Univ.-Prof. Dr. David Leeb Einleitung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens – Die Bescheidbeschwerde 4. Linzer Verwaltungsgerichtstag Linz, 28. September 2015 Überblick § 7 VwGVG – Prozessvoraussetzungen „Beschwerderecht und Beschwerdefrist“ RV: „regelt die Zulässigkeit der Beschwerde“ umfassende Regelung der Beschwerdefrist, im Übrigen keine abschließende Regelung, sondern nur Ergänzung des BVG (vgl Art 130, 132) Abs 1 bis 3 betreffen nur Bescheidbeschwerde (vgl schon § 63 AVG, § 26 Abs 1 und 2 VwGG) - Säumnisbeschwerde Gegenstand des § 8 2 Gegenstand der Bescheidbeschwerde Beschwerden gem Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG prinzipiell gegen alle Bescheide zulässig, ausgenommen erstinstanzliche Bescheide im eWb der Gemeinde Erschöpfung des (devolutiven) Instanzenzugs - auch keine Beschwerde gegen Berufungsvorentscheidungen Mandatsbescheide zuerst remonstratives Rechtsmittel Beschwerdevorentscheidungen Vorlageantrag Anrufbarkeit der ordentlichen Gerichte oder des VfGH (Art 130 Abs 5 B-VG) Verfahrensanordnungen iSd § 63 Abs 2 AVG bilden keinen zulässigen (selbständigen) Anfechtungsgegenstand (§ 7 Abs 1 VwGVG) 3 Erschöpfung des Instanzenzugs (Art 132 Abs 6 B-VG) § 94 K-AGO: (1) Über Berufungen gegen Bescheide des Bürgermeisters in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches entscheidet der Gemeindevorstand, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist. Dieser übt - soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist - auch die in den verfahrensgesetzlichen Bestimmungen vorgesehenen oberbehördlichen Befugnisse aus. (2) Über Berufungen gegen Bescheide des Gemeindevorstandes in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches in erster Instanz entscheidet der Gemeinderat, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist. Dieser übt - soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist - auch die in den verfahrensgesetzlichen Bestimmungen vorgesehenen oberbehördlichen Befugnisse aus. 4 VwGH 30. 6. 2015, Ra 2015/06/0050 … galt bereits zu § 63 Abs. 1 AVG idF vor der Novelle BGBl I Nr 33/2013 in Bezug auf die dort genannten Verwaltungsvorschriften, dass verfahrensrechtliche Bescheide, sofern der GG nicht erkennbar anderes bestimmt, in Ansehung der Zulässigkeit eines ord. RM und des allfälligen Instanzenzugs ebenso zu beurteilen sind wie der den Verfahrensgegenstand, die Sache, erledigende Bescheid. Gegen sie wurde ein (und zwar dasselbe) Rechtsmittel nur für zulässig gehalten, wenn ein solches gegen den in der Sache ergehenden Bescheid offenstand. … In Bezug auf verfahrensrechtliche Bescheide wie den gegenständlichen liegt folglich mit dem Verweis auf die Verwaltungsvorschriften ein gesetzlicher Ausschluss des zweistufigen Instanzenzuges im Sinne des Art 118 Abs 4 B-VG durch die Regelung des § 63 Abs 1 1. Satz AVG idF BGBl I Nr 33/2013 vor.“ 5 Erschöpfung des Instanzenzugs (Art 132 Abs 6 B-VG) VwGH 4.11.1996, 96/10/0008: In der Rsp des VwGH wird die Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde gegen einen Berufungsbescheid, der im Mehrparteienverfahren über die Berufung einer anderen Partei ergangen ist, verneint, wenn der Beschwerdeführer selbst keine Berufung erhoben hatte (vgl. z.B. das Erk vom 9. 4.1987, Zl. 82/08/0180). Davon ausgenommen ist der … Fall, daß der Bescheid im Berufungsverfahren zum Nachteil der nicht berufenden Partei abgeändert wurde (vgl. z.B. das Erk vom 27. 11. 1990, Zl. 90/04/0177). ... Berufung … zurückgezogen. … keine andere Rechtsstellung zu als demjenigen, der keine Berufung erhoben hatte. Schon unter dem Gesichtspunkt der mangelnden Erschöpfung des Instanzenzuges (vgl. Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG) ist daher die Beschwerdeberechtigung … zu verneinen. 6 Gegenstand der Bescheidbeschwerde Beschwerden gem Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG prinzipiell gegen alle Bescheide zulässig, ausgenommen erstinstanzliche Bescheide im eWb der Gemeinde Erschöpfung des (devolutiven) Instanzenzugs - auch keine Beschwerde gegen Berufungsvorentscheidungen Mandatsbescheide zuerst remonstratives Rechtsmittel Beschwerdevorentscheidungen Vorlageantrag Anrufbarkeit der ordentlichen Gerichte oder des VfGH (Art 130 Abs 5 B-VG) Verfahrensanordnungen iSd § 63 Abs 2 AVG bilden keinen zulässigen (selbständigen) Anfechtungsgegenstand (§ 7 Abs 1 VwGVG) 7 Verfahrensanordnung – verf.rechtlicher Bescheid VfSlg 19.188/2010: Ob eine im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens ergehende, das Verfahren betreffende Erledigung als Verfahrensanordnung oder als verfahrensrechtlicher Bescheid zu ergehen hat, ist – sofern der Gesetzgeber nicht selbst den Begriff verwendet, wie in §39 Abs2 … AVG – durch Interpretation zu ermitteln. Ausschlaggebend ist letzten Endes das Rechtsschutzbedürfnis des Betroffenen, "dh ob es ihm zumutbar ist, im Interesse der Verfahrensökonomie mit seiner Berufung gegen die verfahrensrechtliche Erledigung bis zur Erlassung des in der Sache ergehenden Bescheides zuzuwarten und die Erledigung gemeinsam mit dem verfahrensbeendenden Bescheid anzufechten, oder ob wegen der mit der Verfahrensanordnung für ihn verbundenen Nachteile (Rechtsschutzdefizite) die sofortige Anfechtung möglich sein muss und deshalb ein verfahrensrechtlicher Bescheid geboten ist" (vgl. Hengstschläger/Leeb, … §63, Rz 51 mwN). 8 Beschwerdelegitimation – Parteibeschwerde Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG: „wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet“ VwGH 18.11.2014, Ra 2014/05/0011: Für die Beschwerdelegitimation vor dem LVwG wäre es nicht erforderlich, dass eine Verletzung der Nachbarrechte … erwiesen ist, es reicht vielmehr aus, dass eine solche Verletzung möglich ist (vgl. die … zu Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ergangene hg. Rechtsprechung …) Abspruch über subjektive Rechte des Beschwerdeführers Bescheidadressat § 8 AVG (formelle oder bloß materielle) Beschwer 9 Beschwerdelegitimation – Parteistellung VwGH 18.2.2015, 2013/03/0140: Nach Art 131 Abs 1 Z 1 B-VG … vor BGBl I Nr 51/2012 … – unabhängig von der Parteistellung im Verwaltungsverfahren – Die Beschwerdelegitimation setzt voraus, dass die … Beschwerde unter Berufung auf eine eigene, gegenüber dem Staat – als Träger der Hoheitsgewalt – bestehende Interessenssphäre des Beschwerdeführers erhoben wird. Fehlt es … an der Möglichkeit einer derartigen Verletzung, dann bedarf es … außer in den bundesverfassungsgesetzlich vorgesehenen Fällen nach Art 131 Abs 2 BVG … einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung …. Der VwGH hat im Übrigen ausgesprochen, dass die Parteistellung im Verwaltungsverfahren und die Berechtigung zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde sich zwar in der Regel decken, aber nicht notwendigerweise zusammenfallen müssen. 10 VwGH 26.4.1999, 98/10/0419 Voraussetzung für die Zulässigkeit der Erhebung einer Beschwerde gegen einen nicht zugestellten und auch nicht an die betreffende Person gerichteten Bescheid ist, dass dieser Bescheid an andere Verfahrensparteien ergangen ist und dass der Bescheid seinem Inhalt nach in die Rechtssphäre der übergangenen Partei eingreift. Beschwerdelegitimiert ist ferner nur derjenige, dessen Parteistellung im Verwaltungsverfahren unstrittig war (…). In Fällen, in denen die Parteistellung einer Person und die Möglichkeit einer Rechtsverletzung ihr gegenüber nicht eindeutig sind, scheidet die Anfechtung eines (letztinstanzlichen) Bescheides im Wege des § 26 Abs. 2 VwGG aus, weil die Frage des Mitspracherechtes zunächst durch die in Betracht kommende Behörde entschieden werden muss … (vgl. das hg. Erkenntnis … Slg. N.F. 7568/A). 11 Übergangene Partei VwSlg 5794 A/1962 (Rechtssatz): Behauptet eine Person, als Anrainer in einem Baubewilligungsverfahren übergangen worden zu sein, und hängt die Berechtigung dieser Behauptung von Tatsachen ab, deren Feststellung dem VwGH nicht obliegt [sondern den Verwaltungsbehörden] so ist der Betreffende nicht berechtigt, den … letztinstanzlichen Bescheid vor dem VwGH zu bekämpfen. VwSlg 7568 A/1969: Eine solche Beschwerdeführung [gem Art 131 Abs 1 Z 1 B-VG] könnte – da ja eine Bescheidzustellung an die Beschwerdeführerin nicht bewirkt wurde – nur unter der Voraussetzung des § 26 Abs 2 VwGG zulässig sein, … Wie … im Beschluss 8.11.1968, 1091/68 [ von Feststellungen Verweis auf VwSlg 5794 A bzw die Notwendigkeit tatsächlicher Natur] festgehalten, ist eine derartige Beschwerdeführung durch übergangene Parteien – Personen also, die einem Verfahren … nicht beigezogen wurden – nicht zulässig. 12 VwGH 26.4.1999, 98/10/0419 Voraussetzung für die Zulässigkeit der Erhebung einer Beschwerde gegen einen nicht zugestellten und auch nicht an die betreffende Person gerichteten Bescheid ist, dass dieser Bescheid an andere Verfahrensparteien ergangen ist und dass der Bescheid seinem Inhalt nach in die Rechtssphäre der übergangenen Partei eingreift. Beschwerdelegitimiert ist ferner nur derjenige, dessen Parteistellung im Verwaltungsverfahren unstrittig war (…). In Fällen, in denen die Parteistellung einer Person und die Möglichkeit einer Rechtsverletzung ihr gegenüber nicht eindeutig sind, scheidet die Anfechtung eines (letztinstanzlichen) Bescheides im Wege des § 26 Abs. 2 VwGG aus, weil die Frage des Mitspracherechtes zunächst durch die in Betracht kommende Behörde entschieden werden muss … (vgl. das hg. Erkenntnis … Slg. N.F. 7568/A). 13 Verlust durch Verzicht VwGVG § 7. (2) Eine Beschwerde ist nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat. vgl § 63 Abs 4 AVG (beachte aber auch § 12 iVm § 20 VwGVG) Ra 2014/05/0004: Soweit sich die Rev gegen die Bewilligung der Abweichungen gem § 69 BO mit Bescheid des Bauausschusses … wendet, ist dieses Vorbringen bereits deshalb nicht zielführend, weil der Rev laut dem vorgelegten Protokoll über die Beschwerdeverhandlung … in dieser Verhandlung erklärt hat, die Ausführungen hinsichtlich der Bekämpfung des Bescheides gemäß § 69 BO nicht mehr aufrechtzuerhalten und zurückzuziehen, sodass die in diesem Zusammenhang nunmehr relevierte Rechtsfrage nicht Entscheidungsgegenstand des 14 angefochtenen Erk ist (vgl. in diesem Zusammenhang § 7 Abs. 2 und § 27 VwGVG). Präklusion VfGH 11.3.2014, B 1479/2010 (erstinstanzlicher Bescheid Verkehrsministerin): Sechst- und Neuntbf … nicht innerhalb der Auflagefrist schriftlich Einwendungen erhoben ... Da sie dadurch im Verfahren vor der belangten Behörde ihre Parteistellung verloren haben, kommt diesen beschwerdeführenden Parteien auch keine Beschwerdelegitimation vor dem VfGH zu. VwGH 26.3.2015, 2014/07/0077 (zur Prüfbefugnis der VwG): Zu beachten ist vom Verwaltungsgericht auch ein (Teil-)Verlust der Parteistellung. VwGH 21.10.2014, 2012/03/0112: „ist ersichtlich, dass der Umweltanwalt … die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften … ‚als subjektives Recht‘ geltend zu machen hat … bedeutet, dass … auch die für die Geltendmachung subjektiver öffentlicher Rechte geltenden verfahrensrechtlichen Regelungen zu beachten“ 15 Fristbeginn im Fall einer Parteibeschwerde (§ 7 Abs 4 Z 1 VwGVG) mit dem Tag der Zustellung des Bescheides an den Beschwerdeführer bei (zulässiger) bloß mündlicher Verkündung schon mit dieser im Fall einer Amtsbeschwerde, „wenn … zugestellt wurde, mit … Zustellung, sonst mit … Kenntnis“ (Z 2 und 5 leg cit) VwSlg 18.212 A/2011: „… auf die Kenntnis vom maßgeblichen "rechtlichen Inhalt" des Bescheides ankommt, worunter der normative Gehalt des Bescheides ("was darin … entschieden wird") zu verstehen ist.“ nicht schon „bloße Kenntnis davon, dass eine bestimmte Verwaltungssache bescheidmäßig erledigt wurde“ nicht erst „Wissen um die nähere Bescheidbegründung“ 16 Wahrung der Beschwerdefrist zwingende vierwöchige Frist (vgl Art 136 Abs 2 B-VG) außer längere Frist in RMB (§ 61 Abs 3 AVG) Verdoppelung der Berufungsfrist ohne Auswirkungen auf „Rechtzeitigkeit“ iSd § 16 Abs 5 und § 17 Abs 3 ZustG (vgl VwGH 25.6.2015, Ro 2014/07/0107) innerhalb Frist rechtswirksam schriftlich bei der belangten Behörde einzubringen (§ 12 iVm § 20) Einbringung direkt beim VwG § 6 Abs 1 AVG Ausnahme: Angabe einer unrichtigen Behörde in Rechtsmittelbelehrung (§ 61 Abs 4 AVG) 17
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