Titelseite als PDF-Vorschau

Berlinale-ABC
So ein Theater
»Mein Kampf«
Die 66. Internationalen Filmfestspiele
beginnen heute. Seite 3
Yanis Varoufakis, Brian Eno, das Projekt DiEM25
und ein bisschen linke Hoffnung. Seite 5
Die kritische Edition verdient
Respekt. Zweifel bleiben. Seite 15
Foto: imago/Christian Mang
Foto: dpa/Alexander Heinl
Donnerstag, 11. Februar 2016
71. Jahrgang/Nr. 35
Berlinausgabe 1,70 €
www.neues-deutschland.de
*
STANDPUNKT
Dunkle
Vorahnungen
Vorsicht, Krisenvirus!
Klarer Sieg für
Bernie Sanders
Deutsche Bank ist in Bedrängnis und versucht, Angestellte und Anleger zu beruhigen
Trump erfolgreich bei den Vorwahlen
im US-Bundesstaat New Hampshire
Simon Poelchau über die Krise der
Deutschen Bank und in Europa
Acht Jahre ist die große Finanzkrise her. Lang genug eigentlich,
dass man sich nicht mehr richtig
an sie erinnern kann. Doch nun
kriselt es ausgerechnet bei der
Deutschen Bank, die sich damals
rühmte, nicht auf Staatshilfen angewiesen zu sein. Steht eine neue
Krise der Finanzmärkte bevor?
Freilich sind viele Probleme
von Deutschlands größtem Kreditinstitut hausgemacht. Auch
könnten die schlechten Ratings,
die die Bank in letzter Zeit bekommen hat, und die gestiegenen
Preise für Kreditausfallversicherungen auf Schuldtitel eine natürliche Folge der Bankenregulierung sein. Denn nun müssen zuerst die Gläubiger einspringen,
wenn ein Institut ins Wanken gerät. So sind auch andere Großbanken Europas von den gestiegenen Preisen betroffen. Zudem
steht Deutschlands Wirtschaft eigentlich ganz robust da. Eigentlich. Denn in den letzten Wochen
und Monaten schwankten die Finanzmärkte gerade auch in
Deutschland gewaltig. Der Deutsche Aktienindex DAX hat im Vergleich zum vergangenen Frühsommer ein Viertel seines Wertes
verloren. Das billige Geld der Europäischen Zentralbank, das lieber
nach Frankfurt als nach Athen
floss, scheint sich wieder in Luft
aufgelöst zu haben.
Da kann man nur hoffen, dass
sich die dunklen Vorahnungen
bezüglich der Deutschen Bank als
unbegründet erweisen und Europas Wirtschaft doch so stabil ist
wie offiziell behauptet. Unter der
»Lösung« der vergangenen Finanzkrise leiden die Menschen
nämlich noch immer.
UNTEN LINKS
Falls Sie noch nie etwas vom Bundesland Rheinland-Pfalz gehört
haben – das ist nicht so schlimm.
Die Bedeutung der von einigen
Weinbergen durchzogenen Brache
liegt vor allem darin, den Rest der
Republik vom Saarland fernzuhalten. Aber das ist eine andere
Geschichte. Die richtige lautet:
Das Bistum Speyer, ein örtlicher
Regionalverband des katholischen
Aberglaubens, hat sich darüber
empört, dass die Linkspartei in der
Gegend mit einem Papst-Bild
Wahlkampf macht. Begründung:
Die Kommunisten haben sich
nicht die Zustimmung der Kirche
geholt, ergo: »unzulässige Vereinnahmung«. Droht den wahlkämpfenden Linken jetzt die Kreuzigung? Oder wird der Fall erst vor
dem Jüngsten Gericht verhandelt?
Offen ist auch, ob die »zahlreichen
Bürger«, die »verwundert« beim
Bistum angefragt haben, warum
ihr Parteivorsitzender auf den
Plakaten der anderen zu sehen ist,
nun einem Exorzismus unterzogen
werden müssen. Wie immer: Am
Ende bezahlen die kleinen Leute.
Amen. tos
ISSN 0323-4940
Concord. Mit großem Abstand haben die Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders und
Donald Trump die Vorwahlen ihrer Parteien
im US-Bundesstaat New Hampshire für sich
entschieden. Hillary Clinton kassierte bei den
Demokraten eine schmerzhafte Niederlage
und kam nur auf 38 Prozent der Stimmen.
»Wir haben eine Botschaft gesandt: Die Regierung unseres Landes gehört allen Menschen und nicht nur einer Handvoll Superreichen«, so Sanders, für den 60 Prozent
stimmten. Bei den Republikanern entschieden sich laut CNN rund 35 Prozent der Wähler für den steinreichen New Yorker Politikneuling Trump. »Menschen von New Hampshire, vergesst das niemals: Mit Euch hat es
angefangen!«, rief Trump seinen Anhängern
zu. Er bekam mehr als doppelt so viele Stimmen wie der zweitplatzierte Republikaner
John Kasich. Der Gouverneur von Ohio schnitt
mit 16 Prozent unerwartet gut ab. Die nächsten Stationen sind nun am 20. Februar South
Carolina (Republikaner) und Nevada (Demokraten). dpa/nd
Seiten 4 und 8
»Revolution der
Gummigeschosse«
Wissenschaftler kritisieren den
totalitären Kurs in Argentinien
Offenbar schwer verschnupft: Deutsche-Bank-Finanzvorstand Marcus Schenck
Berlin. Manchmal sorgen Aussagen, die beruhigen sollen, erst recht für Beunruhigung: Eine Sprecherin von Bundesfinanzminister
Wolfgang Schäuble bekräftigte am Mittwoch
in Berlin die Einschätzung des CDU-Politikers, dass es für Beunruhigung keinen Anlass
gebe. »Das ist die Aussage und die Meinung
des Bundesfinanzministers, der selbstverständlich informiert ist durch ein großes Ministerium mit nachgeordneten Behörden.«
Damit ist die Finanzaufsicht BaFin gemeint.
Pläne für ein Krisentreffen der Regierung mit
der Bankenbranche gebe es nicht, erklärten Finanz- und Wirtschaftsministerium.
Foto: dpa/Arne Dedert [M]
Auch der noch relativ neue Deutsche-BankChef John Cryan setzt zur Zeit auf das Prinzip
Beruhigung. Nachdem er wochenlang die Lage
schlechtgeredet hatte, um den von ihm geplanten Umbau samt Stellenstreichungen zu
rechtfertigen, beteuerte er jetzt in einem Brief
an die zunehmend besorgten Mitarbeiter, die
Finanzen des Konzerns seien grundsolide. Und
durch milliardenschweren Aufkauf von vorrangigen Anleihen, worüber die »Financial
Times« am Mittwoch berichtete, scheint er auch
die Aktionäre und Gläubiger besänftigen zu
wollen. Zuvor waren die Börsenkurse der Deutschen Bank besonders stark abgerutscht und
die Preise für Kreditausfallderivate, sogenannte CDS, gestiegen. Der Bericht sorgte für
die gewünschte Wirkung: Die Aktie schoss zeitweilig um 14 Prozent in die Höhe und machte
alle Verluste dieser Woche wett.
Dass damit alle Sorgen verflogen sind, ist
eher unwahrscheinlich. Spekulanten werden
sich gewiss fragen, warum sich das Finanzministerium zu solch merkwürdigen Äußerungen genötigt sieht, wenn alles in Butter wäre. »Man müsste jetzt zumindest das Szenario
eines Zusammenbruchs durchspielen«, sagte
der Bremer Finanzwissenschaftler Rudolf Hickel gegenüber »nd«. KSte
Seite 9
Berlin. Am Tag der Menschenrechte trat er
sein Amt an, die Menschenrechte lassen ihn
indes kalt: Mauricio Macri, Argentiniens seit
dem 10. Dezember amtierender Präsident.
Sein undemokratisches Gebaren hat nun in
Europa tätige Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen dazu veranlasst, mit einem
Manifest ihrer tiefen Besorgnis Ausdruck zu
verleihen. »Als akademisch Forschende beschäftigen wir uns seit Jahrzehnten mit der
Geschichte und Kultur Argentiniens. Wir sind
bestürzt. Empört. Besorgt. Während wir diese
Zeilen schreiben, schießt die Polizei mit Gummigeschossen auf Kinder und Jugendliche«,
heißt es in dem Manifest. In weniger als zwei
Monaten habe die Regierung Macri den größten Rückschritt in Menschenrechtsfragen seit
dem Ende der Militärdiktatur in Argentinien
im Jahr 1983 eingeleitet. »Die Revolution der
Gummigeschosse hat nichts Revolutionäres.
Es sind einfach nur Kugeln. Aus Hartgummi,
bis jetzt. Bis auf weiteres.« nd
Das ganze Manifest: http://dasND.de/AntiMacri
Mit Kriegsschiffen gegen Schleuserbanden
NATO diskutiert Einsatz in der Ägäis / Russland weist Vorwürfe wegen Angriffen in Syrien zurück
Seit Beginn des Jahres sind in der
Ägäis mehr als 340 Flüchtlinge
ertrunken. Jetzt soll die NATO
mit
Kriegsschiffen
gegen
Schlepperbanden vorgehen.
Von Roland Etzel
Der Tod vieler Flüchtlinge – allein seit Jahresbeginn 340 – bei
der Fahrt über das Ägäische Meer
von der Türkei nach Griechenland war Thema einer NATO-Tagung am Mittwoch in Brüssel. Dabei stand weniger die Rettung
Schiffbrüchiger als die Verhinderung des Ankommens in Griechenland durch den Einsatz von
NATO-Schiffen im Zentrum der
Debatte. Angeregt worden war
diese vom deutsch-türkischen
Gipfel am Dienstag in Ankara.
Konkrete Beschlüsse dazu gab es
aber nicht.
Allerdings ist sich nicht einmal
die deutsche Regierung einig, ob
Schlepper und Schleuser von der
NATO bekämpft werden sollten.
Verteidigungsministerin Ursula
von der Leyen (CDU) kann es sich
offenbar vorstellen. Ziel müsse es
sein, sagte sie am Mittwoch in
Brüssel, mit NATO-Hilfe »das perfide Geschäft der Schmuggler und
der illegalen Migration zu erschweren – wenn nicht unmöglich zu machen«. Dagegen erklärte Außenminister Frank-Walter Steinmeier gegenüber der
»Leipziger Volkszeitung«: »Die
NATO kann keine Rolle bei der
Steuerung der Flüchtlingsmigration spielen.« Es gehe um »das
Überlassen von Lagebildern, die
eine effektivere Bekämpfung der
Schlepperkriminalität
möglich
machen«.
Die Diskussion findet unter
dem erpresserischen Druck der
türkischen Regierung statt, bei
Nichterfüllung ihrer Forderungen
an die EU die »Schleusen zu öffnen« und allen auf ihrem Gebiet
vor allem aus Syrien angekommenen Flüchtlingen den Weg
nach Europa freizugeben. Am
Dienstag war eine entsprechende
Notiz von einer Begegnung des
türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan mit EU-Kommissionspräsident
Jean-Claude
Juncker bekannt geworden.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag,
Norbert Röttgen (CDU), hat die
russischen Luftangriffe in Syrien
kritisiert. »Hinter den Angriffen auf
Aleppo steckt ein menschenverachtendes Verhalten von Russlands Präsident Wladimir Putin,
Syriens Machthaber Baschar alAssad und von Hisbollah-Milizen«, sagte Röttgen der Bochumer
»Westfalenpost«.
Derlei Vorwürfe wies Russland
als »Unsinn« zurück. Vizeaußenminister Alexej Meschkow sagte
nach Angaben von Interfax, Russland verstärke mit seinen Luftangriffen keineswegs den Flüchtlingsstrom nach Westeuropa. »Es
ist umgekehrt – unsere Luftkräfte
und die syrische Armee schaffen
die Voraussetzung dafür, dass vie-
le Flüchtlinge nach Syrien zurückkehren können.« Außenamtssprecherin Maria Sacharowa
warf erneut der Türkei vor, mit
Terroristen in Syrien zusammenzuarbeiten.
Bei heftigen Kämpfen nördlich
der syrischen Stadt Aleppo sollen
diese Woche mehr als 500 Kämpfer getötet worden sein, darunter
mehr als 270 von der Terrortruppe Nusra-Front und etwa 140 Regierungssoldaten. Seiten 4 und 7
} Heute auf Seite 10
Gesund leben
Chicorée wächst aus
der Wurzel der
Wegwarte. Das Gemüse
des Winters tut der
Leber gut und enthält
zahlreiche Vitamine.
US-Klimaschutz
auf Eis gelegt
Gericht stoppt CO2-Reduktionsplan
Washington. Der Oberste Gerichtshof der USA
hat der Klimastrategie von Präsident Barack
Obama wegen rechtlicher Bedenken einen
Dämpfer verpasst. Der Supreme Court gab am
Dienstag (Ortszeit) bekannt, dass die Pläne für
die Eindämmung von CO2-Emissionen von
Kraftwerken angehalten werden müssen. Zuerst müssten die anhängigen Klagen ausreichend auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft
werden. Die Entscheidung kam überraschend
und fiel mit fünf zu vier Stimmen denkbar
knapp aus. Die Begründung für den Stopp ist
nur eine Seite lang.
Für Obama ist die Entscheidung eine
schwere Niederlage. Nach dem »Clean Power
Plan« sollte der Kohlendioxid-Ausstoß in den
USA bis 2030 im Vergleich zu 2005 um 32
Prozent sinken. Obama hatte die Anordnung
2015 über die Umweltbehörde EPA erlassen,
da die Pläne im Kongress nicht durchsetzbar
gewesen wären. Gut zwei Dutzend republikanisch geführte US-Bundesstaaten und
mehrere Unternehmen aus dem Kohlesektor
klagen seit Monaten vor Gerichten dagegen.
dpa/nd
Kommentar Seite 4