8 | ZOLL AKTUELL 2/15 | TITELTHEMA Unionszollkodex Einblicke ins „Brüsselgeschäft“ Viele Zöllnerinnen und Zöllner warten schon gespannt auf das neue Durchführungsrecht zum Unionszollkodex (UZK), das zum 1. Mai 2016 den derzeit geltenden Zollkodex ablösen soll. „Warum dauert das so lange?“, ist eine häufig gestellte Frage. Hauptgrund ist die enorme Komplexität der gesetzgebenden Abstimmungsprozesse zwischen den derzeit 28 EU-Mitgliedstaaten und der EU-Kommission. Das UZK-Team des Bundesfinanzministeriums, das maßgeblich an der Ausformulierung dieser „Rechtsakte“ (siehe Grafik) mitwirkt, gibt einen Einblick in diese Arbeit. National koordiniert Der Unionszollkodex ist grundlegend für die Arbeit des Zolls und hat vielfältige Auswirkungen für die Bürgerinnen und Bürger sowie für die Wirtschaft. Um in Brüssel zielgerichtet agieren und die Neufassung des Durchführungsrechts mit dem erforderlichen Weitblick für die praktischen Auswirkungen verhandeln zu können, bildete das BMF eine „Task Force“, das sogenannte „UZK-Team“, das die internen und externen Abstimmungsprozesse koordiniert und steuert. Die hier eingesetzten Kolleginnen und Kollegen arbeiten eng mit den zuständigen Fachreferaten zusammen. Ob IT-Umsetzung, Zollrecht, Status von Waren und Versandrecht, Ausfuhrrecht, Zollkontingente oder verbind- liche Zolltarifauskünfte: Die deutschen Verhandlungsführer müssen jederzeit auf das entsprechende Fachwissen zurückgreifen können, um die einzelnen Rechtsentwürfe beurteilen, Bewertungen abgeben und deutsche Interessen einbringen zu können. Internationale Interessenlagen Unter der Leitung der EU-Kommission treffen sich seit Januar 2014 die Vertreter der 28 EU-Mitgliedstaaten regelmäßig in sogenannten Revisionszyklen, um die jeweiligen Entwurfsstände des Durchführungsrechts zu diskutieren. Die Sitzungen finden entweder im belgischen Genval oder in Brüssel statt. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Treffen in speziellen Arbeitsgruppen und Erster Überarbeitungszyklus Zweiter Überarbeitungszyklus Dritter Überarbeitungszyklus (kurzfristig anberaumt) Januar September Januar 2014 2015 Februar Workshops. Ziel all dieser Abstimmungen ist vor allem die Einigung zwischen den 28 Mitgliedstaaten, sowohl untereinander als auch mit der EU-Kommission und schließlich mit dem Europäischen Parlament, auf einen finalen gemeinsamen Gesetzestext. Unterschiedliche Interessenlagen und Rechtsauffassungen müssen hier ebenso wie unterschiedliche Rechtskulturen und nationale Identitäten miteinander vermittelt werden – keine einfache Aufgabe. Fachterminologie mal 28 Die Zollarbeit bringt ihre eigene Sprache mit sich, und das in jedem Mitgliedstaat. So trug während einer Sitzung der Vorsitzende auf Französisch vor, dass „die Berücksichtigung“ (Übersetzung des Dolmetschers) überaus wichtig sei. Das Kopfnicken aller Sitzungsteilnehmer bestätigte diese Aussage. Was aber tatsächlich gemeint war, stellte sich bei der Lektüre der französischen Version des Dokuments heraus. Im „normalen“ französischen Sprachgebrauch bedeutet „prise en compte“ in der Tat „Berücksichtigung“, im französisch-zöllnerischen Kommissionsinterne Abstimmung März Übersetzung der Entwürfe in alle Amtssprachen April Vorläufige Planung der Kommission TITELTHEMA | ZOLL AKTUELL 2/15 | 9 Sprachgebrauch hingegen „buchmäßige Erfassung“. Deshalb ist es unverzichtbar, dass die Mitglieder des UZK-Teams über einen zöllnerischen Basiswortschatz nicht nur in Englisch (Arbeitssprache des gesamten Verfahrens), sondern auch in weiteren EU-Sprachen verfügen, um sich jederzeit aktiv in die Verhandlungen einbringen zu können. verliert, ist nicht mehr in der Lage, den Stand der Verhandlungen richtig einzuschätzen. Welche Dimensionen die Informationsflut in einem Vorhaben wie dem Unionszollkodex annimmt, zeigt sich auch an der obligatorischen demokratischen Beteiligung und Offenheit des Verfahrens. Da zahlreiche weitere Interessenvertretungen Stellungnahmen zu den Gesetzesentwürfen einreichen können, Allianzenbildung ist es Aufgabe der Wie in vielen ande- Die Übersetzung Kommission, Rückren politischen Pro- der technisch-büromeldungen und zessen bildeten sich kratischen AmtsKommentierungen auch bei der Arbeit sprache innerhalb hierzu zu formuliezum Unionszollkodex Allianzen glei- der EU ins Deutsche ren. Allein im ersten Halbjahr 2014 wurcher oder ähnlicher trieb so manchen den 7.000 Eingaben Interessen. Dies ge- Dolmetschern die aus den Mitgliedschieht nahezu von Schweißperlen auf staaten und ihren alleine während der WirtschaftsverbänSitzungsunterbre- die Stirn. den beantwortet. All chungen, zum Beispiel bei einer Tasse Kaffee, auf diese Eingaben müssen gesichtet Flurgesprächen oder beim gemein- und bewertet werden, denn Antsamen Abendessen. Ergänzend worten der Kommission an andere trifft sich regelmäßig eine Gruppe Mitgliedstaaten könnten unter Umgleichgesinnter Mitgliedstaaten, ständen nicht mit der eigenen Position vereinbar sein. die sog. „ Like-Minded-Group“. Informationsflut Wie geht es weiter? Bei der Fülle an Gesprächspartnern, Sitzungsprotokollen, Stellungnahmen und Textentwürfen kommt es immer wieder vor, dass E-MailPostfächer an ihre Grenzen stoßen. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, die vielen einzelnen Verhandlungsinformationen zu erfassen, zu bewerten und für die eigene Position zu berücksichtigen. Im Zuge der fortschreitenden Verhandlungen greift die Kommission nämlich vermehrt Ergebnisse aus anderen Projektgruppen oder Ausschüssen auf und verweist auf dort getroffene Aussagen der Mitgliedstaaten. Wer hier den Überblick Die Schaffung eines gesamteuropäischen Rechtswerks wie des Unionszollkodex birgt Chancen und Risiken, die miteinander in Einklang zu bringen sind. Bis zum 1. Mai 2016 und noch weit darüber hinaus sind für das BMF und die Zollverwaltung noch viele Schritte in diesem Rechtsfindungsprozess zurückzulegen. „Rechtsfindung“ ist hier mitunter wörtlich zu nehmen. In den Gesetzesentwürfen „fanden“ sich das ein oder andere Mal plötzlich neue Rechtsvorschriften, von denen nicht klar war, woher genau sie kamen. Unionszollkodex (Basisrechtsakt) Deligierter Rechtsakt (DA = delegated act) eng verbunden Konkretisiert die Rechtsumsetzung (vergleichbar mit derzeitiger ZK-DVO) Konkretisiert das Basisrecht, Ergänzungen oder Änderungen von UZK möglich Erarbeitet von einer Expertengruppe der Mitgliedstaaten Durchführungsrechtsakt (IA = implementing act) in der Regel dieselben Mitglieder Beraten im Allgemeinen Zollkodexausschuss Auch bei der Umsetzung sind etliche Prozesse sowohl fachlich als auch auf der IT-Ebene anzupassen oder neu zu schaffen. Dabei sind insbesondere bei den IT-Systemen noch einige Herausforderungen zu meistern. Denn parallel zu der noch nicht abgeschlossenen Rechtsfindung muss bereits mit der Anpassung der einzelnen Systeme begonnen werden, damit diese rechtzeitig einsatzfähig sein können. Auch hier könnten weitere Projektgruppen zum Teil kurzfristig auf der EU-Ebene entstehen. Zwar sind für einige Bereiche Übergangsregelungen vorgesehen, die auch derzeit noch Gegenstand der Diskussion sind. Jedoch ist jetzt schon klar, dass sich vieles in der Praxis „finden“ muss. Zum Abschluss bleibt festzuhalten: Die Frage eines Kollegen „Warum zieht ihr das jetzt nicht einfach durch?“ kann klar beantwortet werden. Das ist im „Brüsselgeschäft“ so „einfach“ gar nicht möglich: Hier diskutiert man alles mindestens 28-fach. Veröffentlichung des DA* im AmtsVeröffentlichung des IA* im blatt (wenn keine Einwände) Amtsblatt (bei Zustimmung) Offizielle Weiterleitung des DA* an Abstimmung EU-Parlament und -Rat (zwei Monate über IA* im ZollVorbereitung national, z.B. AnpasFrist zur Stellungnahme) kodexausschuss sung IT-Systeme, Schulungen etc. Anwendung des UZK inkl. Durchführungsrecht (IA* und DA*) mit Übergangsregeln Zwei Monate Frist für Stellungnahme Mai Juni Juli August Januar 2016 * DA = delegated act, IA = implementing act Mai
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