Begründung: zu bürokratisch und zu kompliziert

AUSGABE 001/2016
Polnisches Urteil wegen Verstoßes ...
Der BGH (Beschluss v. 10.09.15 Az.:
IX ZB 39/13) hat ein in Polen unter
Verwendung der Zustellungsfiktion
ergangenes Urteil in Deutschland für
nicht vollstreckbar erklärt.
Art. 1135 a. F. der polnischen Zivilprozessordnung sah vor, dass die Partei,
die ihren Wohnsitz, gewöhnlichen
Aufenthalt oder Sitz im Ausland hat,
verpflichtet ist, einen Zustellungsbevollmächtigten in Polen zu benennen,
wenn sie keinen in Polen ansässigen
Prozessbevollmächtigten bestellt. Für
den Fall, dass kein Zustellungsbevollmächtigter benannt wird, waren die
für diese Partei bestimmten gerichtlichen Schriftstücke in der Gerichtsakte
zu belassen. Sie galten als zugestellt.
Die Antragstellerin des obigen Verfahrens begehrte die Vollstreckbarkeitserklärung eines polnischen Titels. Auf
ihre Klage erließ das polnische Gericht einen Mahnbescheid, gegen den
die Antragsgegnerin Widerspruch
einlegte. Einige Monate später erließ
das Gericht ein Urteil, das mit der
Klage übereinstimmte. Das Urteil wurde rechtskräftig. Erst mit der Zustellung des Urteils incl. Vollstreckungsklausel erfuhr die deutsche Antragsgegnerin von dem Titel.
Gemäß Art. 36 der VO 1215/2012*
werden die in einem Mitgliedstaat
ergangenen Entscheidungen in den
anderen Mitgliedstaaten anerkannt,
ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf. Diese europarechtliche Regelung vereinfacht die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Titel in der EU. Rechtskräftige
ausländische Urteile dürfen in einem
anderen Mitgliedstaat nicht mehr auf
ihre Rechtmäßigkeit geprüft werden.
Der Einwand, das Urteil sei in der
Sache falsch, ist unerheblich.
Nunmehr hat der BGH im Einklang
mit dem Europäischen Gerichtshof
(EuGH Urteil v. 19.12.12 C-325/11
Adler/Orlowski) eine Ausnahme zugelassen. Die Zustellungsfiktion des
polnischen Rechts sei von den
Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maße
entfernt, dass ein in diesem Verfahren
ergangenes Urteil nicht als in einem
geordneten, rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden
kann.
Diese Entscheidung ist für deutsche
Unternehmer von extremer Bedeutung.
Obwohl der polnische Gesetzgeber
nunmehr eine Gesetzesänderung
vornahm (die Zustellungsfiktion gilt
nur noch im Verhältnis zu Nicht-EUBürgern), könnten u.U. noch mehrere
unter der Geltung der alten Rechtslage ergangene Urteile im Umlauf sein,
die aufgrund der damaligen Besonderheit des polnischen Prozessrechts
in Deutschland nicht vollstreckt werden können.
Bevor Sie auf einen - in der Sache
ggf. falschen - polnischen Titel eine
Zahlung leisten, prüfen Sie, welche
Rechtsschutzmöglichkeiten Ihnen in
Deutschland zur Verfügung stehen.
*Die Verfasserin zitiert die seit 01/2015 geltende VO 1215/2012. Auf den vom BGH entschiedenen Sachverhalt fand noch die VO 44/2001
Anwendung. Im Ergebnis ist dies unerheblich,
da das Urteil auch unter Geltung der neuen VO
1215/2012 seine Aktualität behält.