Umgekehrte Vorzeichen Analyse Warum Donald Trump in Umfragen an Hillary Clinton vorbeizieht sich. Verbände wie die konservative Waffenlobby NRA ie Wahlkampfauftritte von Bernie Sanders folgen folgen ihm, ein wachsender Kreis von Beratern arbeitet einer ziemlich starren Choreografie: Kurz bevor daran, seine enormen Schwächen zu kaschieren. der Demokrat, der gern US-Präsident werden Auf der anderen Seite steht Clinton, die zwar anders als möchte, die Halle betritt, schallen Revolutionslieder aus Trump nie Probleme hatte, das Establishment ihrer Partei den Boxen. Seine Fans liegen sich üblicherweise in den hinter sich zu bringen – aber dafür ist sie bei vielen Wählern Armen und singen Lieder etwa von Bob Marley. Kurz daunbeliebt. Enthüllungen machen ihr das Leben zusätzlich nach betritt Sanders die Bühne – und als hätten sich die schwer. Mal geht es um hohe Honorare für Vorträge, die Anhänger bislang nur warm gemacht, übertönen nun „Bersie vor Bankern an der Wall Street gehalten hat, dann wienie“-Rufe die Musik. In der Mitte steht Sanders, dieser der darum, dass sie in ihrer Zeit als Außenministerin einen leicht wackelige Professor, und wirkt, als könne er selbst privaten E-Mail-Server benutzte, was sie nicht durfte. Und nicht glauben, was da vor ihm passiert. plötzlich ist es nicht mehr Trump, der in Reden die Einheit Die Sanders-Bewegung ist das erstaunlichste Phänomen der eigenen Basis beschwören muss – auf einmal sind diese in einem erstaunlichen Präsidentschaftswahlkampf. Sie Sätze aus dem Munde Hillary Clintons zu hören. ist deshalb so bemerkenswert, weil Sanders wohl keine Sie leidet vor allem darunter, dass viele Amerikaner echte Chance hatte, die Führung im Rennen der Demogenug haben vom Politestablishment in Washington. Und kraten zu übernehmen. Irgendwann werde die SandersClinton ist die Inkarnation dieses Establishments. Sie steht Kampagne in sich zusammenfallen, dachte man sich bei somit nicht für den Wandel, sondern für ein Weiter-so. den Unterstützern seiner Konkurrentin Hillary Clinton. Die Wahrscheinlichkeit, dass Doch das Gegenteil passiert: Trump Präsident wird, ist daDie Begeisterung für Sanders durch jetzt so groß wie nie zuwird für Clinton gefährlich – vor im Wahlkampf. Will Clinund kann sie sogar die Präsiton den Trend umdrehen, wird dentschaft kosten. sie auf Sanders zugehen müsZwei Zahlen verdeutlichen, sen. Sie braucht eine Stütze auf wie ernst die Lage für Clinton der linken Seite. ist. Die erste ist eine BerechErste Anzeichen gibt es, dass nung der Website RealClearetwas geschieht. Bei der BesetPolitics (RCP) aus dieser Wozung der Programmkommission che, die auf Basis diverser Umfür den Parteitag hat Sanders fragen in den USA die Chanfünf Sitze zugesprochen bekomcen der Kandidaten bei den men, Clinton lediglich einen Hauptwahlen ermittelt: Mit mehr. Offenbar sieht die Partei 43,4 Prozent der Stimmen liegt das Problem. Dass Clinton mit Plakat von Sanders-Anhängern Donald Trump, Selfmade-Poihrem einst sehr auf die Mitte litiker auf dem Ticket der Rezielenden Programm deutlich nach links rücken wird, gilt publikaner, jetzt erstmals haarscharf vor der Demokratin unter Demokraten zudem als ausgemacht. In der SteuerClinton mit 43,2 Prozent. politik fordert sie bereits höhere Abgaben für Wohlhabende. Die zweite Zahl stammt aus West Virginia: 44 Prozent Doch um möglichst viele Sanders-Anhänger auf ihre Seider Sanders-Anhänger haben dort nach der Vorwahl ante zu bringen, muss Clinton vielleicht noch die Programmagegeben, dass sie im Fall eines Duells Trump gegen Clinton tik mit einer Personalie verbinden. Und da wird es heikel: lieber dem Republikaner ihre Stimme geben würden. Sanders als Vizepräsident? Vor wenigen Wochen noch wäre West Virginia ist nur einer von 50 Bundesstaaten, und die Idee als völlig absurd abgetan worden. Allein schon die Demokraten dort sind recht konservativ, deswegen müsweil sich die beiden im Laufe der Vorwahlen zu heftig besen Schlüsse aus dieser Zahl vorsichtig gezogen werden. kämpft haben. Inzwischen jedoch kommen sie kaum noch Dennoch entsteht in diesen Wochen ein Trend, auf den daran vorbei, sich mit der Frage auseinanderzusetzen. Clinton bislang keine Antwort gefunden hat. Es ist schick Als Sanders am Sonntag in einer Politshow des Fernsehgeworden, gegen sie zu sein – auch unter den Demokraten. senders ABC gefragt wurde, ob er hoffe, dass Clinton ihn Und die Sanders-Anhänger scheinen jetzt geradezu aufzum Vizepräsidenten machen werde, schwieg er seltsam zudrehen: Im kalifornischen Irvine pilgerten zuletzt Tausende Menschen in ein Amphitheater, um Sanders zu lange. Dann sagte er einen Satz, der im Washingtoner bejubeln. Nach Umfragen wird er bei der Vorwahl im bePolitjargon als das schwächstmögliche Dementi gilt. „Es ist völkerungsreichsten Bundesstaat am 7. Juni zwar gegen ein bisschen zu früh“, so Sanders, „über dieses Thema jetzt Clinton verlieren, aber seine Fans werden danach nicht zu reden.“ Das klingt, als wolle er seinen Preis nur noch mit Freuden zu seiner Gegnerin überlaufen. ein wenig höher treiben. Gordon Repinski Im Duell Clinton gegen Trump haben sich damit die Mail: [email protected], Twitter: @Gordon Repinski Vorzeichen innerhalb weniger Wochen umgekehrt: Auf der einen Seite gewinnt Trump nach seinen Wählern nun Lesen Sie auch auf Seite 138 auch Schritt um Schritt die republikanische Parteielite für „Herrschaft des Mobs“ – ein Essay von Robert Kagan POLARIS / LAIF D DER SPIEGEL 22 / 2016 101
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