Resolution Parlamentswahlen Türkei (PDF 11 KB)

Resolution
Am 1. November 2015 haben in der Türkei Parlamentswahlen stattgefunden.
Von freien und demokratischen Wahlen kann keine Rede sein.
Eine politische Verfolgungswelle gegen Oppositionelle, Gewerkschafter und kritische
Medien hat Erdogan den Wahlsieg gesichert. Ganze Wählergruppen, vor allem in
den kurdischen Gebieten, eingeschüchtert. Ziel der islamistischen AKP war die HDP
unter die 10-Prozent-Hürde zu drücken, um sich so den Wahlsieg zu sichern.
Bundeskanzlerin Angela Merkel darf für sich das Privileg behaupten, als einzige
westliche Staatschefin dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nur zwei
Wochen vor der Parlamentswahl unter die Arme gegriffen zu haben. Mit dem
Versprechen frischer Milliarden und einer Liberalisierung der Visavergabe im
Gegenzug zum türkischen Fernhalten der Flüchtlinge hängte sie Erdogan das
Mäntelchen eines international anerkannten und erfolgreichen Staatsmannes um.
Auch die EU-Kommission half gründlich mit und hielt ihren kritischen
Fortschrittsbericht bis nach den Wahlen unter Verschluss. Kein Wort also über die
AKP-Schlägertrupps in türkischen Redaktionsstuben. Kein Laut über das Kapern
oppositioneller Fernsehsender. Kein Hauch der Kritik an Erdogans Krieg gegen die
Kurden. Und noch nicht einmal ein Nachfragen, ob die zahlreichen Berichte der
Bewaffnung Erdogans von islamistischen Terrormilizen stimmen.
Der Wahlsieg von Erdogans AKP in der Türkei sendet jetzt aber vor allem eine
Botschaft in die Welt: Terror und Gewalt zahlen sich aus, wenn du den Westen auf
deiner Seite hast. Wer indes glaubt, Erdogan würde nach dieser Wahlfarce
innehalten und seine Politik der Gewalt aussetzen, könnte sich getäuscht sehen.
Bereits in der Wahlnacht verkündete Ministerpräsident Ahmet Davutoglu, dass die
AKP alles daransetzen werde, um die verfassungsändernde Zwei-Drittel-Mehrheit im
türkischen Parlament zur Stärkung des Präsidialamts von Erdogan zu erreichen.
Doch woher sollen die fehlenden Abgeordneten kommen, wenn die
Oppositionsparteien nicht freiwillig mitmachen? Dann steht eine weitere Eskalation
bevor.
Warum aber diese Nibelungentreue aus Washington und Berlin zu einem Akteur, der
dabei ist, den gesamten Nahen Osten mit in Brand zu setzen? Zu wichtig ist Erdogan
als Gehilfe für die Regime-Change-Strategie der NATO. Deshalb waren nicht einmal
die direkten Angriffe der Türkei auf syrische Kurden vor wenigen Tagen der
Bundesregierung und der US-Administration auch nur einen erhobenen Zeigefinder
wert.
Erdogans Wahlkrieg hat es geschafft, die Türkei an den Rand eines Bürgerkrieges zu
bringen. Absehbar ist eine verschärfte Strategie der Spannung, wie sie von den
NATO-Organisationen »Stay Behind« und »Gladio« im Kalten Krieg angewandt
wurde, die mit der türkischen Hisbollah in den 90ern und jetzt mit dem IS in der
Türkei ihre Fortsetzung findet: Faschistische Strukturen werden genutzt, um
demokratische und linke Kräfte einzuschüchtern und zugleich der jeweiligen NATOfreundlichen Rechtsregierung die Gelegenheit zu geben, sich als Ordnungskraft zu
präsentieren. Die Wahl in der Türkei weist insofern auf eine noch brutalere
Gewaltpolitik hin. Wer dagegen Hilfe von den NATO-Regierungschefs erwartet,
könnte sich bitter getäuscht sehen. Geopolitische Interessen haben Vorrang.
Demokratie kann nur gegen sie erkämpft werden.
Wir begrüßen, dass der HDP trotz diesen Umständen der Einzug ins türkische
Parlament gelungen ist.
Den zahlreichen Hinweisen auf Wahlfälschung und Wahlmanipulation muss
nachgegangen werden. Dass Merkel Erdogan mitten im Wahlkampf durch ihren
Besuch hofiert hat, war eine massive Einmischung zugunsten der AKP.
Die IG Metall ruft alle Gewerkschaften, den DGB, IG-Metall, alle politischen Parteien,
alle Vereine, ArbeiterInnen und alle friedliebenden Menschen auf, sich mit der
demokratischen Bewegung in der Türkei zu solidarisieren.
Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, die Türkei aus der G 20
herauszunehmen, die
Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Gemeinschaft einzufrieren und die
Gespräche zu der Flüchtlingssituation einzustellen, solange die AKP ihre
menschenfeindliche und diskriminierende Politik gegenüber allen Minderheiten
fortführt. Wir fordern dazu auf, jegliche Zusammenarbeit mit dem diktatorischen
Präsidenten Recep Tayyip Erdogan abzubrechen.
Türkisches Volkshaus Frankfurt e.V. - Halkevi
Die Bundesregierung sollte deshalb jetzt Zeichen setzen.
Erdogan darf kein Partner bei Polizei, Militär und Geheimdiensten mehr sein.
Die Rüstungsexporte in die Türkei sind umgehend zu stoppen.
Keine Abkommen mit der Türkei zur Abschottung gegen Flüchtlinge.
Massive Ausdehnung der Hilfe für Flüchtlinge im Nahen Osten durch Unterstützung
des UNHCR.