CfP Journal für Psychoanalyse 58 Klinische Arbeit mit Träumen Beim Studium von Freuds Traumtheorie ist es nach wie vor üblich, von seiner Traumdeutung (1900) auszugehen. Gleichzeitig erweist es sich immer wieder als fast unmöglich, daraus klare Konzepte für den Umgang mit Träumen in der klinischen Praxis zu gewinnen. Das mag unter anderem daran liegen, dass es sich um ein Frühwerk handelt. Freud publizierte den Fall Dora, bei dem er die Übertragung entdeckte, erst fünf Jahre später, und die Gegenübertragung blieb ihm im Grunde genommen ein Fremdwort. Wie Lansky (1992, S. 12 und 14)i richtig schreibt, entstammt die Theorie nicht einer psychoanalytischen Situation, wie wir sie heute kennen. Die Aufforderung, zu jedem Element des manifesten Traums, also gerichtet, assoziieren zu lassen, kann gegenüber der Handhabung allen anderen Materials in einer Psychoanalyse, wo freie Assoziation erwartet wird, als Fremdkörper erscheinen. Ferner entwickelte Freud die Strukturtheorie erst 20 Jahre später und wandte sie ausser im 5. Kapitel des Abriss der Psychoanalyse auch nicht auf die Traumtheorie an. Das zunehmende Gewicht der IchPsychologie führte u.a. zur Praxis, dass der manifeste Traum als ein Element der Assoziationskette unter vielen anderen aufgefasst wurde. Wurde die Via regia zur Kenntnis des Unbewussten im Selenleben (Traumdeutung S. 613) zu einem Seitenpfad innerhalb der klinischen Arbeit? „Den meisten Analytikern fehlt die Erfahrung, dass ihre Träume in einer eigenen Analyse angemessen analysiert wurden, was sie einer korrekten Einschätzung über die Wichtigkeit der Träume für die ii Psychoanalyse beraubte“ (Greenson 1970, S. 84 ). Wie weit die Einschätzung von Greenson zutreffend ist, bleibt zu diskutieren. Ziel der geplanten Nummer über den Traum ist die Auseinandersetzung mit den beschriebenen Herausforderungen. Einen Schwerpunkt werden die Arbeiten Fritz Morgenthalers zum Traum (2004) bilden. Mit seiner neuen Auffassung über die Assoziationen zu Traumerzählungen und der Einführung der Traumdiagnostik, welche die Traumtheorie direkt mit Widerstand und Übertragung verbindet, ist es ihm gelungen, die erwähnten Probleme von Freuds Traumdeutung kreativ anzugehen. Sein Umgang mit der Ich-Psychologie und mit Elementen von Kohuts Narzissmustheorie erlaubte es ihm, neuere Entwicklungen seiner Zeit in eine Revitalisierung des Freud’schen Ansatzes zu integrieren. Problematisch bleiben drei Tatsachen: 1. Morgenthalers Arbeiten zum Traum sind wegen seines vorzeitigen Todes ein Fragment geblieben. 2. Es bereitet Schwierigkeiten, den praktischen Umgang mit Träumen von Morgenthalers polarisierender Persönlichkeit zu lösen und sich sein Vorgehen authentisch für die eigene Praxis anzueignen. 3. Morgenthaler hat sich kaum für die theoretische Verankerung seiner Auffassungen in die psychoanalytische Literatur interessiert. Dieser CfP richtet sich an Autor_innen, die 1. auf praktischer und/oder theoretischer Ebene Beiträge zu diesen Problembereichen leisten wollen; 2. Morgenthalers Arbeit zum Traum von verschiedenen anderen Strömungen der Psychoanalyse her kritisch beleuchten; 3. andere Autor_innen respektive Ansätze behandeln, welche der oben erwähnten Entwicklung entgegenwirken; 4. sich mit der Frage beschäftigen, wie die Arbeit mit Träumen unterrichtet, vermittelt und tradiert werden kann; 5. Werkstattberichte aus ihrer klinischen Arbeit mit Träumen, insbesondere auch im Rahmen von Traumseminaren, zur Verfügung stellen möchten. Wir freuen uns auf Beiträge und Vorschläge zu diesem Themenheft. Abstracts (max. 2000 Zeichen inkl. Leerschlag) bitte bis 31. März 2016 an: [email protected] Abgabetermin der Artikel: 31. Dezember 2016. Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung. Zürich, 12.11.2015, Katrin Herot, Ralf Binswanger, Veronica Baud, Nicole Burgermeister und Journalredaktion. i Lansky, Melvin R., Ed. (1992): Essential Papers on Dreams. New York and London, New York University Press. Greenson, Ralph R (1970): The exceptional Position of the Dream in Psychoanalytic Practice, in Lansky, Melvin R., Ed. (1992), p. 83-107. ii
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