Redebeitrag von Annalena Braß Ich fühle mich im Stich gelassen. Von denen da oben. Nicht nur hier in Deutschland, wo sie sich den Kopf über merkwürdige Reformen zerbrechen und rechten Stimmen Raum lassen. Nein, nicht nur hier, die Welt ist ein zusammenhängendes Netz und wenn ich höre, was in anderen Ländern so passiert – wo die Politiker so korrupt und machthungrig sind, dass sie die Augen und Ohren verschließen, manchmal Beihilfe leisten oder Täter sind, wenn die Freiheit des Menschen mit Füßen getreten und seine Würde schon beim Waterboarding erledigt wurde. Dort wo das Leben unmöglich ist und die Menschen ihre geliebte Heimat verlassen müssen, ins Unbekannte und nicht wissen, ob man sie dort willkommen heißen wird. Dann stellt sich mir die Frage nach dem warum. Warum werden auch in der heutigen Zeit Menschen so behandelt, misshandelt, schikaniert, diskriminiert, wegen absolut unverständlichen Gründen. Nur weil jemand irgendwie anders aussieht oder jemanden von ganzem Herzen liebt und ich das nicht kann oder weil jemand etwas anderes denkt und das auch auszusprechen wagt oder weil dieser jemand ein anderes Geschlecht hat. Nur wegen einer anderen Hautfarbe oder Homo-, Hetero- oder Wasweißichdennsexualität oder wegen des Muts, gegen den Strom zu schwimmen oder wegen der veralteten Rolle der Frau in manchen Kulturen. Wie kann denn irgendjemand die Unverfrorenheit besitzen, einen Menschen anders zu behandeln als jemanden, der seiner Ansicht nach „normal“ ist. Warum ist das so?! Wie ist das überhaupt möglich in der heutigen Welt?! Warum lassen die Mächtigen der Welt es zu, dass ihre Schutzbefohlenen so behandelt werden? Warum? Wenn ich nur daran denke, wird mir schlecht. Und ich überlege mir, was man dagegen tun kann. Man. Man kann vieles tun, viel erreichen. Doch ich allein? Was kann ich denn schon tun? Ich mit meiner Einzelexistenz? Ohne Geld und besondere Macht. Ohne Kontakte und als junger Mensch ohne viel Erfahrung. Jedes Mal wenn mich diese Mutlosigkeit erfasst, kommen mir die Worte Baden-Powells in den Sinn. Er war der Gründer der Pfadfinderbewegung und hat ihren Mitgliedern in einem letzten Brief den folgenden Rat mit auf den Weg gegeben: „Versuche, die Welt ein bisschen besser zu verlassen, als du sie vorgefunden hast.“ Diese Worte schaffen es immer wieder, den Hoffnungsschimmer in meinem Herzen zu entzünden, neu zu entfachen und ich weiß, es gibt etwas, für das es sich zu kämpfen lohnt. Eine bessere, eine friedvollere Zukunft für alle Menschen weltweit ist es allemal wert, Schritt für Schritt einen Weg zu gehen, der hoffnungslos scheint- und es eben gar nicht ist. Denn ich gehe diesen Weg nicht allein. Andere Menschen laufen neben mir her, setzen kleine und große Zeichen, schonen Mutter Erde, heißen Fremde willkommen und lassen sie zu Freunden werden, stehen gerade für eine friedvolle Welt und zeigen so anderen, dass es auch anders geht. Ohne Gewalt. Ohne Inferno. Friedvoll. Und voller Hoffnung. Sie sind Hoffnungsträger, so wie ich einer sein möchte. Sie geben uns allen Hoffnung, die wir an den Rest der Welt weiterschenken dürfen, denn jeder von uns kann so ein jemand sein, der vorausblickt, positiv, an das Gute glaubend, auch wenn der Horizont manchmal düster scheint. Es gibt viele, ungezählte Menschen, die so sind, manche mehr, manche weniger bekannt und doch geben sie mir alle Hoffnung, dass es doch noch nicht zu spät ist. Einer dieser Menschen ist Nemi ElHassan. Sie ist 21 Jahre alt und trug auf einem Poetry Slam in Dresden ihre Wut über die Mutlosigkeit der Politik und ihre Hoffnung auf eine helle Zukunft in die Welt hinaus. Ihre Worte möchte ich Ihnen allen mit auf den Weg geben, damit auch Sie die Hoffnung spüren: Deutschland, ich schreibe heute Liebeslieder auf Altpapier und schenk sie dir. Über… Städte voll von Kultursprachreligionsgewirr. Nachbarschaftstreffen mit Schwarzwälderkirsch und Baklava, bei denen alle Kinder deine sind. Egal ob Maximilian oder Fatima, sie spielen mit einer Hand Klavier und mit der anderen Sitar. Weil das ihr aller Land ist, in dem sich neu und alt vermischen, in dem Grenzen verwischen, und “anders” sich nicht mehr Eigensinn oder fremd, sondern Bereicherung nennt. Ein Ort, an dem das Wort: “Bildung” noch ernst genommen wird, und jedes deiner Kinder dessen Wirkung spürt. Weil du allen gleiche Chancen schenkst, keinen wegen seines Namens bedrängst. Weil du viel gibst und viel verlangst und um jeden Einzelnen in deiner Gesellschaft bangst. Ein Zuhause für alle, die schon lange hier sind und eins für jene, denen ihr anderes Zuhause auf ihren Wegen entrinnt. Das alles, mein liebes Deutschland, lebt bereits in dir. Es schlägt feine Wurzeln, und treibt die ersten Knospen. Alles, was noch fehlt, ist ein bisschen Sonne, ein bisschen Regen, und etwas Wind. Mach dir keine Sorgen Deutschland, denn ich hab gehört, der Sommer kommt.”
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