Da kann man doch was machen

Manuskript
Notizbuch
Titel:
„Da kann man doch was machen“ – Das
Geschäft mit der Schönheit
AutorIn:
Kristina Weber
Redaktion:
Wirtschaft und Soziales - Christine Bergmann
Sendedatum:
23.03.2015
Sendezeit | Programm:
10.05 Uhr | Bayern 2
ID/Prod.-Nr.:
15P0585
Produktion:
16.03.2015, 20 Uhr, 17.03. 14.45 Uhr
Arbeitstage:
Mitwirkende:
Anna
Dr. Dominik von Lukowicz
Dr. Ada Borkenhagen
Beitragslänge:
25’06 (30 Sekunden Fade)
Musik:
Temptations: My Girl
Sun Salute
Disappearing Time
Wortmeldung:
Moderation / Info:
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Seite 1
Beitrag
Atmo: Radiomusik/Zahnputzgeräusche/Gurgeln:
Musik: My Girl/Temptations
Musik faded in den Hintergrund
Oh Gott, wenn ich die Augenbrauen so hochziehe, das sieht ja schlimm aus.
Ganz - runzelig. Vielleicht trocknet die neue Creme die Haut aus. Ja, das wird’s
sein. Oh, und da an der Seite bei den Augen... Wenn ich so lächle, ist es da
schon ganz, ganz schlimm. Richtige Knitterfältchen. Liegt das am Licht hier
drinnen?
Musik „Sun Salute“
Sprecher (verlockend): „Manchmal scheint es, als würde unsere Haut schneller
altern als wir selbst. Wäre es da nicht schön, wenn unser Äußeres stets mit
unserem Lebensgefühl im Einklang wäre?“ Patienten sind begeistert.
Ja, das wäre schön. Aber - Patienten?
Musik „Sun Salute“ (ab 1.20) Sprecher: Hyaluron-Säure – Anti-Aging Wunder
für glatte Haut/ Unterspritzung/Schön ohne OP/Günstig/ Botox (Sprecher wird
drohender)
Nasolabialfalten/Zornesfalte/Östrogenfältchen/Krähenfalten/Marionettenfalten
Geräusch: Riss beendet Musik.
Stopp, stopp, stopp. Jetzt mal langsam. Ich bin 33! Okay, ich hab jetzt ein paar
graue Haare. Und eben auch ein paar Fältchen. Ich werde eben älter. Aber das
ist doch normal, oder?
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Sprecher (verlockend): Aber da kann man doch was machen…
Musik: Disappearing time
Ja, man kann da was machen. Und immer mehr Menschen, fast 90 Prozent von
ihnen Frauen, lassen auch was machen. Die Vereinigung der Deutschen
Ästhetisch-Plastischen Chirurgen gibt bekannt, allein bei ihren Mitgliedern
haben sich im Jahr 2013 33.817 Menschen in Deutschland ihr Gesicht
minimalinvasiv behandeln lassen – das sind 45 Prozent mehr als im Jahr davor.
Minimalinvasiv bedeutet: behandelt wird nicht mit dem Skalpell, sondern mit der
Spritze. Für die Patientinnen billiger, und ein geringeres Risiko gehen sie auch
ein.
Musikende
Aber: Wenn es Schönheit und Jugend aus der Spritze und zum Sonderpreis
gibt - darf man da eigentlich noch einfach so altern?
Raumatmo
Im Wartezimmer der Praxis von Dr. Dominik von Lukowicz – Intimchirurgie,
Lipödem, Gesicht, Brust, Körper – treffe ich Anna. Ihren richtigen Namen will
sie lieber nicht im Radio hören.
Anna hat glänzendes dunkelblondes Haar, sie ist schlank, lässig gekleidet.
Falten? Vielleicht ein paar kleine um die Augen. Und doch kommt Anna schon
seit zwei Jahren in die Praxis, zur Faltenbehandlung. Warum?
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O-Ton 1 Anna: Ich bin 36, natürlich kann ich mir vorstellen, mehr Falten zu
bekommen. Und ich glaube, jedes Gesicht wird ja auch durch Falten
interessant und trotzdem allem ist es so, dass ich versuche, soweit wie möglich
ja, ne natürlich Mimik mit ner schönen Haut oder mit nem relativ jugendlichen
Aussehen zu kombinieren. (23)
Aber dafür gleich zum Schönheitschirurgen? Anna erklärt:
O-Ton 2 Anna: Ich hatte eben ne sehr fahle Haut und ich hatte auch insgesamt
finde ich, einfach mehr, mehr Falten. Es war einfach so vom Gesamtbild, dass
ich in Spiegel geschaut haben und ich war nicht glücklich. (14)
Sie verglich sich mit Freundinnen im gleichen Alter, ging zur Kosmetikerin,
probierte verschiedene Cremes, sogar chemisches Peeling. Der Weg zur
Spritze war dann wohl nicht mehr so weit. Mittlerweile hat Anna Einiges
ausprobiert.
O-Ton 3 Anna: Angefangen eben mit den kleinen Sachen, also mit diesem
Microbotox, was eigentlich ein minimales Ergebnis erzielt, bis hin zu den
Behandlungen, die ein bisschen aufwendiger sind, mit Hyaluron, was ja auch
ein natürlicher Stoff ist. Aber da muss man schon sagen, also ich glaub, dass
das schon, wenn man da einmal drin ist, in dieser Schleife oder so, dann denkt
man schon so, hm, das hab ich jetzt ausprobiert, da war ich zufrieden, mal
gucken, was es sonst noch gibt. (31)
Chirurg Dominik von Lukowicz, braun gebrannt, fit, jugendlich, spritzt in seiner
Praxis in bester Lage in der Münchner Innenstadt zwischen 30 und 70
Patientinnen im Monat Botulinumtoxin, bekannt als Botox, oder Filler auf
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Hyaluronsäurebasis. Anna sah er zu Beginn ihrer Behandlung sehr häufig, jetzt
alle paar Monate. Man kennt sich.
Szene 1:
Dr.: Also, was, was sollen wir heute machen?
Anna: Also für mich würde in dem Bereich hier Botox…
D: Im Bereich der Augen? Seitlich?
Anna: Und evtl. nochmal schauen, ob hier die Zornesfalte. Und wichtig, wie
gesagt, wie immer, möglichst dezent.
D: Dezent. Ja, richtig. (22)
Musikakzent
In Berlin untersucht Psychologin Dr. Ada Borkenhagen, warum immer mehr
Menschen wie Anna sich Schönheitsbehandlungen unterziehen.
O-Ton 4 Ada Borkenhagen: Unser Schönheitsideal ist ja ein
Jugendlichkeitsideal. Wir haben zudem eine Gesellschaft, die zunehmend
altert. Jeder möchte jung aussehen, und genau diesem Trend folgen die
Menschen, die diese minimalinvasiven Verfahren in Anspruch nehmen. (23)
Der Kampf gegen das Alter ist bereits jetzt vielen Menschen jede Menge Geld
und Zeit wert – sei es beim Sport, bei der Ernährung oder eben auch durch
Schönheitschirurgie. Die Therapeutin glaubt,
O- Ton 5: Dass der Druck auf die Normalbevölkerung ganz stark zunehmen
wird, sich eben mit diesen Maßnahmen zu verschönern und eben in Zukunft
schön zu altern. Man sieht das in der deutschen Bevölkerung auch schon, die
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Mittelschichtsfrau nimmt solche Verfahren zunehmend in Anspruch, wenn auch
noch in geringerem Maß als in Amerika. (26)
Mittelschichtsfrau ist auch Anna. Sie arbeitet als Lehrerin.
O-Ton 6 Anna: Ich muss natürlich auf mein Geld schauen, ich bin jetzt keine
Großverdienerin. Aber ich hab mir das Geld dann schon irgendwie zur Seite
gelegt, und demensprechend als Kundin, die häufig auch kommt, oder
Patientin, hab ich auch angenehme Preise bekommen. (18)
Musik: Disappearing Time
Aus dem Geschäftsbericht 2013 von „Allergan“, einem der führenden Anbieter
für Botulinumtoxin- und Hyaluronsäure-Produkte, geht hervor: der weltweite
Dermalfillermarkt konnte 2009 bis 2013 ein Gesamtwachstum von 71%
verzeichnen.
Dermalfiller sind etwa Produkte auf Kollagen- oder Hyaluronsäure-Basis, mit
denen Falten oder altersbedingter Volumenverlust in der Haut ausgeglichen
werden. Das Gewebe wird praller, straffer und besser durchfeuchtet. Mit den
Produkten setzen Pharmafirmen wie Allergan, Merz oder andere Milliarden um jährlich. Genaue Umsatzzahlen für Deutschland sind jedoch auch auf
Nachfrage nicht zu bekommen.
Musik Ende
Neben den Herstellern verdienen die Ärzte. Fachärzte für Plastische und
Ästhetische Chirurgie wie Dominik von Lukowicz – aber auch Orthopäden,
Hautärzte und andere. Einzelne Behandlungen sind, je nach Dosis, ab ein paar
hundert Euro zu haben.
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Doch während das Nervengift Botulinumtoxin rezeptpflichtig ist und nur von
Ärzten mit geeigneter Qualifikation eingesetzt werden darf, ist etwa
Hyaluronsäure als natürlich vorkommender Bestandteil des Bindegewebes
nicht diesen Beschränkungen unterworfen. Sogar Heilpraktiker behandeln
damit Falten - mehr oder weniger fachgerecht. Und obwohl es gerichtlich
verboten wurde: Auch Kosmetikerinnen bieten immer wieder Unterspritzungen
an.
Atmo Vorbereitung
In der Münchner Praxis von Dominik von Lukowicz geht eine riesige Lampe an.
Gleißendes, weißes Licht fällt auf Anna, die junge Frau auf dem
Behandlungsstuhl. In eine Spritze, nicht länger als sein kleiner Finger, zieht
Dominik von Lukowicz eine winzige Menge Botulinumtoxin auf.
Atmo Gummihandschuhe anziehen
Atmo Desinfektionsmittel sprühen
Szene 2:
D: Zeigen sie nochmal, lächeln sie nochmal so. Hier sieht man jetzt ganz schön
diese Fältchen an den seitlichen Augen, nach seitlich verlaufend. Im Volksmund
sind das die sogenannten Krähenfüße, ist ja kein so schöner Ausdruck, sie
können auch Lachfalten dazu sagen oder Sonnenblinzelfalten oder sowas. (20)
Das sieht genauso aus wie bei mir, heute Morgen im Bad. (auf Ramp)
Szene 3 :
D: So, drehen sie den Kopf bisschen zu mir bitte. Jetzt schaut man hier, dass
man hier im seitlichen Augenbereich ist der Muskel ganz oberflächlich, hängt
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sozusagen direkt mit der Haut zusammen. Deswegen muss man auch
entsprechend – gibt mal nen Pieks – deshalb muss man auch ganz
oberflächlich spritzen. Man setzt sozusagen hier so ne Quaddel. (23)
Die Nadel ist ganz fein, viel dünner als zum Beispiel beim Blut abnehmen.
Szene 4:
D: Wenn man das so ein bisschen aufhält und so ein bisschen hin und her
schiebt. Durchs Licht, dann sieht man, dass da natürlich auch Venen
durchlaufen, da sticht man natürlich nach Möglichkeit nicht hinein. Noch ein
Pieks. Und dann haben wir drei kleine, noch einer, drei kleine Piekser pro Seite.
Und dann ist die Seite auch schon fertig behandelt. Reporterin: Und tut das jetzt
weh? Anna: Sind wie gesagt Minipiekser, mit denen man gut leben kann. Geht
schnell vorbei. (32)
Weh tut es also nicht. Aber man sieht auch erst mal - nichts. Annas winzige
Augenfältchen sehen genauso aus wie vorher.
O-Ton 7 Dominik von Lukowicz: Das wirkt so, frühestens also eigentlich nach
24 Stunden, kann auch 5 – 7 Tage dauern, also normalerweise zwei, drei
Tagen. Dann sieht man schon ne deutliche Wirkung, die maximale Wirkung ist
dann nach 5 bis 6 Tagen erreicht. Und insgesamt hält es drei bis vier Monate
(21)
Das Ergebnis einer minimalinvasiven Behandlung soll vor allem natürlich
aussehen. Das sagt Anna, und das sagen auch die anderen Patientinnen von
Dominik von Lukowicz. Doch manchmal gerät ihm das Ergebnis so natürlich,
dass den Patientinnen die Veränderung in ihrem Gesicht selbst kaum auffällt.
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Seite 8
O-Ton 8: Dominik von Lukowicz: Meistens ist es dann so, wenn man den
Patientinnen zwei Wochen später, wenn das alles wirkt und sie kommen und
sagen: Ach, es ist ja gar nicht viel passiert. Und man zeigt ihnen dann das
Vorher-Bild - also, wir machen ja immer ne Foto-Dokumentation – dann sind sie
oft überrascht, wie viel in Wirklichkeit passiert ist und wie sehr sie sich schon an
dieses neue Erscheinungsbild gewöhnt haben. (22)
Auch Anna hat er vor zwei Jahren fotografiert. Sieht sie einen Unterschied?
Szene 5:
A. Ich hab mir die Fotos noch gar nicht angeschaut… also bisher noch nicht.
D: Aber Sie sind, glaub ich, angesprochen worden, oder?
A. Ja, ich bin angesprochen worden. Auch von Bruder angesprochen worden,
der gemeint hat: Ich schau irgendwie frisch aus, auch die Haut schaut gut aus.
Oder du schaust erholt aus. Und das ist genau das Ergebnis, das ich wollte.
Also, gar nicht, du hast dich irgendwie verändert, sondern erholt ausschauen,
frischer ausschauen. (28)
Tiefe Falten gar nicht erst entstehen zu lassen, feine Fältchen zu glätten, das
ist das Ziel von Annas Behandlungsplan. Das Botulinumtoxin entspannt ihre
Muskeln und verhindert so zum Beispiel ständiges Stirnrunzeln. Mit
Hyaluronsäure-Filler hat der Arzt bei ihr den natürliche Volumenverlust im
Gesicht ausgeglichen, unter den Augen, in der Nasolabialfalte und – ganz leicht
– die Oberlippe vergrößert.
O-Ton 9 Anna: Ab dem Moment, wo ich merke, mein Gesicht bewegt sich nicht
mehr, oder ich habe irgendwie, ja, diese typischen,… oder mir grinst so ne
Hollywoodfratze entgegen – um Gottes Willen, das fänd ich ganz furchtbar.
(16)
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Seite 9
Anna will dem Altern vorbeugend entgegenwirken, eine schöne, jugendlich
frische Haut bewahren. Andere kommen, um bestehende Falten zu glätten.
Dominik von Lukowicz Patientinnen sind in jedem Alter.
O-Ton 10 Dominik von Lukowicz: Also, es gibt die, die so ab 25 kommen,
zwischen 25 und 35 und sagen, ich möchte unbedingt was machen, auch
prophylaktisch und einfach unterstützend. Und es gibt die, die so zwischen 45
und 50 kommen oder auch 55 und sagen: aber ich brauch doch noch nichts,
oder? Jeder hat auch ein anderes Empfinden und eine andere
Wunschvorstellung von sich selbst. (25)
Sieben Piekser waren heute bei Anna geplant, drei rechts neben dem Auge,
drei links, einer in der Mitte über den Augenbrauen. Doch Anna fällt spontan
noch etwas ein – unter der Augenbraue könnte man doch noch…
Szene: 6
A: Haben wir nicht auch hier eigentlich gespritzt, dass das so n bisschen, das
Auge wacher ist?
D: Mhm.
A: Das weiß ich nicht, wann wir das das letzte Mal gemacht haben, das fand ich
nämlich auch irgendwie ganz schön. War auch nur minimal..
D: Genau, des ist minimal…
Atmo Behandlung (ausblenden, Text darüber)
Zu gern würde ich sehen, wie Anna in einer Woche aussieht. Sind dann alle
kleinen Fältchen verschwunden?
Musik My Girl ganz leise
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Seite 10
Ich weiß ja auch gar nicht, wie Anna ohne die Behandlungen aussehen würde.
Oder ich, wenn ich sowas mal ausprobieren würde. 700 Euro kostet die Dosis
Botulinumtoxin, die der Arzt Anna heute gespritzt hat. Und spätestens in einem
halben Jahr sollte nachgebessert werden. Könnte ich mir im Notfall schon
leisten. Aber sieht Anna frischer aus als ich? Jünger? Ich finde eigentlich nicht.
Zumindest aber sieht sie nicht operiert aus. Und weh scheint das Ganze auch
nicht zu tun.
Also: Was mach ich jetzt? Authentisch alt werden und auf gute Gene setzen?
Schließlich werden meine Eltern ständig jünger geschätzt. Aber meine Mutter
ärgert sich doch auch seit 20 Jahren über ihre Zornesfalte. In 20 Jahren bin ich
53. Ist Falten haben dann überhaupt noch drin?
Musikende
Die Berliner Psychologin Ada Borkenhagen glaubt: Nein. Ganz im Gegenteil.
Sie befürchtet schon für die nähere Zukunft:
O-Ton 11 Ada Borkenhagen: Dass natürlich diejenigen, die altern, ohne dass
sie irgendetwas gemacht haben, dass das leicht dazu führen kann, dass diese
Menschen stigmatisiert werden, dass sie ausgeschlossen werden. Wir haben
das heute schon in Bezug auf das Übergewicht. Wenn Sie stark übergewichtig
sind, dann ist das stigmatisierend, damit werden bestimmte
Persönlichkeitseigenschaften negativer Art verbunden und sie werden ein Stück
weit aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Und genau das, denke ich, wird in
den nächsten Jahren mit dem Alter passieren. D.h. wenn sie starke Spuren im
Gesicht aufweisen, die auf ein verlebtes Gesicht hindeuten, auf unschöne
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Seite 11
Falten, dass sie sozusagen nicht gesund und vital altern, dass das eben
stigmatisierend wird. (52)
Weil man ja eben was machen könnte – wenn es nicht anders geht, dann eben
mit Hilfe von Spritzen. Man muss es ja niemandem verraten.
Auch Anna will über ihre Behandlungen lieber nicht reden. Nicht mit der
Familie, nicht mir Freunden. Sie glaubt aber, sie ist nicht die Einzige, die der
Schönheit nachhilft.
O-Ton 12 Anna: Ich denke, dass ich wahrscheinlich mit einigen Leuten in
Kontakt bin und es nicht weiß, ob die chemische Peelings machen, oder welche
Art von Beauty-Behandlung oder Botox oder Hyaluron oder was auch immer,
Needling. Ob die sowas machen und ob das einfach zu ihre Alltag oder zu
ihrem Beauty-, zu ihrem Kosmetikdasein dazugehört. Das weiß ich ja nicht.
Aber, dass ich’s mache ist eben mein kleines Geheimnis und man muss ja nicht
über alles reden.
Psychologin Ada Borkenhagen beobachtet dieses Verhalten bei vielen
Patientinnen und glaubt, es handele sich dabei um ein typisch deutsches
Phänomen. Sie sagt: In anderen Ländern gehen Männer und Frauen viel
selbstverständlicher damit um,
dass sie
sich
Schönheitsbehandlungen
unterziehen. In Amerika etwa gilt es als Zeichen des Wohlstands, sich sowas
überhaupt leisten zu können. In Deutschland dagegen zählen Schönheit und
Jugendlichkeit nur dann etwas, wenn man sie sich etwa durch Sport diszipliniert
erarbeitet oder sie eben ganz „natürlich“ sind.
O-Ton 13 Ada Borkenhagen: Diese Natürlichkeit ist keine wirkliche
Natürlichkeit, aber man muss sozusagen die Spuren, dass man etwas gemacht
hat, kaschieren. Man tut so, als hätte man das mit der gesunden Ernährung,
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Seite 12
dem richtigen Kopfkissen oder viel Wasser trinken hinbekommen, was in der
Regel nicht sein kann. (25)
In einer aktuellen Untersuchung in Berlin hat Dr. Ada Borkenhagen
Patientinnen befragt, die der Schönheit mit Botulinumtoxin und Fillern
nachhelfen – oder dem Alter entgegenwirken. Es zeigt sich: Die Frauen leiden
keinesfalls unter einer Persönlichkeitsstörung – im Gegensatz zu manchen
Patienten, die ihren Körper durch immer neue Schönheits-OPs verändern.
O-Ton 14: Ada Borkenhagen: Wir konnten weiterhin zeigen, dass bei diesen
Patientinnen keinerlei Symptome einer Körperdismorphophobie vorliegen, das
wurde immer in der Literatur so postuliert.
Körperdismorphophobie?
O-Ton 15 Ada Borkenhagen: Allgemein so leicht flapsig übersetzt mit dem
Begriff Hässlichkeitswahn. Diese Patienten leiden quasi daran, dass sie ein
inneres Bild von sich haben, dass sie als hässliche Person zeigt. Und dieses
innere Bild wollen sie durch äußere Korrekturen ausgleichen, bzw. verschönern
und das kann natürlich nicht gelingen.
Die Filler- und Botulinumtoxin-Patientinnen dagegen zeigten sich in der
Untersuchung
zwar
ein
bisschen
extrovertierter
als
die
Durchschnittsbevölkerung und auch ein bisschen angepasster und ängstlicher.
Unglücklicher aber sind sie nicht.
O-Ton 16 Ada Borkenhagen: Also zumindest bei den Patientinnen, die wir
untersucht haben, gibt es keinen Anhalt darauf, dass die sozusagen von Botox
süchtig sind, oder nach Botox süchtig sind. Und wir können zeigen, dass sie in
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Seite 13
Bezug auf die psychische Lebensqualität sich nicht von der deutschen altersund geschlechtsspezifischen Vergleichsgruppe unterscheiden.
Sie sind also: nicht anders als alle anderen.
Musikakzent
Aber heißt das jetzt, schon längst laufen überall Frauen und Männer rum, die
regelmäßig zu Hyaluron und Botox greifen? Lassen die Hälfte meiner
Freundinnen sich schon behandeln – oder zumindest die Hälfte der
Freundinnen meiner Mutter? Weiß ich das nur nicht, weil alle so „natürlich“
aussehen?
Schönheitschirurg Dominik von Lukowicz:
O-Ton 17 Dominik von Lukowicz: Es kommt natürlich sehr darauf an, wo man
hingeht, wenn man so durch die Straßen oder die Fußgängerzone läuft, sieht
man sie vereinzelt. Also, ich sage mal so, ich scanne ja nicht jedes Gesicht.
Und ich bin da ja auch in meiner Freizeit und muss nicht jeden beurteilen.
Wenn’s mir so im Vorbeigehen auffällt, dann ist es eigentlich meistens schlecht
gemacht.
Ohoh, schlecht gemacht. Beinahe wäre ich jetzt schon überzeugt gewesen,
aber das klingt nicht gut. Und tatsächlich: Schon nach kurzer Suche im Netz
findet man auch solche Erfahrungsberichte:
Musik: Disappearing Time
Collage
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Sprecherin 1: Ich habe wochenlang ausgesehen, als hätte mich jemand
verprügelt. Verquollen, geschwollen und alle Farbnuancen.
Sprecherin 2: War bei der Kosmetikerin und habe im Nasolabialbereich die
Falten mit Hyaluronsäure unterspritzen lassen. Jetzt hängen mir die
Mundwinkel nach unten und mein Gesicht ist angeschwollen, ich sehe aus wie
ein Zombie!
Sprecherin 3: Seit der Unterspritzung ist mein Lächeln total asymmetrisch.
Vorher hatte ich echt ein total symmetrisches Gesicht und jetzt traue ich mich
kaum noch zu lachen... Ich könnte nur noch heulen.... Es ist echt total schief!!!
Unsachgemäße Behandlungen können eben auch bei einer eigentlich
ungefährlichen Substanz wie Hyaluronsäure zu unerwünschten
Nebenwirkungen führen. Verbraucherschützer raten deshalb: Auch für
minimalinvasive Schönheitsbehandlungen nur zu einem Facharzt für
ästhetische und plastische Chirurgie zu gehen. Außerdem sollte man vorher
genau abklären, welche Kosten auf einen zukommen und nicht schon beim
ersten Beratungsgespräch einen Behandlungsvertrag unterschreiben. Der Arzt
muss darüber hinaus über Risiken aufklären und klar machen, welche
Ergebnisse überhaupt möglich sind. Doch nicht immer nehmen sich die Ärzte
diese Zeit.
Atmo Behandlung
In München, in der Praxis von Dominik von Lukowicz, ist Annas Behandlung
abgeschlossen. Am Wochenende will sie verreisen, und da besonders frisch
aussehen. Wie fühlt es sich eigentlich an, dieses Botox im Gesicht?
Szene 7
Anna: Also, ich spür nichts, und bin auch nicht eingeschränkt.
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Dr: Ne. Man sieht auch: es hat keinen blauen Fleck gegeben. Ne, das kann
grundsätzlich immer mal passieren, dass man halt doch ein Gefäßchen trifft,
irgendwo was in der Tiefe oder auch oberflächlich. Und das es dann einen
blauen Fleck gibt, der ein paar Tage hält. Damit muss man grundsätzlich halt
immer rechnen. Gott sei Dank kommt es sehr sehr selten vor. (30)
Dr. Lukowicz hat heute sieben Unterspritzungen vorgenommen – alle haben gut
geklappt. Er ist zufrieden und seine Patientinnen auch.
O-Ton 18 Dominik von Lukowicz: Grundsätzlich gilt natürlich, dass man mit dem
Patienten ganz klar besprechen muss, was habe ich vor, was ist möglich, was
ist nicht möglich. Und dann weiß der Patient genau, was er zu erwarten hat,
und normalerweise ist er dann auch nicht enttäuscht, wenn er halt bekommt,
was er erwartet. (18)
Anna erwartet sich von den Behandlungen mit Botulinumtoxin und
Hyaluronsäure eine frischere, weniger knittrige Haut. Und sie findet, dass sie
die nach zwei Jahren bei Dr. Lukowicz auch hat. Dass sie das im Gegensatz zu
manch anderer in ihrem Alter jede Menge Geld gekostet hat, findet sie in
Ordnung.
O-Ton 19: Anna: Also darüber mach ich mir jetzt auch keine Gedanken, ob die
Natur unfair war. Ich denk mir nur, so lange man was machen kann… für mich
ist es einfach ne Möglichkeit, mich wohler zu fühlen. (12)
Musik Sun Salute
Als ich meinen Freundinnen erzählt habe, dass ich eine Frau bei ihrer
Faltenunterspritzung begleite, meinten einige: Frag doch mal nach, was das
kostet! Und meine Mutter fing wieder mit ihrer Zornesfalte an.
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Der gesellschaftliche Druck, schön zu altern, ist doch längst da. Aber echtes
Leben mit Spaß und dem ein oder anderen Exzess hinterlässt eben Spuren –
ist es mir wichtiger, schön zu altern, als etwas erlebt zu haben?
Die meisten von uns schauen doch wahrscheinlich manchmal in den Spiegel
und schneiden sich selbst Grimassen, um zu sehen, wie schlimm die Falten
schon sind. Wir ernähren uns so gesund wie möglich, wir trinken viel Wasser
und kaufen teure Cremes. Männer fahren Rennrad – oder lassen sich Haare
verpflanzen.
Sprecher: Da kann man doch was machen
Jugendlich bis zur Rente - das ist heute eine realistische Option. Gezwungen
aber wird niemand. Psychologin Ada Borkenhagen:
O-Ton 20: Ada Borkenhagen: Wir müssen das natürlich nicht alle mitmachen,
und wir sehen schon auch in Untersuchungen zu Attraktivität, dass die
Bedeutung von Attraktivität natürlich bei Menschen, die über 70 sind, sehr stark
abnimmt (15)
Musik: My Girl
Ab siebzig zählen also nur noch die inneren Werte. Ob Anna sich behandeln
lassen wird, bis sie siebzig ist? Ob ich mich irgendwann behandeln lassen
werde, bevor ich siebzig bin? Keine Ahnung.
Jedenfalls muss ich dringend mal wieder meine Haare tönen. Die Grauen
nehmen jetzt wirklich überhand.
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