SWR2 Feature

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Feature
Was kostet die Demokratie?
Die Koch-Brüder und der Wahlkampf in den USA
Von Tom Schimmeck
Sendung: Mittwoch, 2. März 2016
Redaktion: Karin Beindorff
Produktion: DLF/SWR 2016
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede
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Atmo:
Saal / Jubel
Announcer: Welcome to the heartland! And welcome to Americans for Prosperity„s
2015 Defending The American Dream Summit!
O-Ton:
Ton Video original „Will you be a torchbearer?” „We are the one who must fight for
liberty…
O-Ton:
Luke Hilgemann
Here we are, 3600 Freedom Fighters…
Jubel
Erzähler:
Luke Hilgemann, CEO von AfP, von „Americans for Prosperity“, besteigt die riesige
Bühne, badet im Scheinwerferlicht.
O-Ton:
Luke Hilgemann And it is because of everyone of you in this crowd, the lifeblood of
our organisation, our amazing, fearless, courageous activists, that I can confidently
say yet again: Freedom is on the march in America!
Sprecher 1:
Wegen jedes einzelnen von Euch, dem Lebenssaft unserer Organisation, den tollen,
furchtlosen, tapferen Freiheitskämpfern, sage ich ganz überzeugt: Freiheit ist auf
dem Vormarsch in Amerika!
Erzählerin:
Luke trabt über das Halbrund des Podiums. Lächelt wie ein Nussknacker. Wirkt wie
ein Manager, der sich in eine Mega-Kirche verirrt hat.
O-Ton:
Luke
Two and a half million people heard from our activists and our ground troops last
year. They heard a message of opportunity, a message of hope. And we change the
course of history in this country together. Thank you. It doesn„t happen without you!
Sprecher 1:
Zweieinhalb Millionen Menschen hatten letztes Jahr Kontakt mit unseren Aktivisten,
unseren Bodentruppen. Sie hörten eine Botschaft der Möglichkeiten, der Hoffnung.
Gemeinsam verändern wir den Lauf der Geschichte in diesem Land. Danke. Ohne
Euch ginge das nicht.
Ansage:
Was kostet die Demokratie?
Die Koch-Brüder und der Wahlkampf in den USA
Ein Feature von Tom Schimmeck
1
O-Töne:
I am not a believer in global warming. I think it is a false science…
I am just tired of status quo. I want things to change
What made me conservative? I wanna be me, I wanna live my life. I am little bit of
John Wayne, I suppose…
Sprecher 2:
Ich glaube nicht an die Erderwärmung. Das ist falsche Wissenschaft…
Sprecherin 2:
Ich hab den Status Quo einfach satt. Die Dinge müssen sich ändern…
Sprecher 3:
Was hat mich konservativ gemacht? Ich will einfach ich sein. Da bin ich wohl ein
bisschen wie John Wayne…
Atmo/O-Ton:
Here we go! Please welcome the president of Americans for Prosperity! Ladies and
gentlemen! Tiiiiiiiiiiiim Philips!
Erzählerin:
Nun ist der AfP-Präsident an der Reihe. Strahlend grüßt Tim Phillips sein Publikum:
Atmo Phillips: Hello, freedom fighters!
O-Ton:
Tim Phillips Today 3600 of you from all 50 states make this summit the biggest in our
history.
Sprecher 2:
Mit 3600 Delegierten aus allen 50 Bundesstaaten ist dies der größte Gipfel unserer
Geschichte.
Erzähler:
August 2015. Die AfP hat zum neunten „Gipfel zur Verteidigung des amerikanischen
Traums“ gerufen, diesmal nach Columbus, Ohio. Viele sind mit Bussen gekommen,
haben endlose Fahrten hinter sich. Junge Menschen, alte Menschen. Hochmotiviert,
drängen in das Kongresszentrum.
Atmo Masse Gedränge vor der großen Halle
O-Ton:
William The Message is: We want America back!
Erzähler:
Wir wollen Amerika zurück, ruft William, ein fröhlicher Senior aus North Carolina.
O-Ton:
William I started my own Tea Party in Edenton, North Carolina…
2
Erzähler:
Zuhause hat er seine eigene „Tea Party“ gegründet, Demos organisiert. Er ist stolz,
dazuzugehören – zu den „Bodentruppen“ von AfP.
Im Flur steht Steven Moore, Ökonom der stockkonservativen Heritage Foundation,
ihre ewige Botschaft auf den Lippen: Mehr Markt, weniger Staat.
O-Ton:
Moore We have to take the country back and we have to get back to our roots, which
is: free enterprise, limited government, less regulation, sound money, free trade…
Sprecher 4:
Wir müssen das Land zurückerobern, zurück zu unseren Wurzeln.
Musik
Erzähler:
Americans für Prosperity – das ist Bewegung, Familie und Pfadfinderlager in einem.
Eine Heimat für jene, die eigentlich ganz Washington als gierig, faul und korrupt
empfinden. Und Barack Obama als Supersozialisten.
Erzählerin:
Ihre Manager und Kampagnen-Profis sind stets auf der Suche nach dem perfekten
Gefühlscocktail aus Empörung und Freude, Rührung und Hass, dazu ein kräftiger
Schuss Vaterlandsliebe. Im Schriftzug der Organisation brennt eine Fackel.
O-Ton:
Sprecher: Americans for prosperity. Freedom is on the march.
Musik
Erzählerin:
Das Leitmotiv: Ökonomische Freiheit. Soll heißen: Niedrige Steuern, wenig
Regierung, kaum Regulierung.
Erzähler:
AfP verfügt nach eigenen Angaben über 500 Mitarbeiter und 2,3 Millionen Aktivisten.
Die Infanterie eines gewaltigen Polit-Konglomerats, das unter der Oberaufsicht der
Milliardäre Charles und David Koch1 steht.
O-Ton:
Dave Koch Five years ago my brother Charles and I provided the funds to start
Americans for prosperity.
Erzähler:
Die Brüder – 80 und 75 Jahre alt - herrschen über Koch Industries, dem zweitgrößten
US-Konzern in Privatbesitz. Das Vermögen von Präsident Charles Koch und Vize
David wird auf je auf gut 42 Milliarden Dollar geschätzt.
1
sprechen wie: Coke
3
O-Ton:
And it is beyond my wildest dreams how AfP has grown into this enormous
organization…
Erzählerin:
Ihr politisches Imperium ist ein komplexes Geflecht von Trusts, Stiftungen, Instituten,
Firmen und Vereinen. Die Koch-“Maschine“, resümierte das US-online-Magazin
Politico im Dezember 2015, sei
Sprecher 4:
…eine Operation, wie es sie in der amerikanischen Geschichte noch nie gegeben
hat. Sie umfasst Hunderte von Spendern und beschäftigt ganzjährig 1200 VollzeitMitarbeiter in 107 Büros im ganzen Land. Etwa dreieinhalb Mal mehr als das
Republikanische Nationalkomitee und seine Ableger.
Erzähler:
AfP mobilisiert auf allen Ebenen: In Medien, Unternehmen, Universitäten,
Parlamenten und auf der Straße.
Erzähler:
Man kämpft gegen Obamas allgemeine Krankenversicherung, gegen
Gewerkschaftsrechte, öffentliche Bildung und Umweltgesetze.
Atmo Tiere
O-Ton:
Hi! I am Senator Jim Inhofe from Oklahoma and I am proud to be one of the
hundreds of lawmakers on all levels of government to sign the Americans for
Prosperity „No Climate Tax Pledge”…
Sprecher 1:
Ich bin Senator Jim Inhofe aus Oklahoma und stolz darauf, zu den Hunderten von
Abgeordneten zu zählen, die den „No Climate Tax Pledge” von Americans for
Properity unterschrieben haben.
Erzählerin:
Ein beliebtes Instrument: Der öffentliche „Schwur“. Seit 2008 kursiert etwa ein „No
Climate Tax pledge“, mit dem sich Abgeordnete verpflichten,…
Sprecher 4:
„… jede Gesetzgebung im Bezug auf den Klimawandel abzulehnen, die zu einer
Erhöhung der Nettoeinnahmen der Regierung führt“.
Erzählerin:
Heißt übersetzt: Dass Konzerne niemals Steuern zum Schutz der Umwelt zahlen
werden. Ein Politiker, der einen solchen Eid leistet, darf auf Pluspunkte auf seiner
„Scorecard“ hoffen, einer Bewertungsliste, die AfP – online – über jeden
Mandatsträger führt.
4
Erzähler:
Die komplette Führung der Republikaner im Kongress hat den Eid geleistet.
O-Ton:
Collage Anti-“Obamacare”-Proteste („Kill the bill”)
Erzählerin:
Als Präsident Obama seine Gesundheitsreform startete, organisierte ein Verein
namens Patients United Now den Protest – gesponsert von AfP.
Sprecher 4:
Motto: „Kill the bill“.
Erzähler:
Tötet das Gesetz. Bei einer Demo wurde die Puppe eines Abgeordneten der
Demokraten aufgeknüpft, auf einer anderen ein Banner mit Leichen aus dem KZ
Dachau entrollt. Aufschrift:
Sprecher 4:
„Nationalsozialistische Gesundheitsversorgung: Dachau, Deutschland”
Erzählerin:
Im Wahljahr 2016 will die Koch-Maschinerie – Kritiker nennen sie den „Kochtopus“ –
zur Förderung ihrer politischen Ziele die enorme Summe von 889 Millionen Dollar
ausgeben.
Erzählerin:
In den USA werden sie „Cokes“ ausgesprochen. Ursprünglich aber stammen die
Kochs2 von der Nordseeküste.
Erzähler:
Hotze Koch, Großvater der Milliardäre Charles und David, wurde 1867 in Workum,
Friesland geboren. Die Mutter starb, als Hotze acht war. Der Vater heiratete eine
junge Bankierstochter, die ihm weitere Kinder gebar. Hotze soll zehn Geschwister
gehabt haben. Er lernte den Beruf des Druckers, in Den Haag und in Deutschland.
Mit 21 Jahren schiffte er sich 1888 auf der New Amsterdam ein, dem Flaggschiff der
Holland-Amerika-Linie, und dampfte nach New York. Aus Hotze wurde Harry.
Erzählerin:
Er arbeitete in Grand Rapids und Chicago, lernte Englisch. 1890 zog er weiter nach
Texas, ließ sich in Quanah nieder, einem staubigen Kaff, das seiner Entdeckung
harrte. Harry kaufte die Zeitungen am Ort und vereinigte sie zur „Quanah TribuneChief“. Er heiratete, investierte in Öl, in Grundbesitz, in die neue Bahnlinie, schrieb –
zum eigenen Vorteil – Quanahs Boom herbei. Und wetterte gegen Gewerkschaften
und Steuern, gegen faule Farmer, streikende Arbeiter, staatliche Regulierung und
Franklin D. Roosevelts New Deal.
2
hier deutsch gesprochen
5
O-Ton:
Jeb Bush Thank you so much, Tim, thank you for that kind introduction, what a great
speech. David, it„s great seeing you… It is a joy to be here…
Erzähler:
Präsidentschaftskandidat Jeb Bush ist extra nach Columbus gekommen, um zu den
Aktivisten von Americans for Prosperity zu sprechen. Bevor er die Zuhörer begrüßt,
schmeichelt der Republikaner sich beim Geldgeber ein.
Sprecher 2:
David, es ist großartig, Dich zu sehen.
O-Ton:
Jeb Bush
David, it‟s great seeing you.
Erzählerin:
David Koch, 75, sitzt in der ersten Reihe, lächelt huldvoll. In der Weltsicht der Kochs
gilt Jeb Bush als fast schon ein bisschen links. Also nimmt Bush sich den Verräter
Edward Snowden vor, attackiert „Obamacare“ und lobt das Projekt einer Öl-Pipeline,
die den Kochs heilig ist. Man müsse sich um die Latinos kümmern, sagt der Bush
aus Florida. Das haben die Kochs auch schon erkannt. Und viel Geld in LIBRE
gesteckt, eine Organisation, die 2014 in Arizona, Florida und Texas Millionen
ausgegeben hat, um demokratische Kandidaten in TV-Spots zu schmähen.
Erzähler:
Als nächster ist Bobby Jindal an der Reihe. Indischstämmig. Ex-Gouverneur von
Louisiana.
O-Ton:
Jindal
My parents came here to chase the American dream. They caught the American
dream, they lived the American dream. That is what this election is about… My
parents when they cane, they came to this country legally…
Riesenbeifall
Sprecher 3:
Meine Eltern kamen hierher, um den amerikanischen Traum zu suchen. Sie haben
ihn gefunden, haben ihn gelebt. Und: Sie kamen legal in dieses Land.
Erzählerin:
Jindal präsentiert sich als Mann, der den Staat tatsächlich klein hält und spart. Und
natürlich feuert auch er das Reizwort in die Menge: „Obamacare“.
O-Ton:
Jindal
We„ve got to appeal and replace every single word of „Obamacare“. Jubel
6
Erzählerin:
Fünf republikanische Präsidentschaftsbewerber haben sich extra nach Ohio
aufgemacht, um bei Kochs Kampftruppe vorzusingen. Um Gefallen zu finden bei den
großen Geldgebern.
O-Ton:
Perry
I live by the philosophy that limited government leads to unlimited opportunity.
Jubel Beifall
Erzähler:
Wir brauchen weniger Staat, erklärt Rick Perry, der Ex-Gouverneur von Texas.
O-Ton:
Rubio We must rebuild our military to ensure it remains the single most powerful
military force in the world.
Erzähler:
Aber das US-Militär, ruft Marco Rubio, Senator aus Florida, müsse das mächtigste
der Welt bleiben.
Erzählerin:
Sie alle umkreisen in ihren Reden die Eckpfeiler der Koch‟schen Ideologie
O-Ton:
RubioThe policies that we follow in this country are outdated.
O-Ton:
Perry On fighting this massive takeover of our healthcare.
O-Ton:
Rubio So why do so many people feel like the American dream is slipping away?
O-Ton:
Jindal Ende I am asking you to believe again… Jubel, Beifall Musik
Erzählerin:
Zu diesem Zeitpunkt, im Sommer 2015, sind noch 17 Republikaner im
Präsidentschafts-Rennen. Zwei der Geladenen, Perry und Jindal, werden vor
Jahresende aufgeben. Jeb Bush ist nur zur Begutachtung eingeladen – weil er noch
als Favorit gilt. Und es geschafft hat, enorm viel Geld einzusammeln. Der
kometenhafte Aufstieg des Donald Trump hat gerade erst begonnen. Der braucht die
Kochs weniger dringend. Ist er doch selber Milliardär.
O-Ton:
Cruz: Wow! Jubel
Erzähler:
Dann betritt Ted Cruz die Bühne. Das Licht zuckt in wilden Farben. Der DJ gibt alles.
Cruz starrt in die Menge.
7
Atmo:
Cruz: God bless AfP. What an incredible passion is gathering here today! Jubel Let
me tell you something: Washington D.C. is terrified of the men and women in this
room! Jubel
Sprecher 1:
Welch unglaubliche Leidenschaft hier heute versammelt ist. Ich sage Euch:
Washington D.C. zittert vor den Männern und Frauen in diesem Raum!
Erzähler:
Cruz, Senator aus Texas, ist der Star der „Tea Party“ und der evangelikalen Rechten.
Und passt wohl auch am besten hierher. Bei der Vorwahl in Iowa schnitt er schon vor
Donald Trump als Bester unter den Präsdentschaftskandidfaten ab. Er hat
versprochen, die Befugnisse der Umweltbehörden radikal zu beschneiden, die
Bundessteuern zu streichen und Obamas allgemeine Krankenversicherung am
ersten Tag im Weißen Haus zu zerschlagen.
O-Ton:
Cruz We are here today because we are bankrupting our kids and grandkids.
Because our constitutional rights are under assault from Washington each and every
day. And because America has receded from leadership in the world. And yet I am
here to tell you: All across this country, thanks to the work of each of you, America is
waking up! Jubel And help is on the way! Jubel
Sprecher 1:
Überall im Land erwacht Amerika, dank der Arbeit jedes Einzelnen von Euch.
O-Ton:
Cruz We will restore that shining city on a hill that is the United States of America!
Thank you! And god bless you! Jubel Rockmusk
Erzählerin:
Es ist ein Schaulaufen. Wie in einem Laborversuch testen die Manager von AfP auf
eigener Bühne die Durchschlagskraft von Politikern. Charles Koch, der ältere Bruder,
der sich nur selten in der Öffentlichkeit zeigt, hat die Welt bereits wissen lassen, dass
er eigentlich von allen Kandidaten enttäuscht sei.
Erzähler:
Fred Chase Koch, das zweite Kind von Harry Hotze Koch, kam im Jahr 1900 in
Quanah zur Welt. Er studierte am renommierten MIT, wurde Ingenieur, entwickelte
ein Verfahren zur effizienteren Gewinnung von Treibstoff aus Erdöl. Mit den Giganten
der Ölindustrie führte Freddy über Jahre Prozesse um Patente. Er hatte sein Leben
lang Herzprobleme.
Erzählerin:
Einen Teil seines Grundkapitals verdankte Fred Koch Josef Stalin. Ab dem Ende der
1920er-Jahre reiste er immer wieder in die Sowjetunion, um Ingenieure zu trainieren
und beim Bau von 15 Raffinerien zu helfen. Koch empfand Stalins Reich als „Land
des Hungers, des Elends und des Schreckens“. Aber er verdiente blendend. Ab 1934
8
soll Koch – nach Recherchen der Journalistin Jane Meyer – auch eine Raffinerie in
Hamburg gebaut und später die faschistischen Achsenmächte gelobt haben:
Sprecher 1:
Auch wenn keiner mir zustimmt, bin ich der Meinung, dass die einzigen intakten
Länder der Welt Deutschland, Italien und Japan sind. Einfach weil hier alle arbeiten
und hart arbeiten.
Sprecher 4:
„Unser Vater hat mit uns Kindern andauernd darüber gesprochen, was falsch ist an
der Regierung und ihrer Politik.
Erzähler:
…erzählte David Koch dem Autor Brian Doherty, der 2007 ein Buch über die
Libertäre Bewegung der USA veröffentlichte: „Radikale für den Kapitalismus“.
Sprecher 4:
„Mit diesem fundamentalen Standpunkt bin ich aufgewachsen, dass „big
government“, eine starke Regierung, schlecht ist. Und es nicht gut ist, wenn eine
Kontrolle der Regierung über unser Leben und unseren Wohlstand aufgezwungen
wird.“
Erzählerin:
Mit aller Härte versuchte Fred, aus seinen Söhnen Frederick, Charles und den
Zwillingen David und William echte Männer zu formen. Sie mussten auf der großen
Farm in Wichita, Kansas, rackern, nun der Sitz der Familie. Durften nicht im Pool des
Country Clubs plätschern wie andere Kinder aus den besseren Kreisen.
Sprecher 4:
„Indem er mir früh Arbeitsmoral einimpfte‚ hat mir mein Vater einen großen Gefallen
getan“,
Erzähler:
notierte Charles später.
Sprecher 4:
„Seit ich acht war, sorgte er dafür, dass ich in meiner Freizeit fast immer Arbeit
hatte.“
Erzählerin:
Die Konkurrenz der Brüder war hart. Es gab viel Eifersucht und Prügel. Später, in
den 80er und 90er-Jahren, hetzten sie Heerscharen von Detektiven und Anwälten
aufeinander. Nun ging es um die Macht im Koch-Konzern. Und um Milliarden.
Erzähler:
Frederick zog sich, auf das große Geld gebettet, als Kunstsammler und Philantroph
zurück. Der ewig zornige William gewann 1992 den America„s Cup. Charles
übernahm früh den Koch-Konzern. Und David dient bis heute als treuer Vize.
9
Erzählerin:
Der Vater witterte bald überall die rote Gefahr. Bewunderte Benito Mussolini.
Verachtete die Bürgerrechtsbewegung als fünfte Kolonne des Kommunismus.
Sprecher 4:
Der farbige Mensch spielt eine bedrohliche Rolle im kommunistischen Plan zur
Eroberung Amerikas.
Erzähler:
1958 gründete Fred Koch mit Gesinnungsgenossen die John Birch Society.
Musik Bob Dylan: Talkin' John Birch Paranoid Blues
Erzähler:
Bob Dylan schrieb 1962 einen Song über die Society, den „Talkin' John Birch
Paranoid Blues“.
Songtext:
I didn't know what in the world I was gonna do,
Them Communists they wus comin' around,
They wus in the air,
They wus on the ground.
They wouldn't gimme no peace...
So I run down most hurriedly
And joined up with the John Birch Society,
Sprecher 3:
Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Die Kommunisten kamen von überall, aus der
Luft und an Land. Sie ließen mir keinen Frieden. Und so bin ich eilig losgerannt und
der John Birch Society beigetreten.
Erzählerin:
Der Song brachte ihm mächtig Ärger ein. Im Mai 1963 wollte er ihn in der
Samstagabend-Show von Ed Sullivan spielen. Kurz vor Sendung verbot die obere
Etage des Hauses die Aufführung. Dylans Plattenfirma, Columbia verbannte das Lied
sogleich von seinem zweiten, zum Teil schon ausgelieferten Album.
Songtext:
Well, I wus lookin' everywhere for them gol-darned Reds.
I got up in the mornin' 'n' looked under my bed,
Looked in the sink, behind the door,
Looked in the glove compartment of my car.
Couldn't find 'em...
Sprecher 3:
Überall hab ich nach den verdammten Roten gesucht. Morgens stand ich auf und
guckte unters Bett, guckte ins Waschbecken und hinter die Tür, sogar ins
Handschuhfach meines Autos. Konnte sie nicht finden.
10
Erzähler:
Fred Koch starb 1967, nachdem er auf einem Jagdtrip in Utah eine Ente vom Himmel
geholt hatte. Seine letzte Worte: „Was für ein prächtiger Schuss.“
Atmo Schüsse
Erzählerin:
Zeit für das Mittagessen. Im Ballroom drängt das AfP-Volk zu den braunen LunchBoxen. Kleine Kalorienbomben. Ein Sandwich – Pute, Rind oder vegetarisch –,
Schokokekse und Chips. Einen Apfel gibt es auch. Und Coke natürlich.
Atmo Werber Leadership Institute We are signing up people right now…
Erzählerin:
In der Halle davor werben befreunde Organisationen um Unterstützung, verteilen
Zettel und Bücher. Die „Tax Foundation“ etwa – stets auf der Suche nach den
Siegern im Niedrigsteuerwettbewerb. Oder das „Leadership Institute“. Seit 1979
schult es die rechte Elite.
O-Ton:
Werber On behalf of Leadership Institute we„re helping train a number of effective
conservative activists in the public policy process.
Sprecher 2:
Wir vom Leadership Institute helfen dabei, viele schlagkräftige, konservative
Aktivisten für den politischen Prozess zu schulen.
Erzähler:
Angenommen, ich wäre ein junger, aufstrebender Konservativer und würde was
werden wollen in der Politik. Was könnte ich bei Euch lernen?
O-Ton:
Well you can learn a wide variety of things. We offer over 40 different trainings,
whether it be high dollar fundraising, direct mail fundraising, public speaking, future
candidate school, campaign management school. There is a variety of things. We
offer our youth leadership school, which is our flagship school, dubbed „the boot
camp of politics“ on how to effectively launch a mass-based youth effort, how to do a
campus-canvas, yeah.
Sprecher 2:
Eine ganze Menge. Also wir bieten über 40 Kurse an: Fundraising für große Beträge
oder per Postwurfsendung, öffentliche Rede, den Kurs für künftige Kandidaten und
den für Kampagnenmanagement. Am bekanntesten ist unsere Schule für junge
Führer. Sie gilt als das „Ausbildungslager der Politik“. Da lernst du, wie man
erfolgreich eine Jugendbewegung startet und zum Beispiel Wahlkampf auf dem
Campus macht.
Erzähler:
Der junge Mann hat das Training selbst durchlaufen.
11
Sprecher 2:
Wenn Du in die Politik willst, solltest Du das machen.
O-Ton:
Yeah. We‟ve trained, I think, to date over 165000 people since we started. A lot of
people owe their success in part to Leadership Institute„s training.
Sprecher 2:
Bislang haben wir, glaube ich, über 165.000 Leute geschult. Eine Menge Politiker
schulden ihren Erfolg teilweise dem Leadership Institute.
Erzähler:
Gegenüber der Stand der American Energy Alliance. Ihr Werbegeschenk:
Lippenbalsam mit Koffein.
O-Ton:
Kris
It can give you a little jolt of energy, I guess.
Sprecher 3:
Das gibt Dir einen Schuss Energie,
Erzähler:
witzelt Kris, ein junger Aktivist
O-Ton:
Kris Basically our goal is just to get government out of energy policy.
Sprecher 3:
Im Grunde ist unser Ziel, die Regierung aus der Energiepolitik rauszuhalten.
O-Ton:
Kris We are… free market.
Erzähler:
Das regele der freie Markt halt am besten, meint Kris. Die Energy Alliance ist der
Kampagnen-Arm des Institute for Energy Research, die Gründung eines ehemaligen
Lobbyisten von Koch Industries.
O-Ton Energy Alliance spot: Sprecher:
The simple truth: America needs jobs. And the Keystone pipeline will create
thousands of high-paying jobs…
…but Senator Marc Udall is siding with Washington lobbyists and special interests to
kill it. Call Senator Udall! Tell him: Put our interests over Washington‟s special
interest!
Sprecher 1:
Die einfache Wahrheit: Amerika braucht Jobs. Und die Keystone wird Tausende hoch
bezahlte Jobs schaffen…
12
Erzähler:
Als sich der demokratische Senator Mark Udall3 gegen die Keystone-XL-Pipeline
aussprach, eine ökologisch umstrittene Rohöl-Leitung, die von Kanada bis nach
Texas führen soll, schaltete die Energy Alliance – eng mit den Kochs verknüpft –
2014 TV-Werbung im Wert von über 400.000 Dollar.
Sprecher 1:
Doch Senator Marx Udall schlägt sich auf die Seite von Lobbyisten und Verbänden in
Washington, um sie zu zerstören.
Erzähler:
Die Pipeline wurde Anfang 2015 im US-Kongress von der republikanischen Mehrheit
und einigen Demokraten beschlossen. Dagegen stand das Veto Obamas. Ende 2015
stoppte das Betreiber-Konsortium selbst das Prüfverfahren. Der Ölpreis war nun
unrentabel niedrig. Und Kanada hatte eine neue Regierung.
Erzähler:
Am Nebentisch lächelt Stephanie von „Heritage Action“, dem militanten Arm der
Heritage Foundation. Auch „Heritage Action“, gegründet 2010, führt eine „Scorecard“,
ein öffentliches Punktekonto, für jeden Politiker. Macht Druck. Gibt Hunderttausende
für aggressive TV-Propaganda aus.
O-Ton:
Stephanie
Heritage Foundation
Erzähler:
Unsere Stiftung macht all die tolle Forschung, sagt sie.
O-Ton:
And Heritage Action works to make them a reality, so helping to hold Congress
accountable and get those across the finish line.
Sprecherin 1:
Und Heritage Action hilft, sie Wirklichkeit werden zu lassen. Wir ziehen den Kongress
zur Verantwortung. Und bringen die Politik über die Ziellinie.
Erzähler:
Ihr arbeitet also zusammen?
O-Ton:
We do! We work together. Heritage Foundation is a 501(c)(3), so they do a lot of
research and policy work. And we are a 501(c)(4), we do a lot of activism and action
work. We are the fighting force, yeah.
3
sprich: Juu-dool
13
Sprecherin 1:
Ja! Heritage Foundation ist ein 501-c-34, die machen Recherche und Planung. Und
wir sind ein 501-c-4 und machen Aktivismus und Action. Wir sind die Kampftruppe.
O-Ton:
Stephanie - nur Atmo
Right, so we have…
Erzählerin:
Der Zahlencode stammt aus den US-Steuervorschriften. „501-c-3“ ist eine
Wohltätigkeitsorganisation oder private Stiftung mit offener Mitgliedschaft. Sie darf
maximal fünf bis 20 Prozent für Lobbyismus aufwenden, keine politischen Aktivitäten
entfalten und weder Geld noch Zeit für politische Kampagnen aufwenden. Spenden
sind abzugsfähig.
Erzähler:
Die Variante „c-4“ steht für Bürgervereinigungen, die ausschließlich der Förderung
sozialer Wohlfahrt, lokaler Vereine oder von Mitarbeitern dienen. Sie dürfen
Lobbyismus betreiben und Geld für Politik geben. Spenden sind nicht abzugsfähig.
Wobei Firmen, die hier einzahlen, die Summen gern als Werbungs- oder
Betriebskosten absetzen. Beide Varianten müssen weder Spender noch Summen
veröffentlichen.
Sprecher 4:
„Wenn Sie das Beste beider Welten wollen,“
Erzählerin:
heißt es in einem Steuerratgeber,
Sprecher 4:
„gründen sie zwei getrennte, aber verbundene Organisationen – eine wohltätige 501c-3 und einen 501-c-4-Lobby-Arm.“
Erzähler:
So wird Lobbyismus zu Wohltätigkeit.
Erzählerin:
So können Konzerne und Verbände der Wirtschaft die Kosten für ihren Kampf für
noch geringere Steuern von der Steuer abziehen.
Erzähler:
Auf den Spenderlisten beider Parteien stehen heute superreiche Gönner, die
verlässlich Millionen beisteuern. Die der Republikaner kommen eher aus Texas und
generell aus dem Süden, die der Demokraten eher von der West- und Ostküste.
Erzählerin:
Schon seit 1944 gibt es die Institution des Political Action Committee, kurz PAC5. Die
Regeln sind einigermaßen klar:
4
sprich: feif–ou–wuan-ßie-thrie (Oder Deutsch. 5-0-1-c-3) bzw -4
14
Erzähler:
Ein solcher Verein kann Geld sammeln, um Kampagnen für oder – immer häufiger –
gegen einen Kandidaten zu starten. Ein PAC darf, vereinfacht gesagt, pro Wahl 5000
Dollar an das Komitee eines Kandidaten geben und 15 000 pro Jahr an die Komitees
der Parteien. Alles wird veröffentlicht.
O-Ton:
I am Barack Obama and I approve this message.
Erzählerin:
Doch US-Wahlkämpfe verschlingen immer phantastischere Summen. Im Jahr 1990
kostete die Schlacht um den US-Kongress etwa 470 Millionen Dollar. 2014 waren es
nach Rechnung des Center for Responsive Politics bereits über 3,7 Milliarden Dollar.
Präsidentschaftswahlkampf und Parlamentswahlen zusammen schlugen 2012 mit
über 6,2 Milliarden Dollar zu Buche. Die Rechnung für 2016 wird weit darüber liegen.
Erzähler:
Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs von 2010, mit 5 zu 4 Stimmen gefällt,
brach alle Dämme. Seither gibt es sogenannte Super-PACs – Vereinigungen mit oft
klangvollen Namen wie „America leads“, „Believe Again“ oder „Keep the promise“.
Sie zahlen nicht auf die Konten der Kandidaten ein, sondern ziehen eine Art
Parallelwahlkampf für ihre Schützlinge auf – mit Spots, Anzeigen, Postsendungen.
Mit enormen Mitteln, in unbegrenzter Höhe. Ohne jede Veröffentlichungspflicht.
„Right to rise USA“, das Komitee für Jeb Bush, hatte bereits Anfang 2016 über 100
Millionen Dollar verfeuert. Die Super-PACs agieren wie Tarnkappen-Geldbomber.
Bereits im Wahlkampf 2012 strömten durch 1272 Super-PACs über eine Milliarde
Dollar.
Erzählerin:
So schreitet die Privatisierung der Politik voran. Oft bestimmen nicht mehr Parteien
oder Kandidaten die Themen. Die Großspender formen die Debatte.
Erzähler:
In Wichita, Kansas ist die einst von Fred Koch gegründete Öl-Firma unter der
Führung von Charles und David seit 1967 enorm gewachsen – zum zweitgrößten
US-Konzern in Privatbesitz. Etwa 100.000 Mitarbeiter in 59 Ländern stellen Dünger
her, Holz, Glas, Papier, Baustoffe, Asphalt, auch Auslegeware, Tinte, Nahrungsmittel
und eine Unzahl weiterer Produkte. Der Konzern besitzt Fabriken und Farmen,
Ölraffinerien und tausende Kilometer Pipelines. Die Einnahmen: geschätzt 115
Milliarden Dollar jährlich.
O-Ton:
Koch Werbefilm Musik One of our nations largest private companies is proudly built
on American values and skills. Koch Industries started in the Heartland…
5
Sprich englisch: Pie Ej ßie
15
Erzählerin:
Oberboss Charles lebt noch immer am Stammsitz in Wichita. David spielte lange den
reichen Junggesellen in New York, mit Yacht in Südfrankreich und Strandhaus in
Southhampton. Heute lebt er mit Gattin und Kindern in einer 800-QuadratmeterWohnung an der Park Avenue.
Erzähler:
Politisch aber passt kein Blatt zwischen die Brüder. Sie haben viel ausprobiert.
Charles verbrachte die jungen Jahre noch in Papas John Birch Society. Bis man sich
wegen des Vietnamkrieges überwarf.
O-Ton:
LeFevre Freedom School We„re gonna have some fun here this week. And although I
will be throwing lot of ideas at you, they are not that hard to field. And we are going to
have a lot of fun.
We want to maximise human well-being.
Erzählerin:
Prägender war die Freedom School bei Robert LeFevre in Colorado Springs. Eine Art
Sommercamp für Ultralibertäre. Der Staat, lehrte der, kann gar nicht funktionieren.
O-Ton:
LeFevre Freedom School And so we have to deal with an existing agency that is as
archaic as the spear and the bow and arrow. It does not function as it should. The
only manner it can function is to operate in such a way that it violates the rights of
individuals and it does this both through force and deceit.
Sprecher 2:
Wir haben es hier mit einem Organ zu tun, das so archaisch ist wie der Speer und
Pfeil und Bogen. Es funktioniert nicht, wie es sollte. Die einzige Art, in der es
funktionieren kann, ist durch die Verletzung der Rechte der Individuen. Es tut dies
durch Gewalt und Täuschung.
Erzähler:
Die Brüder denken seit jeher zutiefst libertär. Sie lasen Friedrich von Hayek, den
österreichischen Ökonom, der als Hausgeist von Augusto Pinochet, Margaret
Thatcher und Ronald Reagan Karriere machen sollte.
O-Ton:
Hayek We want on the one hand to provide the business community with arguments
to defend their position. And we want on the other hand – which is a quite different
task, to persuade the intellectuals, the people who make public opinion, to
understand and persuade, äh, and to defend the free enterprise system.
Erzählerin:
Hayek verachtete alle „Pseudo-Liberalen“. Und dazu zählte für ihn selbst Ludwig
Ehrhard.
16
Erzähler:
1977 halfen die Kochs, den ersten libertären Think tank der USA zu gründen: das
Cato Institute, bis heute eine Bastion der neoliberalen Denkschule.
Erzählerin:
1979 überredete Charles seinen jüngeren Bruder David, als Vizepräsident der
Libertären Partei anzutreten. Parteichef war Ed Clarke, der Ronald Reagan von
rechts Konkurrenz zu machen suchte.
Erzähler:
Die Libertären propagierten die Abschaffung des FBI und der CIA, des
Energieministeriums, der Sozialhilfe, des Mindestlohns, der letzten Waffengesetze
und der Einkommenssteuer. David setzte zwei Millionen Dollar auf Sieg. Das
Ergebnis: Magere ein Prozent der Stimmen.
Erzählerin:
Es war Zeit für einen Strategiewechsel. Mit dem Ökonomen Richard Fink, einem
weiteren Hayek-Adepten, schufen sie das Mercatus Center, eine Denkfabrik, die
auch der Firma nützlich war. Schon weil sie ständig die Umweltbehörde EPA anging,
mit der Koch Industries wegen undichter Pipelines und anderer Schäden viel Ärger
hatte. Das Mercatus Center ist heute an der George Mason University zuhause.
O-Ton:
… the plan would have exploded energy costs, hurt the economy, and even cost
American jobs – up to 30,000 jobs in Iowa. Call Mark Jacobs. Tell him Iowa families
can't afford higher energy costs from Washington.
Erzähler:
Fink, der treue Kampfgefährte, hat längst eine Führungsposition bei Koch Industries
inne. Und lenkt diverse Stiftungen und Fonds.
Erzählerin:
Es ist ein politischer Produktionsprozess, industriell aufgezogen. Schon vor 20
Jahren erklärte Fink einer Spenderkonferenz, man müsse Denkfabriken und PACs
nutzen, um intellektuelles Rohmaterial zu „politischen Produkten“ zu veredeln.
Atmo Ehrung der Aktivisten des Jahres mit Hollywood-Musik
Sprecher: …activists of the year!
Erzähler:
Die Regie überlässt nichts dem Zufall. Die Technik ist perfekt: Licht und Sound
ziehen alle Register. Die Delegierten trage weiße Plastikarmbänder. Sie blinken –
ferngesteuert – im Takt der Musik.
Erzähler:
Die „Aktivisten des Jahres“ werden geehrt. Sternenbanner flattern über die
Videoleinwand. Ganze Familien werden auf die Bühne gerufen. AfP-Präsident Tim
Philipps schüttelt Hände.
17
Erzählerin:
Die Profis wissen, wie man Gefühle befeuert. Sie schicken immer neuen Helden auf
die Bühne.
Atmo
Erzähler:
Eine Tochter preist ihren Vater, der als Freiwilliger nach Vietnam ging.
Und nun bei der AfP weiterkämpft.
Atmo Ansager: Please join me in welcoming Navy Seal Nick Norris.
lockere Marschmusik
Erzählerin:
Nun tritt Nick Norris auf, ein ehemaliger Elitesoldat.
O-Ton:
But in all sincerity: Covering you is all about taking care of your body. It„s watching
your body„s back. It„s constantly advancing on the enemy to gain an advantage. It„s
forever increasing your capability and improving your fighting position. You need to
do that.
Sprecher 1:
Deckung bedeutet, auf den Körper zu achten. Aufzupassen, was hinter Dir passiert.
Immer auf den Feind vorzurücken, um einen Vorteil zu kriegen. Dauernd Deine
Fähigkeiten und Deine Kampfposition zu verbessern. Das musst Du tun.
Erzählerin:
So sehen Sieger aus.
Atmo/O-Ton God bless everyone here! God bless Americans for Prosperity! God
Bless America!
Erzählerin:
Irgendwann wurde den Koch-Strategen klar, dass es nicht ausreicht, immer neue
rechtsintellektuelle Zirkel zu gründen. Es galt, aus ihrem Netzwerk der Institute,
Trusts, Komitees und Aktionsgruppen einen Resonanzkörper zu formen, der
öffentlich stets präsent ist, laut ihre Botschaft verkündet. Und zumindest die Illusion
von Masse erzeugt. Eine Organisation musste her, die Straßenlärm macht.
Erzähler:
1984 schufen David Koch und Richard Fink „Citizens for a Sound Economy“.
Sprecher 4:
Bürger für eine gesunde Wirtschaft.
Erzählerin:
Ein Vorläufer von AfP, der gute Dienste leistete.
18
Erzähler:
Bis es in der Ära von George W. Bush zu Konflikten kam.
Erzählerin:
Nun starteten Koch und Fink Americans for Prosperity. Heuerten Tim Philipps an,
einen PR-Experten, der zuvor für den evangelikalen Flügel der Republikaner
gearbeitet hatte. Der schuf eine Art Schattenpartei.
Erzähler:
Ein Recherche–Workshop der American University untersuchte die Geldströme der
Koch-Maschinerie zwischen 2007 und 2011. Ergebnis:
Sprecher 4:
Diverse Koch-Stiftungen spendeten 30,5 Millionen Dollar an 221 Universitäten,
Erzähler:
Top-Empfänger hier: Die George Mason University mit 16 Millionen. Eine staatliche
Universität in Virginia, die mit großzügiger Unterstützung der Kochs zum libertären
Sammelbecken wurde.
Sprecher 2:
41,2 Millionen Dollar gingen an 89 „nonprofits“.
Erzähler:
Darunter das „Institute for Humane Studies“ mit über zehn Millionen, das Mercatus
Center, die AfP Foundation, der „Donors Trust“ und das Charles Koch Institute.
Erzählerin:
Beim Aufstieg der rechten „Tea Party“, die dem republikanischen Establishment seit
2009 mächtig einheizt, fungierte Americans for Prosperity als Geburtshelfer, Trainer,
Stichwortgeber und Organisator.
O-Ton:
Graves They and their acolytes advance an economic agenda in a very fervent
evangelical way, that is almost faith-like.
Erzähler:
Lisa Graves, eine ehemalige Staatsanwältin, leitet das Center for Media and
Democracy. Seit Jahren beobachtet sie die Koch-Organisationen.
Sprecherin 2:
Sie und ihre Gefolgsleute treiben ihre ökonomische Agenda auf eine eifernde,
evangelikale Weise voran, die fast schon religiös wirkt.
Erzähler:
Im Zentrum des Netzwerkes: die „Freedom Partners“, die Kenner als „geheime Bank“
des Koch-Systems bezeichnen. Seit 2011 sind die „Freedom Partners“ als
Handelskammer der Kochs und ihrer reichen Freunde registriert, mit etwa 200
Mitgliedern. Mindestbeitrag pro Jahr: 100.000 Dollar. Im Vorstand: viele
Führungskräfte von Koch Industries.
19
O-Ton:
Graves In 2012 the Koch Freedom Partners was not even known to most Americans.
And yet a year after the 2012 elections Freedom Partners filed a tax filing that
disclosed that they had spent nearly 300 Million Dollars on groups basically
influencing the US elections. And none but the billionaires knew that this was
happening.
Sprecherin 2:
2012 hatten die meisten Amerikaner noch nie von Freedom Partners gehört. Doch
nach dem Wahljahr 2012 haben die eine Steuererklärung gemacht, die besagt, dass
sie fast 300 Millionen an diverse Gruppe gezahlt hatten, um die Wahlen zu
beeinflussen. Nur die Milliardäre wussten davon.
Erzählerin:
Sommers wie winters treffen sich die Freedom Partners in schicken Hotels, zumeist
in Kalifornien, um zu besprechen, wohin das viele Geld fließen soll. Oft werden
vielversprechende Politiker zum Vorsingen eingeladen. Etliche republikanische
Präsidentschaftsanwärter haben hier einen Knicks gemacht. Kein Wunder: Anfang
2015 wurde bekannt, dass die Partner 2016 die Rekordsumme von 889 Millionen
Dollar in den Wahlkampf stecken wollen.
Erzählerin:
Selbst Kennern schwirrt bei so vielen Namen und Verflechtungen der Kopf.
O-Ton:
Graves It is a dizzying array of groups that they have created. So for example, the
sibling of Americans for prosperity is Freedom Works. It„s a great name: Freedom
Works! Freedom Works is basically another variant in this same Koch operation to
spread the free market fundamentalism and try to convince people that policies, that
cut taxes for the richest Americans, somehow trickle down to them. But they clearly
have growing sophistication in their PR – or their propaganda, quite frankly. And in
fact in the last twelve months they have dramatically expanded their PR operations.
Sprecherin 2:
Es ist ein schwindelerregendes Aufgebot von Gruppierungen, das sie da geschaffen
haben. Die Schwester von AfP zum Beispiel heißt „Freedom Works“. Ein toller Name:
„Freiheit funktioniert!“. Im Kern aber ist es nur eine Variante des immergleichen
Koch-Manövers: Ihren Freie-Markt-Fundamentalismus weiter zu verbreiten und den
Leuten einzureden, dass Steuer-Senkungen für die reichsten Amerikaner irgendwann
irgendwie auch bei ihnen ankommen werden. Aber ihre Öffentlichkeitsarbeit – sagen
wir besser: ihre Propaganda – wird immer raffinierter. Und in den letzten zwölf
Monaten haben sie die noch drastisch erweitert.
Atmo Crank Show
Sprecher:
740 KVOR
20
Gesang:
We need to stand our ground every single day.
And when we want the truth we know where to go:
We turn on the Jeff Crank Show.
Erzähler:
In einer der Radioboxen am Ende der Halle hat Jeff Crank gerade seine Talk-RadioShow beendet. Auch er hat schon für die Kochs gearbeitet.
O-Ton:
Jeff Crank This is about as grassroots as it gets. These people all chose to come
here. These people are here because they believe in freedom and liberty and they
wanna fight for it.
Sprecher 2:
Also, basisdemokratischer wird es nicht. All diese Leute sind freiwillig hier, weil sie an
Freiheit und Unabhängigkeit glauben.
Erzähler:
Er ist begeistert. Und hat eine überraschende These parat: George W. Bush war viel
zu links.
O-Ton:
Jeff Crank
The conservatives were never really in power. And that„s the problem. I mean,
George Bush grew the government faster than anybody would have ever hoped for,
many conservatives would have ever wanted him to grow it…
Sprecher 2:
Die Konservativen waren nie wirklich an der Macht. George Bush hat den
Regierungsapparat schneller wachsen lassen, als wir ahnen konnten.
Erzählerin:
So ähnlich hat es auch Charles Koch einmal formuliert. Bush, so sprach er, sei ja ein
feiner Kerl, aber politisch war er eine Pleite.
Atmo Hello! Hi! For everyone I haven‘t met yet – I met a lot of people here. My name
is Mary Conway. I am a trainer with the grassroots leadership academy. Yeaaah!
Jubel…
Erzähler:
In den kleineren Sälen lernen Wissbegierige mehr über die konkrete politische Arbeit.
In Kursen wie „Die Tricks des Geschäfts“, "Alles was wir tun ist Siegen“ oder „Das
linke Narrativ durchbrechen“.
O-Ton:
The key to get at being somebody who is very helpful in moving messages is figuring
out how you can be most helpful to the local host in your area.
21
Sprecher 3:
Entscheidend ist, dass Du hilfst, die Botschaft zu verbreiten und herausfindest, wie
Du Deinem lokalen Radio-Mann am besten helfen kannst.
Atmo …Michigan kind of paved the way…
…this wasn‘t just an overnight battle, this took many years of work from groups like
yours and groups like ours…
Sprecher 1:
Das war keine Schlacht über Nacht, das brauchte jahrelange Arbeit von Euch und
von uns.
Erzählerin:
Im Obergeschoss diskutieren AfP-Direktoren, Abgeordnete und Experten aus
Denkfabriken die perfekte Strategie für die Durchsetzung von „Right to work“ – Recht
auf Arbeit. Unter diesem Label firmieren Gesetze, die das Arbeitsrecht untergraben
und die Macht der Gewerkschaften brechen sollen.
…You basically had everyone working together. Mercatus Center providing the
intellectual ammunition. You had Americans for Prosperity getting the grassroots out
there … with all the activists at the capitol to counter the union protesters, you had a
really good Chamber of Commerce that came on board, it took the Chamber a while
to come on board but when they did they were pretty strong, you had good donors…
Sprecher 2:
Im Grunde haben alle zusammengearbeitet. Das Mercatus Center hat die
intellektuelle Munition geliefert. Americans for Prosperity hat die Basis mobilisiert, mit
all den Aktivisten in der Hauptstadt, die sich den Gewerkschaftsdemonstranten
entgegengestellt haben. Dann hatten wir eine wirklich gute Handelskammer – es
dauerte eine Weile, bis die an Bord kam. Und gute Spender.
Erzählerin:
Vor der Tür steht Cecilia, eine schwarze junge Frau aus Kansas City. Ich liebe das
Konservative, sagt sie und lächelt charmant. Sie trägt einen großen roten Button auf
der Bluse, darauf ein Schriftzug im Stil einer bekannten Limonademarke: „Enjoy
conservatism!“
O-Ton:
Cecilia
And I read Condoleezza Rice„s biography. And I loved it. I was like, well… I knew: I
was more right-wing. I took me just like a few days. And I knew: I am a Republican.
Sprecherin 1:
Ich hatte die Biographie von Condoleezza Rice gelesen Und plötzlich wusste ich: Ich
bin rechts. Ich brauchte ein paar Tage, dann war mir klar: Ich bin Republikanerin.
Erzähler:
Anfangs fanden ihre Freunde das komisch. Inzwischen hätten sie sich dran gewöhnt.
22
O-Ton: Cecilia
At first they had issues with it – because I am black. But now it„s like, I have done my
arguments so good that I can actually persuade them to see things my way a lot.
Now they have nothing to say. They just know: This is just what I do.
Sprecherin 1:
Die wissen einfach: Das ist es, was ich tue.
Erzähler:
Sie hat gerade einen Job als bezahlte Aktivistin gefunden. Aber sie würde gern in
Stanford studieren – wie Ihr Vorbild.
O-Ton:
Cecilia So we can have 300.000 Dollars – I can go there.
Sprecherin 1:
Mit 300.000 Dollar könnte ich dahin.
Erzähler:
Vielleicht könnten die Gebrüder Koch aushelfen?
O-Ton:
Cecilia I think they would. Let„s go ask them, where are they at? What about my
American dream? Lacht
Sprecherin 1:
Ich denke ja. Komm, wir gehen fragen. Wo sind Sie? Was ist mit meinem
amerikanischen Traum?
O-Ton:
Graves But ultimately what the Koch's want, in my view, and what their brothers and
sisters in the so-called Freedom Partners want, is sure things. They want politicians
who are going to protect corporations from regulation. They are intent on dramatically
changing US society to advance this free market fundamentalist view.
Sprecherin 2:
Was die Kochs und ihre Brüder und Schwestern bei den sogenannten Freedom
Partners wirklich wollen, ist Sicherheit. Sie wollen Politiker, die Konzerne vor
Regulierung schützen. Und sie sind entschlossen, die US-Gesellschaft dramatisch zu
verändern, um ihren Freie-Markt-Fundamentalismus voranzubringen.
O-Ton AfP ad:
Frauenstimme Wisconsin has always been a place of big ideas. Our net one: Right to
work.
O-Ton Telefonklingeln:
Walker: Hi, it‟s Scott Walker
„Koch”: Scott! David Koch. How are you?
Walker: Hi David! I am good. And yourself?
„Koch”: I am very well. A little disheartened by the situation. What is the latest?
23
Erzähler:
Ein Liebling der Kochs: Scott Walker, ein ehemaliger IBM-Vertreter, der 2010 in
Wisconsin Gouverneur wurde. Und sich sogleich anschickte, das Arbeitsrecht zu
verändern, das Bildungssystem umzukrempeln, den Sozialhilfeempfängern, den
Lehrern und anderen öffentlichen Bediensteten den Krieg zu erklären. Anfangs lief
bei Walker alles nach Plan. Mit Ausnahme eines Telefonats, bei dem Walker glaubte,
mit David Koch zu telefonieren. Und ihm fast 20 Minuten lang seine Strategie
darlegte.
O-Ton:
You got a few of the radical ones. But most of the rest of them are just looking for a
way to get out of this. They‟re scared out of their minds…
Sprecher 2:
Es gibt da ein paar Radikale. Aber die meisten suchen nur einen Ausweg. Sie haben
die Hosen voll.
Erzähler:
Der Anrufer war ein Mitarbeiter des Alternativblattes The Beast. Meist sagte er nur
mit tiefer Stimme „Beautiful!“. Nachdem er aufgelegt hatte, stellte er das ganze
Gespräch ins Internet.
O-Ton:
Koch: Well, I tell you what, Scott, once you crush these bastards I‟ll fly out to Cali and
really show you a good time.
Walker: That would be outstanding. Thanks for all the support and help us moving
the cause forward…
All right then. Bye…
O-Ton:
Graves I think it is the case, that in many ways Scott Walker is the king of
Kochlandia.
Erzähler:
Scott Walker sei lange der König des Koch-Reiches gewesen, meint Lisa Graves. Ihr
Center for Media and Democracy sitzt in Madison, Wisconsin, nur ein paar Schritte
vom Kapitol entfernt.
O-Ton:
Graves In Wisconsin, the Koch‟s have some long-time allies.
Erzählerin:
Hundert Jahre lang galt Wisconsin als Bastion der Progressiven, mit starken
Gewerkschaften. Dann kam Walker.
O-Ton:
Graves He has gutted the public educations system in Wisconsin, which is one of the
premier, best education system systems in the country, He has taken billions of
Dollars out of the schools.
24
Sprecherin 2:
Er hat das staatliche Bildungswesen, eines der besten der Nation, regelrecht
ausgeschlachtet, hat Milliarden Dollar aus den Schulen genommen.
Erzähler:
Seine Gesetze bekommt Walker oft von ALEC, dem American Legislative Exchange
Council. Ein Club von Firmenvertretern und meist konservativen Abgeordneten, der
schon seit 1973 gemeinsam und diskret neue Gesetzesvorlagen aushandelt.
Erzählerin:
Ein wichtiger Finanzier von ALEC – man ahnt es schon: die Gebrüder Koch.
Erzähler:
2011 starteten Graves und Kollegen die Website „ALEC exposed“ – nachdem ein
Whistleblower ihnen fast 1000 „Modellgesetze“ zugesteckt hatte.
O-Ton:
Graves connected the dots…
Erzähler:
Wir konnten die Punkte verknüpfen, sagt sie stolz.
Erzählerin:
Es ist alles dabei: Noch laxere Waffengesetze, schärfere Strafgesetze – die längst zu
völlig überfüllten Gefängnissen geführt haben. Schwammige Umweltgesetze,
konzernfreundliche Steuergesetze.
O-Ton:
Graves ALEC is weaker as he result of the public campaign that my organization and
others have engaged in to shine a light on ALEC, shine a light on the fact that these
corporations are voting and shine a light on these extreme policies.
Sprecherin 2:
ALEC ist schwächer, weil meine und andere Organisationen diese Vorgehensweise
und die extreme Politik dahinter ans Licht gebracht haben.
O-Ton:
Graves We documented how big corporations like Wal-Mart voted on those gun bills.
Erzähler:
Ein seltener Erfolg. Immer mehr Firmen verlassen – aus Sorge um ihren Ruf – die
gemütliche Runde. Große Namen wie McDonald‟s, Mars, Microsoft, auch Pepsi,
Coca-Cola, Intel, IBM, Amazon, Merck, Unilever, T Mobile und selbst Wal-Mart sind
ausgetreten. Shell war im Sommer 2015 die 106. Firma, die ging. Google-Chairman
Eric Schmidt fällte im Radiosender NPR ein verheerendes Urteil über ALEC:
O-Ton:
Schmidt And so we should not be aligned with such people. They're just literally lying.
25
Sprecher 1:
Wir sollten mit solchen Leuten nichts zu tun haben. Die lügen wie gedruckt.
O-Ton:
Graves One of the corporations… SAP left ALEC…
Erzähler:
Besonders freute sich Graves, als der US-Ableger der deutschen Firma SAP seinen
Ausstieg erklärte. Nachdem die Zentrale laut Befremden über ALECs „merkwürdige
Positionen“ geäußert hatte.
Erzähler:
2012 gelang es der Opposition, ein Abwahlverfahren gegen Scott Walker in Gang zu
bringen. Americans for Prosperity pumpte mehr als zehn Millionen Dollar nach
Wisconsin, schickte einen Bus auf Tour, der das „bessere Wisconsin“ unter Walker
zeigen sollte.
Erzählerin:
Walker blieb Gouverneur, träumte davon, Präsident zu werden. Doch im dichten Feld
der Konkurrenten gab er im Herbst 2015 auf.
Erzähler:
Auf der nationalen Bühne war das Jahr 2012 trotzdem eine Enttäuschung für die
Kochs. Ihr Apparat hatte alles gegeben. Allein AfP hatte 122 Millionen Dollar
verjubelt, über 51 000 Spots geschaltet. Barack Obama siegte trotzdem.
O-Ton:
Luke Now we have one more board member, who is someone whose courage is
unsurpassed. He„s constantly and consistently vilified for his efforts to put his time,
his talent, his treasure and his sacred honor on the line to defend the American
dream at all cost. He is someone who we draw inspiration from every day at
Americans for Prosperity. Someone who has stood up and said: Whatever it takes to
defend freedom for the next generation is what I am willing to do. Ladies and
gentlemen, please get up all on your feet and help me welcome the Chairman of our
foundation, Mr David Koch…
Sprecher 1:
Hier kommt ein Vorstandmitglied, dessen Mut unübertroffen ist
Erzähler:
Luke Hilgemann darf jetzt den Meister begrüßen.
Sprecher 1:
Der ständig und überall verunglimpft wird, dafür, dass er all seine Zeit, seine Talente,
sein Vermögen und seine heilige Ehre einsetzt, um den amerikanischen Traum mit
allen Mitteln zu verteidigen. Wir alle bei Americans for prosperity werden von ihm
jeden Tag inspiriert. Weil er dafür einsteht und beschlossen hat, alles zu tun, um die
Freiheit für die nächste Generation zu verteidigen. Erheben Sie sich, meine Damen
und Herren und begrüßen Sie mit mir unseren Vorstandsvorsitzenden, Mr. David
Koch.
26
O-Ton:
David Koch Good afternoon to all of you this afternoon. What a day we had so far
and what a tremendous lineup of speakers. Thank you for so much attending our 9th
annual Defending the American Dream Summit. This is without a doubt our biggest
turnout yet…
There is nothing more important than rounding Americans around a pro-liberty
agenda going into next year. Thanks to your passionate commitment to our country
people„s faith in the American dream – something that seemed so distant for so many
Americans – today is once again within our reach. Give yourself a big round of
applause for all you„ve accomplished. Victory is sure to come!
Sprecher 2:
Guten Tag Ihnen allen. Was für ein Tag, was für ein fantastisches Programm von
Rednern. Vielen Dank dafür, dass Sie unseren neunten Gipfel zur Verteidigung des
amerikanischen Traums besuchen. Es gibt nichts wichtigeres, als die Amerikaner mit
Blick auf das kommende Jahr hinter einer Agenda der Freiheit zu versammeln. Dank
Ihres hingebungsvollen Einsatzes für den Glauben unseres Volkes an den
amerikanischen Traum ist er endlich wieder in Reichweite. Spenden Sie sich selbst
einen großen Applaus für alles erreichte. Der Sieg ist nah!
Erzähler:
Er ist kein großer Redner. Er wirkt ein bisschen unbeholfen. Ein bisschen schlicht.
David trägt ein kleines Schild, auf dem nur „David“ steht. Wir sind hier unter
Freunden. Gleich wird er den „Washington Award“ verleihen, die höchste
Auszeichnung der AFP. Vorher aber muss er noch von seinem strengen Vater Fred
sprechen.
O-Ton:
David Koch I think my father Fred Koch would be pleased with our honorees and
would really support that AfP has been able to accomplish since its inception.
Pioneer and innovator and a hard worker, my father actually started the company that
now bears his name of Koch Industries. He also, ahem, understood the dangers of
excessive government intervention into people„s lives. Big government by its very
nature crushes the American dream by imposing government controls on our lives,
limiting economic opportunity. The life lessons I learned from my father are the
foundations upon which I live everyday. They also laid the heart of American, for…
foundation I helped start years ago.
Sprecher 2:
Ich glaube, mein Vater Fred Koch, wäre erfreut über unsere Preisträger und würde
sehr unterstützen, was Americans for Prosperity leistet. Mein Vater, ein Pionier,
Erneuerer und harter Arbeiter, gründete die Firma, die heute seinen Namen trägt:
Koch Industries. Er wusste um die Gefahren exzessiver Einmischung der Regierung
in das Leben der Menschen. „Big government“ zerstört den amerikanischen Traum.
Es liegt in seinem Wesen, unsere Leben zu kontrollieren und unsere wirtschaftlichen
Möglichkeiten zu begrenzen. Die Lektionen meines Vaters sind das Fundament
meines täglichen Lebens…
Atmo Demo Stop the Koch brothers! You destroy America! Stop the Koch brothers…
27
Erzählerin:
Vor dem Kongresszentrum läuft eine Schar Demonstranten vorbei. Riesige Puppen
ragen zwischen ihnen auf. Mit den Gesichtern von Scott Walker, Jeb Bush und
anderen Stars der Republikaner.
O-Ton:
Gewerkschafter Glen Workers helped to build the country that we live in. And right
now, the way it„s been run for industrialists and capitalists, it„s not giving the
American dream a chance to take off in America anymore…
Sprecher 2:
Arbeiter haben dieses Land mit aufgebaut. Aber so, wie es jetzt von den
Industriellen, den Kapitalisten geführt wird, hat der amerikanische Traum hier keine
Chance mehr.
O-Ton:
Gewerkschafter It„s about money. They got money, they throw money around. They
have to buy people„s feeling. We have our true feelings. This is what we believe in.
This is our work, this is our livelihood. They have to buy people„s feelings. We don„t.
Sprecher 1:
Es geht nur ums Geld. Sie schmeißen damit um sich. Aber sie müssen die Gefühle
der Menschen kaufen. Wir haben unsere echten Gefühle. Daran glauben wir. An
unsere Arbeit. Unser Auskommen.
Erzählerin:
Durch die Glasfront des Kongresszentrums betrachten einige AfP-Aktivisten das
Protesttreiben.
O-Ton:
It„s interesting. I am from South Mississippi, so we don„t see a lot of stuff like that.
Sprecherin 2:
Das ist interessant. Ich komme aus dem Süden von Mississippi. Da sehen wir so
etwas selten.
Erzähler:
Ein junger Bursche schaut fassungslos zu. Die werden alle bezahlt, sagt er.
O-Ton:
It„s interesting. Interesting to get paid to protest
You think they get paid?
Some of them are, yeah.
Erzählerin:
Die meisten in diesem Land, meint draußen eine ältere Dame, hätten längst keine
Stimme mehr.
28
O-Ton:
Gewerkschafterin Most don„t… most don„t… So…
And if you have one. Nobody is listening to.
Sprecherin 2:
Und selbst wenn. Es hört niemand zu.
Erzählerin:
38 Jahre lang hat sie gearbeitet.
O-Ton:
Gewerkschafterin You know, I worked for 38 years as a teacher, who get„s nothing.
Sprecherin 2:
Als Lehrerin. Da kriegst du nichts.
O-Ton:
Gewerkschafterin They are trying to take it away. You know what: Those people
never really had an American dream, they only dream of themselves. They only
dream of themselves! The Koch brothers, with all their money, why would they look at
us? Why don„t they look at some of the people who have what they have?
Sprecherin 2:
Diese Leute hatten nie einen amerikanischen Traum, sie träumen nur von sich. Was
wollen diese Koch-Brüder, mit all ihrem Geld, von uns? Warum wenden sie sich nicht
an die, die haben, was sie haben?
Erzählerin:
Ist der amerikanische Traum zu verkaufen?
Die alte Lehrerin schüttelt den Kopf. Sie guckt jetzt ein wenig verschmitzt.
O-Ton:
Gewerkschafterin
No, it„s not for sale. But they wonna buy it. It„s not for sale. But they want to buy it.
Stimmengewirr, Straßenatmo, dann sich aufbauender Wechselchorus:
The American dream is not for sale!
Sprecherin 2:
Nein, der ist nicht zu verkaufen. Aber sie wollen ihn trotzdem.
Absage:
Was kostet die Demokratie? Die Koch-Brüder und der Wahlkampf in den USA
Ein Feature von Tom Schimmeck
Eine Co-Produktion des Deutschlandfunks mit dem Südwestrundfunk 2016.
Es sprachen: Guido Lambrecht, Katharina Schmalenberg, Oliver Krietsch-Mazura,
Volker Niederfahrenhorst, Michael Che Koch, Martin Bross, Maja Bothe und Demet
Fey
Ton und Technik: Christoph Rieseberg und Angelika Brochhaus
Regie: Matthias Kapohl
Redaktion: Karin Beindorff
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