Manuskript

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE,
SWR2 DIE BUCHKRITIK
Mark Twain: The Awful German Language
Auf Englisch neuerschienen in der Insel-Bücherei
40 Seiten
10,95 Euro
Rezension von Michael Kuhlmann
Dienstag, 31. Mai 2016 (14:55 – 15:00 Uhr)
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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Autor
Man schrieb das Jahr 1878, als der amerikanische Schriftsteller Mark Twain eine
Europareise unternahm. Dabei weilte er auch in unserer Region: in Baden-Baden,
Mannheim und Heidelberg. Twain setzte alles daran, sich mit den Eigenheiten des
fremden Landes vertraut zu machen: indem er nämlich Deutsch zu lernen versuchte.
Freilich nur mit mäßigem Erfolg; und so machte er 1880 seinem Ärger Luft: in einem
amüsanten Text, der nun in einer bibliophilen Edition in der Insel-Bücherei im englischen
Original erschienen ist: The Awful German Language. Also: „Die schreckliche deutsche
Sprache“. Gerade mal 40 Seiten stark, erschien der Essay ursprünglich als Anhang des
dicken Reiseberichtes A Tramp Abroad. Aus amerikanischer Sicht macht sich Mark Twain
über die Eigenheiten der deutschen Sprache lustig. Etwa darüber, wie ein Satz gebaut
wird: Meistens ist er ellenlang und verschachtelt; und was er wirklich mitteilen will, erfährt
man erst viele Zeilen später, wenn am Ende des Satzes nämlich das Verb auftaucht. Auf
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dem Weg dorthin muß man sich durch zusammengesetzte Wortungetüme kämpfen, die es
nur im Deutschen gibt: etwa die „Generalstaatsverordnetenversammlung“. Doch Twain
nimmt sich auch die Fälle vor: Maskulinum, Femininum, Neutrum – für ihn eine besonders
verquere Facette der deutschen Sprache: Denn die Frau ist feminin, das Weib aber:
neutrum. Der Mann wiederum hat zwar einen Arm – maskulinum –, aber auch ein Bein –
neutrum – und eine Statur: femininum. Sodaß sich Twain fragt, ob dahinter überhaupt
wahre Männlichkeit stehen könne. Wenn dann noch Adjektive dazukommen, wird die
Deklination „meines guten Freundes“ zur Herkulesaufgabe. Auch an den deutschen
Worten selbst hat Twain einiges auszusetzen: Was die englische Sprache mit kraftvollen
Termini wie explosion bezeichne, heiße im Deutschen lediglich „Ausbruch“; da hält Twain
selbst das englische Wort toothbrush – die Zahnbürste – noch für kraftvoller. An einigen
Stellen entpuppt sich sein Text als Zeitdokument, wenn es etwa um das Dativ-e geht:
denn 1880 sagte man noch: „auf dem Kochherde“ oder „dem Hunde“. Das nun ist die
Quelle des vollkommenen Chaos: denn steht das Wort „Hunde“ an und für sich nun im
Dativ Singular oder doch im Nominativ Plural? Twain ist sich unsicher. Die deutsche
Sprache ist für ihn ein Urwald voller kleiner Fallen – und deshalb plädiert er für eine
radikale Reform. Weg also mit dem Dativ – und weg mit den Schachtelsätzen. Eine völlige
Neuorganisation von Maskulinum, Femininum, Neutrum. Und Twain geht noch weiter: Er
hat nämlich beobachtet, welch universale Funktion im Deutschen drei simple Worte
haben: „Schlag“, „Zug“ und „also“. Allein „Schlag“ bezeichnet die englischen blow, stroke,
dash, hit, shock, clap, slap, time, bar, coin, stamp, kind, sort, manner, wood-cutting und
forest-clearing. Das sei die Gelegenheit, das Deutsche zu vereinfachen: indem man außer
„Schlag“, „Zug“ und „also“ das gesamte Vokabular eliminiere. Ein wahres forest-clearing
sind sie „also“, die augenzwinkernden Vorschläge des Mark Twain von 1880. Natürlich
zeugen sie zuallererst von einem anglozentrischen Weltbild. Es ist die Kritik an einer
Sprache mit vielen Fallstricken, die dadurch aber nun auch viele Möglichkeiten des
Ausdrucks bietet. Obwohl über einhundert Jahre alt, ist Twains Text heute gleich zweifach
aktuell: Er erinnert daran, daß viele Deutsche, ohne es zu merken, Details ihrer Sprache
selbst nicht mehr ganz beherrschen – nicht nur was Genitiv und Konjunktiv angeht. Und er
gemahnt zur Nachsicht mit Menschen, die das Deutsche lernen wollen – oder sollen: ob
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sie aus den USA oder Frankreich kommen – oder aus Syrien. Einen Mark Twainschen
Reformvorschlag immerhin haben die Deutschen inzwischen emsig umzusetzen
begonnen: den Import plakativer englischer Worte. Den allerdings empfahl Twain
eigentlich nur für Zwecke des gepflegten Fluchens
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