Den GOÄ-Zug nicht auf der Zielgeraden entgleisen lassen

Verschiedenes
KV-Blatt 02.2016
Neujahrsempfang im KaDeWe
Den GOÄ-Zug nicht auf der
Zielgeraden entgleisen lassen
Der Neujahrsempfang der deutschen
Ärzteschaft im Berliner „Kaufhaus des
Westens“ (KaDeWe) ist traditionell
eine Veranstaltung, bei der klare Worte
gesprochen werden. So auch in diesem
Jahr durch den Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). In seiner
Rede vor den geladenen Vertretern aus
Politik und ärztlicher Selbstverwaltung
blickte Gröhe zurück auf ein ereignisreiches Jahr und sparte nicht mit Kritik
am Vorgehen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) im Hinblick auf
den aktuellen Rechtsstreit mit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG).
minister, sage viel aus über die Menschen und den Charakter einer Gesellschaft. Ferner „freue“ er sich, dass
der Bundes­tag das Verbot einer organisierten Selbsttötungshilfe beschlossen habe. Der BMG-Chef wertete das
vergangene Jahr als „erfolgreich“ und
nannte die Verständigung im Bereich
der Bedarfsplanung als Beispiel für
gute Zusammenarbeit zwischen Politik und Selbstverwaltung. Dort seien
„gute und faire“ Kompromisse gefunden worden.
Zunächst kam der Bundesgesundheitsminister jedoch auf die Verdienste der
deutschen Ärzteschaft bei der Gestaltung einer guten medizinischen Versorgung für Asylsuchende zu sprechen.
Diese sei eine große Herausforderung
gewesen. Für das besondere Engagement vieler Ärzte bedankte sich Gröhe
ausdrücklich.
Keine Kompromisse wolle Gröhe hingegen eingehen, wenn es um die Befolgung der Rechtstreue gehe, besonders
nicht, wenn es sich um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handele.
Der CDU-Politiker spielte damit auf
den momentan schwelenden Rechtsstreit zwischen KBV und BMG um die
Satzungs­änderung in der KBV an, durch
die eine Parität zwischen haus- und
fachärztlichen Stimmen in der KBV-Vertreterversammlung (VV) herstellt werden soll. Nach einer mehrfachen Weigerung seitens der KBV-VV, die eigene
Satzung wie im GKV-VSG vorgeschrie-
Der Bundesminister sei darüber hinaus
dankbar, dass der Deutsche Bundestag „nahezu geschlossen“ der Stärkung
der Hospiz- und Palliativversorgung
zugestimmt habe. Dies, so der Bundes-
Kritik am Vorgehen der KBV
ben anzupassen, erfolgte Ende des vergangenen Jahres eine Ersatzvornahme
durch das BMG. Dagegen hat die KBV
Klage eingereicht.
Der Gesundheitsminister nannte es
„befremdlich“, dass ausgerechnet ein
Organ der ärztlichen Selbstverwaltung
Kritik an einer Gesetzesänderung übe,
die eigens zum Schutz der Autonomie
der Selbstverwaltung veranlasst worden
sei. Dieser Schutz sei Gröhe wichtig;
alles andere würde auf Kostendämpfungen oder Staatsmedizin hinauslaufen –
all dies empfinde Gröhe als „nicht wünschenswert“.
Agenda 2020 wird mit Interesse beobachtet
Einen Seitenhieb auf die Konflikte innerhalb der KBV-VV konnte sich der Rheinländer nicht verkneifen: Kommunikationsprobleme zwischen Politik und
Selbstverwaltung seien nicht in einer
mangelnden Gesprächsbereitschaft seitens der Koalition zu suchen, sie entsprängen vielmehr den Streitereien
innerhalb der Selbstverwaltung. Die
von der KBV angekündigte „Agenda
2020“ und die damit verbundene Frage
nach dem Selbstbild des KV/KBV-Systems werde Gröhe daher „mit Interesse“
beobachten.
GOÄ-Reform nicht entgleisen lassen
Foto: Klotz
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Klare Worte im Berliner „KaDeWe“: Bundesgesundheitsminister Gröhe (mi.) im Gespräch
mit KBV-Chef Andreas Gassen (li.) und BÄK-Präsident Frank Ulrich Montgomery (re.).
In Hinblick auf die Debatte über eine
neue GOÄ riet der Bundesgesundheitsminister, „den Zug nun nicht auf
der Zielgeraden entgleisen“ zu lassen.
Nach rund drei Jahrzehnten ohne ernsthafte Anpassung der GOÄ sei es primär
wichtig, Rechtsicherheit zu schaffen
und sich von „komplizierten Analogien“ zu trennen. Eine neue GOÄ sei
längst „überfällig“; die Diskussion darüber solle kein Schauplatz für eine Sozialneidsdebatte werden. Der Minister wünsche sich diesbezüglich eine Einigung,
bevor man wieder „mit dem Druck von
Wahlkampfplakaten“ beginne.
Dr. Christian Klotz