37. Ausgabe Oktober 2014 Neufassung des Bundesgleichstellungsgesetzes – eine Rolle rückwärts – Der derzeit verhandelte Referentenentwurf für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst enthält in Artikel 2 eine Neufassung des Bundesgleichstellungsgesetzes (BGleiG). Der Entwurf stellt nach Auffassung vieler Sachverständigen einen Rückschritt in der Gleichstellung in den Bundesbehörden und Bundesgerichten dar. Auch der IMA argumentiert seit Bekanntwerden des ersten Entwurfs gegen die geplanten Verschlechterungen. Kern unserer Kritik: die strukturelle Benachteiligung von Frauen wird hier mit der gelegentlichen Unterrepräsentanz von Männern gleichgesetzt. Das hat mit Gleichstellungspolitik nichts zu tun, sondern ist allenfalls ein Versuch von Gleichmacherei. Wir halten den Artikel 2 des Bundesgleichstellungsgesetzes nicht für grundgesetzkonform. Daher fordert der IMA die ersatzlose Streichung des Artikels 2 BGleiG aus dem Entwurf (weitere Kritikpunkte auf Seite 2). Die Kritik fast aller Gleichstellungsexpert/inn/en geht in die gleiche Richtung. Hier ein kurzer Überblick über Stellungnahmen: Deutscher Juristinnenbund (djb): „Da die Verschlechterungen die wenigen Verbesserungen sogar deutlich überwiegen, sollte das BGleiGNeu aus dem Entwurf ganz entfernt werden. ... Erkennbar fehlt es an einer aktuellen Befundaufnahme für den öffentlichen Dienst und an einer validen Analyse der bisherigen positiven oder negativen Wirkungen des BGleiG 2001. ... Die Förderung des jeweils unterrepräsentierten Geschlechts, unabhängig ob Frau oder Mann (“Geschlechteransprache“) im Entwurf zur Novellierung des BGleiG (Entwurf) dürfte kaum mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 und 3 Abs. 2 GG vereinbar sein.“ Deutscher Frauenrat (DFR): „Auch die Novellierung des Bundesgleichstellungsgesetzes wird vom DEUTSCHEN FRAUENRAT in der Fassung des vorliegenden Referentenentwurfs – bis auf wenige Ausnahmen – auf das Schärfste zurückgewiesen. ... Dort wo Veränderungen festgeschrieben sind, fällt der Referentenentwurf hinter der aktuellen Gesetzeslage zurück und schwächt diese deutlich ab. ... Der DEUTSCHE FRAUENRAT ist ganz grundsätzlich davon überzeugt, dass Gesetzentwürfe ohne Sanktionsmechanismen nicht den erwünschten Erfolg erzielen werden. Alle Erfahrungen der letzten Jahre weisen darauf hin, dass derlei Gesetze „zahnlose Tiger“ bleiben.“ Dr. Torsten von Roetteken, Vors. Richter am VG Frankfurt/Main und Verfasser des BGleiG-Standardkommentars: „Nach Durchsicht des in die Anhörung gegangenen Entwurfs vom 14.9.2014 neige ich dazu vorzuschlagen, das BGleiG-Neu aus dem Entwurf ganz zu entfernen, da inzwischen die Verschlechterungen die wenigen Verbesserungen deutlich überwiegen und das bisherige Gesetz aus meiner Sicht besser ist als das neue. Das gilt insbesondere für die Beteiligungsrechte, da hier auch die Entwurfsbegründung eine massive Verschlech- terung in der Praxis bewirken und zur weitgehenden faktischen Bedeutungslosigkeit der Mitwirkungsrechte führen wird.“ Gender Mainstreaming Experts International: „Das internationale Netzwerk GMEI hat mit Bestürzung zur Kenntnis nehmen müssen, dass es in Deutschland zu einer Rolle rückwärts in der Gleichstellungspolitik kommen soll. Wir begrüßen jeden Schritt zu einer modernen, internationalen Standards entsprechenden Gleichstellungspolitik. Dazu müssen aber die Mängel der bisherigen Politik beseitigt werden. Die geplante Novellierung des Bundesgleichstellungsgesetzes verfestigt diese Mängel jedoch: Der jetzige Entwurf höhlt die Strategie des Gender Mainstreaming völlig aus. ... Im Übrigen schließen wir uns den kritischen Positionen des Interministeriellen Arbeitskreises der Gleichstellungsbeauftragten der obersten Bundesbehörden sowie des Deutschen Juristinnenbundes an und plädieren für einen generellen Verzicht auf diese Novellierung.“ Angesichts dieser fundierten Unterstützung appelliert der IMA an alle politisch Verantwortlichen, die Gleichstellung im Bund proaktiv voranzubringen und eine Neufassung des BGleiG in der vorliegenden Fassung zu verhindern. „Nur eine Frauenorganisation, die lästig ist, hat eine Existenzberechtigung“ Johanna Dohnal, erste Frauenministerin Österreichs, 1990-1995 ________________________________________________________________________________________________________________ Redaktion, Herausgabe und v.i.S.d.P.: IMA, c/o Gleichstellungsbeauftragte im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend , 53107 Bonn; E-Mail: [email protected].
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