Nahles gibt bei Zeitarbeit und Werkverträgen nach

Staatsanzeiger Baden-Württemberg vom 26.02.2016
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15
Wirtschaft
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Wochenzeitung
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2016
7
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Nahles gibt bei Zeitarbeit und Werkverträgen nach
Expertenbeitrag: Gesetzesreform
Arbeitsministerin Nahles hat von
Wirtschaft und Arbeitgeberverbänden heftige Kritik für ihren Gesetzesentwurf zur Regulierung von Zeitarbeit und Werkverträgen erhalten.
Nun hat sie die Pläne entschärft. Doch
nun blockiert die Union, was Wirtschaftsminister Schmid empört.
Alexander Bissels,
Rechtsanwalt, Wirtschaftskanzlei CMS
Hasche Sigle, Köln
Stuttgart. In der Berliner Koalition ist
offener Streit über die Gesetzespläne zu
Leiharbeit und Werkverträgen ausgebrochen. Bundesarbeitsministerin Andrea
Nahles (SPD) zeigte sich empört, weil
die Union ihren bereits nachgebesserten
Gesetzentwurf blockiere. Die Landesregierung werde den Druck auf die Union
aufrechterhalten und weiter für eine entsprechende Regelung kämpfen, stellte
sich Wirtschaftsminister Nils Schmid
(SPD) an ihre Seite. In der vergangenen
Woche habe die Landesregierung eine
Bundesratsinitiative gegen den
Missbrauch von Werkverträgen und
Leiharbeit auf den Weg gebracht.
Tarifungebundene Betriebe können
Überlassungsdauer verlängern
Der von Nahles nun überarbeitete
Gesetzesentwurf sieht in der Zeitarbeit
eine Überlassungsdauer von höchstens
18 Monaten vor. Von dieser sollte
ursprünglich nur durch einen Tarifvertrag der Einsatzbranche oder einer aufgrund eines solchen Tarifvertrages abgeschlossenen Betriebs-/Dienstvereinbarung abgewichen werden können. Mithin sollten nur tarifgebundene Unternehmen von einer (erweiterten) HöchstüberWörter:
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lassungsdauer profitieren können.
Der überarbeitete Entwurf sieht nun eine
Regelung vor, nach der im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags auch
tarifungebundene Kundenunternehmen
durch eine Betriebs-/Dienstvereinbarung die abweichende tarifliche Höchstüberlassungsdauer inhaltsgleich übernehmen können. Ist in einem Tarifvertrag der Einsatzbranche eine Öffnungsklausel zugunsten einer Betriebs/Dienstvereinbarung vorgesehen, können die Betriebspartner selbst eine
Höchstüberlassungsdauer festlegen.
Nicht tarifgebundene Kundenunternehmen können sich ebenfalls auf diese
Öffnungsklausel stützen, allerdings ist
die zulässige Höchstüberlassungsdauer
in diesem Fall auf 24 Monate begrenzt.
Es bleibt auch im überarbeiteten Gesetzesentwurf dabei, dass Zeitarbeiter nach
neun Monaten denselben Lohn erhalten
müssen wie vergleichbare Stammarbeitskräfte. Eine Ausnahme von diesem
„equal pay-Prinzip“, bei der gleicher
Lohn nicht schon nach zwölf, wie bei
den alten Plänen, sondern jetzt erst nach
15 Monaten gezahlt werden muss,
besteht nur, wenn für den Einsatz ein
sogenannter Branchenzuschlagstarifvertrag anwendbar ist.
Dieser führt nach einer Einarbeitungszeit von längstens sechs Wochen zu
einer stufenweisen Annäherung des dem
Zeitarbeitnehmer gezahlten Entgelts an
die Vergütung der im Kundenbetrieb
beschäftigten Stammmitarbeiter.
Kriterienkatalog für typische Dienstund Werkverträge
Den Arbeitgebern entgegengekommen
ist das Arbeitsministerium bei der Regelung gegen einen missbräuchlichen Einsatz von Fremdpersonal im Rahmen von
Werkverträgen. Ursprünglich war ein
Kriterienkatalog zur Abgrenzung von
Werkverträgen zu normalen Arbeitsverträgen vorgesehen. Die Arbeitgeberverbände hatten jedoch kritisiert, dass ein
solcher Katalog typische Dienst- oder
Werkverträge infrage stellen würde.
Nun ist er im Entwurf nicht mehr enthalten.
Stattdessen ist eine Definition des
Arbeitnehmerbegriffs vorgesehen, um
dessen Merkmale genauer zu präzisieren (siehe Kasten). Erstaunlich ist, dass
der Gesetzgeber dabei inhaltliche Erwägungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG
) in ein Gesetz zu gießen beabsichtigt
(vergleiche BAG vom 14. März 2007 - 5
AZR 499/06; BAG vom 20. Mai 2009 5 AZR 31/08). Für die Praxis ist damit
nichts gewonnen, da durch die verwendeten abstrakten Rechtsbegriffe weiterhin eine am konkreten Sachverhalt
durchzuführende Einzelfallbewertung
erfolgen muss, ohne dass sich aus dem
Gesetz Anhaltspunkte ergeben, wie
diese ausfallen soll.
Der Entwurf geht weiterhin an zahlreichen Stellen über die im Koalitionsvertrag getroffenen Festlegungen hinaus.
Dies gilt insbesondere für die Berücksichtigung von Zeitarbeitnehmern bei
Schwellenwerten der unternehmerischen Mitbestimmung.