UMWELT Ronald Giese; Thomas Luckner; Michaela Hache; Michael Struzina Fassung kontaminierten Grundwassers mit Horizontaldrainage Schutzziel Tagebaubetriebsplan: Sicherung des Abstroms kontaminierten Grundwassers in ein Abbaufeld eines Braunkohlentagebaus. V on der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft mbH (MIBRAG) wurde im Zeitraum 2012 bis 2013 eine steuerbare Grundwasserfassung als HDD-Drainage (HDD: horizontal directional drilling) mit nachgeschalteter Grundwasserreinigung geplant, errichtet, erprobt und in Betrieb genommen. Deren Aufgabe ist es, die vom Industriestandort Böhlen ausgehende Schadstofffahne eines Grundwasser-Schadherdes (SH4b) im Bereich der Fahnenspitze zu fassen und damit ein Vordringen von Schadstoffen im Grundwasserleiterkomplex GWLK 2 in einen Betriebsplanbereich des Abbaufeldes Peres des Tagebaus Vereinigtes Schleenhain zu vermeiden (Bild 1). Der Standort Böhlen gilt als Ökologisches Großprojekt (ÖGP) des Freistaates Sachsen. Hauptkontaminanten in der Abstromfahne sind Benzol und Methyl-tert-Butylether (MTBE). Der Bedarf für die Funktionalität der Drainage besteht für einen Zeitraum von etwa 30 Jahren. Ab etwa 2045 ist die Gewinnung und Verkippung bzw. Verwertung des Materials des GWLK 2 als zu schützender Abraum geplant und bergrechtlich zugelassen. Die Grundwasserhydraulik im GWLK 2 ist von einem stationären Gradienten zum Tagebau geprägt. Die Fahnenausbreitung des Grundwasserschadens SH 4b in Richtung Tagebaugrenze wird überwacht. Die Notwendigkeit des Sicherungshandelns ist in einer gemeinsamen Erklärung mit Maßnahmenplan zwischen den betroffenen Industrieunternehmen mit den zuständigen Behörden fixiert /1/. ausgebildete GWL etwa 20 m unter Geländeoberkante (GOK) liegt und eine Mächtigkeit von 1,8 bis 3,5 m aufweist. Die durchflossene Mächtigkeit beträgt 1,5 bis 2,0 m (Bild 2). Der Startpunkt der Bohrung liegt auf der Hochfläche etwa 300 m östlich der aktuellen Böschungsoberkante des Altabbaufeldes. Der Zielpunkt befindet sich auf dem 123 m NHN – Plateau am Böschungsfuß im Tagebau. Die gesteuerte Horizontalbohrung ist etwa 410 m lang, die aktive Grundwasserfassung (Filterstrecke) beträgt 170 m. Die Bohrung wird im Filterbereich in 0,5 m Abstand zur Sohle des GWL geführt. Bild 2 zeigt die HDD-Bohrung im Zustand nach der Aufweitung und dem Einzug des Schutzund Filterrohrs. Die Pilotbohrung erfolgt von dem Startpunkt aus zum Zielpunkt hin als gesteuerte Spülbohrung. Die Aufweitung auf den Durchmesser D 500 wird vom Zielpunkt zum Startpunkt vorgenommen. An den Aufweitschneidkopf wird das Schutzrohr (D 350) angehängt und zusammen mit dem Filterrohr (D 200) eingezogen. Beim nachfolgenden Ziehen des Schutzrohres und dem Ablassen der Stützflüssigkeit bricht der Bereich zwischen dem Filterrohr und der Bohrung D 500 zusammen. Es bildet sich so eine Auflockerungszone über dem Filterrohr, die als Drainagefilter die GW-Fassung Gewässerschutz bewirkt. Das Filterrohr dient deshalb letztendlich vor allem der Ableitung des gefassten Grundwassers. Die hydraulische Verbindung zwischen dem Filterrohr und der Auflockerungszone wird mittels hydraulischer Filterentwicklung ertüchtigt. Das bergrechtliche Genehmigungsverfahren wurde mit einem Sonderbetriebsplan zum Probebetrieb sowie einer Ergänzung zur Wasserrechtlichen Erlaubnis für die Grundwasserreinigung und Ableitung abgeschlossen. Bau und Ausrüstung der HDDDrainagefassung, Brunnenentwicklung Die komplette HDD-Drainageanlage wurde innerhalb von 6 Monaten betriebsbereit errichtet. Für bauzeitliche Hilfskonstruktionen der HDD-Bohrung und Sonderausrüstungselemente wurden Werksplanungen ausgeführt. Ein besonderes Augenmerk wurde auf eine gesteuerte Wasserentnahme aus der Drainagefassung und die Brunnenfilterentwicklung gelegt. Die Brunnenfiltersegmente sind über eine mit Packern positionierbare Entnahmerohrleitung einzeln ansteuerbar und die Entnahmemenge wird von einer automatischen Pumpenanlage mit SPS geregelt. Für die Filterentwicklung wurde ein Druck-Wellen-Impuls-Verfahren (DWI) mit Wasserhochdruck (System Jet Master®) eingesetzt. Diese Verfahren besitzen die größte Tiefenwirkung sowohl bei der Entfernung der Bohrspülung als auch der Ausspülung des Feinkorns. Die Betriebsbereitschaft der HDD-Fassungsanlage wurde mit einer vollständigen Kamerabefahrung mit Nachweis der Entsandung und Brunnenentwicklung der HDD-Filtersegmente (Bild 3) hergestellt. Erprobung und Inbetriebnahme Ziel der Erprobung und Inbetriebnahme der Gesamtanlage der HDD-Drainage war es, für die im bergrechtlichen Sonderbetriebsplan und in der Wasserrechtlichen Erlaubnis Errichtung der Gesamtanlage HDD-Drainage Trassenerkundung, Entwurfsplanung, Genehmigungsverfahren Die Trassenerkundung der HDD-Drainage mittels kleinkalibriger Vertikal-Spülbohrungen hat die Aufgabe, zur Festlegung der geeigneten Bohr- und Ausbautechnik die Sohlmorphologie und die Bodenkennwerte des Grundwasserleiters (GWL) zu bestimmen. Sie erbrachte, dass der sandig-kiesig 3/2015 wwt-online.de 47 UMWELT Gewässerschutz Bild 1 Lage der HDD-Drainagefassung zur Sicherung des Grundwasser-Abstroms am Standort ÖGP Böhlen, aus /1/ Grafik: GFI GmbH Test- und Probebetrieb der HDD-Drainagefassung Gegenstand des Testbetriebes der HDDDrainagefassung war es, die hydraulischen Leistungsparameter (Durchlässigkeit, notwendiger Fassungsstrom und Reichweite der Drainage, Brunnen-Leistungskurve) und die Immissionskennwerte der Grundwasser-Abstromfahne am Schutzziel Tagebau (Zustromkonzentrationen und -frachten an der HDD-Fassung im Betriebszustand, Wasserreinigungserfordernis, Gefahrenbewertung für den Tagebaubetriebsplan) in hydraulischen und Güte-Pumpversuchen zu ermitteln. Bild 2 Schema der Lage und Rohrdurchmesser der HDD-Drainagebohrung und der Auflockerungszone mit geologischem Schichtenprofil Hydraulik- und Gütepumpversuche im Testbetrieb Grafik: GIP GmbH festgelegten vorläufigen Maßnahmen- und Kontrollwerte (Tabelle 1) die notwendigen Betriebsregimes hinsichtlich Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit und Betriebssicherheit für: ❙ die HDD-Drainagefassung und ❙ die Wasserreinigungsanlage mit Vakuum- 48 stripp- und Wasseraktivkohlefilter-Modul parallel schrittweise zu bestimmen. Während des 3-monatigen Testbetriebes und des 9-monatigen Probebetriebs war dabei die Schutzfunktion der HDD-Gesamtanlage zur Gefahrenabwehr nach Notwendigkeit vollständig zu gewährleisten. An der HDD-Fassung wurden kombinierte Hydraulik- und Gütepumptest mit einer Gesamtdauer von 55 Tagen durchgeführt. Es erfolgte eine analytische Pumpversuchsauswertung der mehrstufigen hydraulischen Brunnentests. Die analytischen Verfahren zwingen zu restriktiven Modellannahmen, haben aber den Vorteil, dass eine repräsentative Ermittlung von Fassungs- und Untergrundkennwerten mit geringem Aufwand und hoher Bilanzsicherheit ermöglicht wird. Die Eingrenzung der Kennwerte erfolgt 3/2015 ebenes Modell) und mittels instationärer Anströmung einer endlichen Liniensenke zur Tagebauentwässerung (2D horizontalebenes System) ausgewertet. Die repräsentative anstromige Reichweite der HDD-Drainagefassung beträgt ca. 30 bis 40 m mit einer maximalen Fassungsergiebigkeit von QHDD-max = 2,5 m3/h. Die repräsentative Durchlässigkeit des anstehenden Grundwasserleiters wurde zu kGWL = 1*10 -4 m/s bestimmt. Im natürlichen Abstromregime geht dem Tagebau im Sicherungsbereich der HDD-Drainage ein Grundwasserstrom von etwa 1,1 m3/h bzw. 9.500 m3/a zu. Das Schadenszentrum der Grundwasserabstromfahne ist mit Schadstoffkonzentrationen MTBE von cMTBE ≈ 1,2 mg/l und Benzol von cBz ≈ 0,6 mg/l nachweislich geprägt. Die in der Rinnenstruktur fokussierte Schadstofffahne hat an der HDDDrainagefassung eine Breite von etwa 75 m. Bestimmung des notwendigen Sicherungsaufwands im Probebetrieb Bild 3 Kamerabefahrung der Filtersegmente der HDD-Drainage nach Brunnenentwicklung mit JetMaster Foto: Etschel Brunnenservice GmbH durch Anwendung mehrerer analytischer Ansätze nach DVGW W 111 /2/ sowie /3/, /4/. Die Reichweite der HDD-Fassung und die repräsentative Durchlässigkeit des GWL im HDD-Fassungsbereich wurden nach Methoden der instationären radialen Brunnenreichweite (vertikalebenes Modell), mittels einseitiger Anströmung eines unvollkommenen, unendlichen Grabens mit Zusatzleitwert für den Drainageeintritt (2D vertikal- Die Befunde aus Grundwasseruntersuchungen der HDD-Drainage und von Trassenkontrollpegeln sagen insgesamt aus, dass der Grundwasserschaden an der Grenze des künftigen Abbaufeldes der MIBRAG sicher gefasst wird. Dazu ist ein mittlerer Grundwasser-Fassungsstrom von etwa 1,0 m3/h an der Drainage hinreichend. Im Probebetrieb waren noch technische Anpassungen der HDD-Fassungsanlage erforderlich. So war nach Aufklärung der Druckund Gassättigungsverhältnisse im anstehenden GWL die Pumpenanlage auf die unvermeidbare Mitförderung und Entlastung hoher Gelöstgasanteile (Stickstoff, Kohlendioxid) mit dem Fassungswasser abzustimmen. Die Ergänzung von Grundwassermessstellen im ferneren An- und Abstrom der HDD-Drainage befindet sich in Planung, um die hydraulischen Kennwerte und die Wirkung der Fassung zu kontrollieren. Test- und Probebetrieb der Wasserreinigungsanlage Der Testbetrieb der Wasserbehandlung erfolgte mittels eines Prototyps einer VSK-Vakuumstrippanlage (VSK: Vakuumstrippen Tab. 1 Maßnahmenwert der HDD-Fassung und Ablaufzielwerte der GW-Reinigungsanlage Maßnahmenwert HDD-Drainagefassung Einheit Grenzwert Maßnahme HDD-Anlage Anstromkonz. Benzol µg/l > 500 Gefahrenabwehr Schutzbetrieb verpflichtend Ablaufzielwert GWReinigungsanlage Einheit Jahresdurchschnitt JD zulässige Höchstkonzentration ZHK Ablaufkonz. Benzol µg/l 25 50 Ablaufkonz. MTBE µg/l 375 750 3/2015 wwt-online.de UMWELT Gewässerschutz Bild 4 HDD-Drainagefassung im Testbetrieb mit Konditionierung) /5/ und einer marktüblichen Wassera ktivkohlefilteranlage (WAK), die eine WRE-konforme Ableitung aller anfallenden Testwässer bei parallelem Testbetrieb der Reinigungsanlagen und der HDD-Drainagefassung zu sichern hatte. An beiden Anlagen wurden die Leistungskennwerte für eine Regelbetriebsentscheidung ermittelt. Während die WAK-Anlage eine Komplettreinigung der organischen Wasserschadstoffe bewirkt, wurde mit der VSKStrippanlage das Ziel einer effektiven Vorreinigung vor einer naturnahen biologischen Reinigungsstufe verfolgt. Testbetrieb der Wasserreinigung mit VSK-Vakuumstrippung Mit der mobilen Prototypanlage nach dem VSK-Verdüsungsverfahren (DE 102009055178A1) wurden Reinigungstests mit Fassungswässern der HDD-Drainage und potenziell künftig erwartbaren, höher kontaminierten Wässern des ferneren Anstroms durchgeführt. Die Lösemittel-abhängige Bindung der Schadstoffe in den Testwässern und fällungsrelevante Begleitstoffe, v. a. Eisen und Calzit, waren hinsichtlich der Handhabung im Strippbetrieb zu überwachen. Die VSK-Prototypanlage kann im Grobreinigungsregime einen Wasserdurchsatz von 9 m3/h bei automatischer Anlagensteuerung, einem Gas/Wasser-Verhältnis << 10:1 und einem Gas-Strippdruck pvak ≈ 0,2 bar realisieren. Im Feinreinigungsregime lässt sich ein Wasserdurchsatz im Teilkreislauf bis 3 m3/h, einem Gas/Wasser-Verhältnis bis 40:1 und einem Gas-Strippdruck pvak ≈ 0,5 bar einstellen. Ein geschlossener Gaskreislauf (Stickstoffgas) ermöglicht den wirtschaftlichen Einsatz zum anoxischen Betrieb. Die Testserien für hochbelastete Wässer des ferneren Grundwasseranstroms zeigten, dass filterbettfreie Grobreinigungsstufen im anoxischen Betrieb (z. B. Kompakt- oder Verdüsungsstripper) vorteilhaft sind, um 50 Bild 5 Testbetrieb des VSK-Vakuumstrippmoduls insbesondere den Neigungen der Wässer zu carbonatischen und sulfidischen Ausfällungen zu begegnen. Die Durchsatzleistung und die Strippwirkung für die Kontaminanten Benzol und MTBE war bei Schaumbildung gemindert. Für die effektive Grobreinigung solcher Wässer kommt wegen des minimierten Energieeintrages in die Wässer z. B. das VSK-Vakuumverrieselungsverfahren (DE 102009055182A1) in Betracht. Die Testserien für HDD-Fassungswässer zeigten, dass die Benzolabreinigung mit durchgängig hohen Wirkungsgraden > 98 %, im Feinreinigungsregime > 99,5 %, gewährleistet ist. Die MTBE-Abreinigung erzielte im Feinreinigungsregime stabil Wirkungsgrade von 50 bis 60 %. Die Strippung von HDD-Wässern kann im Standardregime mit Luft und einer Luftaktivkohlestufe zur Abluftreinigung betrieben werden. Gelöstes Eisen liegt nur gering vor und die anoxischen Wässer können in einem Strippluft-Teilkreislaufes ohne relevante pHVerschiebung behandelt werden. Der notwendige Strippaufwand wird vom Kontaminanten MTBE determiniert, wenn am Anlagenausgang die Reinigungszielwerte der WRE einzuhalten sind. Für die HDD-Wässer ist dazu in einer Regelbetriebsanlage ein Stripp-Wirkungsgrad > 70 % bzw. ein Gas/ Wasser-Verhältnis rd. 80:1 zu gewährleisten. Test- und Probebetrieb der Wasserbehandlung mit Wasseraktivkohle Die Wasserreinigungsanlage mit Wasseraktivkohle arbeitete in der Erprobungsphase als Standard-Technologie störungsfrei. Sie wird für die Fortsetzung der HDD-basierten Sicherung des Schutzziels Tagebaubetrieb derzeit bevorzugt. Die GW-Reinigungsbilanz der WAK-Anlage ergab für die MTBESorption als limitierende Größe des Wasseraktivkohlebetriebs eine Beladungskapazität von rd. 0,3 Ma.-%. Die vorläufige Betriebskostenauswertung ergab, dass bei dem not- Fotos (4,5): GFI GmbH wendigen Fassungsregime an der HDDDrainageanlage Reinigungskosten < 2,00 €/ m3 Grundwasser bzw. < 1.700 €/kg MTBE anfallen. Die Benzolabreinigung ist in diesem Rahmen vollumfänglich gewährleistet. LITERATUR /1/ Luckner, L.: Sicherung des GrundwasserSüdwestabstroms vom Ökologischen Großprojekt (ÖGP) Böhlen. Proceedings des DGFZ e. V., ISSN 1430-0176, H. 49, S. 271-282, 2013 /2/ DVGW W 111: Planung, Durchführung und Auswertung von Pumpversuchen bei der Wassererschließung. Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e. V., 1997 /3/ Busch, K-F; Luckner, L.; Tiemer, K.: Lehrbuch der Hydrogeologie, Band 3. Geohydraulik. Gebrüder Borntraeger, 1993 /4/ Koch, D.: Analytical Modeling of Ground-Water Impacts by Mining. GroundWater, Vol. 24, Nr. 2, pp. 224-230; 1986 /5/ Giese, R.; Glöckner, M.; Weiß, H.: Innovative Grundwasser-Sanierungstechnologien. Aufbereitung kontaminierter Grundwässer durch anoxische Vakuumstrippung mit Konditionierung (VSK). In: wasserwirtschaft wassertechnik, H. 03, S. 28-31, 2010 KONTAKT Dr.-Ing. Ronald Giese Dipl.-Chem.Ing. Michaela Hache GFI Grundwasser-Consulting-Institut GmbH Dresden Meraner Straße 10 · 01217 Dresden E-Mail: [email protected] Dr.-Ing. habil. Thomas Luckner GIP Grundwasser-Ingenieurbau-Planung GmbH Dresden Meraner Straße 10 · 01217 Dresden E-Mail: [email protected] Dr.-Ing. Michael Struzina MIBRAG mbH Glück-Auf-Straße 1 · 06711 Zeitz 3/2015
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