Rechtsprechung Johannes Peter Gruber Wie die Gläubiger des Stifters auf die Privatstiftung greifen können Seit 1993 gibt es in Österreich die Möglichkeit, eine Privatstiftung zu gründen und sein Vermögen ganz oder zum Teil in diese Stiftung einzubringen. Das Vermögen gehört dann einer selbständigen juristischen Person, wird von einem unabhängigen Stiftungsvorstand verwaltet und seine Erträge werden an den Stifter oder andere Begünstigte ausgezahlt. Unsicher war bisher, ob und wie die Gläubiger des Stifters auf dieses Vermögen zugreifen können. Der OGH hat nunmehr die Rechtslage geklärt. ÜBERBLICK Die Privatstiftung ist von der gemeinnützigen Stiftung zu unterscheiden. Die gemeinnützige Stiftung wird zur Förderung von (unter anderem) geistigen, kulturellen oder sportlichen Anliegen eingerichtet. Zweck der Privatstiftung ist dagegen in erster Linie, Steuern zu sparen. Mit der Privatstiftung sollte nicht zuletzt auch ein Anreiz dafür geschaffen werden, ausländisches Vermögen nach Österreich zu verlagern. Neben den steuerlichen Begünstigungen bietet die Privatstiftung aber zusätzlich die Möglichkeit, erwirtschaftetes Vermögen nach dem Tod des Stifters zusammenzuhalten und eine Zersplitterung durch Aufteilung auf mehrere Erben zu verhindern. Jeder, der über ausreichend Vermögen verfügt, kann eine Privatstiftung gründen. Gesetzlich vorgeschrieben ist ein Stiftungskapital von mindestens 70.000 Euro. In der Praxis sind 3 bis 5 Mio. Euro notwendig, damit sich der damit verbundene Aufwand – man braucht z. B. drei Stiftungsvorstände – lohnt. Hat der Stifter ein Vermögen gestiftet, dann ist es grundsätzlich seinem Einfluss entzogen. Das Vermögen wird vom Stiftungsvorstand verwaltet, der die Erträge der Stiftung an den oder die Begünstigten verteilt. Da sich der Stifter auch selbst als Begünstigten einsetzen kann, kann er auf diese Weise weiterhin das gestiftete Vermögen nutzen. Der Stifter kann sich aber auch die Möglichkeit offen halten, das gestiftete Vermögen später wieder zurückzubekommen. Dazu muss er sich in der Stiftungserklärung den Widerruf der Stiftung vorbehalten. Der Widerruf führt zwar einerseits zum Verlust der Steuervorteile. Andererseits kann der Stifter nach dem Widerruf wieder frei über das gestiftete Vermögen verfügen, was – insbesondere bei unvorhergesehenen Ereignissen – sehr vorteilhaft für ihn sein kann. Jeder Stifter wird daher in aller Regel gut beraten sein, sich den Widerruf der Stiftung „für alle Fälle“ vorzubehalten. OGH Was der Stifter kann, können letztlich aber auch seine Gläubiger: So wie ein Gläubiger die Forderung des Arbeitnehmers auf Zahlung des Arbeitslohns pfänden kann („Lohnpfändung“), so kann er auch dieses Widerrufsrecht des Stifters pfänden. Dann kann er – wie der OGH jetzt zum ersten Mal ausdrücklich bestätigt hat – die Stiftung im Namen des Stifters widerrufen und auf das gestiftete Vermögen greifen. Für die Gläubiger des Stifters ist es damit recht leicht möglich, dieses Vermögen für sich zu verwerten. Die Pfändung des Widerrufsrechts macht nur dann Sinn, wenn der Stifter nach dem Widerruf wieder Eigentümer des Vermögens wird. Das wird er immer dann, wenn in der Stiftungserklärung nichts Besonderes dazu geregelt ist. In der Stiftungserklärung kann aber auch vorgesehen sein, dass das Vermögen nach dem Widerruf (ganz oder zum Teil) jemand anderer (z. B. die Kinder des Stifters) bekommt. Auf diesen Teil haben die Gläubiger nur Zugriff, wenn sich der Stifter neben dem Widerruf auch die Änderung der Stiftungserklärung vorbehalten hat. Dann können die Gläubiger die Stiftungserklärung zu ihren Gunsten abändern. Hat sich der Stifter weder den Widerruf der Stiftung noch die Änderung der Stiftungserklärung vorbehalten, dann wird es für die Gläubiger schwierig. Sie können die Gründung der Stiftung dann nur nach den Regeln der Anfechtungsordnung anfechten und versuchen, eine bewusste Vermögensverschiebung zum Nachteil der Gläubiger nachzuweisen. Dazu ist aber ein zusätzlicher Zivilprozess notwendig, der – wie die Rechtsprechung der vergangenen Jahrzehnte zeigt – von den Gläubigern nicht zuletzt wegen der offensichtlich hohen Kosten- und Beweisrisiken kaum genutzt wird. DIE ENTSCHEIDUNG OGH 26. 4. 2006, 3 Ob 217/05s 4/2006 Aufsichtsrat aktuell Dr. Johannes Peter Gruber ist Rechtsanwalt in Wien und Lehrbeauftragter für Zivilund Handelsrecht der Fachhochschule für Wirtschaft und Technik, Wiener Neustadt. 23
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