Univ.-Prof. Dr. David Leeb Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz aus gemeindespezifischer Sicht Beitrag zur 8. Bildungskonferenz der kommunalen Bildungseinrichtungen Bad Aussee, 21. Juli 2015 1 Verfassungsrechtliche Grundlagen Art. 118 (4): Die Gemeinde hat die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches im Rahmen der Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes in eigener Verantwortung frei von Weisungen und unter Ausschluss eines Rechtsmittels an Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde zu besorgen. In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches besteht ein zweistufiger Instanzenzug; dieser kann gesetzlich ausgeschlossen werden. …. RV 1618 BlgNR 24. GP, S 3f: „ Hauptgesichtspunkte des Entwurfs“ „Der Entwurf schlägt daher vor, in der Frage des administrativen Instanzenzuges einen grundsätzlichen Systemwechsel zu vollziehen und diesen mit einer einzigen Ausnahme (diese betrifft die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde) abzuschaffen.“ 2 Verfassungsrechtliche Grundlagen Art. 115 (2): Soweit nicht ausdrücklich eine Zuständigkeit des Bundes festgesetzt ist, hat die Landesgesetzgebung das Gemeinderecht nach den Grundsätzen der folgenden Artikel dieses Abschnittes zu regeln. Die Zuständigkeit zur Regelung der gemäß den Art. 118, 118a und 119 von den Gemeinden zu besorgenden Angelegenheiten einschließlich eines allfälligen Ausschlusses des Instanzenzuges bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften dieses Bundesverfassungsgesetzes. Art. 132 (6): In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde kann Beschwerde beim Verwaltungsgericht erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges erhoben werden. 3 Erschöpfung des Instanzenzugs VwGH 4.11.1996, 96/10/0008: In der Rsp des VwGH wird die Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde gegen einen Berufungsbescheid, der im Mehrparteienverfahren über die Berufung einer anderen Partei ergangen ist, verneint, wenn der Beschwerdeführer selbst keine Berufung erhoben hatte. Davon ausgenommen ist der … Fall, daß der Bescheid im Berufungsverfahren zum Nachteil der nicht berufenden Partei abgeändert wurde (…). ... Berufung … zurückgezogen. … keine andere Rechtsstellung zu als demjenigen, der keine Berufung erhoben hatte. Schon unter dem Gesichtspunkt der mangelnden Erschöpfung des Instanzenzuges (vgl. Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG) ist daher die Beschwerdeberechtigung … zu verneinen. 4 Sonderregeln für Gemeinden im VwGVG § 19: Durch Bundes- oder Landesgesetz kann bestimmt werden, dass in einer Angelegenheit der Bundesverwaltung der zuständige Bundesminister, in einer Angelegenheit der Landesverwaltung die zuständige Landesregierung an Stelle eines anderen beschwerdeführenden staatlichen Organs oder einer anderen belangten Behörde jederzeit in das Verfahren eintreten. Dies ist jedoch unzulässig, wenn 1. in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde oder eines sonstigen Selbstverwaltungskörpers ein Organ des Selbstverwaltungskörpers oder 2. ein weisungsfrei gestelltes Organ belangte Behörde ist. 5 Sonderregeln für Gemeinden im VwGVG „3. Hauptstück - Besondere Bestimmungen I. Abschnitt – Verfahren in Rechtssachen in den Angelegenheiten des eWb der Gde § 36. (1) In Rechtssachen in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes über die Behörde auf die Berufungsbehörde sinngemäß anzuwenden.“ RV 2009, 8: „Da gemäß Art. 118 Abs. 4 B-VG (ausschließlich) in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde ein zweistufiger Instanzenzug besteht, regelt der vorgeschlagene § 36, nach welcher Maßgabe die Bestimmungen des Gesetzes anzuwenden sind, sofern dieser Instanzenzug gesetzlich nicht ausgeschlossen ist.“ 6 VwGer-Nov und Gemeindeautonomie Entfall Art 119a Abs 5 aF: RV 1618 BlgNR 24. GP: „An die Stelle des Vorstellungsverfahrens vor der Aufsichtsbehörde soll das Beschwerdeverfahren vor dem VwG treten. Art. 119a Abs. 5 B-VG hat daher zu entfallen; ...“ [Art. 119 (5) aF: Wer durch den Bescheid eines Gemeindeorgans in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, kann nach Erschöpfung des Instanzenzuges (Art. 118 Abs. 4) innerhalb von zwei Wochen nach Erlassung des Bescheides dagegen Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde erheben. Diese hat den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen. …] 7 VwGer-Nov und Gemeindeautonomie RV 1618 BlgNR 24. GP: „ Hauptgesichtspunkte des Entwurfs“ - „Die Verwaltungsgerichte erster Instanz sollen grundsätzlich in der Sache selbst entscheiden.“ Art 130 Abs 4 B-VG iVm § 28 Abs 2 VwGVG: VwG hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn maßgeblicher Sachverhalt feststeht oder seine Feststellung durch das VwG selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit erheblicher Kostenersparnis verbunden ist § 28. (3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das VwG …in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. 8 VwGer-Nov und Gemeindeautonomie VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076: Der VwGH hat in seinem Erk 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, ausgesprochen, dass das VwG, wenn es "in der Sache selbst" entscheidet, nicht nur über die gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde zu entscheiden, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen hat, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war. Konsequenterweise hatte das Verwaltungsgericht seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten. Gleiches gilt auch für den Fall, dass ein Verwaltungsgericht nicht in der Sache selbst entscheidet, zumal andernfalls die für einen solchen Fall angeordnete Bindung der Verwaltungsbehörde an die Begründung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung konterkariert würde (vgl § 28 VwGVG, insb Abs 3 und 4). 9 VwGer-Nov und Gemeindeautonomie B-VG Art 132. (1) Gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde kann wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben: ... 2. der zuständige Bundesminister in Rechtssachen in einer Angelegenheit der Art. 11 [Anm: vgl § 94d StVO], 12, 14 Abs. 2 und 3 und 14a Abs. 3 und 4 … [vgl aber Art 131 B-VG aF: „in den Angelegenheiten der Art. 11 … , … soweit die Parteien den Bescheid im Instanzenzug nicht mehr anfechten können“] VwGVG § 13. (1) Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat aufschiebende Wirkung. (2) Die Behörde kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen … 10 § 6b Oö. Landesverwaltungsgerichts-Vorbereitungsgesetz „Rechtskraft-Begriff Soweit in einem Landesgesetz der Begriff der Rechtskraft verwendet wird, bedeutet das, …, wenn es sich um eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde handelt, dass der betreffende Bescheid einer Berufung nicht oder nicht mehr unterliegt.“ zB § 103 Abs 1 Oö GemO: Aufhebung „rechtskräftiger Bescheide der Gemeindeorgane“ durch die Aufsichtsbehörde zB § 39 Abs 1 Oö BauO: Ausführung eines bewilligungspflichtigen Bauvorhabens nach dem Eintritt der „Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides“ zulässig 11 § 56 Oö. Bauordnung – „Aufschiebende Wirkung“ (1) In den Angelegenheiten dieses Landesgesetzes haben Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG keine aufschiebende Wirkung, wenn durch den angefochtenen Bescheid eine Berechtigung eingeräumt wird. (2) Die Behörde hat jedoch … zuzuerkennen, wenn … AB: „… iSd Art 136 Abs 2 B-VG ‚erforderlich‘, weil …der Fall, dass die Ausübung einer Baubewilligung ‚wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist‘, zwar theoretisch denkbar [ist], in der Verwaltungspraxis kommt er jedoch nicht vor. Das führt dazu, dass es eine Nebenpartei … in der Hand hat, die Ausübung der Baubewilligung … (weiter) zu verhindern - dies, obwohl dem Bauansuchen (idR) bereits durch zwei Verwaltungsinstanzen hindurch stattgegeben wurde.“ 12 VfGH 12.3.2015, E 58/2015 Auch §56 OÖ BauO gilt für Verfahren …, bei denen einer Partei eine Bewilligung erteilt wird, gegen die andere Parteien wegen Verletzung in ihren subjektiven Rechten ordentliche Rechtsmittel erheben können. Der VfGH kann dem GG unter dem Blickwinkel des Art136 Abs2 B-VG nicht entgegentreten, wenn er … (im Erk 16.460/2002 behandelten) §78 GewO vergleichbare Regelung getroffen hat. … dabei aber auch … die Zuerkennung …auf der Grundlage einer umfassenden … Abwägung der …Interessen …ermöglicht, … unbedenklich. Angesichts des dargestellten Regelungszwecks und der Besonderheiten des Baubewilligungsverfahrens widerspricht somit die von §13 VwGVG abweichende Regelung des §56 OÖ BauO 1994 nicht Art136 Abs2 B-VG. 13 Verfahrensrechtliche Stärkung der Gemeinde (?) § 14: Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden. § 27: Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid … auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) … zu überprüfen. RV 2009, 6 (zu § 27 VwGVG): „Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis eines Verwaltungsgerichts durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.“ 14 Verfahrensrechtliche Stärkung der Gemeinde (?) aber VwGH 17.12.2014, 2014/03/0066: … eine Auslegung des § 27 VwGVG dahingehend, dass die Prüfbefugnis der VwG jedenfalls stark eingeschränkt zu verstehen wäre, nicht zutreffend … mit dem Wortlaut … in Einklang, [der] … dahingehend verstanden werden kann, dass der GG damit klarstellen wollte, dass sich das VwG sowohl mit den Beschwerdegründen als auch mit dem Begehren im Rahmen der Prüfung des angefochtenen Bescheides inhaltlich auseinanderzusetzen hat. VwGH 22.1.2015, Ra 2014/06/0055: Ferner hat der VwGH … ausgesprochen, es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber den Prüfungsumfang ausschließlich an das Vorbringen des jeweiligen Beschwerdeführers binden wollte. … keine strenge Bindung an die Beschwerdegründe. 15 Verfahrensrechtliche Stärkung der Gemeinde (?) VwGH 26.3.2015, Ra 2014/07/0077: … Die Prüfungsbefugnis der VwG ist aber keine unbegrenzte. Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis ist die "Sache" des bekämpften Bescheides. ... in den Fällen einer Trennbarkeit der behördlichen Entscheidung weiter eingeschränkt, wenn … nur ein Teil bekämpft wird. ... Parteibeschwerden im Sinn des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG nur insoweit zu prüfen sind, als die Frage einer Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten Gegenstand ist. Zu beachten ist vom VwG auch ein (Teil-)Verlust der Parteistellung. In diesem Rahmen … ist das VwG auch befugt, Rechtswidrigkeitsgründe aufzugreifen, die in der Beschwerde nicht vorgebracht wurden. Lehofer, ÖJZ 2015, 541: „keine Einschränkung gegenüber Berufungsbehörde“ 16 Rechtsschutz für die Gemeinden B-VG Art. 119a (9): Die Gemeinde ist Partei des aufsichtsbehördlichen Verfahrens und hat das Recht, Beschwerde beim Verwaltungsgericht (Art. 130 bis 132) zu erheben. Sie ist Partei des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und hat das Recht, Revision beim Verwaltungsgerichtshof (Art. 133) und Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (Art. 144) zu erheben. VwGVG § 18. Partei ist auch die belangte Behörde. gem Art 133 Abs 6 Z 2 B-VG auch zur Revision an den VwGH berechtigt gem § 21 Abs 1 Z 2 VwGG auch im Übrigen Partei des Revisionsverfahrens 17
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