Leseprobe zum Titel: Stuttgarter Zeitung (26.02.2016)

Die unabhängige Zeitung für Baden-Württemberg
Nr. 8 2016
Heute mit Ihrem
Fernsehmagazin
James Bond im Kampf mit seiner
Vergangenheit: „Spectre“ – Blu-ray
gewinnen: rtv.de/spectre
Leckeres mit Spinat
Grün & gut
rtv-Rezept zum Nachkochen
Donnerstags im Ersten
Von Tel Aviv
bis Island
Wo zukünftig gemordet
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Freitag, 26. Februar 2016
Nr. 47 | 8. Woche | 72. Jahrgang | E 4029
Asylpolitik
in Zeitlupe
Schneller abschieben?
Gesetze Die Flüchtlingskrise
erlaubt es nicht, Probleme
auf die lange Bank zu
schieben. Von Armin Käfer
Die Schweiz
entscheidet
Foto: AFP Montage: Stecker
Tagesthema
Stuttgart
Kultur
D-Day in Zürich: die Fifa entscheidet
über die Blatter-Nachfolge SEITE 2
E-Lastenräder: umweltfreundliche
Warenlieferung geplant SEITE 19
„Maniera“ – eine Prachtschau im
Frankfurter Städel Museum SEITE 27
Der griechische Außenminister Nikos Kotzias hat den Botschafter seines Landes in
Österreich nach Athen zurückgerufen. Das
griechische Außenministerium teilte am
Donnerstag mit, der Botschafter sei zurückgerufen worden, „um die freundlichen
Beziehungen zwischen den Staaten und
den Menschen von Griechenland und Österreich zu schützen“. Zuvor hatte sich Österreich mit Vertretern von Balkanländern
zu einer Diskussion darüber getroffen, wie
die Zahl der Flüchtlinge begrenzt werden
kann. Griechenland war davon ausgeschlossen. Vor einem Treffen der EU-Innenminister sagte der deutsche Ressortchef Thomas de Maizière, die Zahl der über
die Türkei nach Griechenland kommenden
Flüchtlinge müsse verringert werden. dpa
– Mehr Abschiebungen SEITE 4
– Europa kämpft um seine Zukunft SEITE 6
– Mehr Chancen für Flüchtlinge SEITE 10
Boss-Chef muss gehen
Hugo-Boss-Chef Claus-Dietrich Lahrs
packt seine Sachen. Nur wenige Tage nach
einer erneuten Gewinnwarnung und dem
Absturz der Aktie verkündete der schwäbische Modekonzern das vorzeitige Ausscheiden des Spitzenmanagers. SEITE 11
Staatsanwalt verurteilt
In Freiburg ist ein Staatsanwalt wegen
Rechtsbeugung und Strafvereitelung verurteilt worden. Er hatte Verfahren so nachlässig bearbeitet, dass die Täter ganz oder
mit einem milden Urteil davonkamen. Er
gab an, überlastet gewesen zu sein. SEITE 26
Pfiffe für Schalke 04
Der Fußball-Bundesligist FC Schalke 04 ist
nach einem 0:3 gegen Donezk unter Pfiffen
aus der Europa League ausgeschieden.
Auch der FC Augsburg ist raus. Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund schafften den Sprung ins Achtelfinale. SEITE 36
Samstag
6°/0°
Sonntag
6°/1°
Börse SEITEN 13, 14
Dax 9331,48 Punkte (+ 1,79 %)
Dow Jones 16 697,29 Punkte (+ 1,29 %)
Euro 1,1027 Dollar (Vortag: 1,0981)
Ausführliches Inhaltsverzeichnis SEITE 2
56008
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Die CSU stoppt wichtige Reformen. Die SPD zürnt, aber die
Arbeitgeber applaudieren. Von Matthias Schiermeyer und Roland Pichler
Gesetze
SU-Chef Horst Seehofer steuert die
große Koalition in eine Krise. Nachdem die Christsozialen unvermittelt die Kompromisse zur Zeitarbeit und zu
Werkverträgen sowie zur Erbschaftsteuer
aufgehalten haben, reagiert die SPD entrüstet. Fraktionschef Thomas Oppermann
warf der CSU vor, das Gesetz zum Einsatz
firmenfremder Kräfte aus eigennützigen
Motiven zu blockieren. Die Neuregelung
sei im Koalitionsvertrag fest vereinbart.
Aus der baden-württembergischen
Wirtschaft dagegen erhält die CSU Beifall.
Südwestmetall-Chef Stefan Wolf hat „großes Verständnis für die Verzögerung bei der
Gesetzgebung zur Zeitarbeit und zu den
Werkverträgen“, wie er der Stuttgarter Zeitung sagte. „Der erste Referentenentwurf
ging weit über den Koalitionsvertrag hinaus – der aktuelle Entwurf geht noch immer darüber hinaus“, bemängelte der Verbandsvorsitzende in Stuttgart. „Dass da
Teile der Union sagen, dies sei so nicht akzeptabel, trifft meine Zustimmung.“
Wolf fordert neue Verhandlungen. Er
hält es „für sinnvoll, den Entwurf erst mal
liegen zu lassen, denn darüber muss definitiv noch mal verhandelt werden“. Die
Unternehmen bräuchten Flexibilität, um
wettbewerbsfähig zu bleiben. Dazu gehörten Werk- und Zeitarbeitsverträge. „Missbrauch mit diesen Instrumenten gibt es aus
meiner Sicht in einem nur ganz geringen
Maße“, sagte Wolf. „Insofern sehe ich dort
keinen akuten Regelungsbedarf und bin
froh über die Verzögerung.“
C
Ursprünglich sollte das Gesetz Anfang
2017 in Kraft treten. Arbeitsministerin
Andrea Nahles (SPD) will den neuen Entwurf nicht noch einmal ändern. Nach massiver Kritik der Wirtschaft hatte sie ihren
ersten Gesetzesentwurf jüngst nachgebessert. Besonders strittig war bis dahin ein
Katalog mit Missbrauchskriterien, der aus
Arbeitgebersicht viele Betriebe dem Risiko
illegalen Handelns bei Werkverträgen ausgesetzt hätte. Die acht Kriterien wurden
durch eine allgemeine Definition des
Arbeitnehmerbegriffs ersetzt. Bei der Zeitarbeit gebe es aber noch vieles, was über
den Koalitionsvertrag hinausgehe, rügt
Südwestmetall. So soll es ein Arbeitsverbot
für alle Zeitarbeitnehmer eines Unternehmens während eines Streiks geben – so etwas habe es noch nicht gegeben. Die Gewerkschaften erhielten dadurch einen
Hebel, den sie auf Basis des eigenen Organisationsgrades sonst nicht hätten. Folglich sei der Gesetzentwurf eine „Verzerrung
der Arbeitskampfparität par excellence“.
Baden-Württembergs Bundesratsminister Peter Friedrich (SPD) kündigte an,
die Landesregierung werde am Freitag im
Bundesrat einen Antrag einbringen, in dem
die Bundesregierung aufgefordert wird, das
Gesetz zur Begrenzung der Leiharbeit und
gegen Missbrauch bei Werkverträgen rasch
umzusetzen. Dies sei dem Südwesten wichtig. Er warf der CSU vor, wichtige Vorhaben
von SPD-Ministerien zu bremsen.
– Kommentar: Machtspiele SEITE 3
– Die offenen Baustellen der Koalition SEITE 4
Sicherheit: weitere
Mängel bei der Bahn
Im Notrufsystem der Deutschen Bahn in
Baden-Württemberg gibt es noch größere
Sicherheitsmängel als bisher bekannt.
Nach Recherchen der Stuttgarter Zeitung
und des SWR Fernsehens hat das digitale
Notrufsystem landesweit 52 Funklöcher,
die verhindern, dass Lokführer bei extremen Gefahren sofort informiert werden
können. Die Sicherheitslücken, die bundesweit existieren, würden von der Deutschen Bahn, dem Eisenbahn-Bundesamt
und dem Bundesverkehrsministerium bereits seit Jahren geduldet, berichten beide
Medien. Die Bahn und das EBA bestreiten
die Sicherheitsprobleme.
StZ
– 52 Funklöcher im Notrufsystem SEITE 9
– Lokführer sieht Handlungsbedarf SEITE 20
Luff
Treibjagd zur Wahlkampfzeit
Chinas Waffen werden attraktiv
s ist noch gar nicht so viele Jahre her, da Rüstung Peking steigert ist wenig, wenn man es mit den USA (33 Prozent)
und Russland (25 Prozent) vergleicht. Es ist exthaben ein paar US-amerikanische
den Verkauf von
rem viel, wenn man bedenkt, dass China noch vor
Kriegsschiffe ausgereicht, um China
Militärgerät massiv.
wenigen Jahrzehnten überhaupt keine Rolle in
mächtig zu beeindrucken. In der Taiwankrise
Von Christian Gottschalk
diesem Wirtschaftszweig gespielt hat. Die in
von 1996 war das zum Beispiel der Fall. Heute haHongkong erscheinende „South China Morning
ben sich die militärischen Gewichte im Pazifik
verschoben. Peking bietet dort modernste Waffentechnik auf. Post“ zitiert einen ehemaligen Offizier der VolksbefreiungsarZum einen, um die Dominanz der USA zu brechen. Zum ande- me, der den Trend begründet: Chinas Waffen seien günstig und
ren, um für eigene Produkte zu werben. Mit Erfolg: Peking ist von guter Qualität – und daher vor allem für die Staaten attrakinzwischen dabei, die pakistanische U-Bootflotte atomwaffen- tiv, die nicht so viel Geld zur Verfügung hätten.
Insgesamt 37 Länder stehen auf den Lieferscheinen der chifähig zu machen. Acht U-Boote hat China allein im vergangenen
Jahr an das Land verkauft. Es ist der größte Handel dieser Art in nesischen Waffenexporte, drei Viertel von ihnen sind in Asien.
der Geschichte des Landes. Und es ist ein Geschäft, das einen Neben dem größten Rüstungskunden Pakistan folgen Banglaseit Jahren anhaltenden Trend verdeutlicht: China hat sich auf desch und Myanmar auf den Plätzen zwei und drei. Kleine und
vergleichsweise günstige Waffen sind da ebenso dabei wie moPlatz drei der größten Waffenexporteure festgesetzt.
Die Rüstungsausfuhren des Landes seien zwischen 2011 und derne Kampfjets. Und China forscht weiter. An Hyperschall2015 im Vergleich zu den vorangegangenen vier Jahren um ins- flugkörpern, Tarnkappenbombern und Luftabwehrraketen, die
gesamt 88 Prozent gestiegen, teilte das Stockholmer Friedens- so leistungsfähig sind, dass sich auch das Nato-Mitglied Türkei
forschungsinstitut Sipri unlängst mit. Der Weltmarktanteil an dafür entschieden hatte – bis es auf Druck aus Washington hin
dem tödlichen Geschäft beträgt damit knapp sechs Prozent. Das seinen Auftrag storniert hat.
E
Wetter SEITE 8
Freitag
5°/–3°
Wirtschaft befeuert
Koalitionskrach
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Die Kolumne für Tierisches aus dem Netz
eit dem 5. November sind weit
mehr als 400 000 Flüchtlinge nach
Deutschland eingereist. Längst nicht
alle haben Anspruch auf Schutz oder gar
Asyl. Diese Zahl macht die Dimension der
Probleme deutlich, die sich aufstauen,
wenn die Regierung nicht schnell genug reagiert. Der 5. November erscheint wie ein
willkürliches Datum. Dem ist aber nicht so.
An jenem Herbsttag trafen sich die drei
führenden Großkoalitionäre in Berlin, um
Maßnahmen zu vereinbaren, die es ermöglichen sollen, die Völkerwanderung über
die Balkanroute besser zu steuern. Sie fassten ihre Beschlüsse auf acht Seiten zusammen und nannten das „Asylpaket II“.
112 Tage hat es gedauert, dieses Paket
auf die Post zu bringen. Erst jetzt wird es
Gesetzeskraft erlangen. Vor dem Hintergrund jener 400 000 Flüchtlinge, die zwischenzeitlich auch noch hier angekommen
sind, ist offenkundig: Das Arbeitstempo der
großen Koalition wird den Herausforderungen nicht gerecht. Über die Frage, wer
Schuld daran trägt, ist viel geschrieben und
noch mehr geredet worden. Das funktioniert wie das Kinderspiel Schwarzer Peter.
Auf dem bleiben in diesem Fall die Roten
sitzen. Erst ließen sie das Asylpaket II liegen, weil der sozialdemokratische Vizekanzler befürchten musste, es könne ihm
Ungemach auf seinem Parteitag bereiten.
Die Zahl der SPD-Verweigerer bei der Abstimmung am Donnerstag zeigt, dass sein
Bauchgefühl richtig war. Später konnte er
sich an die Details nicht mehr erinnern.
Lange vor dem 5. November war unübersehbar, dass die Asylverfahren beschleunigt werden müssen. Leider ist es
nicht gelungen, diese Erkenntnis beschleunigt in die Tat umzusetzen. Die Kanzlerin
hält es für vorrangig, nach diplomatischen
Lösungen für die Flüchtlingskrise zu suchen. Das ist zweifellos notwendig. Auf dem
Parkett der Diplomatie ist der Fortschritt
jedoch eine Schnecke. Zudem liegt es nicht
in Merkels Hand, ob überhaupt und, falls ja,
wie schnell sie ihre Ziele erreichen kann.
Umso mehr müsste sie darauf dringen, wenigstens da schleunigst zu handeln, wo sie
unmittelbar zuständig ist.
Bei den jetzt vollzogenen Beschlüssen
handelt es sich keineswegs um ein „Paket
von Grausamkeiten“, wie die Opposition
beklagt. Es ist keine Grausamkeit, Asylbewerber ohne Bleibeperspektive nicht monatelang im Glauben zu lassen, sie könnten
vielleicht doch in Deutschland heimisch
werden. Solche Fälle sollen nun in drei Wochen entschieden werden. Es ist auch keine
Grausamkeit, Sozialhilfe nur in den Unterkünften auszuzahlen, die den Flüchtlingen
zugewiesen werden. In Notlagen kann es
keine freie Wohnortwahl geben. Es ist hart,
aber nicht grausam, den Familiennachzug
für Flüchtlinge auszusetzen, die ohnehin
nur vorübergehend Schutz genießen. Und
auch die Maßgabe, kriminelle Ausländer
rasch abzuschieben, ist allenfalls konsequent, nicht etwa grausam. Wer in
Deutschland Schutz oder eine neue Heimat
sucht, sollte die hiesigen Gesetze achten.
Auf das Asylpaket II müssen weitere folgen. Die Realität in der Asylrepublik
Deutschland wirft ständig neue Fragen auf:
Verhindert der Mindestlohn, dass Flüchtlinge schnell Jobs finden? Sind die Hürden
für eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis
zu niedrig? Ließe sich die Migration mit
einem Einwanderungsgesetz besser steuern? Es wäre angezeigt, wenn die große Koalition nicht bei jeder dieser Fragen so viel
Bedenkzeit braucht wie beim Asylpaket II.
Das gilt auch für die Frage, ob die
Maghrebstaaten sichere Herkunftsländer
sind. Da hat der grüne Ministerpräsident
von Baden-Württemberg offenbar eine klare Ansicht, kann sich gegen Bedenkenträger in seiner Partei aber nicht durchsetzen.
Natürlich ist es bequemer, diesen Konflikt
erst nach der Wahl auszutragen. Bis dahin
werden dann einige Tausend Maghrebiner
mehr eingewandert sein.
S
Die Eidgenossen streiten darüber, ob Ausländer schon
nach Bagatelldelikten das Land verlassen müssen. SEITE 3
Athens Botschafter
verlässt Österreich
e
// Killer
& Co. Die Krimikolumne