SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE, SWR2 DIE BUCHKRITIK Naomi Schenck: Mein Großvater stand vorm Fenster und trank Tee Nr. 12 Hanser Berlin 335 Seiten 22,90 Euro Rezension von Barbara Dobrick Dienstag, 03.05.2016 (14:55 – 15:00 Uhr) Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Als Günther Schenck 2003 starb, hat er seiner Enkeltochter Naomi die Rechte an seiner Biographie vermacht. Das war mehr ein Auftrag als ein Erbe, und sie wollte ihn erfüllen, obwohl ihr Großvater Chemiker war und sie keine Ahnung von Chemie hat. Aus ihrer Spurensuche ist ein Buch mit dem Titel „Mein Großvater stand vorm Fenster und trank Tee Nr. 12“ geworden. Barbara Dobrick hat es nicht überzeugt. Naomi Schenck befragt ehemalige Mitarbeiter, Freunde und Nachbarn ihres Großvaters und Familienmitglieder. Vor allem steht sie in engem Kontakt mit ihrem Vater, der selbst Chemiker ist und außerdem das Familienarchiv betreut. Die Schencks können ihre Geschichte bis zu den Bauernkriegen zurückverfolgen und haben viele interessante Leute Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT in ihren Reihen, Amtmänner, Politiker, Pastoren und eben auch Naturwissenschaftler. Seit Generationen sind sie bildungsfreudig, karriere- und standesbewusst und zählen sich zur geistigen Elite. So auch der 1913 geborene Chemiker Günther Schenck. Warum trat er 1937 in die NSDAP ein, fragt sich Enkeltochter Naomi. Diese Mitgliedschaft ist längst bekannt, dennoch heißt es in der Familie, ein Nazi sei der Großvater nicht gewesen, und Naomi Schenck möchte es gern glauben, denn sie hat ihn geliebt. Sie entdeckt, dass der Großvater aber auch SA-Mitglied war, seit 1933 schon. Sie schreibt: „Ich will etwas über ihn herausfinden, doch zugleich will ich mein Bild von ihm bestätigt finden.“ Auf Seite 45 bereits schreibt sie, ihr Großvater habe ein Kontaktgift für die Nazis entwickelt, dem der bulgarische König Boris zum Opfer gefallen sein könnte. Mehr als diesen Verdacht findet Naomi Schenck nicht dazu. Der Pionier der Photochemie war ganz und gar von seinem Forschergeist durchdrungen. Dem ordnete er alles unter, seinen Tagesablauf, seine Nahrungsaufnahme, seine Familie und eben auch seine offizielle politische Ausrichtung. Im Krieg war er nur kurz Soldat, dann wurde er unabkömmlich gestellt. Das verdankte er seinem Lehrer und Mentor, Karl Ziegler. Einen Nobelpreis wie Ziegler bekam Günther Schenck nicht, aber er war bis an sein Lebensende ein geradezu besessener und verdienstvoller Wissenschaftler, zuletzt an der Uni Göttingen, am Max-Planck-Institut und in seinem privaten Labor. Kriegsrelevant war seine Arbeit nicht, aber die Enkeltochter fragt beharrlich nach Schuld und Verantwortung von Schenck und Männern in dessen Umfeld; Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Schenck sei unpolitisch gewesen, wird über ihn gesagt. Die Enkelin empfindet das als Mangel. Auf den Spuren ihres Großvaters und auf den Spuren auch des eigenen Lebens unternimmt die 1970 geborene Autorin Reisen an viele Orte bis nach Amerika, macht Abstecher in zahlreiche Lebensläufe in und außerhalb ihrer Familie, bis hinein in die von Zufallsbekanntschaften. Schließlich blättert sie in einem Schnelldurchlauf ihre Familiengeschichte bis zurück ins 16. Jahrhundert auf. All dem fehlt Stringenz, und die Autorin verliert immer wieder ihr Ziel aus den Augen, dann wird ihr Text ein Bericht über ihre Recherche, deren Ergebnisse sie selbst nicht befriedigen. Vor allem wird die zu Beginn geschürte Erwartung enttäuscht, dass sie schließlich doch etwas Aufregendes über das Wirken Günther Schencks in der Nazizeit in Erfahrung bringen könnte. Dass man Naomi Schenck auf ihren mäandernden Wegen nicht immer gern folgt, liegt auch am Stil. Sie streut Dialoge ein, die manchmal arg banal klingen; es gibt etliche Wiederholungen, und sprachliche Schnitzer gibt es auch. Eine Biographie ihres Großvaters ist ihr Buch nicht geworden, das sagt sie selbst, und sie nennt ihre Bemühungen beschwerlich, lang und aufreibend. Das spürt man leider auch beim Lesen. Naomi Schencks Text ist ein Kaleidoskop von Fragen und Assoziationen, Rechercheschnipseln, Reflektionen und Bruchstücken eines Psychogramms. Manches davon ist durchaus interessant, aber vielleicht hätte all das noch reifen müssen, um daraus ein packendes Buch zu machen. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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