1 Oberbürgermeister Stefan Schostok zum Abschied

Oberbürgermeister Stefan Schostok
zum Abschied von Stadtrat Thomas Walter
Ratssitzung 28. Januar 2016
Es gilt das gesprochene Wort
Anrede.
Wie würdigen wir hier angemessen 22 Jahre im Dienst der Sozial- und
Familienpolitik unserer Stadt?
Versuchen wir es vielleicht einmal mit einer Nebensache – dem Fußball. Thomas
Walter greift gern mal zu Fußballweisheiten. Ihm ist TippKick ein Begriff. Und er
leidet aktuell wie viele hier mit 96.
Blicken wir kurz zurück in die Mitte der 70er Jahre. Da vermerkt das Gymnasium
Adolfinum Bückeburg im Abiturzeugnis von Thomas Walter, dieser habe in Klasse
12 und 13 „mit gutem Erfolg an der Fußball AG teilgenommen.“
Mit gutem Erfolg!
Man spürt noch heute in diesem scheinbar freundlichen Satz die entscheidende
Spur Ignoranz, die den jungen Thomas Walter dann nicht für Hannover 96,
sondern zum Studium der Sozialwissenschaften nach Göttingen stürmen ließ. So
werden Karrieren vorgezeichnet.
Der Weg nach Hannover führte dann durch das „Tor zur Welt“. Aus Göttingen
verschlug es Thomas Walter nämlich zunächst nach Hamburg zum
Aufbaustudium Politik und dann als wissenschaftlicher Angestellter in die CDUBürgerschaftsfraktion.
Hier sei hervorgehoben, dass ein Mitglied der Bürgerschaft in einem Zeugnis
damals folgendes hervorhob: 'Die Bürgerschaft ist ein „Feierabend-Parlament“,
in dem die Fähigkeit zu selbständigem Arbeiten für die Erfüllung der Aufgaben
zwingend notwendig ist.'
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Dennoch scheinen die Hamburger Kollegen den aufstrebenden jungen Mann
deutlich unter Wert eingesetzt zu haben. Denn welche besonderen Fähigkeiten
mögen wohl bei der Aufgabe als Assistent des Schriftführers des
Haushaltsausschusses gefordert gewesen sein? Auch die Mitarbeit im
Untersuchungsausschuss „Überprüfung der Hamburger Stadtreinigung“
dürfte selbst im Feierabend-Parlament nicht wirklich ausfüllend gewesen sein.
Das, meine Damen und Herren, ändert sich dann mit dem Wechsel nach
Hannover schlagartig.
Im Nds. Sozialministerium unter der Ägide von Hermann Schnipkoweit avancierte
Thomas Walter zu einem der „fähigsten Beamten des Ministeriums“, wie ihm
bald bescheinigt wurde. Neben reichlich lobenden Adjektiven von engagiert bis
kreativ fällt noch eine weitere Gabe ins Auge: seine - wie es in einer Beurteilung
heißt - „ausgezeichnete Formulierungsfähigkeit“.
Sie haben es im Rat oder in den Ausschüssen ein ums andere Mal erleben dürfen:
Thomas Walter formuliert gern aus dem Stegreif und dann druckreif. Das allein
wird vielen fehlen.
Aber was zeichnet nun die "Ära Thomas Walter" in der Sozial-, Jugend- und
Familienpolitik der Landeshauptstadt aus?
Versuchen wir es auch hier noch einmal mit einer nur scheinbaren Nebensache.
Wie fällt das Urteil über Thomas Walter bei Menschen aus, die ihm täglich –
vielleicht auch nur kurz – begegnen?
„Ein feiner Mensch“, sagt ein Rathausangestellter, den viele hier morgens beim
Betreten des Rathauses begrüßen. Und er fügt dann das größte hannöversche
Lob hinzu: „Ich kann wirklich nichts Negatives über ihn sagen.“
Die Liste der Themen und Modellprojekte, die mit seinem Namen verbunden sind,
ist lang, zu lang und durchaus bekannt, als das man sie an dieser Stelle verlesen
müsste.
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Lassen Sie uns deshalb einen Blick werfen auf die veränderten Anforderungen
an den Sozialstaat und seine daraus erwachsenen Leistungen – und damit
meine ich nicht allein die finanziellen Leistungen.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, als nach der Wende in den ersten Jahren
der deutschen Einheit die sozialen Sicherungssysteme erheblich unter Druck
gerieten. In dieser Zeit durchaus schwieriger Rahmenbedingungen für den
Sozialstaat trat Thomas Walter in Hannover an: als Jugend- und Sozialdezernent.
Die folgenden 22 Jahre sind dann geprägt von einschneidenden Veränderungen in
der deutschen Sozial- und Familienpolitik. Der moderne Sozialstaat gewährt
heute vor allem viele neue Dienstleistungen. Er ermöglicht Teilhabe für
Menschen, die sich nicht alles leisten können.
In Hannover finden wir dafür viele Beispiele, etwa den Wandel von der Altenhilfe
zum Kommunalen Seniorenservice. Oder die Neukonzeption der Alten- und
Pflegezentren. Ebenso stehen dafür kreative Ideen wie das Familienservicebüro
und die Familienzentren, Jugendtreffs und Jugendbildungskoordination oder der
Hannoversche Weg für Kinder in Armut.
Zum Wandel der vergangenen zwei Jahrzehnte zählt auch ein verändertes
Familienbild, die Berufstätigkeit von Vätern und Müttern, die steigende Zahl von
Alleinerziehenden. Daraus sind erwachsen die Rechtsansprüche auf einen
Kindergartenplatz Mitte der 90er Jahre und im zweiten Schritt auf einen
Krippenplatz – beides haben wir in Hannover bravourös eingelöst.
Dies alles und einiges mehr sind Hannovers Antworten auf den gesellschaftlichen
Wandel in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Und diese Antworten, meine
Damen und Herren, sind maßgeblich mit dem Sozialdezernenten der vergangenen
22 Jahre verbunden. Getragen zweifellos von einer politischen Mehrheit und oft
von einem noch sehr viel breiteren Konsens. Umgesetzt von einem starken
Team, das allerdings auch einen Chef hat, der Orientierung gibt.
Und diese Orientierung hat Thomas Walter stets gegeben! Auch weit über
Hannover hinaus. Seine Erfahrung, seine Expertise zählen viel im Deutschen und
im Niedersächsischen Städtetag.
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Superlative in Bezug auf die eigene Person sind ja nicht unbedingt seine Sache.
Aber im Deutschen Städtetag würde niemand widersprechen, wenn wir Thomas
Walter als den führenden kommunalen Sozialpolitiker in unserem Land ansehen.
Es zeichnet Thomas Walter aus, dass er gerade in den vergangenen Monaten
sich unverändert zuverlässig und zupackend der immensen Aufgabe der
Betreuung und Integration von Flüchtlingen gewidmet hat.
Hannover ist in punkto Integration nun gewiss kein Niemandsland. Ich nenne nur
mal das Beispiel der Rucksackmütter. Auch dies ist so eine ungewöhnliche,
kreative Idee.
Doch dass wir für Hannover bereits vor über einem Jahr binnen weniger Wochen
ein Integrationsmanagement für Flüchtlinge als zusätzliches Instrument für die
Betreuung dieser Menschen geradezu aus dem Boden gestampft haben, ist keine
Selbstverständlichkeit. Das verdient auch eine hohe persönliche Anerkennung.
Meine Damen und Herren,
natürlich wissen wir alle, dass der moderne Sozialstaat nur gelingen kann, wenn
viele einbezogen sind: Karitative Einrichtungen, die freien Träger bis hin zu
jenen, die mit bürgerschaftlichem Engagement vieles erst ermöglichen. Das
merken wir ja gerade auch jetzt bei der Herkulesaufgabe der Integration tausender
Flüchtlinge.
Doch die Beharrlichkeit und Ruhe, mit der Thomas Walter diese vielen
politischen und sozialen Aufgaben für die Stadtverwaltung stets angegangen ist,
dürfen wir uns gern als Vorbild nehmen.
Wir haben also zu danken für 22 Jahre engagierte und kreative Arbeit – wie es ja
schon ein frühes Zeugnis im Hamburger Feierabend-Parlament verhieß!
Wir haben zu danken für eine höchst erfolgreiche Arbeit zum Wohle Hannovers.
Lieber Thomas, um dieses Wohl, um das soziale Wohl der Menschen in unserer
Stadt, hast Du Dich verdient gemacht.
Vielen Dank!
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