Abgeordnete Brigitte Jank (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident

Nationalrat, XXV. GP
16. März 2016
117. Sitzung / 1
12.05
Abgeordnete Brigitte Jank (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr
Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Geschätzte Damen und Herren der
Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Österreich hat zur Bewältigung des
Flüchtlingsstromes einen tragbaren Weg beschritten und entscheidend zum Umdenken
in der Europäischen Union beigetragen.
Außenminister Sebastian Kurz, das wurde heute schon gesagt, hat bereits letzten
Sommer ein Ende des Durchwinkens gefordert, und er hat damit recht behalten.
(Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.)
Ich werfe jetzt keinen Blick auf die Frage, ob wir in der Bewältigung der
Flüchtlingsfrage nicht schon viel weiter wären, wenn der Regierungspartner schon vor
Monaten Bereitschaft gezeigt hätte, die Wiedereinführung von Grenzkontrollen oder die
Umsetzung von Obergrenzen entschlossen mitzutragen. Es ist so, wie es ist.
Mit dem Schließen der Balkanroute und nun auch der Route über den Brenner, wie
Landeshauptmann Platter angekündigt hat, wurden und werden Fakten geschaffen
(Zwischenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein), die mittlerweile auch europäischer
Konsens sind und ihre Wirkung zeigen: Der Zustrom ist deutlich zurückgegangen!
Es gilt jetzt, keine neuen Routen mehr zuzulassen – das ist ebenfalls Konsens. Es gilt
aber auch, keine falsch verstandene Hilfestellung zu leisten. Frau Kollegin Korun ist im
Moment nicht im Saal, aber ich muss sagen: Gut gemeint war in diesem Fall nicht gut,
denn es hat Menschenleben gekostet.
Herr Bundeskanzler! Sie haben gestern im Ausschuss gesagt, dass es nicht einfach
sein wird, bei der kommenden Tagung des Rates einen einstimmigen Beschluss der
EU-28 herbeizuführen. Insbesondere geht es natürlich um die Vereinbarung mit der
Türkei. Ein derartiger Deal muss konkrete Zusagen der Türkei zu einer nachhaltigen
Flüchtlingspolitik beinhalten.
Aus Sicht der Wirtschaft sehen wir das durchaus ein wenig liberaler. Wir haben mit der
Visa-Liberalisierung kein Problem. Wir haben derzeit schon mit dem Außenministerium
den sogenannten Red White Red Carpet ausverhandelt. Das heißt, Geschäftsreisende
genießen Erleichterungen bei der Visa-Ausstellung. Wir verstehen aber sehr wohl die
grundsätzlichen Sorgen.
Ein Vorschlag könnte daher sein, ein sogenanntes Probejahr zu installieren und
danach zu evaluieren, zu schauen, wer denn eigentlich nach Europa kommt, und dann
eine endgültige Entscheidung zu treffen.
Version vom 15. Juni 2016, 09:01
nach § 52(2) GOG autorisiert
Nationalrat, XXV. GP
16. März 2016
117. Sitzung / 2
Viel problematischer aus wirtschaftlicher Sicht ist es allerdings, wenn es keine
Korridore für den Güterverkehr an den Grenzen gibt. Zu Spitzenzeiten kosten diese
Grenzkontrollen, die es derzeit bereits gibt, die Transportwirtschaft 2,5 Millionen € pro
Tag. Am Brenner gibt es jährlich 2 Millionen Lkw-Fahrten. Eine lückenlose
Grenzkontrolle wird einen Kostenanstieg in der Höhe des Drei- bis Vierfachen
verursachen. Das wäre eine unerträgliche Belastung der Transportwirtschaft.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es liegen aber noch viele Aufgaben vor uns.
Damit die Integration derjenigen, die schon bei uns sind, gelingen kann, brauchen wir
eine Art Masterplan und valide und lückenlose Erhebungen über die Sprachkenntnisse,
den Bildungs- und Ausbildungsstand – gemessen an unseren Normen, die andere sind
als jene in den Herkunftsländern –, aber auch Wissen über die familiäre und
gesundheitliche Situation der Asylwerber. Und wir brauchen einen Schulterschluss
aller Ministerien. Jedes Ministerium ist von dieser Situation betroffen und die
Zusammenarbeit daher unumgänglich.
Wir – Herr Kollege Strache ist nicht mehr im Saal –, wir nehmen es ernst. Alle
Unwägbarkeiten, die mit der Integration einhergehen, müssen auf den Tisch; auch,
dass es viel Zeit brauchen wird, bis von einer erfolgreichen Integration auf dem
Arbeitsmarkt gesprochen werden kann. Deutschland rechnet mit fünf Jahren,
Schweden rechnet gar mit sieben Jahren.
Es geht deshalb um ein Abrüsten der Worte. Es gilt auch sicherzustellen, dass
Situationen, wie wir sie jüngst in Wien erlebt haben, nicht passieren. Es muss Schluss
sein mit dieser verunsichernden, angstgetriebenen Debatte, wie sie derzeit manche
führen. (Zwischenruf des Abg. Darmann.)
Es muss aber auch klar sein, dass ein Schelm der ist, der mehr verspricht, als er halten
kann. Deshalb hat sich die Regierung zu der gewählten Vorgangsweise entschlossen.
(Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.)
Wir sind auf dem richtigen Weg, werden ihn aber nur bewältigen, wenn wir ihn
gemeinsam gehen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)
12.10
Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt das Mitglied des Europäischen Parlaments
Vilimsky zu Wort. – Bitte.
Version vom 15. Juni 2016, 09:01
nach § 52(2) GOG autorisiert