen Schrift. Dann von 9 bis 12 Uhr Arbeit in den einzelnen Arbeitsbereichen. Dann ist um 12.15 Uhr das Mittagsgebet, Mittagessen, anschließend eine kurze Mittagspause, und der Nachmittag ist eigentlich reserviert für das Studium, für den Unterricht. Da gibt es in der Regel zuerst einen Text zu lesen, und dann treffen wir uns um gemeinsam darüber ins Gespräch zu kommen. Dann ist um 17.45 Uhr das Konventamt, die Vesper, es schließt sich das Abendessen an und um 19.40 Uhr dann die Complet, die den Tag beschließt. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2012 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 19 Weltflucht oder Berufung: Über Menschen, die sich heute noch einem Orden anschließen Lebenszeichen Von Ernst Dohlus 18.01.2015 Sprecher: So ähnlich wie Pater Jonas den Novizenalltag im Benediktinerkloster beschreibt, ist er in den meisten Klöstern. O-Ton: Wenn sie in der Welt nicht zurechtkommen, werden sie erst recht nicht im Kloster zurechtkommen. Wenn Sie mit Ihrem Arbeitskollegen nicht zurechtkommen, dann wissen Sie: Bis 17 Uhr, dann ist gut. Hier aber leben sie mit Ihrem Kollegen ein Leben lang zusammen. Sprecher: Ordensleben darf keine Flucht aus der Welt sein, meint der Jesuit Joseph Maureder: O-Ton: Wenn das Bestimmende das Davonlaufen wäre, dann wird’s nichts, dann wird jemand nicht genommen. Da braucht es eine Geschichte, eine Geschichte des Glaubens, des Gebets, aber auch eine Geschichte der Liebe zu den Menschen, die man konkret sieht. Sprecherin: 140 Menschen im Jahr glauben sich berufen, fangen den Weg an in einen Orden; wissen aber nicht, ob sie ankommen werden. Sie geben Beruf, Wohnung, Freunde, Hobbys auf. Die Orden nehmen sie auf, weil sie glauben, dass diese Bewerber es © Westdeutscher Rundfunk Köln 2012 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 20 Weltflucht oder Berufung: Über Menschen, die sich heute noch einem Orden anschließen Lebenszeichen Von Ernst Dohlus 18.01.2015 ernst meinen mit der Suche nach Gott, der Suche nach einem erfüllten Gebetsleben. Doch die Hälfte von Ihnen wird diesen Weg wieder aufgeben, bei den Benediktinern sind es fast 70 Prozent. Sprecher: Menschen können aber nicht nur im Kloster ihr Christsein leben. Es gibt auch ein Christsein in der Welt. Wenn jemand sich entscheidet, das Kloster wieder zu verlassen, muss das nicht das Ende des Glaubenslebens sein. Klöster waren immer auch Orte der Suche und der Vergewisserung im Glauben, weiß Schwester Katharina von den „Franziskanerinnen der Buße und christlichen Liebe“. O-Ton: Ich glaube einfach, dass es heute auch andere Möglichkeiten gibt, engagiert christlich zu sein, geistliches Leben zu leben, mich einzusetzen in sozialen, pastoralen und therapeutischen Feldern. Das war früher nicht so. Dieses Manuskript entspricht der in WDR3 gesendeten Langfassung. Die Wiederholung in WDR5 weicht von diesem Manuskript ab. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2012 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. 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