Anlage 1 Projektbeschreibung für die Ausschreibung eines gemeinsamen Forschungsvorhabens von BMWi und BMF 1. Titel des Forschungsvorhabens Produktivität in Deutschland - Messbarkeit und Analyse der Entwicklung 2. Ausgangslage, Forschungsbedarf Die Produktivität als abgeleitete Größe der Inlandsproduktberechnung gilt als wichtige Kennziffer der Wachstumsstärke einer Volkswirtschaft. Die Produktivitätsentwicklung in Deutschland ist – wie auch in anderen hochentwickelten Volkswirtschaften – durch eine abnehmende Dynamik geprägt. (vgl. exemplarisch z. B. Schneider 2013 oder Coricelli et al. 2013 oder einzelne Beiträge im Sammelband von Mody 2013). Ziel des Forschungsprojektes ist es, die Entwicklung der Produktivität in Deutschland detailliert zu analysieren, mögliche Ursachen für den Rückgang der Produktivität zu identifizieren und in einen historischen wie auch internationalen Kontext zu setzen. Die abnehmende Dynamik der Produktivität in Deutschland zeigt sich u. a. in einer seit Anfang der 1990er Jahre fallenden Trendwachstumsrate der Totalen Faktorproduktivität. Lag die Trendwachstumsrate in den 1990er Jahren bei durchschnittlich 1,3 % p. a., so erreichte sie in den vergangenen zehn Jahren nur noch rund 0,5 % p. a. In jüngster Vergangenheit war zudem trotz der vergleichsweise guten wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland ein deutlicher Rückgang der Arbeitsproduktivität zu beobachten. Aufbauend auf den sehr umfangreichen methodischen Untersuchungen der OECD (Measuring Productivity, 2001) hat die OECD dieses Jahr eine internationale Vergleichsstudie veröffentlicht, in der die Ergebnisse unterschiedlicher Produktivitätskonzepte auf verschiedenen Stufen präsentiert werden (OECD 2015, Compendium of Productivity Indicators). Zwar führt die OECD in der letztgenannten Studie zu jedem Indikator aus, inwieweit eine internationale Vergleichbarkeit gegeben ist. Aber die Darstellung erfolgt in sehr allgemeiner Form und geht nicht auf die spezifische Situation in Deutschland ein. 3. Leistungsbeschreibung In dem geplanten Forschungsgutachten sind zum einen die Ursachen für die unterschiedlichen Niveaus und insbesondere die Entwicklungen auch im internationalen Vergleich herauszuarbeiten. Zum anderen ist zu analysieren, inwieweit es sich um zyklische bzw. strukturelle Entwicklungen handelt. Im Rahmen der Studie sollen zunächst unterschiedliche Produktivitätsmaße analytischdeskriptiv veranschaulicht und deren Zweckmäßigkeit diskutiert werden. Im Folgenden hat unter anderem eine differenzierte Analyse auf Basis eines makroökonomischen Produktionsfunktionsansatzes zu erfolgen, wobei nach Arbeits- und Kapitalproduktivität sowie totaler Faktorproduktivität differenziert wird. Neben einer aggregierten gesamtwirtschaftlichen Betrachtung soll eine Analyse differenziert nach Wirtschaftszweigen möglichst auf der Ebene der Zweisteller erfolgen und in einen internationalen Kontext gesetzt werden. Auch hier ist – soweit dies die vorhandenen Daten ermöglichen – die Betrachtung verschiedener Produktivitätsmaße vorzunehmen. Messprobleme sollten erörtert werden. Der internationale Vergleich sollte sich auf die großen Industrieländer, Vereinigte Staaten, Japan, Vereinigtes Königreich, Frankreich, Italien und Spanien sowie – wo möglich – das Eurogebiet und die OECD konzentrieren. Für den internationalen Vergleich sollen die Aussagekraft und Relevanz unterschiedlicher Datenquellen dargestellt und bewertet werden. Technische Erklärungsansätze für rückläufige Produktivität Zur Identifikation von Erklärungsansätzen lohnt sich ein Blick auf die Qualität der zugrundeliegenden Daten und Methoden. Ein häufig vernachlässigter Aspekt ist die Ableitung der Produktivität bzw. deren Komponenten aus basisstatistischen Strom- und Bestandsgrößen. Neben grundsätzlichen statistischen Messproblemen (Ermittlung der Arbeitsstunden/-produktivität wie auch des Kapitalstocks) sollen international unterschiedliche Verfahren der Deflationierung bzw. der Berechnung der Wertschöpfung untersucht werden. Dazu zählt beispielsweise auch, dass unterschiedliche methodische Vorgehensweisen bei der Ermittlung von Vorleistungen oder Abschreibungen eine Rolle für das Ergebnis der Produktivität spielen können. Bei der Betrachtung unterschiedlicher Wirtschaftsbereiche sind des Weiteren statistische Abgrenzungsprobleme zwischen Industrie und Dienstleistungen und auch innerhalb dieser Wirtschaftsbereiche z. B. aufgrund von Leasing – besonders auch im internationalen Vergleich – detailliert zu erläutern und zu berücksichtigen. Darüber hinaus soll zumindest für die Entwicklung in Deutschland die Revisionsanfälligkeit der Daten im Rahmen von Echtzeitdatenmaterial untersucht werden. In Bezug auf den Produktionsfunktionsansatz soll die Abhängigkeit der Ergebnisse von der verwendeten Schätztechnik und der Qualität bzw. Methodik der Basisstatistiken genauer betrachtet und Auswirkung auf die Interpretierbarkeit der Daten herausgearbeitet werden. Ein Aspekt sollte hierbei auf der im Rahmen der EU-Methode verwendete Methode zur Schätzung der Totalen Faktorproduktivität liegen. Des Weiteren soll das Forschungsprojekt Klarheit darüber schaffen, wie unterschiedliche Mess- und Statistikkonzepte die Produktivitätsentwicklung beeinflussen und welche internationalen Vergleiche aus diesem Blickwinkel heraus methodisch sinnvoll sind. Zudem sollte analysiert werden, inwieweit es sich bei den aktuellen Entwicklungen um ein zyklisches Phänomen – oder ein strukturelles – handelt und welche Rolle Messprobleme hierbei spielen. Ein besonderes Augenmerk ist anschließend auf sektorale bzw. strukturelle Verschiebungen im Zeitablauf zu legen. Neben der Betrachtung potenzieller Determinanten für den Faktoreinsatz ist der Frage nachzugehen, welchen Einfluss diese auf die jeweilige Wirtschaftsstruktur und die Produktivitätsentwicklung in den einzelnen Ländern haben. Ein Teilaspekt hierbei wäre, inwieweit Verschiebungen zwischen dem industriellen Sektor und dem Dienstleistungssektor bzw. materiellen und immateriellen Gütern eine Rolle für die Produktivitätsentwicklung im nationalen und im internationalen Vergleich spielen. Mit den Ergebnissen der Studie soll auch geklärt werden, inwieweit Teile des beobachteten Rückgangs der Produktivität u. a. auf zyklische Ursachen oder einen Strukturwandel der Ökonomie zurückgehen oder im Zusammenhang mit Messproblemen stehen (z. B. Wechsel von Unternehmen in andere Wirtschaftszweige im Rahmen des Strukturwandels, Veränderungen der WZ-Klassifikation im Zeitablauf). Es sollte auch analysiert werden, inwieweit vorhandene Daten aufgrund von methodischen Unterschieden in Produktivitätskonzepten für internationale Vergleiche genutzt und interpretiert werden können. Ökonomische Erklärungsansätze für rückläufige Produktivitäten Vielfach wird der Rückgang der Produktivitätszuwächse beispielsweise in den Vereinigten Staaten bereits vor aber insbesondere auch nach der Wirtschaft- und Finanzmarktkrise in Zusammenhang mit der Nutzung beziehungsweise Durchdringung von Informations- und Kommunikationstechnolgien (IKT) in der Wertschöpfung gesehen (z. B. Fernald 2014). Auch Humankapital orientierte Ansätze werden für die Erklärung der Produktivitätsentwicklung herangezogen (vgl. OECD 2015, Future of Productivity). Diese und darüber hinausgehende ökonomische Erklärungsansätze sind für die deutsche Entwicklung herauszuarbeiten. Das Gutachten soll ferner dazu dienen, die Notwendigkeit für weiterführende vertiefende Studien zu prüfen. Dabei ist der Frage nachzugehen, ob für Deutschland auf der Mikroebene, d. h. unter Zugrundelegung von einzelnen Firmendaten, sinnvolle Untersuchungsansätze für Produktivitätsmessungen existieren (siehe OECD 2015, The Future of Productivity). Dies schließt eine Machbarkeitsanalyse für alternative Produktivitätsmesskonzepte auf der Basis von Mikrodaten und die Identifikation geeigneter Datensätze und Verknüpfungsnotwendigkeiten mit ein. Die geplante Studie stellt einen Ausgangspunkt für deutsche Beiträge zum Anfang Juli gegründeten OECD Productivity Network dar. Während des Forschungsprojekts sind drei forschungsbegleitende Gespräche zwischen Auftragsnehmer und Auftraggeber vorgesehen. Neben dem Auftaktgespräch sind dabei Zwischen- und Endberichte jeweils gemeinsam mit dem Auftraggeber und gegebenenfalls weiteren hinzuzuziehenden Experten zu diskutieren. 4. Zeithorizont 6 Monate Laufzeit nach Auftragsvergabe
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