SWR2 DIE BUCHKRITIK

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE,
SWR2 DIE BUCHKRITIK
Norman Finkelstein: Methode und Wahnsinn
Die Hintergründe der israelischen Angriffe auf Gaza
LAIKA Verlag
152 Seiten
19 Euro
Rezension von Roman Herzog
Freitag, 22.04.2016 (14:55 – 15:00 Uhr)
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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Im Laika Verlag ist in der Reihe "Provo" das Buch "Methode und Wahnsinn" erschienen, in
dem Norman Finkelstein die Hintergründe der israelischen Kriege im palästinensischen
Gazastreifen aufzeigen möchte, dabei aber nicht wirklich überzeugt, wie Roman Herzog
meint.
Norman Finkelstein lehrte Politikwissenschaft in den USA. In Deutschland ist er bekannt
für sein Buch "Die Holocaust-Industrie" und die Kontroverse, die es im Jahr 2000 auslöste.
Denn es wirft Juden in den USA und Israel vor, die Geschichte zu instrumentalisieren, um
Menschenrechtsverbrechen an den Palästinensern zu legitimieren. Im Laika-Verlag ist nun
eine Essay-Sammlung erschienen, mit der Finkelstein den Verlauf des Konfliktes im
Gazastreifen beleuchten will und die Logik, die hinter den Kriegen steckt, die Israel gegen
die radikal-islamische Hamas führt. Die Hamas regiert seit 2007 den Gazastreifen und
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wird mit Waffen aus dem Libanon und dem Iran versorgt. Zudem hat sie eigene Raketen
gebaut und ein weit verzweigtes Tunnelnetzwerk, das weit nach Ägypten und Israel
hineinreicht. Über diese Tunnel werden Bevölkerung und Wirtschaft im Gazastreifen mit
allem Lebensnotwenigen versorgt. Denn Israel und Ägypten blockieren seit 2007 das
Gebiet. Und über diese Tunnel gelangen auch die meisten Waffen nach Gaza.
Seit 2007 beschießt die Hamas Israel mit selbstgebauten und eher primitiven oder
zerstörerischeren importierten Raketen. Israel schlägt gewöhnlich per Luftwaffe zurück.
Dreimal kam es zu längeren Kriegen, bei denen insgesamt knapp einhundert Israelis und
fast viertausend Palästinenser getötet wurden, überwiegend Zivilisten auf
palästinensischer Seite, zumeist Militärs auf israelischer. Finkelstein stellt diese Kriege der
Jahre 2008, 2012 und 2014 chronologisch dar, in denen der Gazastreifen größtenteils
zerstört wurde. Dabei hat Israel unverhältnismäßige Gewalt angewandt, vor allem gegen
die Zivilbevölkerung. Das haben alle renommierten Menschenrechtsorganisationen
festgestellt. Gleichwohl mussten Politiker und Militärs niemals Rechenschaft ablegen.
Nach dem ersten Gazakrieg beauftragte die UNO den südafrikanischen
Verfassungsrichter Richard Goldstone mit der Leitung einer Untersuchungskommission.
Der Abschlußbericht warf Israels Regierung eine systematische Eskalationspolitik vor und
dem Militär, Kriegsverbrechen, genauso wie der Hamas. Es kam zum Eklat, in dessen
Folge Goldstone seine Stellungnahme teilweise widerrief.
Bei der Darstellung des ersten Gazakriegs und der Affäre um den Goldstone-Bericht ist
Finkelsteins Buch hilfreich. Denn es zeichnet nüchtern nach, welche Verbrechen
begangen wurden und wie systematisch die israelische Regierung den UNO-Bericht und
Goldstone als Person diskreditierte, auch durch Instrumentalisierung des Holocaust, wenn
Goldstone etwa als Verräter und schlimmer als Josef Mengele bezeichnet wurde oder
Kritik an Israels Kriegen pauschal als antisemitisch gebrandmarkt wurde. Aber leider
macht es Finkelsteins Argumentation und Wortwahl in weiten Teilen des Buches den
rechten Hardlinern in Israel zu einfach, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Denn so
wichtig die Kritik an einer Regierungspraxis ist, die Palästinenser systematisch terrorisiert,
so unnötig und falsch ist Finkelsteins einseitige Darstellung. Bei ihm wird die Hamas zu
einer friedfertigen NGO, die unbeholfen versuche, die Palästinenser zu befreien, mit
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Raketen, die bloß bessere Silvesterknaller seien. Dass die Hamas die Auslöschung Israels
fordert, sei - so Finkelstein - gar nicht ernst gemeint. Israels Angriffe bezeichnet er
hingegen immer als martialisches Wüten, das sich allein aus Hass gegen die
Palästinenser speise. Wäre der Nahost-Konflikt so einfach, wäre er längst gelöst. Zu
karikaturhaft geht Finkelstein vor und vermeidet zugleich wesentliche Fragen: Warum
machen die Palästinenser mit und spielen sich Hamas und Israels Regierung in die
Hände? Und warum protestieren Regierungen weltweit nicht gegen die unsinnigen
Behauptungen eines Antisemitismus oder die Instrumentalisierung des Holocaust?
Den Teufelskreis der Gewalt in Israel und Palästina zu durchbrechen wäre entscheidend.
Und in diesem Sinne ist Finkelsteins abschließendes Plädoyer für einen gewaltfreien
palästinensischen Widerstand zwar naiv, aber interessant, denn es wäre ein Lackmustest
für die Behauptung, dass auch die radikal-islamischen Palästinenser bereit seien, friedlich
mit Israel zu leben.
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