SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE, SWR2 DIE BUCHKRITIK Rodrigo Rey Rosa: Die Gehörlosen Aus dem guatemaltekischen Spanisch von Anna Gentz Septime Verlag, Wien 2016 287 Seiten 22,90 Euro Rezension von Eva Karnofsky Montag, 02.05.2016 (14:55 – 15:00 Uhr) Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Das vor allem durch die verschiedenen Maya-Kulturen geprägte mittelamerikanische Guatemala ist nicht bekannt für seine Literatur, auch wenn das Land mit Miguel Angel Asturias 1967 einen Literaturnobelpreisträger stellte. Die Autoren, die ins Deutsche übertragen wurden, kann man an einer Hand abzählen. Rodrigo Rey Rosa ist einer von ihnen. Aus seinem umfangreichen Werk liegt nun der vierte Roman mit dem Titel „Die Gehörlosen“ auf Deutsch vor. Ein dunkler und verstörender Plot, meint Eva Karnofsky, schnörkellos geschrieben und lesenswert. Guatemala ist ein verstörendes Land. Sanfte, bewaldete Berglandschaften und ihre Bewohner, die Nachkommen von über zwanzig Mayavölkern in ihren malerisch-bunten Trachten, bieten ein Bild des Friedens. Welch´ ein Kontrast dazu die hässliche Hauptstadt, die von schnell hochgezogener Billig-Architektur und riesigen Slums geprägt wird. Über die Hälfte der Guatemalteken gehört indigenen Völkern an und beherrscht die Landessprache Spanisch nicht, und über die Hälfte der Menschen ist bettelarm, wobei indigen und arm fast deckungsgleich ist. In dem sechzehn-Millionen-Land geschehen Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT jeden Tag siebzehn Morde, und in jeder Woche werden zwei Menschen entführt – ein 36jähriger Krieg zwischen linker Guerilla und Armee wurde zwar 1996 beendet, doch die Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung ist geblieben. Die meist weiße, reiche Oberschicht lässt sich von schwer bewaffneten Bodyguards bewachen. Kaum ein Verbrechen wird jemals aufgeklärt. Vor diesem Hintergrund spielt der Roman Die Gehörlosen des Guatemalteken Rodrigo Rey Rosa. Wie das Land, verstört auch das Buch. Weder Inhalt noch Form sind eindeutig. Beispielsweise bleibt offen, ob die zunächst zusammenhanglosen Geschichten von einem einzigen oder von mehreren Erzählern stammen. Zunächst wird von einem gehörlosen indianischen Jungen aus der Provinz berichtet, der bei einem Autounfall zu Schaden kommt und spurlos verschwindet. Dann führt ein Erzähler zu einem reichen Bankier aus der Hauptstadt. Der Bankier fürchtet um das Leben seiner Tochter Clara, und sein Leibwächter soll auch für sie einen vertrauenswürdigen Bodyguard suchen. Wie üblich in Guatemala, traut der Leibwächter am ehesten der eigenen Familie. Und so kommt sein Neffe Cayetano ins Spiel, der Protagonist des Romans. Cayetano ist ein netter Junge Anfang zwanzig, der den Leser sofort für sich einnimmt. Er hat zwar noch nie als Bodyguard gearbeitet, doch er will wie die meisten Landbewohner in die Hauptstadt, um Geld zu verdienen, und da kommt ihm der Job gerade recht. Cayetano verliebt sich in die Mittdreißigerin Clara, die jedoch ein Verhältnis mit einem verheirateten Anwalt hat. Als Clara plötzlich verschwindet, macht sich Cayetano auf die Suche nach ihr. Zunächst glaubt er an eine Entführung der Bankierstochter. Entführungen schleichen sich immer wieder in Rodrigo Rey Rosas Romane ein, denn 1981 ist seine Mutter gekidnappt worden, und dem Schriftsteller oblag die Übergabe des Lösegeldes. Cayetano landet schließlich in einer Klinik auf dem Land, an deren Finanzierung sich auch Clara und ihr Liebhaber beteiligt haben. Er findet dort Clara sowie den gehörlosen Indianerjungen, doch Licht ins Dunkel bringt dies nicht. Rey Rosa inszeniert vielmehr ein Verwirrspiel, das Cayetano, und damit auch den Leser in Atem hält. Wird Clara gegen ihren Willen Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT festgehalten oder ist sie freiwillig in der Klinik? Und warum? Und welche Rolle spielt ihr Liebhaber? Wurde der gehörlose Junge nach seinem Unfall lediglich behandelt, oder wurde er für medizinische Versuche missbraucht? Cayetano versucht, mit Hilfe der Justiz der Wahrheit auf den Grund zu kommen, doch auch das stellt sich als schwierig heraus, weil Korruption im Spiel ist, aber auch, weil vor Ort nach dem traditionellen Recht der Mayas zu Gericht gesessen wird, und das stößt bei der Beurteilung moderner Medizin an seine Grenzen. Will man Die Gehörlosen einer Gattung zuordnen, dann dem Roman Noir, denn wie in der Realität bleibt auch im Roman viel im Dunkeln, und einen Sieg des Guten hat Rey Rosa ebenfalls nicht zu bieten. Auch seine Botschaft ist schwarz, lautet sie doch, dass in Guatemala nichts ist, wie es scheint und dass man vor allem niemandem trauen darf, selbst auf die eigene Familie kann man sich nicht bedingungslos verlassen, das erfährt Cayetano ebenso wie Clara. Es sollte noch erwähnt werden, dass Die Gehörlosen flüssig und schnörkellos erzählt ist und obendrein spannend, denn Cayetano, der naive Held, der unerschütterlich an das Gute glaubt, sieht sich immer wieder in Gefahr und gerät beinahe selbst in die Mühlen einer wenig berechenbaren Justiz. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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