Die unabhängige Zeitung für Baden-Württemberg 2,00 € Samstag, 21. Februar 2015 Nr. 43 | 8. Woche | 71. Jahrgang | E 4029 Geisterfahrer unter sich Ein Trainer in Not Eurostreit Die Griechen haben eingelenkt. Doch die Probleme sind nur vertagt. Von Joachim Dorfs Dem VfB droht die zweite Liga I Foto: dpa, Montage: typoserve Nach der 2:3-Niederlage gegen Borussia Dortmund wird der Druck auch auf Huub Stevens immer größer. SEITE 40 Entdecken Kultur Die Brücke zur Welt Der Sonne nach: zwei Pioniere fliegen in 150 Tagen um die Erde SEITE 20 Wer bekommt einen Oscar? Das StZ-Orakel wagt eine Prognose SEITE 31 Zu viel los im Moos – den Isländern wird ihr Tourismus unheimlich SEITE V1 Wolf erwartet Pilotabschluss Im Tarifkonflikt der Metall- und Elektroindustrie bahnt sich eine Lösung an. Südwestmetall-Chef Stefan Wolf sieht vor der vierten Verhandlungsrunde am Montag eine „gute Chance“ für eine Einigung. Er gehe davon aus, dass in Baden-Württemberg der Pilotabschluss erzielt wird, sagte er der StZ. „Wir haben das Ziel, das Ganze endlich zum Abschluss zu bringen.“ Allerdings müsse sich die IG Metall dafür „noch ein ganzes Stück bewegen“. Wolf kritisierte die Drohungen der Gewerkschaft mit einer Urabstimmung. Ein Streik würde die Industrie „sehr stark treffen“, warnte er. Ihr Lohnangebot von 2,2 Prozent wollen die Arbeitgeber nicht anheben. Er sehe keinen Nachbesserungsbedarf, sagte Wolf. Im Streit um die Altersteilzeit signalisieren die Arbeitgeber etwas Entgegenkommen im Fall von freiwilligen Betriebsvereinbarungen. ms – Das Interview mit Stefan Wolf SEITE 4 NSA knackt Handycodes Die Geheimdienste der USA und Großbritanniens können einem Bericht des Portals „The Intercept“ zufolge die Verschlüsselung von vielen Sim-Karten in Handys knacken. Sie hätten die Codes des führenden Kartenherstellers Gemalto geklaut. SEITE 2 Mängel im Ministerium Im gerade zwei Jahre alten Neubau des Innenministeriums an der Stuttgarter WillyBrandt-Straße tun sich Mängel auf. In den Schlossgarten musste eine externe Heizzentrale gestellt werden, die den 65-Millionen-Euro-Bau mit Wärme versorgt. SEITE 21 Deutsches WM-Gold Johannes Rydzek hat bei der Nordischen Ski-WM Gold in der Kombination gewonnen. Der Oberstdorfer siegte vor dem Italiener Alessandro Pittin und dem Franzosen Jason Lamy Chappuis. Olympiasieger Eric Frenzel wurde Vierter. SEITE 37 Sonntag 5°/1° Montag 8°/3° Börse SEITEN 16, 17 Dax 11 050,64 Punkte (+ 0,44 %) Dow Jones 18 140,44 Punkte (+ 0,86 %) Euro 1,1298 Dollar (Vortag: 1,1387) Ausführliches Inhaltsverzeichnis SEITE 2 66008 4 190402 902005 Die griechische Regierung akzeptiert die Bedingungen der Gläubiger. Das Hilfsprogramm läuft weiter. Von Christopher Ziedler Einigung Q Das bedeutet, dass die in Griechenland verhasste Troika erneut nach Athen reisen wird – obwohl Finanzminister Gianis Varoufakis ihr noch vor drei Wochen die Tür gewiesen hatte. „Ohne Überprüfung vor Ort lässt sich das kaum machen“, erklärte ein EU-Diplomat. Noch aber ist die Einigung nicht ganz unter Dach und Fach. Bis Montagabend muss Athen eine Liste mit konkreten Reformprojekten vorlegen, die die drei Finanzinstitutionen am Dienstag vorläufig bewerten. Die Analyse soll dann den Finanzministern vorgelegt werden, die ihre Parlamente um Zustimmung bitten wollen. Der Bundestag würde vermutlich am Donnerstag oder Freitag abstimmen. Varoufakis wertete die Reformliste nicht als Auflage, sondern als Erfolg. Die Einigung stelle einen guten Kompromiss „zwischen dem Respekt für die geltenden Regeln und dem Respekt vor dem griechischen Wähler“ dar. „Wir schreiben unser eigenes Drehbuch der Reformen.“ Schäuble sah dagegen für Athen „ein Rendezvous mit der Realität“ und alle seine Forderungen erfüllt, auch wenn man Griechenland „ein Stück Flexibilität“ gewährt habe – auf Basis der existierenden Regeln. Der Eurokurs reagierte positiv auf die Einigung. Die Gemeinschaftswährung sprang auf den höchsten Stand des Tages und erreichte 1,1430 US-Dollar. Auch an den US-Börsen sorgte die Nachricht aus Brüssel für Auftrieb. mit dpa – Weißer Rauch in Brüssel SEITE 4 Baden-Württembergs Grüne und SPD werfen der CDU vor, sie operiere in der Debatte über Kosten für die Gemeinschaftsschule mit falschen Zahlen. „Die CDU zieht mit angeblichen Mehrausgaben von 150 Prozent für die Gemeinschaftsschule durch das Land. Diese Zahl ist entweder frei erfunden, oder die Berechnungsmethode ist mehr als peinlich“, sagen die Bildungspolitiker Sandra Boser (Grüne) und Stefan Fulst-Blei (SPD) der StZ. Sie legen neue Berechnungen des Kultusministeriums vor. Danach betragen die Personalkosten pro Schüler an der Werkrealschule 5780 Euro, an der Gemeinschaftsschule 5830 Euro und an Realschulen 3930 Euro. ral – Die Zahlenschlacht SEITE 6 Luff Lieb’ Vaterland ... Narziss in Nadelstreifen stehen die Streifen aus feinen, goldenen Stickereirei Tage hat die Auktion gedauert, auf Indien Premier Modi en von Buchstaben, die hundertfach den Namen immer neue Rekordhöhen stiegen die beschädigt mit einem Gebote: Premier Narendra Modi hat „In- Nobelanzug sein Image. „Narendra Damodardas Modi“ ergeben. Während Designer Modis Modemut bewunderdiens berühmtesten Anzug“, wie Medien ihn Von Christine Möllhoff ten, spotteten heimische und amerikanische Zeitauften, versteigert. Mit 454 weiteren Geschentungen über die Selbstverliebtheit des Trägers. ken kam das extravagante Nadelstreifen-Ensemble am Freitag unter den Hammer. Für umgerechnet mehr Auch beim Wahlvolk kam der auf einen Wert von 14 000 Euro als 600 000 Euro bekam der Diamantenhändler und Modi-Fan geschätzte Anzug nicht gut an. Schließlich geriert Modi sich Hitesh Patel den Zuschlag. Die Erlöse sollen Modis Vorzeige- gern als bescheidener Diener des Volkes, der anders als die Gandhis nicht im Luxus schwimmt, sondern sich aus armen Verprojekt zufließen – der Säuberung des verschmutzten Ganges. Der 64-jährige Regierungschef dürfte aufatmen, dass der hältnissen hochgearbeitet hat. Eben dieses Image hatte den dunkelblaue Zweiteiler damit aus seinem Schrank und bald Sohn eines Teeverkäufers im Jahr 2014 an die Macht gespült. Für Modis politische Rivalen war der Anzug ein gefundenes auch aus den Schlagzeilen verschwindet. Selten hat ein Anzug das Image eines Politikers derart beschädigt wie dieses maßge- Fressen. Und dann stellte sich auch noch heraus, dass sich schneiderte Ensemble. Sogar die Schlappe von Modis Regie- Ägyptens Ex-Diktator Husni Mubarak einst mit einem ähnlich rungspartei BJP jüngst bei den Wahlen im Stadtstaat Delhi personalisierten Kleidungsstück schmückte. Zwar kursierte kreiden manche dem Nobelteil an. Dabei hatte Modi den Anzug wenig später in den Medien die Geschichte, dass ein enger Fanur einmal getragen – Ende Januar beim Besuch von US-Präsi- milienfreund Modi den Anzug geschenkt habe, doch das Kind dent Barack Obama in Delhi. Auf den ersten Blick sieht das war in den Brunnen gefallen. Und Modi dürfte nun alle Hände Tuch wie ganz normaler Nadelstreifenstoff aus. Tatsächlich be- voll zu tun haben, seinen Ruf wiederherzustellen. D Wetter SEITE 9 Samstag 5°/0° Grün-Rot: neue Schuldenstreit mit Schulart nicht teuer Athen vorerst beigelegt uasi in letzter Minute haben sich Griechenland und seine europäischen Gläubiger verständigt, das milliardenschwere Hilfsprogramm zu verlängern. Sonst hätte das hochverschuldete Land Anfang März nicht mehr über ein finanzielles Sicherheitsnetz verfügt. „Wir haben nach drei schwierigen Sitzungen in einer schwierigen Frage einen wichtigen Schritt erreicht“, sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble nach dem Treffen mit seinen Kollegen aus der Eurozone am Freitagabend in Brüssel. „Ich kann die heutige Entscheidung gut verantworten.“ Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem nannte die Einigung „einen ersten Schritt auf dem Weg, Vertrauen wiederaufzubauen.“ Athen verpflichtete sich dazu, alle von den Europartnern geforderten Bedingungen zu erfüllen. Dazu zählt das Bekenntnis, alle Schulden bei allen Gläubigern zurückzuzahlen, weitere Reformen auf den Weg zu bringen und das laufende Hilfsprogramm erfolgreich abzuschließen. Dazu sollen die Griechen vier Monate Zeit bekommen, die Verlängerung soll bis Ende Juni gehen. In dieser Zeit müssen alle politischen Maßnahmen mit der EU-Kommission, der EZB und dem Internationalen Währungsfonds abgestimmt werden – einseitige Gesetzesbeschlüsse wie die im Wahlkampf versprochene Erhöhung des Mindestlohns kann es nur mit deren Zustimmung geben. Erst nach erfolgreichem Abschluss des Programms kann die letzte Milliardenrate nach Athen überwiesen werden. www.stuttgarter-zeitung.de // Bildergalerie n der Spieltheorie, die Griechenlands Finanzminister, der Ökonom Gianis Varoufakis so sehr beherrscht, gibt es die Figur des Geisterfahrerspiels. Darin rasen zwei Fahrzeuge aufeinander zu. Die Fahrer haben nur noch zwei Alternativen: Auszuweichen und (das Gesicht) zu verlieren oder in der Spur zu bleiben. Weicht der andere aus – gut. Bleiben beide Fahrer stur, kommt es zum Crash. Um im Bild zu bleiben: In den Verhandlungen um die Verlängerung des Euro-Hilfspakets, die selten so offen und brutal geführt wurden, sind die Griechen am Freitagabend rechts rangefahren. Sie haben eingesehen, dass ihnen ein Lastwagen entgegenkommt, sie selbst aber nur in einem Smart sitzen. So selbstverständlich, wie sich dieses Ergebnis anhört, ist es allerdings nicht. Denn offensichtlich wähnte sich Griechenland lange in dem PS-stärkeren Fahrzeug: Zwar hätte ein Ende der EU-Hilfsleistungen auch den Staatsbankrott für die Hellenen bedeutet. Doch auch das Risiko für die Europartner war beträchtlich: ob die Eurozone wirklich einer Ansteckungsgefahr im Falle eines „Grexit“ widerstehen kann, ist nicht ausgemacht. Und darüber hinaus hätten Finanzminister Wolfgang Schäuble und seine Amtskollegen ihren Wählern erklären müssen, dass sie Kredite über 240 Milliarden Euro, die sie im Laufe der vergangenen Jahre an die klammen Griechen überwiesen hatten, nun hätten abschreiben können. Schwarze Null, ade. Diese Pein ist den Kreditgebern mit dem Einlenken Griechenlands nun für das erste erspart geblieben. Die großspurig auftretende neue Regierung in Athen hat freilich nicht aus Einsicht beigedreht, sondern sich der schieren Übermacht gebeugt. Insofern ist nun auch Optimismus, dass die Zusammenarbeit mit den Griechen künftig gedeihlicher funktioniert, nicht angebracht. Erschwert wird die Kooperation auch durch die große Bühne, auf der die Niederlage der Griechen offenbar wird. Natürlich haben Tsipras & Co den Showdown von Brüssel selbst herbeigeführt, indem sie nicht nur bei ihren Wählern unrealistische Hoffnungen geweckt und ihre Partner verprellt haben, sondern auch Anfängerfehler begingen. Doch wenn die Wochen nach der Wahl eines zeigen, dann die überragende Macht von Symbolen in der Politik. Den nassforschen Politikern flogen die Herzen ihrer griechischen Landsleute zu, weil sie just jenen Kreditgebern die Stirn boten, die sie aus griechischer Sicht gedemütigt hatten. Nun zwingt sie die Eurogruppe – aus gutem Grund – ihr zentrales Wahlversprechen zu brechen und bis auf weiteres den verhassten Sparkurs fortzusetzen. Das kann auf Dauer nicht gut gehen. Daher hat die Eurogruppe das Spiel auch nur vorläufig gewonnen. Dies wird sich womöglich schon in der nächsten Woche bei der Präsentation der griechischen Reformvorschläge, spätestens aber mit dem Auslaufen der nun in Aussicht stehenden Kredittranche in vier Monaten zeigen. Zunächst einmal wird sich das Hickhack in einem weiteren zähen Ringen fortsetzen – mit nach wie vor ungewissem Ausgang. Sollte es dann tatsächlich eine Einigung geben, werden Tsipras und sein Chef-Ökonom in den kommenden Monaten alles daransetzen, eine Alternative zu einem erneuten Einlenken zu finden. Daher müssen nicht nur die Griechen, sondern auch der Rest der Eurogruppe diese Monate nutzen, um gemeinsam einen Weg zu finden, der es den Hellenen ermöglicht, Teil der Eurozone zu bleiben. Ansätze dazu gibt es durchaus. Bleiben die Fronten dagegen so verhärtet wie in den vergangenen Wochen, sind ein Staatsbankrott Griechenlands und der Austritt aus der Eurozone nur vertagt. In der nun zu Ende gegangenen Runde des Geisterfahrerspiels sind die Griechen dem Frontalzusammenstoß ausgewichen. Kommt es noch einmal zu einer solchen Situation, werden sie weiter geradeaus fahren – unabhängig von ihrer Fahrzeuggröße. Drew Barrymore wird 40 // Modewoche Die London Fashion Week startet
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