PDF-Download - Katholische Kirche beim hr

Pastoralreferentin Patricia Nell, Frankfurt/M.
Zuspruch am Morgen, hr 2-kultur, Mittwoch, 27. Juli 2016
Gleichgültig
Manches vermisse ich in den Ferien wirklich überhaupt nicht. Die Unordnung im
Klassenzimmer zum Beispiel. Wie oft geht mir das so: Die letzte Schulstunde ist zu
Ende. Es klingelt. Die Schüler stürzen Hals über Kopf aus dem Klassenraum. Alle
wollen den Omnibus kurz nach eins noch erwischen. Schlagartig ist es still. Ich atme
erst mal tief durch. Dabei schweift mein Blick durch die leeren Bänke. Hilfe, denke
ich, wie sieht denn das hier schon wieder aus: Papierfetzen auf Boden und Tischen,
Kaugummi auf umgekippten Pappbechern, leere Wasserflaschen, abgebrochene
Stifte und und und … Obwohl doch der Mülleimer direkt neben der Tür steht. Warum
lassen die ihren Dreck bloß einfach fallen? Und damit meine ich nicht nur meine
Rasselbande. –
Auf der Straße, an der Bushaltestelle und in Parks sieht‘s ja oft ähnlich aus.
Irgendwie scheint sich niemand verantwortlich zu fühlen, für die öffentlichen Räume.
Vielleicht sollte ich mit meiner Klasse mal das Experiment starten und einfach ein
bisschen von ihrem Abfall mit in die nächste Stunde nehmen und allen was davon
auf den Tisch legen: eine zerknüllte Brötchentüte hier, eine Bananenschale dort. Ich
müsste mir wohl vor dem lauten Geschrei der Rasselbande die Ohren zu halten.
Aber genau so läuft es doch. Würden wir denn akzeptieren, was wir anderen
zumuten? Nein. Und warum sind wir dann so gleichgültig? –
Nicht nur meine Klasse tickt so. Überall, also auch draußen tickt die Welt so!
Neulich fanden Tierschützer im Bauch eines Wales doch tatsächlich wieder mal
Unmengen von Plastikteilen.
Vielleicht ist diese verflixte allgemeine Gleichgültigkeit gegenüber Mensch und Natur
die kultivierteste Form der Verachtung. Nach dem Motto: Wen juckt’s – nach mir die
Sintflut.
Ich kann die Welt ja doch nicht retten, das sag ich mir ja auch manchmal. Und dann
versuch ich‘s trotzdem, wenigstens ab und zu im Kleinen. Indem ich z.B. auf
Plastiktüten verzichte, wann immer es geht. Und wenn ich beim Bahnfahren auf dem
Sitz Abfall vorfinde, dann sammle ich ihn manchmal ein und werfe ihn in den
nächsten Mülleimer. Genauso wie in meinem Klassenzimmer oder beim Spazieren
gehen im Park. Niemand muss die Welt allein retten. Wenn aber jeder ein bisschen
mitmacht, dann sieht es vielleicht doch bald ein bisschen besser aus. Sowohl in
meinem Klassenraum als auch draußen.