Das Selbstverständnis der Polizei

Manuskript
ZÜNDFUNK Generator
Titel:
Das Selbstverständnis der Polizei. Eine kritische
Betrachtung
Autor/in:
Maximilian Cress/Florian Schairer
Sendedatum:
22.03.2015
Sendezeit:
22.05 – 23.00 Uhr
Redaktion:
ZÜNDFUNK
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ZSP Ausschnitt Personenkontrolle Kreuzberg:
https://www.youtube.com/watch?v=tuOJm7tmpMc
Steht bereits im Zündfunk-Digas, Titel “Personenkontrolle Kreuzberg für
Generator”
MOD Berlin, am Görlitzer Park im Juli 2014: aus einer Personenkontrolle der
Polizei am Rande einer Demonstration entwickelt sich in kürzester Zeit
eine Rangelei. Schließlich liegt der Betroffene, der sich wehrt, am Boden
und wird von einem Polizisten geschlagen. Immer mehr Passanten
kommen hinzu, beschimpfen die Polizisten, einer wirft sogar ein Fahrrad
auf sie.
ZSP VIDEO HOCH: Fahrrad
MOD Das Video polarisiert, die einen sehen es als Beweis für die Unfähigkeit
der Polizei heikle Situationen friedlich zu lösen, die anderen dafür, dass
der Respekt gegenüber der Polizei immer weiter sinkt, genauso wie die
Hemmschwelle, die Beamten anzugreifen.
ZSP Video ausblenden, Instrumental hoch - darüber
MOD Und es gab zahlreiche weitere aufsehenerregende Fälle in den letzten
Jahren: Der Polizeichef von Rosenheim schlägt 2011 einen Schüler
blutig und wird in der Folge entlassen.
Durch den Schlag eines Polizisten auf einer Münchner Polizeiwache wird
Teresa Z. im Januar 2013 die Nase und die Augenhöhle gebrochen.
Ein Polizist schießt im Juli 2014 in Burghausen einem mutmaßlichen
Dealer auf der Flucht in den Hinterkopf. Gegen den Beamten wird wegen
fahrlässiger Tötung ermittelt.
Der Zündfunk Generator beschäftigt sich heute mit dem Verhältnis
zwischen Polizei und Gesellschaft. Gibt es tatsächlich weniger Respekt
gegenüber der Polizei, wird sie häufiger angegriffen und sinkt bei den
Beamten im Gegenzug die Hemmschwelle mal hinzulagen? Und wie
sieht es aus mit der juristischen Aufarbeitung solcher Fälle? Wo sollte
man die polizeilichen Strukturen reformieren und was für eine Polizei
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wünschen wir uns eigentlich? Maximilian Cress begrüßt alle Hörerinnen
und Hörer zu einer Reise durch Deutschland: Zu Polizisten, Politikern
und Kritikern innerhalb und außerhalb der Polizei.
TITEL Das Selbstverständnis der Polizei - Eine kritische Betrachtung
Sendung von Maximilian Cress und Florian Schairer
MUSIK
ZSP Behrendes - Watschn (2:04)
Ich war 22 Jahre. Wir machten auf einer der Kölner Rheinbrücken eine
Alkoholkontrolle in einer Wochenendnacht. Wir hielten ein Fahrzeug an,
in dem saßen offensichtlich sehr angeheiterte junge Menschen. Es kam,
als die Scheibe runter ging gleich die Alkoholwolke entgegen und ich
forderte dann den Fahrer auf einen Alkotest zu machen. Der feixte rum
mit den anderen im Auto. Versuchte mich verbal zu provozieren und ihm
gelang dann nicht dieses Alkotestgerät richtig zu beatmen, also brach
immer wieder ab, so dass diese Messung nicht ging. Und dann hab ich
gesagt: so jetzt ist gut und wenn Sie das nicht hinkriegen, dann müssen
Sie mit zur Wache zur Blutprobe. Und in dem Moment rannte der Weg.
Rannte von der Brücke runter an Rhein. Es war alles stockduster. Ich bin
hinter dem hergerannt. Hatte noch so ein Funkgerät in der Hand und
dieses Alkotestgerät. Nach ungefähr 500 Metern auf den letzten
Atemzug hatte ich den. Und war so aufgeladen durch die verbalen
Provokationen und durch die Tatsache, dass der da weggelaufen war,
dass ich dem sofort eine Ohrfeige gegeben habe. Ohne das der mich
jetzt körperlich angegriffen hätte. Ich hab dem eine Ohrfeige gegeben.
Der hat sich auch dagegen nicht weiter gewehrt. Hinter mir lief ein
Kollege, der hat da so 10 Meter dahinter, der das mitbekommen hat. Und
nun haben wir den dann zur Blutprobe mitgenommen und dann hab ich
mich gefragt: hmm… wie gehst du denn mit diesem Ausraster um, den
ich selber hatte. Hab mich da im Grunde für geschämt, weiß noch, dass
ich mit meiner Frau die halbe Nacht drüber diskutiert habe. Was mach
ich denn jetzt? Zeig ich mich selber an? Was ist wenn der mich anzeigt?
Was erwarte ich von meinem Kollegen, der mich ja eigentlich anzeigen
müsste? Im Ergebnis hat dieser betroffene Mann mich nicht angezeigt,
ich hab mich auch nicht angezeigt und der Kollege hat mich auch nicht
angezeigt.
MOD Udo Behrendes war fast 10 Jahre Leitender Polizeidirektor in Köln. Seit
Anfang des Jahres ist er im Ruhestand, der 59-jährige gilt als einer der
stärksten polizeiinternen Kritiker und als großer Reformer. Ich besuche
ihn zuhause auf dem Land eine halbe Stunde von Köln entfernt. Er
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empfängt mich mit Krapfen und erzählt, wie die Ohrfeige zu einem
Wendepunkt in seiner Karriere wurde: Weg von der handfesten
Konfrontation hin zur offensiven Deeskalation: Schon in den 1980er
Jahren gab er seine Dienstwaffe ab. Später, als Verantwortlicher, sorgte
er dafür, dass seine Beamten bei Demonstrationen Helm, Schild und
Panzerung erstmal im Wagen ließen, um nicht durch martialisches
Auftreten zu provozieren.
Aber die Ohrfeige von Udo Behrendes ist natürlich auch ein Beispiel für
eine Straftat im Dienst, die nicht angeklagt und nicht aufgeklärt wurde.
Der Geohrfeigte hat den Beamten nicht angezeigt und wo kein Kläger, da
kein Richter möchte man meinen. Doch der Polizist, der die Szene
beobachtet hat, hätte seinen Kollegen in jedem Fall anzeigen müssen.
ZSP
Behrendes - wussten es beide (0:15)
Aber wir wussten was voneinander. Wir haben da nie drüber
gesprochen. Er wusste, dass ich was falsch gemacht habe. Ich wusste
das er es gesehen hatte und er auch was falsch gemacht hatte, weil er
mich nicht angezeigt hatte.
MOD Begeht ein Polizeibeamter einen Fehler, so ist das - anders als in
anderen Berufen - schnell eine Straftat und jeder Kollege, der diese nicht
anzeigt, begeht ebenfalls eine Straftat. Jeder einzelne Polizist hat das
Recht und die Pflicht das Gewaltmonopol des Staates auszuüben, um
Straftaten zu verhindern oder aufzuklären. In den allermeisten Fällen
funktioniert das. Doch manchmal eben nicht, und dann ist man in der
Regel auf die Aussage von Kollegen angewiesen um die Straftat
aufzuklären. Professor Thomas Feltes forscht und lehrt im Bereich
Kriminologie und Polizeiwissenschaften an der Ruhr Universität Bochum.
Zudem ist er Berater des Europarats und der Vereinten Nationen:
ZSP
Feltes - Straffreiheit für Zeugen (2:21)
Viele Polizeibeamte sagen auch hinterher nicht mehr aus, weil sie Angst
davor haben, dass sie nachträglich belangt werden könnten. Stuttgart21,
NSU und auch Loveparade - ich hab immer appelliert und gesagt: Leute:
wir wissen, dass es Polizeibeamte gibt, die Informationen haben, die
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sehr hilfreich wären um diese Verfahren aufzuklären. Dann lasst die
aussagen, aber verschont die von strafrechtlichen Konsequenzen. Denn:
ich bin als Polizeibeamter dem Legalitätsprinzip unterworfen. Jede
Straftat die ich selbst sehe muss ich verfolgen oder anzeigen. Also wenn
ich sehe, dass der Kollege seine Quarzhandschuhe an hat, die er schon
nicht anhaben darf und dann noch jemandem auf die Nase haut, dann
hat der eine Straftat begangen. Dann muss ich auf dem Absatz kehrt
machen und zu meinem Vorgesetzten oder Staatsanwalt gehen und
muss sagen: Der hat das und das getan. Das macht natürlich keiner.
Meine Forderung ist, dass man zumindest so was einführen sollte, wie
wir es bei der Fahrerflucht haben. Das innerhalb einer bestimmten Frist ich denke hier an 48 Stunden - das ich sagen kann: wenn ein
Polizeibeamter sich innerhalb von 48 Stunden nach einem Vorkommnis
äußert, dann ist er automatisch strafbefreit. Weil für mich hat ein
Strafverfahren primär die Aufgabe, den Opfern zu ermöglichen zu
verstehen was geschehen ist. Das ist ja das was der Strafprozess
eigentlich soll, nämlich er soll Frieden wieder in die Gesellschaft bringen,
aber die Form von Strafprozess die wir im Moment haben bringt das
jedenfalls nicht.
MOD Das klingt sehr sinnvoll und ist für mich zunächst absolut nachvollziehbar.
Wenn man aber einen konkreten Fall ansieht, bekommt dieser Vorschlag
von mir eher ein “ja vielleicht, aber”:
Einer der größten aufgeklärten Fälle von Polizeigewalt in Deutschland
ereignete sich 2002 auf der Eigelsteiner Wache in der Kölner Innenstadt.
Sechs Beamte schlugen und traten einen an Händen und Füßen
gefesselten Mann erst im Eingangbereich der Wache, später dann in
einer Zelle. Der Mann verstarb wenige Tage später. Auf der Wache
waren vier weitere Polizisten anwesend. Zwei davon gaben an, nichts
gesehen und nichts gehört zu haben. Zwei meldeten die Vorfälle am
nächsten Tag ihrem Vorgesetzten. In der Zwischenzeit hatten die Täter
ihre blutverschmierte Uniformen entsorgt. Auch wenn es nicht ihre
Absicht war, die beiden Zeugen haben sich der Strafvereitelung im Amt
schuldig gemacht, weil sie nicht sofort eingegriffen haben. Auf der
anderen Seite hätte es ohne sie nie zu einer Anzeige und Verurteilung
der sechs Täter kommen können.
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Eine zeitliche Strafbefreiung von dem Delikt der Strafvereitelung im Amt
birgt also auch Gefahren. Ganz konkret die Gefahr, dass man den
Kollegen genug Zeit gibt um Beweismittel verschwinden zu lassen, bevor
man seine Anzeige macht.
Udo Behrendes, der als junger Polizist einen jungen Mann geohrfeigt hat,
wurde nach dem Vorfall auf der Eigelsteiner Wache in Köln als
Revierleiter eingesetzt.
ZSP
Behrendes - Aufarbeitung (2:07)
Für mich war die Frage was bedeutet dieser Fall für die anderen rund
400 Kolleginnen und Kollegen, die auf dieser Dienststelle gearbeitet
haben. Denn das was da passiert war ist für Polizisten ein absoluter
Tabubruch. Polizisten müssen Gewalt anwenden, können vor Gewalt
nicht weglaufen. Aber es gibt eine ungeschriebene Regel für alle
Polizisten: sobald jemand unter Kontrolle ist geht da niemand mehr dran.
Und das war hier anders. Hier wurde im Grunde, so hat das Gericht es
später gesagt, dem wurde eine Abreibung verpasst. Der wurde quasi
bestraft, für das was er vorher gemacht hatte. Auch illustriert dadurch,
dass einer dieser Beamten die da geschlagen haben, dem bei dem
Ursprungseinsatz verletzten Kollegen, dann später gesagt hat: wir haben
dich gerächt. Das war für mich so die Kernfrage für diesen ganzen
Aufarbeitungsprozess: was ist das für eine Polizeikultur wo wir Rache
üben als Polizisten und wo wir einem Menschen, der unter Kontrolle ist,
ins Gesicht treten. Und das sogar noch nicht mal aus einer
verschworenen Gemeinschaft heraus, sondern die sechs handelnden
kamen aus drei verschiedenen Wachen, das war eine Zufallsgruppe. Es
war ein Zusammenwirken von Leuten die sich nicht kannten, die aber
offensichtlich die selbe Haltung hatten, diesen Bestrafungsritus da
verteilten. Und deshalb habe ich gesagt das ist nicht eine
Frage die nur diese sechs angeht, sondern das ist eine Frage die uns
alle angeht auf dieser Inspektion. Wie kann so etwas passieren. Das
eine solche Haltung sich erst spontan in dieser Nacht gebildet hat, dass
ist eher unwahrscheinlich. Das war ein Handlungsmuster, was in diesem
Fall diese ganz tragischen Folgen hatte, was aber sicherlich nicht zum
ersten mal in dieser Form erfolgt war.
MOD Das belegen auch die Zahlen. 37 Ermittlungsverfahren wegen
Körperverletzung im Amt hatte es in den vorhergehenden Jahren allein
auf dieser Wache in Köln gegeben. Alle mussten eingestellt werden, aus
Mangel an Beweisen: Niemand hatte etwas gesehen. Allein gegen den
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Haupttäter gab es vorher schon mehrere Ermittlungsverfahren, die alle
eingestellt wurden. Natürlich ist nicht jedes Revier gleich. Gerade in
sozialen Brennpunkten und Innenstadtsituationen stehen Polizisten oft
unter Stress. Hier sind die Einsätze gefährlicher als in Vorstädten. Wer
sich hier mal eingearbeitet hat, bleibt oft lange hier, denn Erfahrung ist
hier wichtig. Besonders in Brennpunkten. Der pensionierte Polizist Udo
Behrendes erklärt aber:
ZSP
Behrendes - Korpsgeist (1:42)
Das ganze kann kippen in einen Korpsgeist, dass man sich so als das
Revier versteht wo die meiste Arbeit ist. Insofern fühlt man sich besser
als andere. Auf der anderen Seite, weil man besser ist passieren auch
keine Fehler. Das heißt die Bereitschaft Fehler zuzugeben sinkt da noch
mehr ab. Man gerät in die Gefahr, dass man sich gegenseitig deckt auch
wenn man mal mitbekommt, dass jemand einen schlechten Tag hatte
und über die Stränge geschlagen hat. Das weiß jeder von dem anderen
mit der Zeit. Das sind so die Zutaten dafür, dass sich ein Team, das
eben ständig zusammenarbeitet dann innerhalb sogar der eignen
Organisation abschottet. Das Ganze wird noch dadurch befördert, dass
Polizisten einen Schichtdienst in der Regel absolvieren. Das ist ja ein
sehr familienfeindlicher Dienst, aber auch ein Dienst der wenig
Möglichkeiten für Freundschaften, Bekanntschaften außerhalb der
Polizei zulässt. Also wenn man wie viele Kollegen nur einen Samstag im
Monat frei hat, dann kann man nicht so viel mit anderen unternehmen.
Aus dem besonderen Rhythmus den man in so einem Schichtdienst hat
entwickeln sich häufig auch dann die privaten Freundschaften der
Kollegen. Das heißt man ist nicht nur im Streifenwagen acht Stunden
zusammen, sondern man verbringt auch die Freizeit zusammen. Und
dann entsteht so eine parafamiliäre Situation. Man ist eine verschworene
Gemeinschaft. Man kennt sich, man verlässt sich aufeinander und diese
Gemeinschaft wird jedes Mitglied schützen.
MOD Udo Behrendes hat damals mit der Hilfe von zwei Polizeipsychologen
und einem Polizeipfarrer das Revier in Köln “von links nach rechts
gedreht”, wie er sagt. Sie haben die Führungstruktur verändert, haben
den Dialog mit den Polizisten gesucht um mit ihnen zusammen eine
neue Polizeikultur zu etablieren, die den Schutzpolizisten und den Crime
Fighter miteinander verbindet. Der Schichtdienst wurde abgeschafft und
ein Pooldienst eingeführt. Damit eben nicht immer die selben Polizisten
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miteinander Dienst schieben. Damit sich der einzelne Polizist seine
Arbeitszeiten ein wenig mehr selbst gestalten kann. Vor allem Dialog
über alle Ebenen hinweg und die Fortbildung sind für ihn zentrale
Elemente um solche Vergehen von vornherein zu verhindern. Und seine
Arbeit gab ihm recht.
ZSP Behrendes - Studie 8 Jahre später (1:40)
Das heißt nicht, dass da nichts passieren kann an Übergriffen. Aber
schlicht und ergreifend bin ich mir sicher, dass die Wahrscheinlichkeit
erheblich abgenommen hat. Wir haben dann nach 1 ½ J ahren Anzeigen
aus dem Kollegenbereich bekommen. Und zwar Anzeigen bei Fällen, die
mich selber in den 70 Jahre in die Strafverfolgung gebracht hätten.
Nämlich ein Kollege dem eine Hand ausgerutscht ist, da hat der andere
ihn angezeigt. Das war für mich dann gerade eben nicht der neue
Skandal, sondern das war für mich jetzt ein Zeichen, dass wir eine neue
Kultur in dieser Dienststelle hatte. Mir ging es dann aber auch darum zu
sagen so: Hand ausrutschen geht nicht, wir gehen aber auch mit diesem
Kollegen angemesssen um und habe mich dann auch dafür eingesetzt,
dass diese Kollegen auf der Dienststelle bleiben konnten, Betreuung
bekamen aber eben auch eine neue Chance bekamen. Und mich auch
gefreut, dass die Justiz aus meiner Sicht, aber auch aus der Sicht vieler
Kollegen, dann da auch vernünftig mit umgegangen ist. Der eine Kollege
hat eine Geldstrafe von 500,-€ bekommen, der andere - weil er schon
Wiederholungstäter war - von 1000,-€. Und mit diesen beiden Anzeigen
war auch ganz klar ein Zeichen an alle gesetzt - wir verstehen uns hier
anders. Eben die klare Ansage: wir werden solche Fehler nicht zulassen,
bzw. wir werden da nicht drüber wegschauen. Also da ist tatsächlich dann
so ein Selbstreinigungsprozess entstanden.
MUSIK
ZSP Teresa Z: das Foto (0:25)
Dein Foto mit Halskrause und blutig blau-geschlagenem Gesicht in der
Zeitung… was war das für ein Gefühl, dass das so das Bild ist, was
plötzlich die Öffentlichkeit von Dir hat? - Ja, ich kannte ja das Bild, ich
habe das Foto ja selbst gemacht und ich wusste schon: ok das wird
Titelseite, aber als es dann da rausgekommen ist, das war dann schon
echt heftiger als ich gedacht hab. Und nach der dritten Zeitung hab ich
es mir auch nicht mehr angeschaut
MOD Teresa Z. im März 2013 im Interview mit Zündfunk Reporterin Sarah
Schmitz. Tatsächlich ist das Foto von ihr erschreckend: Teresa trägt eine
Halskrause, Blut läuft ihr über die Wangen und die Nase, beide Augen
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sind blau, das Gesicht stark angeschwollen. So sah sie aus, nachdem
ihr ein Polizist im Januar 2013 auf der Polizeiwache München Au mit
einem Faustschlag die Nase und die Augenhöhle gebrochen hatte,
während sie gefesselt auf einer Holzpritsche lag.
ZSP
Teresa Anzeige gleich klar (0:22)
Ich hab von vorneherein gesagt, dass ich das anzeige, auch an dem
Tag noch, auch zu dem Polizisten. Weil solche Sachen gehen einfach
nicht. Und genau weil solche Fälle in Rosenheim… weil das alles
fallengelassen worden ist denk ich mir: wenn ich jetzt eine Chance hab
an dieser Geschichte was zu ändern, dann muss ich des machen. Auch
für die ganzen Leute für die das nicht so gut glaufen ist, wie für mich
jetzt.
MOD Für die Münchner Polizei war das Zitat “PR-mäßig natürlich der
Supergau”, wie der Stellvertretende Pressesprecher Thomas Baumann
sich auch heute noch gut erinnert. Eine bürgernahe Polizei wünscht er
sich: Offen und transparent. Die Tat des Polizisten im Falle Teresa Z. hat
den ein oder anderen gedanklich dann jäh ins Jahr 1992 katapultiert.
Während des G7-Gipfels wurden damals friedliche Demonstranten
eingekesselt. Es wurde von Fußtritten und Nierenschlägen berichtet. 480
Demonstranten wurden festgenommen. Der damalige bayerische
Ministerpräsident Max Streibl reagierte darauf wie folgt:
ZSP
Max Streibl zum Kessel während des G 7-Gipfels (19 sek)
“Wenn einer glaubt, er muss sich mit Bayern unbedingt anlegen und er
muss stören, dass wir dabei dann auch manchmal etwas härter hinlagen
oder durchgreifen, das ist auch bayerische Art. Meine Damen und
Herren, jeder muss wissen: wenn er nach Bayern kommt, dass er es
eben mit Bayern zu tun hat.”
ZSP Baumann: Reaktion auf Streibl-Zitat (1:40)
Ich schmunzel immer über das Zitat, weil es schon damals umstritten
war. Ich glaube das war 1992. Da war ich ein relativ junger Polizist , Mei
heutzutage kann man sich das echt nimmer erlauben. Wir sind Recht
und Gesetz verpflichtet, wir sind eine Institution, eine Behörde, die sich
nach den gesetzlichen Vorgaben richtet und da kann man dann nicht so
einen Slogan raushauen.
MOD Vor allem sind die Zeiten vorbei in denen man stolz war auf eine harte
Gangart in der Polizei. Wenn es zu einer Gewalttat von einem Polizisten
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Seite 9
kommt, dann will zumindest der stellvertretende Pressesprecher der
Münchner Polizei Thomas Baumann, dass dies sauber aufgeklärt wird.
ZSP
Ich kanns echt nur darstellen von der Seite der Behörde: Für uns ist das
dann ein Ermittlungsverfahren und bei diesem Ermittlungsverfahren
müssen wir immer probieren, wir als Beamte die der Staatsanwaltschaft
zuarbeiten, den Sachverhalt aufzuhellen und den Sachverhalt ausfindig
zu machen. Der Beamte hat nix davon, wenn er sich hier verstrickt in
Widersprüche und dann versucht das zu kitten, in dem er sich mit
anderen abspricht. Weil des kommt definitiv vor Gericht oder bei der
Zusammenführung der einzelnen Vernehmungen auf. Des ist ganz klar:
wir sind 7000 Beamte und da geht mal was schief und dann müssen wir
dafür sorgen, dass der Vorgang aufgearbeitet wird und mehr kannst als
Behörde dann eigentlich auch nicht machen.
MOD Doch auch eine vernünftige Aufarbeitung kann schwierig sein, wie der
Fall Teresa Z zeigt. Die Münchner Polizei sollte gegen sich selbst
ermitteln und hatte Probleme mit den eigenen Leuten. De Zeugen waren
alle Polizeikollegen des Angeklagten. Sie konnten sich zwar noch ganz
genau an die hysterischen Ausfälle von Teresa Z. erinnern. Auch, dass
sie einem Polizisten ins Gesicht gespuckt hatte. Den eigentlichen Schlag
hatte aber angeblich niemand gesehen. Selbst der Richter konnte sein
Befremden über das Aussageverhalten der Polizisten nicht
verheimlichen. Der Münchner Anwalt Marco Noli kennt das. Er vertritt
immer wieder Mandanten, die sich von Polizeiübergriffen betroffen
sehen.
ZSP
Noli: Mauer des Schweigens (0:25)
Zunächst mal muss man sagen, dass wenn es zu Vorwürfen von
unrechtmäßiger Polizeigewalt kommt, stößt man bei den Polizeibehörden
an sich, also bei der internen Aufarbeitung der Polizei erstmal eher auf
eine Mauer des Schweigens als auf eine transparente und effektive
Verfolgung und Ermittlung. Bis vor einiger Zeit war es sogar noch so,
dass die Polizeidienststellen zuständig waren, in dessen Bezirk der
jeweilige Polizeibeamte seinen Dienst tat.
MOD Im Falle Teresa Z. plädierte der angeklagte Polizist auf Notwehr, denn
Teresa Z. hatte sich im Laufe der Ereignisse heftig gewehrt, die
Polizisten beschimpft und angespuckt. Zum Zeitpunkt des Schlages lag
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Seite 10
sie aber gefesselt auf einer Holzpritsche. Der Beamte wurde zu 10
Monaten auf Bewährung und 4000 Euro Strafe verurteilt, außerdem
wurde Anfang März bekannt gegeben, dass er vom Verwaltungsgericht
um zwei Dienstränge degradiert wurde. Teresa Z. erhielt mehrere
tausend Euro Schmerzensgeld und der neue Münchner Polizeichef
Hubertus Andrä entschuldigte sich bei der Betroffenen. Sein Vorgänger
Wilhelm Schmidbauer hatte das Verhalten des Polizisten in einem
Interview mit der Münchner TZ noch als “konsequente Vorgehensweise”
verteidigt, bevor der Fall aufgearbeitet war. Inzwischen ist er der
Landeschef der Polizei. Der Fall hat das Vertrauen der Münchner
Bevölkerung in ihre Polizei belastet und bundesweit für Schlagzeilen
gesorgt. Schließlich sah sich Innenminister Joachim Herrmann so unter
Druck, dass er handeln musste. Auch wenn er es heute ein wenig anders
ausdrückt.
ZSP
Herrmann jetzt beim LKA (0:27)
Mir ist es wichtig, dass wenn sich Bürger über Polizei beschweren, dass
insbesondere Vorwürfe zum Beispiel wegen Gewalttaten gegen
Polizeibeamte erhoben werden, dies wirklich ganz unabhängig von der
jeweiligen Dienststelle des Polizeibeamten geprüft und ermittelt wird.
Und deshalb habe ich entschieden, dass hier ein extra Dezernat im
Landeskriminalamt zentral für ganz Bayern solchen Vorwürfen nachgeht.
MOD Tatsächlich nimmt Bayern hier eine Voreiterrolle ein, denn in vielen
Bundesländern ist das nicht so. Doch den meisten Kritikern wie dem
Anwalt Marco Noli geht das nicht weit genug.
ZSP Noli: LKA auch Polizei (1:12)
Auch das LKA ist die Bayerische Polizei, also von einer tatsächlich
unabhängigen Ermittlungsbehörde oder Beschwerdestelle kann man hier
nicht sprechen. Das führt dazu, dass in vielen Fällen die Ermittlungen
nicht effektiv sind und nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen.
Andererseits haben wir die Staatsanwaltschaft. Es wird immer wieder
gesagt: jaja, die Staatsanwaltschaft sei ja da zuständig. Aber auch hier
haben wir das Problem, dass oftmals die Staatsanwaltschaft zuständig
ist in dem gleichen Bezirk: Also für Münchner Polizisten ist die Münchner
Staatsanwaltschaft zuständig. Und das sind die Polizisten, die an
anderer Stelle die Arbeit machen für die Staatsanwaltschaft, die
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Errmittlungen durchführen, mit denen muss man sich verstehen und
kooperieren. Und da ist es naturgemäß etwas schwierig, dass man hier
eine unabhängige Arbeit hat und zumindest der Anschein einer
Parteilichkeit ist dann durchaus gegeben. In Österreich beispielsweise ist
es so, dass nicht die Staatsanwaltschaft in diesen Fällen im gleichen
Bundesland zuständig ist und auch nicht im benachbarten Bundesland,
sondern quasi im übernächsten Bundesland die Staatsanwaltschaft
zuständig ist. Auch das wären Maßnahmen, um ein Mindestmaß an
Unabhängigkeit zu gewährleisten.”
MOD Doch alle diese Maßnahmen helfen nur wirklich, wenn Beamte auch
bereit sind gegen Beamte auszusagen, ganz ähnlich wie im bereits
erwähnten Fall der Eigelsteiner Wache in Köln. Der Kriminologe Thomas
Feltes.
ZSP
Feltes fordert Ombudsmann (1:10)
Was im Moment auf verschiedenen Länder- und auch auf Bundesebene
diskutiert wird ist ein sogannter Polizeibeauftragter: Also Personen, an
die man sich wenden kann, wenn man den Verdacht hat, dass es eine
polizeiliche Straftat oder unangemessene Polizeigewalt gegeben hat.
Das ist eingeführt worden in einigen Ländern und es gibt Bestrebungen
der Grünen das für die Bundespolizei auch auf Bundeseben einzuführen.
Wenn wir diese Einrichtung haben, wäre das bestimmt eine Möglichkeit,
die Dinge auch unabhängig und transparent aufzuarbeiten. Die
Erfahrungen aus dem Ausland sind sehr gut. Man muss allerdings eben
auch sehen, dass das nicht so einfach ist. Denn wenn ich jetzt
tatsächlich ein schwerwiegendes Fehlverhalten habe, dann muss so ein
Polizeibeauftrater natürlich auch die Möglichkeit haben selbst zu
ermitteln und da stoßen wir ganz schnell an Grenzen.
MOD Eine unabhängige Beschwerdestelle, auch Ombudsmann genannt, muss
solchen Beschwerden dann auch nachgehen können. Diese Möglichkeit
sieht Innenminister Joachim Herrmann derzeit nicht.
ZSP
Herrmann: Obudsmann nicht gut (0:38)
Ich sehe für einen Ombudsmann keine besondere Notwendigkeit. Er
ändert ja auch nichts daran, dass wenn ganz konkrete Strafvorwürfe
erhoben werden, dass dann nach unserer Strafprozessordnung wie
gegenüber jedem Bürger, genauso auch gegenüber Politikern, was auch
immer natürlich immer der gesetzlich zuständige Staatsanwalt und dazu
eine Polizeidienststelle ermitteln muss. Das kann kein anderer
übernehmen, sondern wenn es einen Strafvorwurf gibt, dann muss das
entsprechend dem Gesetzt abgearbeitet werden. Denn auch der
einfache Bürger unseres Landes muss sich drauf verlassen können,
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Seite 12
dass auch gegen die Vertreter des Gesetzes selbst gegebenenfalls ganz
konsequent ermittelt wird.
ZSP Noli: zweierlei Maß (0:40)
Also, dass die justizielle Aufarbeitung bei Vorwürfen von Polizeigewalt
insgesamt zumindest den Anschein hat, dass sie etwas parteiisch läuft
sieht man auch an einer Studie, die ergeben hat, dass der Anteil von
Verurteilungen beim Vorwurf von polizeilichen Gewalthandlungen
marginal gering ist im Verhältnis zu den erfolgten Anzeigen. Also diese
Zahlen belegen auch, dass die Justiz sich offensichtlich aus
verschiedenen Gründen schwer tut Polizeibeamte strafrechtlich zu
verfolgen.
MOD sagt der Anwalt Marco Noli. Er bezieht sich hier auf eine Studie des
Strafrechtsprofessors Tobias Singelnstein von der Freien Universität
Berlin, die besagt, dass es bei Anzeigen gegen Polizeibeamte nur in
sehr seltenen Fällen zur einer Anklage kommt — über 90% Prozent der
Verfahren werden eingestellt. Oft kommt es auch zu Gegenanzeige
durch den Polizisten, um einer Anzeige zuvorzukommen. Der
Rechtsanwalt Marco Noli:
ZSP
Noli: Beispiel auf der Demo (1:09)
Ich habe noch einen Beispielsfall dies bezüglich: wir hatten mal ein
Strafverfahren, das wurde wegen Widerstand gegen einen
Demonstrationsteilnehmer geführt, der hätte sich angeblich gegen eine
Polizeiliche Maßnahme gewehrt. Wir konnten dann in der
Gerichtsverhandlung anhand von Videoaufzeichnungen nachweisen,
dass die polizeiliche Maßnahme darin bestand, dass der Beamte den
Demonstrationsteilnehmer mit der Faust zweimal auf die Brust
geschlagen hat. Die Staatsanwaltschaft war dann gezwungen gegen den
Beamten ein Verfahren wegen Körperverletzung einzuleiten, dass dann
aber wegen Geringfügigkeit wieder eingestellt wurde, mit der
Begründung der Beamte wäre durch die hektische Situation ohnehin
gestraft genug war und deshalb sein Verhalten nicht als
Körperverletzung strafzuverfolgen ist. Solche Entscheidungen sind
deswegen ärgerlich, weil an anderer Stelle bei klitzekleinen Dingen
natürlich Strafverfahren verfolgt werden.”
MOD Hier scheint es in der Tat Handlungsbedarf zu geben. Doch wer soll
ermitteln? Alexander Bosch von Amnesty International sieht das Vorbild
in England:
ZSP
Bosch: fordert IPCC (0:38)
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Seite 13
Was wir immer so als Best Practice sehen, ist das, was es in England
gibt, die IPCC: Independent Police Complaints Commission. Also ein
komplett unabhängig von der Polizeihierarchie angesiedeltes Organ,
welches immer dann wenn Polizeigewalt untersucht werden muss die
Ermittlungen führt und auch eigenständige Ermittlungskompetenzen hat,
also zum Beispiel Zeugen befragen kann, Beweise erheben kann,
Polizisten vorladen kann, also im Grunde eigene Ermittlungstätigkeiten
durchführen kann, so was würden wir uns auch für Deutschland
wünschen.
MOD Jetzt sind England oder Irland keine förderalistischen Staaten, wie die
Bundesrepublik. Wir bräuchten möglicherweise 17 unabhängige
Komissionen. Eine für jedes Land und eine für den Bund. Denn die
Länder haben kein Interesse daran ihre Polizei von einer Bundesbehörde
kontrollieren zu lassen. Zudem müsste man für diesen Plan nicht nur
Gesetze, sondern auch die Verfassung ändern. Und dann kommt
natürlich immer das Totschlagargument: die Kosten. Ein Argument, das
Alexander Bosch von Amnesty International nicht gelten lassen will.
ZSP
Bosch: Kosten dürfen keine Rolle spielen! (0:48)
“Ich finde, dass bei Menscherechtsverletzungen Geld eine sekundäre
Rolle spielen dürfte. Wenn man sich staatstheoretisch mal die
Staatbildung anschaut, dann haben wir irgendwann mal als Bürger
darauf verzichtet uns Gewalt anzuwenden und das Gewaltmonopol beim
Staat hinterlegt, dass der damit sinnvoll und rücksichtsvoll umgeht. Und
deswegen muss staatliche Kontrolle höchstmöglich kontrolliert werden.
Also da finde ich die Frage der Kosten einen sekundäre Frage.”
MUSIK
ZSP Herrmann - bürgernah und belastbar (1:10)
Unsere Beamten sind zum korrekten Verhalten angehalten, und wir
wollen vor allem ja eine bürgerfreundliche Polizei sein. Der alte Spruch
“die Polizei, dein Freund und Helfer” der muss in der Tat auch so gelebt
werden. und das ist auch Gegenstand der Ausbildung unserer jungen
Polizeibeamten. Wir haben gerade in den letzten Jahren sehr stark
investiert. Auch in den Ausbau der Polizei. Wir haben jetzt den höchsten
Personalbestand in der Bayerischen Polizei, die es jemals in Bayern
gegeben hat. Wir wollen, dass unsere Polizeibeamtinnen und
Polizeibeamten für die Bürger da sind, da ist der unmittelbare Kontakt
z.B. in der Fußgängerzone in dem Stadtviertel wo die Menschen zu
Hause sind, der ist ganz ganz wichtig. Es ist manchmal für Polizeibeamte
auchmit einer großen Belastung verbunden wenn sie zum Beispiel bei
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Seite 14
gewaltsamen Demonstrationen entsprechend Gruppierungen
auseinanderhalten müssen, das ist dann natürlich wieder eine ganz
andere Situation. Und wir brauchen die besten unter den jungen Leuten,
die korrekt auch auf der Grundlage unserer Gesetze handeln.
MOD Bürgernah und belastbar, so sieht der bayerische Innenminister die
moderne Polizei. Die Interessenvertreter der Polizei betonen mantrahaft,
dass die Polizei eine der beliebtesten Berufsgruppen in Deutschland ist.
Das beweisen auch etwa die letzten Studien von Readers Digest oder
der Gesellschaft für Konsumforschung. Auf der anderen Seite zeichnen
Polizeigewerkschaften und Pressesprecher gerne das Bild einer
angefeindeten und überlasteten Polizei: Zu wenig Beamte, zu wenig
Geld, immer weniger Respekt und immer mehr Gewalt. Auf ihrem letzten
Bundeskongress im vergangenen November verabschiedete die
“Gewerkschaft der Polizei” sogar eine Resolution zu diesem Thema.
Unter der Überschrift “Polizei in Sicherheit” heißt es:
ZITAT “Die Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte, auch aus politischen
Motiven, hat in den vergangenen Jahren besorgniserregend
zugenommen. Die Gewerkschaft der Polizei fordert angesichts des
dokumentierten Ausmaßes an Gewalt und anderen Straftaten zum
Nachteil von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ein umfassendes
Konzept zur Reduzierung der Gefährdung von den zuständigen
Verantwortungsträgern in Bund und Ländern. Gewalt gegen
Polizeibeamtinnen und -beamte findet auch im alltäglichen polizeilichen
Dienst immer häufiger statt. Respektlosigkeit und das immer häufiger
auftretende reflexhafte Infragestellen polizeilichen Handelns durch
manche Bürgerinnen und Bürger werden von der Gewerkschaft der
Polizei mit Sorge festgestellt.”
MOD Alexander Bosch von Amnesty International sieht das anders.
ZSP
Bosch: kein Anstieg der Gewalt (1:00)
“Eigentlich hat sich das Verhältnis zwischen Polizei und Gesellschaft
nicht verschlechtert”, eher medial... immer noch sehr beliebt (das evtl.
raus) was sich eher verschoben hat, ist dass die Polizei medial aktiv ist:
dass alles schlimmer wird in der Gesellschaft, Gewalt gegen sie würde
zunehmen, der Respekt würde abnehmen. Das ist so eine Diskussion,
die von Seiten der Polizei geführt wird, die ich persönlich nicht teilen
kann. Also wenn ich mit älteren Polizisten spreche, dann sagen die,
eigentlich waren Fußballstadienbesuche früher gefährlicher als heute.
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Also das ist dann die Frage, wenn da von Gewalt gesprochen wird… das
ist wissenschaftlich hoch umstritten bei uns, ob die Gewalt gegen
Polizisten tatsächlich zunimmt.”
MOD Klar kommt es immer wieder zu Gewalt gegen Polizisten, etwa bei der
Demonstration “Hooligans gegen Salafisten” im Herbst 2014: Der
Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei Oliver Malchow erweckte in
den anschließenden Interviews aber den Eindruck Gewalt gegen
Polizisten würde insgesamt steigen, die Polizei sei zu Prügelknaben
geworden, die wirklichen Probleme der inneren Sicherheit hätte die
Politik zu lange ignoriert.
Natürlich müssen Beamten geschützt werden. Die neuste Polizeiliche
Kriminalstatistik Bayerns von 2013 zeigt aber, dass die Fälle von
Widerstand gegen Vollzugsbeamte im Vergleich zum Vorjahr um 7,8%
gesunken sind. Und auch beim Widerstand gegen die Staatsgewalt auf
Bundesebene sind die Fallzahlen deutlich geringer als noch 2008.
Doch bei all den Zahlen vergisst man ganz schnell zu fragen, was denn
überhaupt Gewalt gegen Polizeibeamte ist. In dem Landeslagebericht
des Freistaat Bayern aus dem Jahr 2011 mit dem Titel “Gewalt gegen
Polizeibeamtinnen und Beamte” gibt es ein sehr erhellendes
Kuchendiagramm. Dort ist zu sehen, dass 40% der Gewaltdelikte
lediglich Beleidigungen sind. Tatsächliche Körperverletzungen machen
etwa ⅓ aller Fälle aus.
Wenn die Polizeigewerkschaften also erklären, dass die Gewalt zunimmt,
dann handelt es sich hier um ein politisches Mittel. Dass ein
Lobbyverband Zahlen im eigenen Interesse interpretiert, um vielleicht
bessere Ausrüstung zu erhalten oder mehr Lohn, ist völlig legitim. Aber
eine drastische Verschlechterung der Lage kann man nicht aus den
Statistiken der Polizei herauslesen. Und dabei bringt Marco Noli die
Arbeitssituation bei der Polizei gut auf den Punkt.
ZSP
Noli - Straftat (0:30)
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Polizei darf nur im Gefahrenbereich agieren. aus der Natur der Sache
heraus ergibt sich ja, dass es sich um gefährliche und um konfliktreiche
Situationen handelt.
MOD Und auf solche Situationen muss der einzelne Polizist vorbereitet sein.
Oft entstehen Konfliktsituationen wie folgt:
ZSP
NOLI - wie kommt es zu Konflikten? (1:20)
Gewalt sind Eskalationssituationen. Schaukelt sich hoch. Polizist im
Dienst, Bürger in Freizeit mit Alkohol 70%. Beamte ist Amtsperson mit
Macht wg. Gewaltmonopol. In diesem Spannungsverhältnis kommt es
dann oftmals zu Konflikten.
ZSP Feltes: Wie begründen Beamte Übergriffe (1:38)
Wir haben das vor Jahren mal untersucht, wie rechtfertigen
Polizeibeamte solche Handlungen? Wenn sie die Grenzen
überschreiten, warum tun sie das? Da gibt es 3-4 Faktoren die eine Rolle
spielen. Das eine ist der Jagdtrieb. Also wenn jemand den ich Anhalten
will zum Beispiel nicht stehen bleibt, dann muss ich hinterher um den zu
stellen. Und wenn es nur der Böller war, der in einen Papierkorb
geworfen wurde - ein Fall vor einigen Wochen in Bochum. Zivilstreife
sieht das. 3 Jugendliche springe in ein Auto. Es gibt eine 1 ½ stündige
Verfolgungsjagd durch die Stadt wegen dieser Ordnungswidrigkeit. Das
andere ist die Frage der Autorität. Wenn ich das Gefühl habe, dass
meine persönliche Autorität nicht akzeptiert wird oder meine Autorität als
Polizei, als staatliche Organisation, dann reagiere ich über. Nach dem
Motto: bitteschön ich bin doch die Polizei. Du musst doch machen was
ich will. Wenn einer fragt warum, dann ist das schon die erste
Herausforderung, die mich unter Umständen ein bisschen kribbelig
macht. Und wenn der dann nicht tut was er tun soll, die Hände nicht
schnell genug auf dem Rücken hat und ich habe dann noch die Ansage
der Politik ich kann auch mal kräftiger Zugreifen, dann wird eben der
Quarzhandschuh rausgeholt und dann wird eben das was man erreichen
will mit Gewalt durchgesetzt. Der Gruppendruck kommt hinzu. Wenn
einer anfängt zu Schlagen, dann haben die anderen ja die Möglichkeit
entweder ihn zurückzuhalten. Das passiert ab und zu mal aber viel
wahrscheinlicher ist es, dass dann die gesamte Gruppe da hinterher
geht und eben auch anfangen zu Prügeln und dann ist der Rest
Geschichte.
MOD Die Frage nach Name und Dienstnummer, die jeder Beamte auf der
Straße beantworten müsste, kommt nicht immer gut an. Aber genau aus
solchen Lapalien entstehen oft Aggressionen. Besonders bei
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Seite 17
Randgruppen wie ausländisch aussehende Menschen oder
Jugendlichen.
ZSP
NOLI Jugendliche in München schlecht auf die Polizei zu
sprechen (0:58)
Es gab im letzten Jahr die Münchner Jugendbefragung. Eigentlich zu
ganz allgemeinen Themen: die Zufriedenheit in der Stadt. Das Thema
Polizei war bei dieser Studie gar nicht gefragt. Dennoch haben
Jugendliche zu einem Anteil haben ungefragt angegeben, dass sie mit
Verhalten mit der Polizei teilweise unzufrieden sind. Als Beispiel wird
dabei genannt, dass sie das Verhalten der Polzei teilweise als
unangemessen aggressiv empfinden und zum anderen, dass sie
polizeiliche Maßnahmen als diskriminierend empfinden: dass man häufig
kontrolliert wird, wenn man ein bestimmtes Aussehen hat, eine
bestimmte Hautfarbe, lange Haar. Es zeigt also dass in der
Wahrnehmung der jungen Menschen da irgendwo ein Problem besteht.
MOD Natürlich ist die ein oder andere Aussage von Jugendlichen flapsig.
Doch sollte ein Polizist so gut geschult sein, dass er die Situation positiv
auflösen kann. In München müssen alle Polizisten ein jährliches
Einsatztraining, mit Kommunikationstraining absolvieren, damit sich
keine falschen Verhaltensweisen einschleifen. Außerdem versucht man
über soziale Medien gerade jungen Menschen näher zu kommen und
immer häufiger werden auch Beamte eingesetzt, die nur dazu da sind
die jeweilige polizeiliche Maßnahme zu erklären. Es tut sich also einiges.
in Österreich ist man schon ein bisschen weiter, als in den meisten
deutschen Bundesländern: Dort gibt es seit einigen Jahren das Projekt
Polizei.Macht.Menchen.Rechte. das die Menschenrechte bei der
täglichen Polizeiarbeit ganz oben ansiedelt. Bei der Auswahl des
Personals wird verstärkt auf die ethnische, kulturelle und soziale
Herkunft geachtet. Damit werden innerhalb der Polizei möglichst alle
Bevölkerungsgruppen repräsentiert. In der Ausbildung stehen die
Menschenrechte im Vordergrund und es wurde eine Analysestelle
eingerichtet, die die Beamten in ihrer täglichen Arbeite beraten soll.
Allerdings ist auch diese Kampagne eine Folge öffentlichen Drucks nach
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Seite 18
Verfehlungen der österreichischen Behörden. In Bayern und
Deutschland, ist man leider noch ein Stück weiter entfernt von einer
transparenten und bürgernahen Polizei, meint Anwalt Marco Noli.
ZSP
Noli: nicht bürgernah, fordert Kennzeichnung ist völkerrechtlich
verpflichtend (2:00)
Ich bin der Auffassung, dass das Erscheinungsbild der Polizei, das wir
momentan haben weder Bürgernähe ausstahlt noch Transparenz. Nur
mal ein Beispiel: das Auftreten der Polizei insbesondere von
geschlossenen Einheiten mit Schutzanzügen und Helmen, mit
Schlagstöcken bewaffnet ist teilweise eher martialisch, als dass es
bürgernah rüberkommt. Das wird auch ganz bewusst so gemacht. Als
ein absolutes Mindesmaß an Bürgernähe ware es z.B. erforderlich, dass
diese Beamten in irgendeiner Form - wenn es zu Vorwürfen von
unrechtmäßiger Polizeigewalt kommt - identifizierbar sind.
Beispielsweise, dass man weiß wer des war. Jetzt ist es aber so, dass in
Bayern Beamte keinerlei individuelle Indentitfizierungsmerkmale tragen.
Nicht einmal Nummern - wenn die Helme tragen sehen die alle gleich
aus. Nun ist es so, dass die Indentifizierbarkeit staatslichen Handelns
von der europäischen Menschenrechtskonvention gleichwermaßen
gefordert wird, wie von internationalen Organisationen, der EU
Menschenrechtskomissar hat hierfür Deutschland auch schon mal
kritisiert, dass das nicht umgesetzt wurde. Es ist schlichtweg
völkerrechtlich verpflichtend, dass Polizeibeamte individualisierbar sind.
MOD Auch hier kommt großer Widerstand von Polizeigewerkschaften und
Interessensverbänden, die von einer “Vorverurteilung der Polizisten”
sprechen und eine Welle von unbegründeten Klagen befürchtet.
Mittlerweile gibt es in ⅔ aller EU-Ländern eine Kennzeichnung von
Beamten, in den meisten sogar mit Namen und auch in 10 deutschen
Bundesländern wird an einer Kennzeichnung mit Nummern gearbeitet.
Das Selbstbild scheint angeknackst und es schwingt so etwas wie Angst
vor dem Bürger mit. Dabei ist die Polizei doch beliebt. wie kommt es also
zu diesem Widerspruch? Der Kriminologe Thomas Feltes:
ZSP
Feltes: Repression und Crime-Fighter (2:20)
“Weil wir nach wie vor in D der Auffassung sind, dass Polizei ein
repressives Instrument des Staates, das dafür sorgen soll, dass keine
Straftaten begangen werden. Der Verkehrsbereich auch erledigt wird
usw. Als ich vor 25-30 Jahren mit den ersten Ergebnissen zum
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Seite 19
polizeilichen Alltagshandeln rausgekommen bin… ich hab nämlich
angeguckt: wenn Polizisten tagsüber was machen, was machen die
eigentlich? Zu welchen Einsatzanlässen fahren die raus? Da spielten
ganz oft Hilfeleistungen eine Rolle: die alte Oma, die hilflos im Sessel
sitzt und nicht raus kann. Der Papagei der im Baum sitzt und gefangen
werden muss. Die Katze die sich in einem Loch verfangen hat. Oder
Betrunkene. Ganz oft Konfliktschlichtungen von Streitereien in
Wohnungen, in Häusern. Das wollte man nicht wahrhaben, weil es sich
nicht mit dem Bild der Polizei als Crimefighter in Einklang bringen lies.
Man hat aber mit der Zeit erkannt, dass das genau die Bereiche sind, in
denen die Polizei punktet. Weil da ist sie erfolgreich und produziert gute
Ergebnisse. Wohingegen bei der Kriminalitätsbekämpfung -- Einbruch -kann sie nur den kürzeren ziehen. Da hat sie eben keine Erfolge, weil sie
auch keine Erfolge haben kann. Und das haben clevere Polizeiführer
erkannt und stellen sich entsprechend auf, aber die Politik ist nach wie
vor der Auffassung, die Polizei muss eben dafür sorgen, dass Sicherheit
und Ordnung herrscht und wenn das nicht der Fall ist, dann müssen wir
eben mit härteren Maßnahmen, mit schärferen Gesetzen, mit mehr
Personal rangehen. Aber das unter allem im Grunde die Frage liegt, was
für ein Vertrauen hat die Bevölkerung in die Polizei und dass diese Frage
grundlegend für die Aufklärung aller Arten von Straftaten ist, weil die
Polizei selbst klärt nur 3-4% aller Straftaten auf. Von den aufgeklärten
werden 96% durch Zeugen. durch Opferaussagen, durch Dritte quasi
aufgeklärt und wenn die der Polizei nicht helfen, ist die Polizei arm dran.”
MOD Den Hinweisen aus der Bevölkerung, den Anzeigen muss natürlich
jemand nachgehen und das darf nur die Polizei. Eine Reise quer durch
die Republik geht für mich zu Ende. Es bleibt das Gefühl einer großen
und komplexen Organisation gegenüberzustehen, die sich eher langsam
entwickelt und die in den meisten Fällen eine konservative Grundhaltung
hat. Aber sie entwickelt sich. Wohl auch dank der progressiven Denker
aus ihrem Umfeld. Die Polizei kann noch besser und vor allem offener
werden. Die Politik kann dafür sorgen, dass Verfehlungen objektiv und
unabhängig aufgeklärt werden. Was man aber nie vergessen darf: das
Denken von 1992.
ZSP
Streibl Zuspieler kurz: ...dass wir dabei dann auch manchmal etwas
härter hinlagen…
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Seite 20
MOD Dieses Denken von Max Streibl wäre heute nicht mehr möglich. Die
Polizei ist also schon einen weiten Weg gegangen. Am Ziel ist sie noch
nicht.
Das war:
Titel
Das Selbstverständnis der Polizei - Eine kritische Betrachtung
Eine Sendung von Maximilian Cress und Florian Schairer
MOD Sprecher: Maximilian Cress
Technik:
Produktion und Musikauswahl: Helen Malich
Redaktion: Tom Kretschmer
Die Playlist, sowie Links zur Sendung gibt es im Web unter bayern2.de
und Zündfunk. Dort kann man diese und weitere Generator-Sendungen
auch als Podcast abonieren und herunterladen.
Und nächsten Sonntag um 22.05 Uhr im Zündfunk Generator auf
Bayern2: Maude Barlow und ihr Engagement für das Trinkwasser.
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