** MITTWOCH, 13. APRIL 2016 KUNDENSERVICE 0 8 0 0 / 9 3 5 8 5 3 7 ** Zippert zappt THEMEN Unruhe ist Bürgerpflicht THOMAS EXNER W Seit Langem beherrschen arabische Großfamilien die Berliner Unterwelt, jetzt demonstrieren Politik und Behörden Entschlossenheit. Mit einer Großrazzia ging die Polizei gegen Clan-Mitglieder vor, verhaftete mehrere Männer im Alter von 20 bis 56 Jahren. Beamte wie dieser in Neukölln durchsuchten Wohnhäuser, Gaststätten und Firmenräume. Der Einsatz richtete sich unter anderem gegen Verdächtige im Zusammenhang mit dem spektakulären Raubüberfall auf die Schmuckabteilung im Luxuskaufhaus KaDeWe im Dezember 2014. Es ging aber auch um andere organisierte Kriminalität: Einbrüche, Drogenhandel, Gewaltdelikte. Seite 4 MARTIN U. K. LENGEMANN; PETER KNEFFEL Kampf gegen die Clans beginnt Deutschland ist Spitze – bei Steuern und Abgaben Gehälter werden hierzulande weit stärker belastet als im Durchschnitt der Industriestaaten. OECD beklagt zu hohe Diskrepanz zwischen alleinstehenden Arbeitnehmern und Familien WIRTSCHAFT Stark und klug: Die Baumaschinen der Zukunft Seite 12 POLITIK Böhmermann steht unter Polizeischutz K aum ein EU-Bürger muss so viel von seinem Bruttogehalt an Steuern und Sozialabgaben abführen wie der deutsche. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der OECD. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung berechnet jedes Jahr, wie stark die Gehälter in den 34 Mitgliedsländern belastet werden. Arbeitnehmern in Deutschland blieb im vergangenen Jahr etwas weniger Geld vom Bruttogehalt als im Vorjahr, weil die Steuer- und Abgabenlast gestiegen ist. Seite 6 Bundesligaspiele jetzt auch am Montag Seite 19 KULTUR Wortkunde: Heute schon geschmäht? Seite 21 gabenlast in Deutschland im OECD-Vergleich an der Spitze, erklärte die Organisation. Allerdings bevorzuge Deutschland im internationalen Vergleich traditionelle Familien, in denen nur ein Ehepartner arbeitet, besonders stark. Im vergangenen Jahr sank die Steuer- und Abgabenlast für ein Ehepaar mit zwei Kindern auf nur noch 21,2 Prozent. Das liegt zwar immer noch über dem OECDSchnitt von 14,6 Prozent, ist aber weit schnittsverdienst galten der OECD im vergangenen Jahr 47.042 Euro. Verantwortlich für die relativ starke Belastung der Gehälter in der Bundesrepublik sind vor allem die Beiträge für Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung, die hierzulande weit höher sind als in anderen Industrieländern. Nicht nur bei Singles, sondern auch bei fast allen anderen untersuchten Haushaltstypen liege die Steuer- und Ab- VON TOBIAS KAISER SPORT Nr. 86 KOMMENTAR G esundheitswissenschaftler glauben, dass schon bald mehr als ein Drittel der medizinischen Versorgung über das Internet laufen wird. Patienten müssen nicht mehr die Wartezimmer der Ärzte verstopfen, dort uralte Tauchsportmagazine lesen oder sich die beängstigenden Bilder an den Wänden anschauen, von denen man nie weiß, ob es moderne Kunst oder Darstellungen von Hautkrankheiten sind. Bald stellt der Patient Bilder seiner Furunkel auf Instagram, der Arzt kann sich das in Ruhe anschauen und liken. Mit der Behandlung kann dann auch online begonnen werden. Hautirritationen lassen sich mit Photoshop beseitigen, Gesichter kann man per Faceswap austauschen lassen, schadhafte Körperteile kann der Arzt neu starten. Will der Patient unbedingt reden, kann er mit Dr. Bot skypen. Medikamente bestellt man online, und wenn sie nicht passen, schickt man sie gebührenfrei zurück. Kunden, denen die Online-Diagnose gefallen hat, ließen sich auch gegen Internetsucht, ADHS und Adipositas behandeln. Stirbt der Patient offline, können die Angehörigen funktionstüchtige Organe bei Ebay versteigern. D 2,50 EURO B Einem alleinstehenden Durchschnittsverdiener ohne Kinder blieben demnach im Vorjahr von 100 Euro Bruttogehalt nur 50,60 Euro. Die übrigen 49,40 Euro flossen ans Finanzamt und in die Sozialversicherung. Damit belegt Deutschland einen Spitzenplatz im Ranking der 34 zur OECD zusammengeschlossenen Industrieländer: Lediglich in Belgien und Österreich tragen alleinstehende Arbeitnehmer eine höhere Last. Die Bandbreite unter den Industrieländern ist allerdings hoch und reicht von 42 Prozent in Belgien bis sieben Prozent in Chile. Als deutscher Durch- Weltwirtschaft wächst langsamer schwung setzt sich fort, aber mit einem immer weiter nachlassenden Tempo und immer fragiler“, sagte IWF-Chefvolkswirt Maurice Obstfeld. Je schwächer das Wachstum, desto größer sei die Gefahr eines Absturzes mit einer möglicherweise folgenden langen Phase der Stagnation. Für Deutschland senkte der IWF seine noch im Januar erhöhten Erwartungen. Er rechnet mit einer Steigerung der Wirtschaftsleistung um 1,5 Prozent 2016 und um 1,6 Prozent 2017. Damit wurden die Prognosen um 0,2 und 0,1 Punkte gesenkt. Beim Internationalen Währungsfonds (IWF) wächst die Sorge um das weltweite Wachstum. Am Dienstag nahm er zum zweiten Mal binnen wenigen Monaten seine Prognosen zurück. Die globale Wirtschaftsleistung soll dieses Jahr statt um 3,4 nur um 3,2 Prozent zulegen. Im nächsten Jahr wird das Wachstum demnach bei 3,5 Prozent statt bei 3,6 Prozent liegen. Grund dafür seien Unwägbarkeiten wie die Schwäche Chinas, die Debatte um einen britischen EU-Austritt, die Flüchtlingskrise sowie der Krieg in Syrien. „Der globale Auf- niedriger als bei einem Alleinstehenden. Der Unterschied zwischen der Belastung für Alleinstehende und Familien ist laut OECD in Deutschland besonders groß. Die OECD sieht das kritisch und moniert, dass durch das deutsche Steuersystem und insbesondere das Ehegattensplitting viele Menschen davon abgehalten würden, eine Vollzeitstelle anzunehmen. Das gelte vor allem für Frauen, sagte der OECD-Direktor für Steuerpolitik und Steuerverwaltung, Pascal SaintAmans. Die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen sollte bei der Gestaltung des Steuersystems „stärker berücksichtigt“ werden, mahnte er an. In ihrem jüngsten Wirtschaftsbericht zu Deutschland hatte die Organisation empfohlen, die Effekte des Ehegattensplittings abzumildern, etwa durch höhere Freibeträge für den Zweitverdiener mit dem ungünstigeren Steuersatz. Auch die beitragsfreie Versicherung nicht erwerbstätiger Partner in der Krankenversicherung solle überdacht werden. Grundsätzlich plädieren die OECDVerantwortlichen dafür, die Arbeitskosten zu senken, um die Beschäftigung zu fördern. So könnten niedrige Einkommensteuern beispielsweise durch höhere Steuern auf Immobilien ausgeglichen werden. Siehe Kommentar und Seite 9 enn es Dinge gibt, um die man sich Sorgen machen kann, dann tun dies die Deutschen gemeinhin besonders intensiv. Nicht umsonst gelten wir im Ausland als eher wenig entspannt. Umso erstaunlicher ist es, dass die im internationalen Vergleich sehr hohe Steuer- und Abgabenlast auf Arbeitseinkommen hierzulande kaum noch für Emotionen sorgt. Es scheint, als hätten die Bundesbürger ausgerechnet bei diesem Thema resigniert. Oder anders ausgedrückt: Die Regierung war mit ihrem Bemühen, das Land mit einem Kokon des Wohlgefühls einzuspinnen, augenscheinlich erfolgreich. Dabei sind die Zahlen der OECD, auch wenn man über statistische Details durchaus diskutieren kann, weit mehr als ein Ärgernis. Zumal die indirekten Steuern in den Berechnungen der Ökonomen nicht einmal enthalten sind – die tatsächliche Last für die Arbeitnehmer also noch höher ist. Wenn ein Land aber schon in konjunkturell sonnigen Zeiten bei der Belastung seiner Bürger an der Weltspitze liegt, droht der Zugriff des Staates in wirtschaftlich schwierigen Zeiten noch heftiger auszufallen. Ganz abgesehen davon, dass mit der zunehmenden Alterung der Gesellschaft unabwendbar zusätzliche Herausforderungen auf die Kassen von Staat und Sozialsystemen zukommen. Schon jetzt steigen Krankenund Pflegekassenbeiträge, ohne dass ein Ende der Aufwärtsdynamik in Sicht wäre. Und auch bei den Rentenbeiträgen dürfte es spätestens ab 2019 deutlich nach oben gehen, weil die Zahl der Rentner wächst, während die Zahl der Beitragszahler sinkt. All dies wird die Lohnnebenkosten in die Höhe treiben und auf Dauer die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und die Sicherheit von Arbeitsplätzen infrage stellen. Die Wahrheit ist: Unser Land und unsere Sozialsysteme sind mitnichten zukunftsfest. Bei nüchterner Betrachtung ist der Reformdruck vor der eigenen Haustür kaum geringer als im Süden Europas. Wir müssen darüber diskutieren, wie wir unser Gesundheitssystem effizienter gestalten können. Der Staat muss mit den Steuereinnahmen sorgfältiger umgehen. Und wir müssen Wege finden, die mehr Menschen dazu bringen, Geld für die Zukunft zurückzulegen. Sonst drohen künftig massenhafte Altersarmut oder eine Überforderung der jüngeren Generationen. Wir haben also eine Menge Gründe, unruhig zu sein und uns dem politischen Stillstand zu widersetzen. Die Zahlen zur aktuellen Abgabenbelastung sind ein Alarmsignal. Jedes Zuwarten macht die Probleme nur noch größer – und am Ende unlösbar. [email protected] DAX Das Geheimnis der Bärenknochen Im Plus Seite 15 Forscher weisen nach, dass Menschen die berühmte Chauvet-Höhle in Südfrankreich bereits vor 37.000 Jahren bewohnten Dax Schluss Euro EZB-Kurs Punkte US-$ 9761,47 1,1396 +0,81% ↗ +0,05% ↗ Dow Jones 17.40 Uhr 17.702,59 Punkte +0,83% ↗ ANZEIGE Technik der Superlative „Tanker in der Arktis – Mitten durchs Eis“ Heute um 21.05 Uhr Wir twittern Diskutieren live aus dem Sie mit uns Newsroom: auf Facebook: twitter.com/welt facebook.com/welt „Die Welt“ digital Lesen Sie „Die Welt“ digital auf allen Kanälen – mit der „Welt“-App auf dem Smartphone oder Tablet. Attraktive Angebote finden Sie auf welt.de/digital oder auch mit den neuesten Tablets auf welt.de/bundle D ie Zeichen sieht nur, wer sich auf den Rücken legt. Eingeritzt in den Lehm sind Zwitterwesen zwischen Vogel und Mensch, spitzohrige Zweibeiner, denen aus der Schulter ein Schnabel wächst. Antilopen mit Rüssel, krakelige Linien. Wie lange die menschlichen Signaturen in der 1994 entdeckten Chauvet-Höhle überdauerten, war lange ein Rätsel. Man schätzte 12.000, vielleicht 14.000 Jahre, doch eine jetzt veröffentlichte Studie geht davon aus, dass die Einkerbungen auf zwei viel frühere Phasen menschlicher Aktivität in der Grotte schließen lassen: eine vor 37.000 Jahren, die zweite endete vor etwa 28.000 Jahren. VON SEBASTIAN KUNIGKEIT In der südfranzösischen Höhle wurden mehr als 1000 Wandmalereien gefunden. Forscher feiern sie als Meisterwerk, das nicht nur die natürliche Felsstruktur für eine Art 3-D-Effekt nutzt, sondern auch schon versucht, Bewegung darzustellen – so jedenfalls lässt sich interpretieren, dass manche Tiere mit zu vielen Beinen gezeigt werden. Die Höhle zählt inzwischen zum Unesco-Weltkulturerbe. Die Studie von Wissenschaftlern unter anderem aus Ägypten, Frankreich und Deutschland stützt sich auf eine Technik der archäologischen Altersbestimmung, die Radiokarbonmethode. Es wurden 250 Proben von Holzkohleresten vom Boden der Grotte, Malereien und Kohlespuren an den Wänden sowie Bärenknochen analysiert. Die Tiere nutzten die Höhle demnach im Zeitraum von vor 48.500 bis vor 33.000 Jahren als Unterschlupf. Dies fällt teilweise zusammen mit der ersten Phase menschlicher Aktivität in der Grotte. Keine der Proben konnte auf die Zeit danach identifiziert werden, schreiben die Autoren in der Fachzeitschrift „Proceedings der Nationalen Akademie der Wissenschaften der USA“. Ein Steinschlag vor etwa 29.400 Jahren verschloss den Eingang zur Höhle teilweise. Zwei weitere Steinschläge zwischen vor 23.500 und 21.500 Jahren versperrten den Zugang dann endgültig. „Seitdem hat kein Mensch oder Tier, außer kleineren Säugetieren mit ihrer gesammelten Nahrung, die Höhle bis zu ihrer Wiederentdeckung 1994 betreten“, heißt es in der Studie. Die Chauvet-Höhle ist etwa 8500 Quadratmeter groß. Das Original wird streng abgeschirmt und ist allein ausgewählten Wissenschaftlern zugängig. Im vergangenen Jahr wurde in der Nähe ein 55 Millionen Euro teurer Nachbau eröffnet, in dem Touristen aufwendige Kopien der Malereien besichtigen können. „Es wäre ein viel zu hohes Risiko, das Original für Besucher zu öffnen“, sagte der Architekt Xavier Fabre kurz vor der Eröffnung. „Solche Höhlen sind sehr fragil“, pflichtet ihm der französische Geomorphologe Jean-Jacques Delannoy bei. „Besucher atmen, transpirieren, produzieren Wärme. Die Wärme würde an den Wänden kondensieren und Kristalle im Ergebnis die Abbildungen komplett überziehen. Nur mit der Replik können wir diese überwältigenden Dokumente einer vorgeschichtlichen Zeit teilen.“ DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410 Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet. Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen. Telefon 030/25910, Fax 030 / 259 17 16 06 E-Mail: [email protected] Anzeigen: 030 / 58 58 90 Fax 030 / 58 58 91 E-Mail [email protected] Kundenservice: DIE WELT, Brieffach 2440, 10867 Berlin Telefon 0800 / 9 35 85 37 Fax 0800 / 9 35 87 37 E-Mail [email protected] A 3,20 & / B 3,20 & / CH 5,00 CHF / CZ 95 CZK / CY 3,40 & / DK 25 DKR / E 3,20 & / I.C. 3,20 & / F 3,20 & / GB 3,00 GBP / GR 3,40 & / I 3,20 & / IRL 3,20 & / L 3,20 & / MLT 3,20 & / NL 3,20 & / P 3,20 & (Cont.) / PL 15 PLN / SK 3,20 € + ISSN 0173-8437 86-15 ZKZ 7109
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