Text und Musteraufsatz - Konrad, Der Angriff

Jahrgangsstufe 8
Inhaltsangabe
Thomas Konrad: Der Angriff (2015)
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Es hatte warme 25°C, der strahlend blaue Himmel war nahezu wolkenlos, aber kein Vogel zu hören. Nicht einmal ein Hündchen flanierte über die löchrigen Lehmstraßen oder bellte entzückt seinem Herrchen entgegen. Überhaupt regte sich weder Mensch noch Tier weit und breit. Das Dorf
am Fuße des Frankenwaldes, in dem sonst ein recht reges Treiben geherrscht hatte, war wie ausgestorben. Man vermisste den würdevollen Anblick der Jungs in Hosenträgern und die mit bunten
Kleidern ausstaffierten Mädchen, die im satten Grün der Blumenwiesen herumtoben, im Dorfteich
plantschen, Verstecken spielen oder andere gefangen nehmen. Was man stattdessen hörte, war
lautes Knallen und Scheppern im Hintergrund. Immer und immer wieder. Der junge Johann, knapp
sieben Jahre alt, wohnte zusammen mit seinen Eltern und drei Geschwistern im älteren Viertel der
700-Seelen-Gemeinde. Neugierig begab er sich auf die von Wind und Wetter ausgebleichte und in
der Mitte eingedrückte Haustürschwelle und sah sich besorgt um. „Woher kommen denn ständig
diese lauten Geräusche?“, dachte er sich. Schon den ganzen Morgen donnerte, dröhnte und schepperte es gewaltig. Bis jetzt noch weit in der Ferne, aber die Geräusche schienen immer näher zu
kommen. Man munkelte, dass dies etwas mit dem Munitionszug zu tun haben könnte, der gerade
Station im örtlichen Bahnhof machte. Sollte der beschossen werden? Und von wem? Alles war
möglich in diesen Kriegszeiten. Johann war noch mitten in Gedanken, da kam ein großes graues
Etwas geflogen, dem ein komisches und überaus eindringliches Zischen vorausgegangen war. Im
Handumdrehen verdunkelte sich der Himmel. Der Stahlkoloss schlug mit einem enormen Knall,
der weit über das obere Maintal hinaus zu hören war, nur wenige Meter neben ihm ein. Es ging
alles viel zu schnell, um noch reagieren zu können. Durch den gewaltigen Luftdruck der Fliegerbombe wurde der Knabe durch die offen stehende Haustür etwa fünf Meter weit über den Flur in
das Esszimmer geschleudert. Er blieb auf der aus den Ankern gerissenen Wohnungstür und übersät von zahlreichen zu Bruch gegangenen Tellern und Kaffeetassen, die noch vom Mittagessen aufgebahrt waren, reglos liegen. Der scheinbare Staubsturm legte sich nur langsam. Ganz allmählich
ließen sich wieder Konturen der Umgebung, der Nachbarhäuser, ja des doch eigentlich so blauen
Himmels erkennen. Nachbarhäuser? Das Haus der guten Agnes schräg gegenüber, die Johann regelmäßig etwas Milch oder Eier geschenkt hatte, war nicht mehr widerzuerkennen. Die Fensterscheiben in den unteren beiden Stockwerken fehlten urplötzlich, in der oberen Etage waren nur
noch Bruchstücke der einstigen Verglasung erkennbar. Manche Glasfetzen bröckelten immer noch
stetig nach unten. Beim Aufprall auf dem ausgetrockneten Straßenboden zerbrachen sie in unzählbar viele Scherben. Und das nach allen Richtungen nahezu gleichermaßen. Man konnte fast meinen, die Scherben breiteten sich symmetrisch aus. Was für ein Schauspiel! In der Mitte der Straße
war nun ein riesiges Loch, mindestens zwei Meter im Durchmesser und so tief, dass man fast nicht
bis zum Grund sehen konnte. Der erst frisch gestrichene Gartenzaun lag teils schräg versunken
darin. Alles im Umkreis von vielen Metern war zerstört, zerrissen, zermalmt. Und Johann? Das Blut
strömte ihm aus der Stirn, durch seine kurze Hose schimmerten blutig-dreckige Hautfetzen, seine
Oberarme waren mit Schürf- und Brandwunden nur so übersät. Aber sonst trug er keine ernsthaften Verletzungen davon – er war nicht lebensgefährlich verletzt. Nach einigen Minuten kam er
wieder allmählich zu sich. Als er seinen Oberkörper mühevoll in Richtung Haustür hob, durch die
immer noch gelb-brauner Staub eindrang, erblickte er einen langgezogenen Schatten. Er gehörte
einer männlichen Person, die etwas Längliches in der Hand hielt: „Anyone at home?“
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Thomas Konrad
Jahrgangsstufe 8
Inhaltsangabe
Inhaltsangabe
a) Basissatz
In Thomas Konrads Kurzgeschichte „Der Angriff“ (2015) wird beschrieben, wie ein
kleiner Junge namens Johann inmitten kriegerischer Wirren unvermittelt in einen
Fliegerbombenangriff gerät, der sein mainfränkisches Heimatdorf ereilt.
b) Textzusammenfassung
Zu Beginn der Kurzgeschichte bekommt der Leser wertvolle Informationen über
den Schauplatz der Handlung, die in einem kleinen Dorf am Tor des Frankenwaldes
spielt. Der Erzähler verdeutlicht sogleich das Merkwürdige, das an dem beschriebenen Tag zum Vorschein kommt, denn entgegen der Gewohnheiten ist es sehr still
in dem ansonsten recht lebendigen Ort. Nun kommt erstmals ein fast siebenjähriger
Junge namens Johann, die Hauptfigur der Geschichte, zur Sprache, der auf der Türschwelle seines Elternhauses steht, da er erfahren möchte, woher die seltsamen Geräusche stammen, die bereits den ganzen Tag über zu hören sind. Im weiteren Verlauf gibt der Erzähler die Vermutung der Dorfbewohner preis, dass die Schüsse mit
dem im Bahnhof stehenden Munitionszug zu tun haben könnten. Den Höhepunkt
bildet der Einschlag einer Fliegerbombe in Johanns Wohnstraße. Der Junge wird
durch den Druck des Einschlages mehrere Meter weit durch sein Haus geworfen und
bleibt zunächst reglos liegen. Der Leser erfährt durch Beschreibungen der in Mitleidenschaft gezogenen Straße und des stark beschädigten Nachbarhauses zudem
einiges über das Ausmaß der Detonation. Johann, über dessen Schicksal der Erzähler bisher nichts gesagt hat, überlebt zwar verletzt, trägt aber keine lebensgefährlichen Verletzungen davon. Am Ende der Geschichte taucht der Schatten eines englisch sprechenden Mannes auf, den der sich langsam erholende Knabe erblickt. Es
bleibt offen, wer genau er ist und was er von Johann möchte.
Anmerkung:
Die obige Inhaltsangabe berücksichtigt sowohl inhaltliche als auch textstrukturelle
Aspekte. Wenn fortwährend auf die den Aufbau des Textes strukturierenden Elemente eingegangen wird und klar ersichtlich ist, dass es sich um einen Text handelt, der
zusammengefasst wird, ist die Gefahr, in eine bloße Nacherzählung abzudriften, nahezu ausgeschlossen.
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Thomas Konrad