Familienpolitik in Österreich – money for nothing? Thomas Fent In der medialen Diskussion wird das Thema Familienpolitik meist so dargestellt, dass Österreich im internationalen Vergleich zu viel Geld für Sachleistungen und zu wenig für Kinderbetreuung ausgebe und die Geburtenrate trotzdem niedrig sei. Aus dieser offensichtlichen Erfolglosigkeit der Familienpolitik folgt auf dem Fuß die Forderung, die eingesetzten Mittel von Geldleistungen zu Sachleistungen – vor allem Kinderbetreuungseinrichtungen – umzuschichten. Dieses weit verbreitete Mantra zur österreichischen Familienpolitik möchte ich im Folgenden einem Faktencheck unterziehen. Wer den Erfolg oder Misserfolg von familienpolitischen Maßnahmen einzig und allein anhand der Geburtenrate einschätzen möchte, beweist damit zwar eine sehr fokussierte Herangehensweise, verliert aber den Blick auf die Vielfalt der Aufgaben der Familienpolitik. Das Bundesministerium für Familie und Jugend versteht Familienpolitik als eine Politik zur Schaffung von rechtlichen, sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen, Instrumenten und Maßnahmen, womit Familienentwicklung und annehmliches Familienleben ermöglicht und gefördert werden1. Die OECD formuliert als Ziele der Familienpolitik bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Unterstützung der Eltern bei der Realisierung ihrer Kinderwünsche, Mobilisierung des weiblichen Arbeitskräfteangebots, Förderung der Gleichstellung der Geschlechter, Verringerung von Kinder- und Familienarmut und Förderung der kindlichen Entwicklung und Verbesserung des allgemeinen Wohlergehens der Kinder von einem frühen Alter an2. Verfolgt ein Staat diese Ziele, so erleichtert das den Familien die Erfüllung ihres individuellen Kinderwunsches. Das kann zu einer höheren Geburtenrate beitragen, ist aber nicht das primäre Ziel von Familienpolitik. Oder messen wir den Erfolg der Agrarpolitik an der Zunahme der landwirtschaftlichen Betriebe? Wie sieht es mit den Aufwendungen des Staates aus? Der Politik stehen im Wesentlichen drei Gruppen von familienpolitischen Instrumenten zur Verfügung: direkte Geldleistungen, Sachleistungen und Steuervergünstigungen. Österreich wendet 2,34% des BIP für Geldleistungen für Familien auf, das liegt deutlich über dem OECD Durchschnitt von 1,41% bzw. über dem Durchschnitt der europäischen OECD Mitgliedstaaten von 1,6%, für Sachleistungen fallen 0,57% an (OECD: 0,94% bzw. 1,0%) und die Steuervergünstigungen 1 2 Webseite des Bundesministeriums für Familien und Jugend, http://www.bmfj.gv.at. OECD (2011), Doing Better for Families. machen 0,04% aus (OECD: 0,28% bzw. 0,3%)3. Aus Sicht einer Familie besteht kaum ein Unterschied zwischen Geldleistungen und Steuererleichterungen, beides entlastet das Haushaltsbudget. Zählt man beides zusammen so stehen 2,38% in Österreich dem OECDSchnitt von 1,69% bzw. 1,9% gegenüber. Während Familien mit hohen Einkommen von Steuererleichterungen verstärkt profitieren, sind Geldleistungen für alle Familien gleich hoch. Geldleistungen gegenüber Steuerermäßigungen den Vorzug zu geben trägt daher zur sozialen Umverteilung bei, was durchaus politisch erwünscht sein kann. Wie erfolgreich werden diese Mittel eingesetzt? In Österreich sind 8,2% der Kinder unter 18 Jahre von Armut betroffen (OECD: 13,3%) unter den Alleinerziehenden mit Kindern sind es 25,7% (31,0%). Bei der als ideal angesehenen Anzahl von Kindern liegt Österreich im Durchschnitt bei etwa 1,6, das OECD-Mittel liegt knapp über 2; bei der Übereinstimmung zwischen gewünschter und tatsächlicher Kinderzahl liegt Österreich nahe am OECD Durchschnitt. Kinderbetreuungseinrichtungen gehören zu den wichtigsten Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Von den Kindern unter zwei Jahren sind 12,1% in Kinderbetreuungseinrichtungen untergebracht (OECD: 26,7%), bei den 3 bis 5-Jährigen sind es 77,6% (79,7%)4. Etwa zwei Drittel (67%) der Mütter mit Kindern unter 15 Jahren sind berufstätig (61%). Die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter zeigt sich z.B. daran, ob für beide Partner ein gleich hoher Anreiz zur Erwerbsarbeit besteht (Neutrality of tax/benefit systems). Österreich liegt mit 29,0% über dem OECD Schnitt von 17,5%. Fazit: die Aufwendungen für Familien liegen in Österreich leicht über dem OECD Durchschnitt und entsprechen in etwa dem Durchschnitt der europäischen OECDStaaten wobei Geldleistungen im Vergleich zu Sachleistungen in Österreich stärker gewichtet sind. Österreich liegt aber nicht nur bei den Ausgaben sondern auch bei der Erreichung der Ziele der Familienpolitik über dem Durchschnitt. Sicherlich sind in manchen Bereichen Verbesserungen wünschenswert. Ob diese mit einer simplen Umschichtung von Geldleistungen zu Kinderbetreuungseinrichtungen erreicht werden können, darf ruhigen Gewissens bezweifelt werden. 3 4 OECD Social Expenditure Database OECD Family database
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