2. Klausur

MUSTERLÖSUNG – 2. KLAUSUR
1. AUFGABE
a) Falsch: Bei einer generellen Transformation ordnet die Rechtsordnung die innerstaatliche
Geltung der völkerrechtlichen Norm an. Eine inhaltsgleiche innerstaatliche Norm wird nicht
erlassen.
b) Falsch: Da der Inhalt des Staatsvertrages auch die Gesetze berühren kann, braucht es bei
politischen, gesetzändernden und gesetzesergänzenden Staatsverträgen die Genehmigung des
Nationalrats (Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG). Ebenso benötigen Staatsverträge, durch die die
vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden, die Genehmigung des
Nationalrats (Art 50 Abs 1 Z 2 B-VG).
c) Richtig [Wird durch den Abschluss eines Staatsvertrages durch den Bund der selbständige
Wirkungsbereich der Länder berührt oder haben die Länder Umsetzungsmaßnahmen zu
ergreifen, haben die Länder als Ausgleich für die umfassende Zuständigkeit des Bundes ein
Stellungnahmerecht.]
d) Richtig [„Self executing“ bedeutet, dass der Staatsvertrag inhaltlich hinreichend bestimmt ist
und Rechte und Pflichten des Einzelnen zum Inhalt hat.]
2. AUFGABE
a) Art 41 Abs 2 B-VG; Ein Antrag von 100.000 Stimmberechtigten oder von je einem Sechstel der
Stimmberechtigten dreier Länder (Volksbegehren) stellt die Möglichkeit dar, einen
Gesetzesantrag dem Nationalrat zur Behandlung vorzulegen. Hier liegt eine ausreichende
Unterstützung des Volksbegehrens durch die Stimmberechtigten vor. Jedoch muss das
Volksbegehren eine durch Bundesgesetz zu regelnde Angelegenheit betreffen. Das Baurecht ist
keine Bundeskompetenz, sondern eine Landeskompetenz gemäß Art 15 Abs 1 B-VG. Die
Angelegenheit daher nicht durch Bundesgesetz zu regeln und das Volksbegehren somit
rechtswidrig.
b) Das Baurecht ist eine Kompetenz der Länder in Gesetzgebung und Vollziehung gemäß Art 15
Abs 1 B-VG. Soll nunmehr der Bund zur Regelung dieser Angelegenheit zuständig sein, so
bedarf es einer Änderung der Bundesverfassung (B-VG) mit den erhöhten Quoren:
Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und Mehrheit von 2/3 der
abgegebenen Stimmen. Bezeichnung als Verfassungsgesetz; Art 44 Abs 1 B-VG. Der Nationalrat
konnte die Kompetenzänderung nur mit einem Verfassungsgesetz durchführen.
c) Jeder Gesetzesbeschluss des Nationalrates ist gemäß Art 42 Abs 1 B-VG unverzüglich dem
Bundesrat zu übermitteln.
d) Wird die Zuständigkeit der Länder in Gesetzgebung oder Vollziehung eingeschränkt, bedarf es
der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art 44 Abs 2 B-VG. Mit Übertragung der
Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenz des Baurechts von den Ländern an den Bund,
wird die Zuständigkeit der Länder eingeschränkt. Es hätte daher einer Zustimmung des
Bundesrates bedurft.
Gemäß Art 47 Abs 1 B-VG ist das verfassungsmäßige Zustandekommen durch den
Bundespräsidenten zu beurkunden und gemäß Abs 3 leg cit durch den Bundeskanzler
gegenzuzeichnen. Der Bundespräsident hätte zu prüfen gehabt, ob die verfassungsrechtlichen
formellen Bestimmungen des Verfahrens der Bundesgesetzgebung eingehalten wurden und
aufgrund der oben dargelegten Fehler in der Gesetzgebung die Beurkundung verweigern
müssen.
e) Gemäß Art 49 Abs 1 B-VG sind die Bundesgesetze vom Bundeskanzler im Bundesgesetzblatt
kundzumachen. Kundmachung durch den Bundespräsidenten war somit rechtswidrig. Da es
sich um einen Gesetzesbeschluss des NR handelte, war die Kundmachung im BGBl I korrekt.
3. AUFGABE
a) Die Warenverkehrsfreiheit ist im AEUV und damit im primären Unionsrecht verankert. Da sie
zum unmittelbar anwendbaren Unionsrecht gehört, wird die nationale Rechtsvorschrift durch
die Warenverkehrsfreiheit überlagert (sog. Anwendungsvorrang). Die Bestimmung ist von den
nationalen Behörden und Gerichten, soweit sie der Grundfreiheit widerspricht, nicht
anzuwenden.
b) Jedes nationale Gericht iSd Art 267 AEUV, das bei der Anwendung des Unionsrechts Zweifel
über dessen Auslegung hat, kann dem EuGH diese Frage zur Vorabentscheidung vorlegen
(Vorlageantrag).
Letztinstanzliche Gerichte sind zur Vorlage verpflichtet. Eine Vorlagepflicht für alle Gerichte
besteht ferner, wenn Zweifel bezüglich der Vereinbarkeit von sekundärem mit primärem
Unionsrecht bestehen.
c) Die Warenverkehrsfreiheit gilt nur für grenzüberschreitende Sachverhalte, nicht für
Sachverhalte ohne jeden Bezug zu einem anderen EU-Mitgliedstaat und damit auch nicht für
M. [Allerdings könnte er behaupten, dass die Schlechterbehandlung reiner Inlandsfälle dem
Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes widerspricht (sog Inländerdiskriminierung) und das
Gesetz daher verfassungswidrig ist.]
4. AUFGABE
a) Durch das Öffnungszeitengesetz werden der Gleichheitsgrundsatz in Art 2 StGG und Art 7 B-VG
und die Erwerbsfreiheit in Art 6 StGG berührt.
(Alternativ: Eigentumsfreiheit: Art 5 StGG, Art 1 1. ZPEMRK)
b) Er prüft, ob die gesetzliche Regelung ein Ziel verfolgt, das im öffentlichen Interesse liegt und ob
die Regelung zur Erreichung dieses Zieles geeignet ist. Zudem prüft der VfGH, ob die Regelung
erforderlich ist oder ob es andere, schonendere Mittel zur Zielerreichung gibt. Zwischen dem
öffentlichen Interesse, das erreicht werden soll, und der Schwere des Grundrechtseingriffs
muss eine angemessene Relation vorliegen (VfGH prüft, ob Regelung adäquat ist).
5. AUFGABE
a) Die Mitglieder der Parlamente sind bei der Ausübung dieses Berufs an keinen Auftrag
gebunden gemäß Art 56 Abs 1 B-VG. Der Grundsatz des freien Mandats garantiert den
Abgeordneten, dass sie selbst bei Austritt aus der Partei oder des Parlamentsklubs ihr Mandat
nicht verlieren und ihre Tätigkeit bis zum Ende der Legislaturperiode fortsetzen können.
Susanne Winter kann daher trotz des Ausschlusses aus der Partei als Abgeordnete zum
Nationalrat bis zum Ende der Legislaturperiode tätig werden.
b) Die berufliche Immunität wird in Art 57 Abs 1 B-VG geregelt. Mitglieder des Nationalrates
dürfen für ihr Abstimmungsverhalten im Parlament niemals verantwortlich gemacht werden.
Für Äußerungen im Parlament dürfen sie nur vom Nationalrat selbst verantwortlich gemacht
werden. Ausnahmen gelten im Falle von Verleumdung oder einer nach dem Bundesgesetz
über die Informationsordnung des NR und des BR strafbaren Handlung.
Susanne Winter kann sich somit nicht auf die berufliche Immunität berufen, da die
strafrechtlich verfolgte Handlung weder im Zuge einer Abstimmung noch bei einer Äußerung
im Parlament erfolgte.