An den Verfassungsgerichtshof Freyung 8 1010 Wien Salzburg, am 19.5.2015 Beschwerdeführer: Diego Matejiz, Getreidegasse 1, 5020 Salzburg vertreten durch: RA Dr. Gerlinde Surtmann, Linzergasse 23, 5020 Salzburg Vollmacht erteilt Gerlinde Surtmann Belangte Behörde: Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark, Bismarckstraße 11-13, 8330 Feldbach wegen: Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 10.5.2015, GZ 1234XYZ, zugestellt am 12.5.2015, mit dem die Beschwerde vom 20.4.2015 abgewiesen, und das Vorhaben „Rote Bullerei“ unter Auflagen genehmigt wurde. ERKENNTNISBESCHWERDE gemäß Art 144 Abs 1 B-VG iVm §§ 82 ff VfGG 1-fach Kopie des Erkenntnisses (einfach) Staatsbürgerschaftsnachweis Nachweis der Gebühreneinzahlung (€ 240 gem § 17a VfGG) Gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 10.5.2015, GZ 1234XYZ, zugestellt am 12.5.2015, erhebt der Beschwerdeführer fristgerecht nachstehende BESCHWERDE gemäß Art 144 Abs 1 erste und zweite Variante B-VG an den Verfassungsgerichtshof 1. 2. wegen Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf • ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B-VG), • Gleichheit vor dem Gesetz (Art 7 B-VG, Art 2 StGG), • Unversehrtheit des Eigentums (Art 5 StGG, Art 1 1. ZPEMRK), • ein faires Verfahren (Art 6 EMRK), • Erwerbsfreiheit (Art 6 StGG), sowie wegen Anwendung des verfassungswidrigen Bundes-Enteignungsgesetzes, BGBl I Nr 34/2001 idF 21/2012 durch das bezeichnete Erkenntnis. I. Zulässigkeit und Rechtzeitigkeit der Beschwerde Beschwerdegegenstand ist das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 10.5.2015, welches am 12.5.2015 zugestellt wurde. Die Beschwerde ist damit rechtzeitig erhoben iSv § 82 Abs 1 VfGG. II. Sachverhalt Am 4.2.2015 beantragte der Beschwerdeführer die Genehmigung des Vorhabens „Rote Bullerei“. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung (am 15.3.2015) erließ die Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark einen Bescheid, in dem das Vorhaben unter Auflagen [...] bewilligt wurde. Gegen diesen Bescheid richtete sich die Beschwerde vom 20.4.2015 des Beschwerdeführers samt Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht. Ohne vorherige mündliche Verhandlung wies das Landesverwaltungsgericht die Beschwerde am 10.5.2015 ab. [...] III. Beschwerdegründe 1. Auflage: Das Erkenntnis greift zunächst in die Eigentumsfreiheit (Art 5 StGG, Art 1 1. ZPEMRK) ein, da ein Teil der Liegenschaft enteignet wird. Das EEG scheint diesen Eingriff zu rechtfertigen (§ 1 Abs 1 aE, § 1 Abs 2 leg cit), kann aber nicht gesetzliche Grundlage sein, da von der BH als GewO-Behörde Bundesgesetze nur bezüglich ihrer materiellen Genehmigungskriterien herangezogen werden dürfen. Nur insoweit besteht die Konzentrationswirkung des Anlagenverfahrens (§ 356b GewO). Dadurch ist schon Art 83 Abs 2 B-VG verletzt, weil sich die Behörde eine ihr nicht zustehende Zuständigkeit angemaßt hat. Auch § 365 ABGB genügt nach hL nicht als Grundlage für Enteignungen. Mangels gesetzlicher Grundlage verstößt das Erkenntnis somit gegen Art 83 Abs 2 B-VG und Art 5 StGG. [Auch Art 7 B-VG ist verletzt (objektive Willkür), da die Behörde bei Anwendung des EEG die Rechtslage in einem entscheidenden Punkt verkannt hat.] Sollte der Verfassungsgerichtshof das EEG dennoch als taugliche Rechtsgrundlage qualifizieren, wäre jedenfalls ein Antrag auf Enteignung zu stellen gewesen (§ 2 leg cit). Da dies unterlassen wurde, ist auch in diesem Fall Art 83 Abs 2 B-VG verletzt. Das Recht auf den gesetzlichen Richter wurde durch die Entscheidung des VwG auch insofern verletzt, als gem § 4 EEG der Gemeinderat in zweiter Instanz entscheiden hätte sollen – das VwG war demnach nicht zur Sachentscheidung befugt, es hätte seine Unzuständigkeit aussprechen müssen. Darüber hinaus ist die Höhe der Abgeltung zu unbestimmt, was jedenfalls gegen § 59 Abs 1 AVG verstößt. Diesbezüglich beantragt der Beschwerdeführer Abtretung an den VwGH gem Art 144 Abs 3 B-VG. Sollte das EEG taugliche Rechtsgrundlage sein, bestehen dagegen selbst verfassungsrechtliche Bedenken: Es sieht zwar für Enteignungen eine „angemessene Entschädigung“ vor (§ 3 leg cit); es ist aber nicht einsichtig, worin ein öffentliches Interesse bestehen soll, auch Standortgemeinden (§ 1 Abs 1 letzter Satz) ein Recht auf Enteignung zu gewähren. Das Gesetz ist hier überschießend: Ein öffentliches Interesse gibt es traditionell nur bzgl jener Grundstücksteile, die eine Gemeinde zur Erschließung von Verkehrsflächen braucht. In diesem Punkt verstößt das EEG daher gegen Art 5 StGG bzw Art 7 B-VG. Indem es den Normanwender über den Zweck der Enteignung im Dunklen lässt, ist das Gesetz auch zu unbestimmt iSv Art 18 B-VG. Zu unbestimmt ist auch „örtliches Interesse“ (§ 1 Abs 1 aE), soweit nicht Art 118 Abs 2 B-VG interpretativ herangezogen werden kann. Verfassungswidrig ist auch die Zuständigkeitsregel des § 4 EEG: Das EEG soll offenbar (mangels gegenteiliger Kennzeichnung iSv Art 118 Abs 2 B-VG) im übertragenen Wirkungsbereich der Gemeinde vollzogen werden. Mit Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit sind administrative Instanzenzüge außerhalb des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinden aber unzulässig geworden, sodass auch diesbezüglich eine Verfassungswidrigkeit besteht. Das EEG verstößt auch gegen die Kompetenzverteilung: Enteignungen folgen als sog Annexmaterie der Sachmaterie des Bundes oder der Länder. Indem das EEG (ein BundesG) auf Landesbestimmungen Bezug nimmt, verstößt es gegen diese Regel. 2. Auflage: Die angefochtene Entscheidung greift in die Erwerbsfreiheit ein (Art 6 StGG), da sie bei erhöhtem Lärmpegel die gänzliche Schließung der Anlage normiert. Diese Bestimmung ist gesetzlich durch § 74 Abs 2 Z 2 und § 77 Abs 1 GewO gedeckt, aber nicht gerechtfertigt, da sie zwar geeignet, aber nicht erforderlich ist: Eine Schließung der Anlage ist nicht gelindestes Mittel; eine Verständigung der Behörde würde ausreichen. Allenfalls könnten auch bloß besonders laute Geschäfte geschlossen, bzw laute Anlagen abgeschaltet werden. Fehlende mündliche Verhandlung: Das Verwaltungsgericht hat es trotz eines entsprechenden Antrages des Beschwerdeführers unterlassen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Dahin wurde der Beschwerdeführer in seinem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art 6 EMRK berührt. Die Anwendbarkeit der EMRK ergibt sich unzweifelhaft aus dem „civil rights“-Charakter des Anlagenverfahrens. In Rechtsmittelverfahren ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht stets erforderlich, vor allem dann nicht, wenn es um Rechtsfragen geht, die problemlos nach der Aktenlage entschieden werden können. Das gilt vor allem dann, wenn bereits in erster Instanz eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat. Die erste Instanz, hier die BH Südoststeiermark, weist jedoch keine Tribunalqualität auf, sodass dieser Umstand eine unterbliebene Verhandlung in zweiter Instanz nicht zu relevieren vermag. Aufgrund der komplexen Rechtsfragen und der erheblichen Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen wäre daher vor dem Verwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen. Der Beschwerdeführer wurde daher in seinen Rechten nach Art 6 EMRK verletzt. IV. Aufschiebende Wirkung Der Beschwerdeführer beantragt, der Beschwerde gemäß § 85 Abs 2 VfGG die aufschiebende Wirkung bezüglich Auflage 1 zuzuerkennen. • Es handelt sich hierbei um einen eigenen Bescheid mit Leistungscharakter, sodass er dem Vollzug zugänglich und in die Wirklichkeit umsetzbar ist. • Der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stehen auch keine öffentlichen Interessen entgegen, da ein sofortiger Vollzug nicht notwendig erscheint. • Durch Vollzug der Entscheidung in diesem Punkt würde dem Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil erwachsen, da bei Verwirklichung des Bescheides Eigentum dauerhaft entzogen wird. • Eine Interessenabwägung muss zugunsten des Beschwerdeführers gehen, da öffentliche Interessen nicht beeinträchtigt werden, der Eingriff in die Interessen des Beschwerdeführers jedoch intensiv wäre. V. Anträge Aufgrund obiger Erwägungen möge der Verfassungsgerichtshof daher 1. gemäß § 87 Abs 1 VfGG das angefochtene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes vollumfänglich aufheben; 2. gemäß § 85 Abs 2 VfGG der Beschwerde insoweit aufschiebende Wirkung zuerkennen, als sie die ablehnende Entscheidung bzgl Auflage 1 bekämpft; 3. gemäß § 84 Abs 1 VfGG über die Beschwerde eine mündliche Verhandlung anberaumen; 4. dem Bund als Rechtsträger der belangten Behörde den Ersatz der Kosten im gesetzlichen Ausmaß binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution auftragen (§ 88 VfGG) 5. die Beschwerde im Fall ihrer Abweisung oder Ablehnung gemäß Art 144 Abs 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abtreten. VI. Anregung Weiters wird angeregt, der Verfassungsgerichtshof möge gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen das Bundes-Enteignungsgesetz, BGBl Nr 34/2001 idF 21/2012 in Prüfung ziehen und vollinhaltlich als verfassungswidrig aufheben. Salzburg, 19.5.2015 Kostenverzeichnis Pauschalersatz 20 % USt Gebühr Diego Matejiz € € € € 2.180,-436,-240,-2.856,--
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