Manuskript ZÜNDFUNK Generator Titel: Das Selbstverständnis der Polizei. Eine kritische Betrachtung Autor/in: Maximilian Cress/Florian Schairer Sendedatum: 22.03.2015 Sendezeit: 22.05 – 23.00 Uhr Redaktion: ZÜNDFUNK Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute.) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Seite 1 ZSP Ausschnitt Personenkontrolle Kreuzberg: https://www.youtube.com/watch?v=tuOJm7tmpMc Steht bereits im Zündfunk-Digas, Titel “Personenkontrolle Kreuzberg für Generator” MOD Berlin, am Görlitzer Park im Juli 2014: aus einer Personenkontrolle der Polizei am Rande einer Demonstration entwickelt sich in kürzester Zeit eine Rangelei. Schließlich liegt der Betroffene, der sich wehrt, am Boden und wird von einem Polizisten geschlagen. Immer mehr Passanten kommen hinzu, beschimpfen die Polizisten, einer wirft sogar ein Fahrrad auf sie. ZSP VIDEO HOCH: Fahrrad MOD Das Video polarisiert, die einen sehen es als Beweis für die Unfähigkeit der Polizei heikle Situationen friedlich zu lösen, die anderen dafür, dass der Respekt gegenüber der Polizei immer weiter sinkt, genauso wie die Hemmschwelle, die Beamten anzugreifen. ZSP Video ausblenden, Instrumental hoch - darüber MOD Und es gab zahlreiche weitere aufsehenerregende Fälle in den letzten Jahren: Der Polizeichef von Rosenheim schlägt 2011 einen Schüler blutig und wird in der Folge entlassen. Durch den Schlag eines Polizisten auf einer Münchner Polizeiwache wird Teresa Z. im Januar 2013 die Nase und die Augenhöhle gebrochen. Ein Polizist schießt im Juli 2014 in Burghausen einem mutmaßlichen Dealer auf der Flucht in den Hinterkopf. Gegen den Beamten wird wegen fahrlässiger Tötung ermittelt. Der Zündfunk Generator beschäftigt sich heute mit dem Verhältnis zwischen Polizei und Gesellschaft. Gibt es tatsächlich weniger Respekt gegenüber der Polizei, wird sie häufiger angegriffen und sinkt bei den Beamten im Gegenzug die Hemmschwelle mal hinzulagen? Und wie sieht es aus mit der juristischen Aufarbeitung solcher Fälle? Wo sollte man die polizeilichen Strukturen reformieren und was für eine Polizei Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute.) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Seite 2 wünschen wir uns eigentlich? Maximilian Cress begrüßt alle Hörerinnen und Hörer zu einer Reise durch Deutschland: Zu Polizisten, Politikern und Kritikern innerhalb und außerhalb der Polizei. TITEL Das Selbstverständnis der Polizei - Eine kritische Betrachtung Sendung von Maximilian Cress und Florian Schairer MUSIK ZSP Behrendes - Watschn (2:04) Ich war 22 Jahre. Wir machten auf einer der Kölner Rheinbrücken eine Alkoholkontrolle in einer Wochenendnacht. Wir hielten ein Fahrzeug an, in dem saßen offensichtlich sehr angeheiterte junge Menschen. Es kam, als die Scheibe runter ging gleich die Alkoholwolke entgegen und ich forderte dann den Fahrer auf einen Alkotest zu machen. Der feixte rum mit den anderen im Auto. Versuchte mich verbal zu provozieren und ihm gelang dann nicht dieses Alkotestgerät richtig zu beatmen, also brach immer wieder ab, so dass diese Messung nicht ging. Und dann hab ich gesagt: so jetzt ist gut und wenn Sie das nicht hinkriegen, dann müssen Sie mit zur Wache zur Blutprobe. Und in dem Moment rannte der Weg. Rannte von der Brücke runter an Rhein. Es war alles stockduster. Ich bin hinter dem hergerannt. Hatte noch so ein Funkgerät in der Hand und dieses Alkotestgerät. Nach ungefähr 500 Metern auf den letzten Atemzug hatte ich den. Und war so aufgeladen durch die verbalen Provokationen und durch die Tatsache, dass der da weggelaufen war, dass ich dem sofort eine Ohrfeige gegeben habe. Ohne das der mich jetzt körperlich angegriffen hätte. Ich hab dem eine Ohrfeige gegeben. Der hat sich auch dagegen nicht weiter gewehrt. Hinter mir lief ein Kollege, der hat da so 10 Meter dahinter, der das mitbekommen hat. Und nun haben wir den dann zur Blutprobe mitgenommen und dann hab ich mich gefragt: hmm… wie gehst du denn mit diesem Ausraster um, den ich selber hatte. Hab mich da im Grunde für geschämt, weiß noch, dass ich mit meiner Frau die halbe Nacht drüber diskutiert habe. Was mach ich denn jetzt? Zeig ich mich selber an? Was ist wenn der mich anzeigt? Was erwarte ich von meinem Kollegen, der mich ja eigentlich anzeigen müsste? Im Ergebnis hat dieser betroffene Mann mich nicht angezeigt, ich hab mich auch nicht angezeigt und der Kollege hat mich auch nicht angezeigt. MOD Udo Behrendes war fast 10 Jahre Leitender Polizeidirektor in Köln. Seit Anfang des Jahres ist er im Ruhestand, der 59-jährige gilt als einer der stärksten polizeiinternen Kritiker und als großer Reformer. Ich besuche ihn zuhause auf dem Land eine halbe Stunde von Köln entfernt. Er Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute.) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Seite 3 empfängt mich mit Krapfen und erzählt, wie die Ohrfeige zu einem Wendepunkt in seiner Karriere wurde: Weg von der handfesten Konfrontation hin zur offensiven Deeskalation: Schon in den 1980er Jahren gab er seine Dienstwaffe ab. Später, als Verantwortlicher, sorgte er dafür, dass seine Beamten bei Demonstrationen Helm, Schild und Panzerung erstmal im Wagen ließen, um nicht durch martialisches Auftreten zu provozieren. Aber die Ohrfeige von Udo Behrendes ist natürlich auch ein Beispiel für eine Straftat im Dienst, die nicht angeklagt und nicht aufgeklärt wurde. Der Geohrfeigte hat den Beamten nicht angezeigt und wo kein Kläger, da kein Richter möchte man meinen. Doch der Polizist, der die Szene beobachtet hat, hätte seinen Kollegen in jedem Fall anzeigen müssen. ZSP Behrendes - wussten es beide (0:15) Aber wir wussten was voneinander. Wir haben da nie drüber gesprochen. Er wusste, dass ich was falsch gemacht habe. Ich wusste das er es gesehen hatte und er auch was falsch gemacht hatte, weil er mich nicht angezeigt hatte. MOD Begeht ein Polizeibeamter einen Fehler, so ist das - anders als in anderen Berufen - schnell eine Straftat und jeder Kollege, der diese nicht anzeigt, begeht ebenfalls eine Straftat. Jeder einzelne Polizist hat das Recht und die Pflicht das Gewaltmonopol des Staates auszuüben, um Straftaten zu verhindern oder aufzuklären. In den allermeisten Fällen funktioniert das. Doch manchmal eben nicht, und dann ist man in der Regel auf die Aussage von Kollegen angewiesen um die Straftat aufzuklären. Professor Thomas Feltes forscht und lehrt im Bereich Kriminologie und Polizeiwissenschaften an der Ruhr Universität Bochum. Zudem ist er Berater des Europarats und der Vereinten Nationen: ZSP Feltes - Straffreiheit für Zeugen (2:21) Viele Polizeibeamte sagen auch hinterher nicht mehr aus, weil sie Angst davor haben, dass sie nachträglich belangt werden könnten. Stuttgart21, NSU und auch Loveparade - ich hab immer appelliert und gesagt: Leute: wir wissen, dass es Polizeibeamte gibt, die Informationen haben, die Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute.) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Seite 4 sehr hilfreich wären um diese Verfahren aufzuklären. Dann lasst die aussagen, aber verschont die von strafrechtlichen Konsequenzen. Denn: ich bin als Polizeibeamter dem Legalitätsprinzip unterworfen. Jede Straftat die ich selbst sehe muss ich verfolgen oder anzeigen. Also wenn ich sehe, dass der Kollege seine Quarzhandschuhe an hat, die er schon nicht anhaben darf und dann noch jemandem auf die Nase haut, dann hat der eine Straftat begangen. Dann muss ich auf dem Absatz kehrt machen und zu meinem Vorgesetzten oder Staatsanwalt gehen und muss sagen: Der hat das und das getan. Das macht natürlich keiner. Meine Forderung ist, dass man zumindest so was einführen sollte, wie wir es bei der Fahrerflucht haben. Das innerhalb einer bestimmten Frist ich denke hier an 48 Stunden - das ich sagen kann: wenn ein Polizeibeamter sich innerhalb von 48 Stunden nach einem Vorkommnis äußert, dann ist er automatisch strafbefreit. Weil für mich hat ein Strafverfahren primär die Aufgabe, den Opfern zu ermöglichen zu verstehen was geschehen ist. Das ist ja das was der Strafprozess eigentlich soll, nämlich er soll Frieden wieder in die Gesellschaft bringen, aber die Form von Strafprozess die wir im Moment haben bringt das jedenfalls nicht. MOD Das klingt sehr sinnvoll und ist für mich zunächst absolut nachvollziehbar. Wenn man aber einen konkreten Fall ansieht, bekommt dieser Vorschlag von mir eher ein “ja vielleicht, aber”: Einer der größten aufgeklärten Fälle von Polizeigewalt in Deutschland ereignete sich 2002 auf der Eigelsteiner Wache in der Kölner Innenstadt. Sechs Beamte schlugen und traten einen an Händen und Füßen gefesselten Mann erst im Eingangbereich der Wache, später dann in einer Zelle. Der Mann verstarb wenige Tage später. Auf der Wache waren vier weitere Polizisten anwesend. Zwei davon gaben an, nichts gesehen und nichts gehört zu haben. Zwei meldeten die Vorfälle am nächsten Tag ihrem Vorgesetzten. In der Zwischenzeit hatten die Täter ihre blutverschmierte Uniformen entsorgt. Auch wenn es nicht ihre Absicht war, die beiden Zeugen haben sich der Strafvereitelung im Amt schuldig gemacht, weil sie nicht sofort eingegriffen haben. Auf der anderen Seite hätte es ohne sie nie zu einer Anzeige und Verurteilung der sechs Täter kommen können. Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute.) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Seite 5 Eine zeitliche Strafbefreiung von dem Delikt der Strafvereitelung im Amt birgt also auch Gefahren. Ganz konkret die Gefahr, dass man den Kollegen genug Zeit gibt um Beweismittel verschwinden zu lassen, bevor man seine Anzeige macht. Udo Behrendes, der als junger Polizist einen jungen Mann geohrfeigt hat, wurde nach dem Vorfall auf der Eigelsteiner Wache in Köln als Revierleiter eingesetzt. ZSP Behrendes - Aufarbeitung (2:07) Für mich war die Frage was bedeutet dieser Fall für die anderen rund 400 Kolleginnen und Kollegen, die auf dieser Dienststelle gearbeitet haben. Denn das was da passiert war ist für Polizisten ein absoluter Tabubruch. Polizisten müssen Gewalt anwenden, können vor Gewalt nicht weglaufen. Aber es gibt eine ungeschriebene Regel für alle Polizisten: sobald jemand unter Kontrolle ist geht da niemand mehr dran. Und das war hier anders. Hier wurde im Grunde, so hat das Gericht es später gesagt, dem wurde eine Abreibung verpasst. Der wurde quasi bestraft, für das was er vorher gemacht hatte. Auch illustriert dadurch, dass einer dieser Beamten die da geschlagen haben, dem bei dem Ursprungseinsatz verletzten Kollegen, dann später gesagt hat: wir haben dich gerächt. Das war für mich so die Kernfrage für diesen ganzen Aufarbeitungsprozess: was ist das für eine Polizeikultur wo wir Rache üben als Polizisten und wo wir einem Menschen, der unter Kontrolle ist, ins Gesicht treten. Und das sogar noch nicht mal aus einer verschworenen Gemeinschaft heraus, sondern die sechs handelnden kamen aus drei verschiedenen Wachen, das war eine Zufallsgruppe. Es war ein Zusammenwirken von Leuten die sich nicht kannten, die aber offensichtlich die selbe Haltung hatten, diesen Bestrafungsritus da verteilten. Und deshalb habe ich gesagt das ist nicht eine Frage die nur diese sechs angeht, sondern das ist eine Frage die uns alle angeht auf dieser Inspektion. Wie kann so etwas passieren. Das eine solche Haltung sich erst spontan in dieser Nacht gebildet hat, dass ist eher unwahrscheinlich. Das war ein Handlungsmuster, was in diesem Fall diese ganz tragischen Folgen hatte, was aber sicherlich nicht zum ersten mal in dieser Form erfolgt war. MOD Das belegen auch die Zahlen. 37 Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt hatte es in den vorhergehenden Jahren allein auf dieser Wache in Köln gegeben. Alle mussten eingestellt werden, aus Mangel an Beweisen: Niemand hatte etwas gesehen. Allein gegen den Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute.) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Seite 6 Haupttäter gab es vorher schon mehrere Ermittlungsverfahren, die alle eingestellt wurden. Natürlich ist nicht jedes Revier gleich. Gerade in sozialen Brennpunkten und Innenstadtsituationen stehen Polizisten oft unter Stress. Hier sind die Einsätze gefährlicher als in Vorstädten. Wer sich hier mal eingearbeitet hat, bleibt oft lange hier, denn Erfahrung ist hier wichtig. Besonders in Brennpunkten. Der pensionierte Polizist Udo Behrendes erklärt aber: ZSP Behrendes - Korpsgeist (1:42) Das ganze kann kippen in einen Korpsgeist, dass man sich so als das Revier versteht wo die meiste Arbeit ist. Insofern fühlt man sich besser als andere. Auf der anderen Seite, weil man besser ist passieren auch keine Fehler. Das heißt die Bereitschaft Fehler zuzugeben sinkt da noch mehr ab. Man gerät in die Gefahr, dass man sich gegenseitig deckt auch wenn man mal mitbekommt, dass jemand einen schlechten Tag hatte und über die Stränge geschlagen hat. Das weiß jeder von dem anderen mit der Zeit. Das sind so die Zutaten dafür, dass sich ein Team, das eben ständig zusammenarbeitet dann innerhalb sogar der eignen Organisation abschottet. Das Ganze wird noch dadurch befördert, dass Polizisten einen Schichtdienst in der Regel absolvieren. Das ist ja ein sehr familienfeindlicher Dienst, aber auch ein Dienst der wenig Möglichkeiten für Freundschaften, Bekanntschaften außerhalb der Polizei zulässt. Also wenn man wie viele Kollegen nur einen Samstag im Monat frei hat, dann kann man nicht so viel mit anderen unternehmen. Aus dem besonderen Rhythmus den man in so einem Schichtdienst hat entwickeln sich häufig auch dann die privaten Freundschaften der Kollegen. Das heißt man ist nicht nur im Streifenwagen acht Stunden zusammen, sondern man verbringt auch die Freizeit zusammen. Und dann entsteht so eine parafamiliäre Situation. Man ist eine verschworene Gemeinschaft. Man kennt sich, man verlässt sich aufeinander und diese Gemeinschaft wird jedes Mitglied schützen. MOD Udo Behrendes hat damals mit der Hilfe von zwei Polizeipsychologen und einem Polizeipfarrer das Revier in Köln “von links nach rechts gedreht”, wie er sagt. Sie haben die Führungstruktur verändert, haben den Dialog mit den Polizisten gesucht um mit ihnen zusammen eine neue Polizeikultur zu etablieren, die den Schutzpolizisten und den Crime Fighter miteinander verbindet. Der Schichtdienst wurde abgeschafft und ein Pooldienst eingeführt. Damit eben nicht immer die selben Polizisten Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute.) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Seite 7 miteinander Dienst schieben. Damit sich der einzelne Polizist seine Arbeitszeiten ein wenig mehr selbst gestalten kann. Vor allem Dialog über alle Ebenen hinweg und die Fortbildung sind für ihn zentrale Elemente um solche Vergehen von vornherein zu verhindern. Und seine Arbeit gab ihm recht. ZSP Behrendes - Studie 8 Jahre später (1:40) Das heißt nicht, dass da nichts passieren kann an Übergriffen. Aber schlicht und ergreifend bin ich mir sicher, dass die Wahrscheinlichkeit erheblich abgenommen hat. Wir haben dann nach 1 ½ J ahren Anzeigen aus dem Kollegenbereich bekommen. Und zwar Anzeigen bei Fällen, die mich selber in den 70 Jahre in die Strafverfolgung gebracht hätten. Nämlich ein Kollege dem eine Hand ausgerutscht ist, da hat der andere ihn angezeigt. Das war für mich dann gerade eben nicht der neue Skandal, sondern das war für mich jetzt ein Zeichen, dass wir eine neue Kultur in dieser Dienststelle hatte. Mir ging es dann aber auch darum zu sagen so: Hand ausrutschen geht nicht, wir gehen aber auch mit diesem Kollegen angemesssen um und habe mich dann auch dafür eingesetzt, dass diese Kollegen auf der Dienststelle bleiben konnten, Betreuung bekamen aber eben auch eine neue Chance bekamen. Und mich auch gefreut, dass die Justiz aus meiner Sicht, aber auch aus der Sicht vieler Kollegen, dann da auch vernünftig mit umgegangen ist. Der eine Kollege hat eine Geldstrafe von 500,-€ bekommen, der andere - weil er schon Wiederholungstäter war - von 1000,-€. Und mit diesen beiden Anzeigen war auch ganz klar ein Zeichen an alle gesetzt - wir verstehen uns hier anders. Eben die klare Ansage: wir werden solche Fehler nicht zulassen, bzw. wir werden da nicht drüber wegschauen. Also da ist tatsächlich dann so ein Selbstreinigungsprozess entstanden. MUSIK ZSP Teresa Z: das Foto (0:25) Dein Foto mit Halskrause und blutig blau-geschlagenem Gesicht in der Zeitung… was war das für ein Gefühl, dass das so das Bild ist, was plötzlich die Öffentlichkeit von Dir hat? - Ja, ich kannte ja das Bild, ich habe das Foto ja selbst gemacht und ich wusste schon: ok das wird Titelseite, aber als es dann da rausgekommen ist, das war dann schon echt heftiger als ich gedacht hab. Und nach der dritten Zeitung hab ich es mir auch nicht mehr angeschaut MOD Teresa Z. im März 2013 im Interview mit Zündfunk Reporterin Sarah Schmitz. Tatsächlich ist das Foto von ihr erschreckend: Teresa trägt eine Halskrause, Blut läuft ihr über die Wangen und die Nase, beide Augen Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute.) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Seite 8 sind blau, das Gesicht stark angeschwollen. So sah sie aus, nachdem ihr ein Polizist im Januar 2013 auf der Polizeiwache München Au mit einem Faustschlag die Nase und die Augenhöhle gebrochen hatte, während sie gefesselt auf einer Holzpritsche lag. ZSP Teresa Anzeige gleich klar (0:22) Ich hab von vorneherein gesagt, dass ich das anzeige, auch an dem Tag noch, auch zu dem Polizisten. Weil solche Sachen gehen einfach nicht. Und genau weil solche Fälle in Rosenheim… weil das alles fallengelassen worden ist denk ich mir: wenn ich jetzt eine Chance hab an dieser Geschichte was zu ändern, dann muss ich des machen. Auch für die ganzen Leute für die das nicht so gut glaufen ist, wie für mich jetzt. MOD Für die Münchner Polizei war das Zitat “PR-mäßig natürlich der Supergau”, wie der Stellvertretende Pressesprecher Thomas Baumann sich auch heute noch gut erinnert. Eine bürgernahe Polizei wünscht er sich: Offen und transparent. Die Tat des Polizisten im Falle Teresa Z. hat den ein oder anderen gedanklich dann jäh ins Jahr 1992 katapultiert. Während des G7-Gipfels wurden damals friedliche Demonstranten eingekesselt. Es wurde von Fußtritten und Nierenschlägen berichtet. 480 Demonstranten wurden festgenommen. Der damalige bayerische Ministerpräsident Max Streibl reagierte darauf wie folgt: ZSP Max Streibl zum Kessel während des G 7-Gipfels (19 sek) “Wenn einer glaubt, er muss sich mit Bayern unbedingt anlegen und er muss stören, dass wir dabei dann auch manchmal etwas härter hinlagen oder durchgreifen, das ist auch bayerische Art. Meine Damen und Herren, jeder muss wissen: wenn er nach Bayern kommt, dass er es eben mit Bayern zu tun hat.” ZSP Baumann: Reaktion auf Streibl-Zitat (1:40) Ich schmunzel immer über das Zitat, weil es schon damals umstritten war. Ich glaube das war 1992. Da war ich ein relativ junger Polizist , Mei heutzutage kann man sich das echt nimmer erlauben. Wir sind Recht und Gesetz verpflichtet, wir sind eine Institution, eine Behörde, die sich nach den gesetzlichen Vorgaben richtet und da kann man dann nicht so einen Slogan raushauen. MOD Vor allem sind die Zeiten vorbei in denen man stolz war auf eine harte Gangart in der Polizei. Wenn es zu einer Gewalttat von einem Polizisten Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute.) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Seite 9 kommt, dann will zumindest der stellvertretende Pressesprecher der Münchner Polizei Thomas Baumann, dass dies sauber aufgeklärt wird. ZSP Ich kanns echt nur darstellen von der Seite der Behörde: Für uns ist das dann ein Ermittlungsverfahren und bei diesem Ermittlungsverfahren müssen wir immer probieren, wir als Beamte die der Staatsanwaltschaft zuarbeiten, den Sachverhalt aufzuhellen und den Sachverhalt ausfindig zu machen. Der Beamte hat nix davon, wenn er sich hier verstrickt in Widersprüche und dann versucht das zu kitten, in dem er sich mit anderen abspricht. Weil des kommt definitiv vor Gericht oder bei der Zusammenführung der einzelnen Vernehmungen auf. Des ist ganz klar: wir sind 7000 Beamte und da geht mal was schief und dann müssen wir dafür sorgen, dass der Vorgang aufgearbeitet wird und mehr kannst als Behörde dann eigentlich auch nicht machen. MOD Doch auch eine vernünftige Aufarbeitung kann schwierig sein, wie der Fall Teresa Z zeigt. Die Münchner Polizei sollte gegen sich selbst ermitteln und hatte Probleme mit den eigenen Leuten. De Zeugen waren alle Polizeikollegen des Angeklagten. Sie konnten sich zwar noch ganz genau an die hysterischen Ausfälle von Teresa Z. erinnern. Auch, dass sie einem Polizisten ins Gesicht gespuckt hatte. Den eigentlichen Schlag hatte aber angeblich niemand gesehen. Selbst der Richter konnte sein Befremden über das Aussageverhalten der Polizisten nicht verheimlichen. Der Münchner Anwalt Marco Noli kennt das. Er vertritt immer wieder Mandanten, die sich von Polizeiübergriffen betroffen sehen. ZSP Noli: Mauer des Schweigens (0:25) Zunächst mal muss man sagen, dass wenn es zu Vorwürfen von unrechtmäßiger Polizeigewalt kommt, stößt man bei den Polizeibehörden an sich, also bei der internen Aufarbeitung der Polizei erstmal eher auf eine Mauer des Schweigens als auf eine transparente und effektive Verfolgung und Ermittlung. Bis vor einiger Zeit war es sogar noch so, dass die Polizeidienststellen zuständig waren, in dessen Bezirk der jeweilige Polizeibeamte seinen Dienst tat. MOD Im Falle Teresa Z. plädierte der angeklagte Polizist auf Notwehr, denn Teresa Z. hatte sich im Laufe der Ereignisse heftig gewehrt, die Polizisten beschimpft und angespuckt. Zum Zeitpunkt des Schlages lag Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute.) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Seite 10 sie aber gefesselt auf einer Holzpritsche. Der Beamte wurde zu 10 Monaten auf Bewährung und 4000 Euro Strafe verurteilt, außerdem wurde Anfang März bekannt gegeben, dass er vom Verwaltungsgericht um zwei Dienstränge degradiert wurde. Teresa Z. erhielt mehrere tausend Euro Schmerzensgeld und der neue Münchner Polizeichef Hubertus Andrä entschuldigte sich bei der Betroffenen. Sein Vorgänger Wilhelm Schmidbauer hatte das Verhalten des Polizisten in einem Interview mit der Münchner TZ noch als “konsequente Vorgehensweise” verteidigt, bevor der Fall aufgearbeitet war. Inzwischen ist er der Landeschef der Polizei. Der Fall hat das Vertrauen der Münchner Bevölkerung in ihre Polizei belastet und bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Schließlich sah sich Innenminister Joachim Herrmann so unter Druck, dass er handeln musste. Auch wenn er es heute ein wenig anders ausdrückt. ZSP Herrmann jetzt beim LKA (0:27) Mir ist es wichtig, dass wenn sich Bürger über Polizei beschweren, dass insbesondere Vorwürfe zum Beispiel wegen Gewalttaten gegen Polizeibeamte erhoben werden, dies wirklich ganz unabhängig von der jeweiligen Dienststelle des Polizeibeamten geprüft und ermittelt wird. Und deshalb habe ich entschieden, dass hier ein extra Dezernat im Landeskriminalamt zentral für ganz Bayern solchen Vorwürfen nachgeht. MOD Tatsächlich nimmt Bayern hier eine Voreiterrolle ein, denn in vielen Bundesländern ist das nicht so. Doch den meisten Kritikern wie dem Anwalt Marco Noli geht das nicht weit genug. ZSP Noli: LKA auch Polizei (1:12) Auch das LKA ist die Bayerische Polizei, also von einer tatsächlich unabhängigen Ermittlungsbehörde oder Beschwerdestelle kann man hier nicht sprechen. Das führt dazu, dass in vielen Fällen die Ermittlungen nicht effektiv sind und nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen. Andererseits haben wir die Staatsanwaltschaft. Es wird immer wieder gesagt: jaja, die Staatsanwaltschaft sei ja da zuständig. Aber auch hier haben wir das Problem, dass oftmals die Staatsanwaltschaft zuständig ist in dem gleichen Bezirk: Also für Münchner Polizisten ist die Münchner Staatsanwaltschaft zuständig. Und das sind die Polizisten, die an anderer Stelle die Arbeit machen für die Staatsanwaltschaft, die Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute.) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Seite 11 Errmittlungen durchführen, mit denen muss man sich verstehen und kooperieren. Und da ist es naturgemäß etwas schwierig, dass man hier eine unabhängige Arbeit hat und zumindest der Anschein einer Parteilichkeit ist dann durchaus gegeben. In Österreich beispielsweise ist es so, dass nicht die Staatsanwaltschaft in diesen Fällen im gleichen Bundesland zuständig ist und auch nicht im benachbarten Bundesland, sondern quasi im übernächsten Bundesland die Staatsanwaltschaft zuständig ist. Auch das wären Maßnahmen, um ein Mindestmaß an Unabhängigkeit zu gewährleisten.” MOD Doch alle diese Maßnahmen helfen nur wirklich, wenn Beamte auch bereit sind gegen Beamte auszusagen, ganz ähnlich wie im bereits erwähnten Fall der Eigelsteiner Wache in Köln. Der Kriminologe Thomas Feltes. ZSP Feltes fordert Ombudsmann (1:10) Was im Moment auf verschiedenen Länder- und auch auf Bundesebene diskutiert wird ist ein sogannter Polizeibeauftragter: Also Personen, an die man sich wenden kann, wenn man den Verdacht hat, dass es eine polizeiliche Straftat oder unangemessene Polizeigewalt gegeben hat. Das ist eingeführt worden in einigen Ländern und es gibt Bestrebungen der Grünen das für die Bundespolizei auch auf Bundeseben einzuführen. Wenn wir diese Einrichtung haben, wäre das bestimmt eine Möglichkeit, die Dinge auch unabhängig und transparent aufzuarbeiten. Die Erfahrungen aus dem Ausland sind sehr gut. Man muss allerdings eben auch sehen, dass das nicht so einfach ist. Denn wenn ich jetzt tatsächlich ein schwerwiegendes Fehlverhalten habe, dann muss so ein Polizeibeauftrater natürlich auch die Möglichkeit haben selbst zu ermitteln und da stoßen wir ganz schnell an Grenzen. MOD Eine unabhängige Beschwerdestelle, auch Ombudsmann genannt, muss solchen Beschwerden dann auch nachgehen können. Diese Möglichkeit sieht Innenminister Joachim Herrmann derzeit nicht. ZSP Herrmann: Obudsmann nicht gut (0:38) Ich sehe für einen Ombudsmann keine besondere Notwendigkeit. Er ändert ja auch nichts daran, dass wenn ganz konkrete Strafvorwürfe erhoben werden, dass dann nach unserer Strafprozessordnung wie gegenüber jedem Bürger, genauso auch gegenüber Politikern, was auch immer natürlich immer der gesetzlich zuständige Staatsanwalt und dazu eine Polizeidienststelle ermitteln muss. Das kann kein anderer übernehmen, sondern wenn es einen Strafvorwurf gibt, dann muss das entsprechend dem Gesetzt abgearbeitet werden. Denn auch der einfache Bürger unseres Landes muss sich drauf verlassen können, Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute.) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Seite 12 dass auch gegen die Vertreter des Gesetzes selbst gegebenenfalls ganz konsequent ermittelt wird. ZSP Noli: zweierlei Maß (0:40) Also, dass die justizielle Aufarbeitung bei Vorwürfen von Polizeigewalt insgesamt zumindest den Anschein hat, dass sie etwas parteiisch läuft sieht man auch an einer Studie, die ergeben hat, dass der Anteil von Verurteilungen beim Vorwurf von polizeilichen Gewalthandlungen marginal gering ist im Verhältnis zu den erfolgten Anzeigen. Also diese Zahlen belegen auch, dass die Justiz sich offensichtlich aus verschiedenen Gründen schwer tut Polizeibeamte strafrechtlich zu verfolgen. MOD sagt der Anwalt Marco Noli. Er bezieht sich hier auf eine Studie des Strafrechtsprofessors Tobias Singelnstein von der Freien Universität Berlin, die besagt, dass es bei Anzeigen gegen Polizeibeamte nur in sehr seltenen Fällen zur einer Anklage kommt — über 90% Prozent der Verfahren werden eingestellt. Oft kommt es auch zu Gegenanzeige durch den Polizisten, um einer Anzeige zuvorzukommen. Der Rechtsanwalt Marco Noli: ZSP Noli: Beispiel auf der Demo (1:09) Ich habe noch einen Beispielsfall dies bezüglich: wir hatten mal ein Strafverfahren, das wurde wegen Widerstand gegen einen Demonstrationsteilnehmer geführt, der hätte sich angeblich gegen eine Polizeiliche Maßnahme gewehrt. Wir konnten dann in der Gerichtsverhandlung anhand von Videoaufzeichnungen nachweisen, dass die polizeiliche Maßnahme darin bestand, dass der Beamte den Demonstrationsteilnehmer mit der Faust zweimal auf die Brust geschlagen hat. Die Staatsanwaltschaft war dann gezwungen gegen den Beamten ein Verfahren wegen Körperverletzung einzuleiten, dass dann aber wegen Geringfügigkeit wieder eingestellt wurde, mit der Begründung der Beamte wäre durch die hektische Situation ohnehin gestraft genug war und deshalb sein Verhalten nicht als Körperverletzung strafzuverfolgen ist. Solche Entscheidungen sind deswegen ärgerlich, weil an anderer Stelle bei klitzekleinen Dingen natürlich Strafverfahren verfolgt werden.” MOD Hier scheint es in der Tat Handlungsbedarf zu geben. Doch wer soll ermitteln? Alexander Bosch von Amnesty International sieht das Vorbild in England: ZSP Bosch: fordert IPCC (0:38) Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute.) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Seite 13 Was wir immer so als Best Practice sehen, ist das, was es in England gibt, die IPCC: Independent Police Complaints Commission. Also ein komplett unabhängig von der Polizeihierarchie angesiedeltes Organ, welches immer dann wenn Polizeigewalt untersucht werden muss die Ermittlungen führt und auch eigenständige Ermittlungskompetenzen hat, also zum Beispiel Zeugen befragen kann, Beweise erheben kann, Polizisten vorladen kann, also im Grunde eigene Ermittlungstätigkeiten durchführen kann, so was würden wir uns auch für Deutschland wünschen. MOD Jetzt sind England oder Irland keine förderalistischen Staaten, wie die Bundesrepublik. Wir bräuchten möglicherweise 17 unabhängige Komissionen. Eine für jedes Land und eine für den Bund. Denn die Länder haben kein Interesse daran ihre Polizei von einer Bundesbehörde kontrollieren zu lassen. Zudem müsste man für diesen Plan nicht nur Gesetze, sondern auch die Verfassung ändern. Und dann kommt natürlich immer das Totschlagargument: die Kosten. Ein Argument, das Alexander Bosch von Amnesty International nicht gelten lassen will. ZSP Bosch: Kosten dürfen keine Rolle spielen! (0:48) “Ich finde, dass bei Menscherechtsverletzungen Geld eine sekundäre Rolle spielen dürfte. Wenn man sich staatstheoretisch mal die Staatbildung anschaut, dann haben wir irgendwann mal als Bürger darauf verzichtet uns Gewalt anzuwenden und das Gewaltmonopol beim Staat hinterlegt, dass der damit sinnvoll und rücksichtsvoll umgeht. Und deswegen muss staatliche Kontrolle höchstmöglich kontrolliert werden. Also da finde ich die Frage der Kosten einen sekundäre Frage.” MUSIK ZSP Herrmann - bürgernah und belastbar (1:10) Unsere Beamten sind zum korrekten Verhalten angehalten, und wir wollen vor allem ja eine bürgerfreundliche Polizei sein. Der alte Spruch “die Polizei, dein Freund und Helfer” der muss in der Tat auch so gelebt werden. und das ist auch Gegenstand der Ausbildung unserer jungen Polizeibeamten. Wir haben gerade in den letzten Jahren sehr stark investiert. Auch in den Ausbau der Polizei. Wir haben jetzt den höchsten Personalbestand in der Bayerischen Polizei, die es jemals in Bayern gegeben hat. Wir wollen, dass unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten für die Bürger da sind, da ist der unmittelbare Kontakt z.B. in der Fußgängerzone in dem Stadtviertel wo die Menschen zu Hause sind, der ist ganz ganz wichtig. Es ist manchmal für Polizeibeamte auchmit einer großen Belastung verbunden wenn sie zum Beispiel bei Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute.) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Seite 14 gewaltsamen Demonstrationen entsprechend Gruppierungen auseinanderhalten müssen, das ist dann natürlich wieder eine ganz andere Situation. Und wir brauchen die besten unter den jungen Leuten, die korrekt auch auf der Grundlage unserer Gesetze handeln. MOD Bürgernah und belastbar, so sieht der bayerische Innenminister die moderne Polizei. Die Interessenvertreter der Polizei betonen mantrahaft, dass die Polizei eine der beliebtesten Berufsgruppen in Deutschland ist. Das beweisen auch etwa die letzten Studien von Readers Digest oder der Gesellschaft für Konsumforschung. Auf der anderen Seite zeichnen Polizeigewerkschaften und Pressesprecher gerne das Bild einer angefeindeten und überlasteten Polizei: Zu wenig Beamte, zu wenig Geld, immer weniger Respekt und immer mehr Gewalt. Auf ihrem letzten Bundeskongress im vergangenen November verabschiedete die “Gewerkschaft der Polizei” sogar eine Resolution zu diesem Thema. Unter der Überschrift “Polizei in Sicherheit” heißt es: ZITAT “Die Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte, auch aus politischen Motiven, hat in den vergangenen Jahren besorgniserregend zugenommen. Die Gewerkschaft der Polizei fordert angesichts des dokumentierten Ausmaßes an Gewalt und anderen Straftaten zum Nachteil von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ein umfassendes Konzept zur Reduzierung der Gefährdung von den zuständigen Verantwortungsträgern in Bund und Ländern. Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte findet auch im alltäglichen polizeilichen Dienst immer häufiger statt. Respektlosigkeit und das immer häufiger auftretende reflexhafte Infragestellen polizeilichen Handelns durch manche Bürgerinnen und Bürger werden von der Gewerkschaft der Polizei mit Sorge festgestellt.” MOD Alexander Bosch von Amnesty International sieht das anders. ZSP Bosch: kein Anstieg der Gewalt (1:00) “Eigentlich hat sich das Verhältnis zwischen Polizei und Gesellschaft nicht verschlechtert”, eher medial... immer noch sehr beliebt (das evtl. raus) was sich eher verschoben hat, ist dass die Polizei medial aktiv ist: dass alles schlimmer wird in der Gesellschaft, Gewalt gegen sie würde zunehmen, der Respekt würde abnehmen. Das ist so eine Diskussion, die von Seiten der Polizei geführt wird, die ich persönlich nicht teilen kann. Also wenn ich mit älteren Polizisten spreche, dann sagen die, eigentlich waren Fußballstadienbesuche früher gefährlicher als heute. Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute.) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Seite 15 Also das ist dann die Frage, wenn da von Gewalt gesprochen wird… das ist wissenschaftlich hoch umstritten bei uns, ob die Gewalt gegen Polizisten tatsächlich zunimmt.” MOD Klar kommt es immer wieder zu Gewalt gegen Polizisten, etwa bei der Demonstration “Hooligans gegen Salafisten” im Herbst 2014: Der Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei Oliver Malchow erweckte in den anschließenden Interviews aber den Eindruck Gewalt gegen Polizisten würde insgesamt steigen, die Polizei sei zu Prügelknaben geworden, die wirklichen Probleme der inneren Sicherheit hätte die Politik zu lange ignoriert. Natürlich müssen Beamten geschützt werden. Die neuste Polizeiliche Kriminalstatistik Bayerns von 2013 zeigt aber, dass die Fälle von Widerstand gegen Vollzugsbeamte im Vergleich zum Vorjahr um 7,8% gesunken sind. Und auch beim Widerstand gegen die Staatsgewalt auf Bundesebene sind die Fallzahlen deutlich geringer als noch 2008. Doch bei all den Zahlen vergisst man ganz schnell zu fragen, was denn überhaupt Gewalt gegen Polizeibeamte ist. In dem Landeslagebericht des Freistaat Bayern aus dem Jahr 2011 mit dem Titel “Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Beamte” gibt es ein sehr erhellendes Kuchendiagramm. Dort ist zu sehen, dass 40% der Gewaltdelikte lediglich Beleidigungen sind. Tatsächliche Körperverletzungen machen etwa ⅓ aller Fälle aus. Wenn die Polizeigewerkschaften also erklären, dass die Gewalt zunimmt, dann handelt es sich hier um ein politisches Mittel. Dass ein Lobbyverband Zahlen im eigenen Interesse interpretiert, um vielleicht bessere Ausrüstung zu erhalten oder mehr Lohn, ist völlig legitim. Aber eine drastische Verschlechterung der Lage kann man nicht aus den Statistiken der Polizei herauslesen. Und dabei bringt Marco Noli die Arbeitssituation bei der Polizei gut auf den Punkt. ZSP Noli - Straftat (0:30) Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute.) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Seite 16 Polizei darf nur im Gefahrenbereich agieren. aus der Natur der Sache heraus ergibt sich ja, dass es sich um gefährliche und um konfliktreiche Situationen handelt. MOD Und auf solche Situationen muss der einzelne Polizist vorbereitet sein. Oft entstehen Konfliktsituationen wie folgt: ZSP NOLI - wie kommt es zu Konflikten? (1:20) Gewalt sind Eskalationssituationen. Schaukelt sich hoch. Polizist im Dienst, Bürger in Freizeit mit Alkohol 70%. Beamte ist Amtsperson mit Macht wg. Gewaltmonopol. In diesem Spannungsverhältnis kommt es dann oftmals zu Konflikten. ZSP Feltes: Wie begründen Beamte Übergriffe (1:38) Wir haben das vor Jahren mal untersucht, wie rechtfertigen Polizeibeamte solche Handlungen? Wenn sie die Grenzen überschreiten, warum tun sie das? Da gibt es 3-4 Faktoren die eine Rolle spielen. Das eine ist der Jagdtrieb. Also wenn jemand den ich Anhalten will zum Beispiel nicht stehen bleibt, dann muss ich hinterher um den zu stellen. Und wenn es nur der Böller war, der in einen Papierkorb geworfen wurde - ein Fall vor einigen Wochen in Bochum. Zivilstreife sieht das. 3 Jugendliche springe in ein Auto. Es gibt eine 1 ½ stündige Verfolgungsjagd durch die Stadt wegen dieser Ordnungswidrigkeit. Das andere ist die Frage der Autorität. Wenn ich das Gefühl habe, dass meine persönliche Autorität nicht akzeptiert wird oder meine Autorität als Polizei, als staatliche Organisation, dann reagiere ich über. Nach dem Motto: bitteschön ich bin doch die Polizei. Du musst doch machen was ich will. Wenn einer fragt warum, dann ist das schon die erste Herausforderung, die mich unter Umständen ein bisschen kribbelig macht. Und wenn der dann nicht tut was er tun soll, die Hände nicht schnell genug auf dem Rücken hat und ich habe dann noch die Ansage der Politik ich kann auch mal kräftiger Zugreifen, dann wird eben der Quarzhandschuh rausgeholt und dann wird eben das was man erreichen will mit Gewalt durchgesetzt. Der Gruppendruck kommt hinzu. Wenn einer anfängt zu Schlagen, dann haben die anderen ja die Möglichkeit entweder ihn zurückzuhalten. Das passiert ab und zu mal aber viel wahrscheinlicher ist es, dass dann die gesamte Gruppe da hinterher geht und eben auch anfangen zu Prügeln und dann ist der Rest Geschichte. MOD Die Frage nach Name und Dienstnummer, die jeder Beamte auf der Straße beantworten müsste, kommt nicht immer gut an. Aber genau aus solchen Lapalien entstehen oft Aggressionen. Besonders bei Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute.) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Seite 17 Randgruppen wie ausländisch aussehende Menschen oder Jugendlichen. ZSP NOLI Jugendliche in München schlecht auf die Polizei zu sprechen (0:58) Es gab im letzten Jahr die Münchner Jugendbefragung. Eigentlich zu ganz allgemeinen Themen: die Zufriedenheit in der Stadt. Das Thema Polizei war bei dieser Studie gar nicht gefragt. Dennoch haben Jugendliche zu einem Anteil haben ungefragt angegeben, dass sie mit Verhalten mit der Polizei teilweise unzufrieden sind. Als Beispiel wird dabei genannt, dass sie das Verhalten der Polzei teilweise als unangemessen aggressiv empfinden und zum anderen, dass sie polizeiliche Maßnahmen als diskriminierend empfinden: dass man häufig kontrolliert wird, wenn man ein bestimmtes Aussehen hat, eine bestimmte Hautfarbe, lange Haar. Es zeigt also dass in der Wahrnehmung der jungen Menschen da irgendwo ein Problem besteht. MOD Natürlich ist die ein oder andere Aussage von Jugendlichen flapsig. Doch sollte ein Polizist so gut geschult sein, dass er die Situation positiv auflösen kann. In München müssen alle Polizisten ein jährliches Einsatztraining, mit Kommunikationstraining absolvieren, damit sich keine falschen Verhaltensweisen einschleifen. Außerdem versucht man über soziale Medien gerade jungen Menschen näher zu kommen und immer häufiger werden auch Beamte eingesetzt, die nur dazu da sind die jeweilige polizeiliche Maßnahme zu erklären. Es tut sich also einiges. in Österreich ist man schon ein bisschen weiter, als in den meisten deutschen Bundesländern: Dort gibt es seit einigen Jahren das Projekt Polizei.Macht.Menchen.Rechte. das die Menschenrechte bei der täglichen Polizeiarbeit ganz oben ansiedelt. Bei der Auswahl des Personals wird verstärkt auf die ethnische, kulturelle und soziale Herkunft geachtet. Damit werden innerhalb der Polizei möglichst alle Bevölkerungsgruppen repräsentiert. In der Ausbildung stehen die Menschenrechte im Vordergrund und es wurde eine Analysestelle eingerichtet, die die Beamten in ihrer täglichen Arbeite beraten soll. Allerdings ist auch diese Kampagne eine Folge öffentlichen Drucks nach Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute.) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Seite 18 Verfehlungen der österreichischen Behörden. In Bayern und Deutschland, ist man leider noch ein Stück weiter entfernt von einer transparenten und bürgernahen Polizei, meint Anwalt Marco Noli. ZSP Noli: nicht bürgernah, fordert Kennzeichnung ist völkerrechtlich verpflichtend (2:00) Ich bin der Auffassung, dass das Erscheinungsbild der Polizei, das wir momentan haben weder Bürgernähe ausstahlt noch Transparenz. Nur mal ein Beispiel: das Auftreten der Polizei insbesondere von geschlossenen Einheiten mit Schutzanzügen und Helmen, mit Schlagstöcken bewaffnet ist teilweise eher martialisch, als dass es bürgernah rüberkommt. Das wird auch ganz bewusst so gemacht. Als ein absolutes Mindesmaß an Bürgernähe ware es z.B. erforderlich, dass diese Beamten in irgendeiner Form - wenn es zu Vorwürfen von unrechtmäßiger Polizeigewalt kommt - identifizierbar sind. Beispielsweise, dass man weiß wer des war. Jetzt ist es aber so, dass in Bayern Beamte keinerlei individuelle Indentitfizierungsmerkmale tragen. Nicht einmal Nummern - wenn die Helme tragen sehen die alle gleich aus. Nun ist es so, dass die Indentifizierbarkeit staatslichen Handelns von der europäischen Menschenrechtskonvention gleichwermaßen gefordert wird, wie von internationalen Organisationen, der EU Menschenrechtskomissar hat hierfür Deutschland auch schon mal kritisiert, dass das nicht umgesetzt wurde. Es ist schlichtweg völkerrechtlich verpflichtend, dass Polizeibeamte individualisierbar sind. MOD Auch hier kommt großer Widerstand von Polizeigewerkschaften und Interessensverbänden, die von einer “Vorverurteilung der Polizisten” sprechen und eine Welle von unbegründeten Klagen befürchtet. Mittlerweile gibt es in ⅔ aller EU-Ländern eine Kennzeichnung von Beamten, in den meisten sogar mit Namen und auch in 10 deutschen Bundesländern wird an einer Kennzeichnung mit Nummern gearbeitet. Das Selbstbild scheint angeknackst und es schwingt so etwas wie Angst vor dem Bürger mit. Dabei ist die Polizei doch beliebt. wie kommt es also zu diesem Widerspruch? Der Kriminologe Thomas Feltes: ZSP Feltes: Repression und Crime-Fighter (2:20) “Weil wir nach wie vor in D der Auffassung sind, dass Polizei ein repressives Instrument des Staates, das dafür sorgen soll, dass keine Straftaten begangen werden. Der Verkehrsbereich auch erledigt wird usw. Als ich vor 25-30 Jahren mit den ersten Ergebnissen zum Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute.) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Seite 19 polizeilichen Alltagshandeln rausgekommen bin… ich hab nämlich angeguckt: wenn Polizisten tagsüber was machen, was machen die eigentlich? Zu welchen Einsatzanlässen fahren die raus? Da spielten ganz oft Hilfeleistungen eine Rolle: die alte Oma, die hilflos im Sessel sitzt und nicht raus kann. Der Papagei der im Baum sitzt und gefangen werden muss. Die Katze die sich in einem Loch verfangen hat. Oder Betrunkene. Ganz oft Konfliktschlichtungen von Streitereien in Wohnungen, in Häusern. Das wollte man nicht wahrhaben, weil es sich nicht mit dem Bild der Polizei als Crimefighter in Einklang bringen lies. Man hat aber mit der Zeit erkannt, dass das genau die Bereiche sind, in denen die Polizei punktet. Weil da ist sie erfolgreich und produziert gute Ergebnisse. Wohingegen bei der Kriminalitätsbekämpfung -- Einbruch -kann sie nur den kürzeren ziehen. Da hat sie eben keine Erfolge, weil sie auch keine Erfolge haben kann. Und das haben clevere Polizeiführer erkannt und stellen sich entsprechend auf, aber die Politik ist nach wie vor der Auffassung, die Polizei muss eben dafür sorgen, dass Sicherheit und Ordnung herrscht und wenn das nicht der Fall ist, dann müssen wir eben mit härteren Maßnahmen, mit schärferen Gesetzen, mit mehr Personal rangehen. Aber das unter allem im Grunde die Frage liegt, was für ein Vertrauen hat die Bevölkerung in die Polizei und dass diese Frage grundlegend für die Aufklärung aller Arten von Straftaten ist, weil die Polizei selbst klärt nur 3-4% aller Straftaten auf. Von den aufgeklärten werden 96% durch Zeugen. durch Opferaussagen, durch Dritte quasi aufgeklärt und wenn die der Polizei nicht helfen, ist die Polizei arm dran.” MOD Den Hinweisen aus der Bevölkerung, den Anzeigen muss natürlich jemand nachgehen und das darf nur die Polizei. Eine Reise quer durch die Republik geht für mich zu Ende. Es bleibt das Gefühl einer großen und komplexen Organisation gegenüberzustehen, die sich eher langsam entwickelt und die in den meisten Fällen eine konservative Grundhaltung hat. Aber sie entwickelt sich. Wohl auch dank der progressiven Denker aus ihrem Umfeld. Die Polizei kann noch besser und vor allem offener werden. Die Politik kann dafür sorgen, dass Verfehlungen objektiv und unabhängig aufgeklärt werden. Was man aber nie vergessen darf: das Denken von 1992. ZSP Streibl Zuspieler kurz: ...dass wir dabei dann auch manchmal etwas härter hinlagen… Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute.) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Seite 20 MOD Dieses Denken von Max Streibl wäre heute nicht mehr möglich. Die Polizei ist also schon einen weiten Weg gegangen. Am Ziel ist sie noch nicht. Das war: Titel Das Selbstverständnis der Polizei - Eine kritische Betrachtung Eine Sendung von Maximilian Cress und Florian Schairer MOD Sprecher: Maximilian Cress Technik: Produktion und Musikauswahl: Helen Malich Redaktion: Tom Kretschmer Die Playlist, sowie Links zur Sendung gibt es im Web unter bayern2.de und Zündfunk. Dort kann man diese und weitere Generator-Sendungen auch als Podcast abonieren und herunterladen. Und nächsten Sonntag um 22.05 Uhr im Zündfunk Generator auf Bayern2: Maude Barlow und ihr Engagement für das Trinkwasser. Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute.) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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