Aus der Traum Reife Leistung

Exklusive Wünsche.
Inklusive Erfüllung.
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DIEZEIT
WOCHENZEITUNG FÜR POLITIK WIRTSCHAFT WISSEN UND KULTUR
14. APRIL 2016 No 17
DIE MEDIEN:
Titelfoto [M]: Star Media/imago
Feind oder
Diener der Mächtigen?
Hier lösen Satiren oder Panama-Papiere politische Affären aus.
Dort werden Reporter verhaftet oder gesteuert.
Selten standen Journalisten weltweit so unter Druck FEUILLETON
Es gibt Schlimmeres
als Tussis!
Liebeserklärung an
einen Typus Frau, der
sich traut, ziemlich
auffällig zu sein
Z – Zeit zum Entdecken, Seite 57
Mein Vater, der
arabische Mann
Eine persönliche
Geschichte über
Integration und
Wertvorstellungen
Annabel Wahba im ZEITmagazin
WELT OHNE ZINSEN
BUNDESPRÄSIDENT JOACHIM GAUCK
Aus der Traum
Reife Leistung
Sparer fürchten um ihr Vermögen, viele Menschen um ihre Rente.
Wen trifft die Schuld? Wie gegensteuern? VON MARK SCHIERITZ
S
o ist das, wenn Wünsche in Erfüllung
gehen: Seit Menschengedenken gibt
es den Traum von einer Welt ohne
Zinsen – jetzt ist der Zins aus der
Welt, die Folgen aber fühlen sich eher
wie ein Albtraum an. Die Sparer
fürchten um ihr Vermögen, und Millionen von
Deutschen droht die Altersarmut, weil sich die
Riesterrente nicht mehr rechnet.
In der Bundesregierung wächst deshalb die
Verärgerung über den vermeintlichen Verursacher
der Geldschwemme: Mario Draghi, den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) –
ganz so, als habe der es nur darauf abgesehen, die
deutschen Sparer zu enteignen, um das Geld den
Südeuropäern zuzuschieben.
Wenn es nur so einfach wäre.
In Wahrheit ist auch Draghi ein Getriebener.
Der Zinsschwund ist ja kein deutsches, sondern
ein globales Phänomen. Noch nicht einmal in
der soliden Schweiz wirft das Ersparte noch etwas ab. Das hat vor allem damit zu tun, dass sehr
viel gespart und sehr wenig investiert wird. Und
wie immer, wenn ein hohes Angebot auf eine
niedrige Nachfrage trifft, sinkt der Preis. In diesem Fall: der des Kapitals – also der Zins.
Der Ruhestand wird, zumindest in einigen
Branchen, wohl eher mit 70 Jahren beginnen
Warum das so ist, ist nicht abschließend geklärt.
Womöglich hat es mit der zunehmenden Konzentration der Vermögen zu tun, mit dem stagnierenden Bevölkerungswachstum in den Industrienationen oder mit den Nachwirkungen
der internationalen Finanzkrise, die einen riesigen Schuldenberg hinterlassen hat. Naiv ist jedenfalls die Vorstellung, Mario Draghi müsse
nur in seinem Büro auf den richtigen Knopf
drücken, und schon komme der Zins zurück.
Wenn die AfD so argumentiert, dann kann
man das noch verstehen. Aber was treibt den
Bundesfinanzminister um, wenn er sagt, er wolle
mit Draghi ein ernstes Wort über die Geldpolitik
reden – zumal dabei nicht unerwähnt bleiben
dürfte, dass auch wegen Wolfgang Schäuble so
viel gespart wird und nicht nur der Zins, sondern
auch die Inflation niedrig ist, was unter dem
Strich die Verluste etwas schmälert?
Vielleicht schmerzt einfach die Erkenntnis,
einer großen Illusion erlegen zu sein. Die Rentenreform sollte ja gewissermaßen unter Zuhilfe-
nahme der Finanzwirtschaft der Demografie ein
Schnippchen schlagen: Was an staatlicher Rente
fehlt, gleichen Zins und Zinseszins aus. Das war
die Idee, doch nun frisst die neoliberale Revolution – da hat Horst Seehofer mit seiner Rentenkritik einmal ins Schwarze getroffen – ihre Kinder: Die Privatisierung der Altersvorsorge hat zur
Entgrenzung der Finanzmärkte beigetragen, die
einen Überschuss an Kapital produziert. Der
kann von der realen Wirtschaft nicht mehr ohne
Weiteres absorbiert werden, was die Zinserträge
schmälert. Das Drehbuch zu dieser Episode der
Rentengeschichte hätte Marx schreiben können.
Groucho, nicht Karl.
Die Lehre daraus lautet: Der Wohlstand im
Alter muss erarbeitet werden, er lässt sich nicht
durch Finanzoperationen herbeizaubern – auch
nicht, wenn sie im biederen Gewand eines Riestervertrags daherkommen. Das bedeutet konkret: Wenn wegen des demografischen Wandels
weniger Menschen einer Arbeit nachgehen, dann
müssen zum Ausgleich diejenigen mehr arbeiten,
die dazu noch in der Lage sind. Sonst sinkt das
Leistungsniveau.
Deshalb war die Rente mit 63 von vorgestern, und deshalb wird der Ruhestand in Zukunft wohl eher mit 70 Jahren beginnen – zumindest in den Branchen, in denen den Menschen das zugemutet werden kann. Davon gibt
es glücklicherweise in einer modernen Dienstleistungsgesellschaft immer mehr.
Klar ist aber auch: Für Härtefälle muss eine
auskömmliche Mindestrente her. Das Geld dafür ist da, weil das Zinstief zwei angenehme
Neben­
wirkungen hat. Erstens muss der Staat
weniger für Zinszahlungen aufwenden, er hat
damit Spielraum für neue Ausgaben. Und zweitens ist es ja nicht so, dass sich derzeit in Deutschland generell mit Geld kein Geld mehr verdienen
lässt. An den Aktien- und Immobilienmärkten
herrscht Goldgräberstimmung.
Das nützt jenen wenig, die sich Aktien oder
Immobilien nicht leisten können, weil sie entweder nicht über die nötigen finanziellen Mittel
verfügen oder weil sie die damit verbundenen
Risiken scheuen. Doch bei den Besserverdienenden entstehen derzeit gewaltige Vermögen, die
der Staat zur Finanzierung seiner Aufgaben heranziehen kann. Und im Interesse der Allgemein­
heit auch heranziehen sollte.
www.zeit.de/audio
Tritt er noch mal an? Es gibt eine Misstrauenskultur gegenüber
Älteren, die ihn hoffentlich nicht abschreckt VON GIOVANNI DI LORENZO
E
zum Beispiel der Außenminister Österreichs erst
29 Jahre alt ist oder Europas größte Boulevard­
zeitung von einer 38-Jährigen geleitet wird. Aber
daraus eine Regel zu konstruieren ist besonders
widersinnig in einer Gesellschaft, in der die Kohorte der Alten ständig wächst und ältere Menschen
genauso nach Leitbildern suchen wie jüngere. Ist
doch egal, ob sich ein Bundespräsident zwischen
Terminen, die höchste Konzentration erfordern,
mal eine Ruhepause gönnt oder sich mittags gern
einen Moment hinlegt. Das täte vielen Jüngeren,
die heute Verantwortung tragen, auch ganz gut!
Entscheidend ist: Jede Gesellschaft braucht – wie
jede Familie auch – die Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Generationen. Die der Alten
ist derzeit öffentlich eher unterrepräsentiert.
Joachim Gauck hat seine Sache bislang gut
gemacht: Er hat ein ramponiertes Amt übernommen und voll und ganz rehabilitiert. Er hat sich
eine Spontaneität und Empathie bewahrt, die bei
Berufspolitikern oft konstruiert wirkt. Besonders
eindrücklich war das bei der Trauerfeier für die
Opfer des Germanwings-Absturzes, bei der er
Worte fand, die so rührten, weil er selbst berührt
war. Er hat eine Lust an Widerworten, auch gegen den Mainstream – wenngleich er die Grenzen genau kennt, die ihm sein Amt auferlegt. In
der Flüchtlingskrise hat er eine deutlich skeptischere Haltung gezeigt als die Regierung. Andererseits findet er immer wieder erfrischende
Worte der Abgrenzung. Erst letzte Woche bekannte er sinngemäß, das Wort »Lügenpresse«
gehe ihm deswegen besonders auf die Nerven,
weil er unter der Nazi-Diktatur und dem real
existierenden Sozialismus 50 Jahre lang selbst
erlebt habe, was eine Lügenpresse sei. Manchmal
Er würde sich einiges zumuten, wenn er
weitermachte, aber es wäre gut für das Land hat er auch einfach nur Ratlosigkeit bekundet,
als er zum Beispiel über »Dunkeldeutschland«
Es gibt in unserer jede Form von Rassismus an- sprach – ein aufschlussreiches Wort für den psyprangernden Gesellschaft nur noch eine Art der chologisch versierten Gauck: Ein glaubwürdiger
Diskriminierung, der man völlig ungehindert Mensch versteht und weiß eben auch nicht alles.
Der Tod großer Politiker oder Intellektueller
frönen darf: die Herabsetzung der Alten. Als wäre
mit dem Eintritt ins Rentenalter der direkte Über- in den letzten Monaten – von Helmut Schmidt
gang in die Unzurechnungsfähigkeit besiegelt.­ über Roger Willemsen bis Hans-Dietrich GenDeshalb beeilt man sich in nahezu jeder Partei, scher – hat die Deutschen besonders getroffen. Es
jeder Institution und jedem Unternehmen, nichts ist, als ob sie das Gefühl hätten, so viele große
­schneller voranzutreiben als den allseits fälligen Persönlichkeiten gebe es nicht mehr. Joachim
Generationenwechsel. Ein Wolfgang Schäuble, der Gauck ist eine. Er würde sich gewiss einiges zu73 Jahre alt ist und seit fast 44 Jahren im Bundestag muten, wenn er weitermachte. Aber für das Land
sitzt, gehört quasi unter Artenschutz gestellt. Es ist wäre es eine gute Entscheidung.
natürlich fantastisch, dass heute herausragende
Positionen von ganz Jungen besetzt werden, dass
www.zeit.de/audio
r selbst sagt, er habe seine Entscheidung schon getroffen. Ob Joachim
Gauck aber für eine zweite Amtsperiode zur Verfügung steht oder im
Februar 2017 aufhören wird, wissen
nicht einmal seine engsten Mitarbeiter. Die Frage hat er im Familien- und Freundeskreis erörtert. Diejenigen, die ihm wirklich nahestehen, sollen ihm eher abgeraten haben. Es könnte also gut sein, dass Joachim Gauck bald seinen
Verzicht ankündigt, obwohl ihn die Kanzlerin gern
behalten würde; obwohl ihn alle im Bundestag
vertretenen Parteien bis auf die Linke schätzen;
obwohl sich 63 Prozent der Bundesbürger laut
einer in der Bild am Sonntag veröffentlichten
Emnid-Umfrage eine zweite Amtszeit wünschen.
Der Bundespräsident wird also, falls er so entscheidet, eher private Gründe nennen. Er wird
sagen, dass er lange mit sich gerungen habe, dass
er ein Alter erreicht habe, in dem er sich keine
großen Strapazen mehr zumuten könne und wolle.
Würde er noch einmal gewählt, wäre er am Ende
seiner Amtszeit 82 Jahre alt.
Aber in dieser Begründung läge eben nicht
nur etwas Privates, sondern auch etwas Poli­
tisches, denn Joachim Gauck hängt eigentlich an
dem Amt und seinen Gestaltungsmöglichkeiten.
Doch es beschäftigt ihn womöglich die Angst –
die einige seiner Mitarbeiter durchaus umtreibt –, dass ihm in der zweiten Amtszeit mög­
liche Fehler als Altersschwäche ausgelegt würden,
dass sein gutes Bild mit der Zeit zur Karikatur
verkommen könnte, wenn man anfinge zu raunen,
der alte Herr sei nicht mehr ganz auf Zack.
Gabriel – zum
Scheitern verurteilt
Der Vorsitzende hält
den Absturz der SPD
nicht auf. Zeit für
einen Neuanfang
Politik, Seite 2
PROMINENT IGNORIERT
Nasse Haare
Infolge der Dürre liefern die Was­
ser­kraftwerke Venezuelas zu wenig
Strom. Deshalb hat Präsident Maduro die Venezolanerinnen aufgefordert, ihre Haare nicht mehr zu
föhnen. Die Schönheit der Frauen
ist (neben dem billig gewordenen
Erdöl) das wichtigste Exportgut
des Landes. Bei den Wahlen zur
Miss World hat es die meisten Siege errungen. Eine Schönheitskönigin mit ungeföhntem Haar? Wahrhaft armes Venezuela! GRN.
Kleine Fotos (v. o.): Bobby Doherty;
Sigrid Reinichs; Mihaela Ninic/Plainpicture
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